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Entwicklung der Einwanderungspolitik

Randall Hansen

/ 4 Minuten zu lesen

Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich das Vereinigte Königreich zu einem Einwanderungsland. Dabei profitierten Einwanderer aus den ehemaligen Kolonien zunächst von privilegierten Einwanderungsbedingungen. Erst ab den 1960er Jahren wurde die Zuwanderung zunehmend erschwert.

Einwanderer aus der Karibik im Londoner Stadtteil Brixton 1961: Bis 1962 konnten alle Bürger der Commonwealth-Staaten ungehindert in das Vereinigte Königreich einreisen. (© picture-alliance)

Bis 1962 konnten alle Bürger der Commonwealth-Staaten ungehindert in das Vereinigte Königreich einreisen. Während der 1950er Jahre kamen auf diese Weise rund 500.000 zumeist junge und alleinstehende männliche Migranten in das Vereinigte Königreich. Als Reaktion auf die hohe Zahl von Migranten erließ die damalige konservative Regierung im Jahr 1962 die ersten Zuwanderungskontrollen. Diese wurden von der oppositionellen Labour-Partei vehement als populistische und rassistische Maßnahmen angeprangert. Zwei Jahre später gelangte die Labour-Partei an die Regierung und musste schon bald feststellen, was Familienzusammenführung bedeutete: Jeder Einwanderer, der vor 1962 ins Land gekommen war, brachte in der Folgezeit zwei bis vier weitere Familienmitglieder als Zuwanderer ins Land. Die Regierung verabschiedete sich daraufhin von ihrem einstmaligen Engagement für offene Grenzen und erweiterte im Jahre 1965 die Zuwanderungskontrollen. 1971 legte die konservative Regierung fest, dass für Bürger der Commonwealth-Staaten dieselben gesetzlichen Regeln gelten sollten wie für ausländische Staatsangehörige; lediglich Personen, die britische Großeltern vorweisen konnten, genossen weiterhin umfangreiche Einreiserechte. Die Maßnahme trat 1973 in Kraft, als das Vereinigte Königreich seine Grenzen für Arbeitskräfte aus den Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft öffnete. Die restriktive Politik gegenüber Einwanderern aus Drittstaaten setzte sich in den folgenden Jahrzehnten sowohl unter Labour- als auch unter konservativen Regierungen fort. Das Ziel der Beschränkungen bewegte sich weg vom Einwanderer im Allgemeinen und hin zum Asylbewerber im Speziellen. Es war und bleibt ein dauerhaftes Bestreben britischer Politik, die Zahl der Asylanträge zu senken. Bis in die 2000er Jahre erregte die Einwanderung aus EU-Staaten, die bis dahin überwiegend qualifizierte Migranten umfasste, kaum Aufmerksamkeit. Dies änderte sich jedoch nach dem Beitritt der osteuropäischen Staaten 2004. Seitdem ist auch die Einwanderung aus der EU sehr umstritten.

Die größte Veränderung in der Einwanderungspolitik erfolgte 2002, als ein Weißbuch erstellt wurde, das einen ambitionierten und umfangreichen Plan zur "gesteuerten Einwanderung" auf den Weg brachte. Im gleichen Jahr führte ein neues Nationalitäts-, Einwanderungs- und Asylgesetz (Nationality, Immigration and Asylum Act) Maßnahmen ein, die die Zuwanderung von hoch qualifizierten Arbeitskräften zu wirtschaftlichen Zwecken fördern sollten. Daraufhin wurde das Programm für hoch qualifizierte Migranten (Highly Skilled Migrant Program, HSMP) eingeführt, welches ebenso wie das australische Modell auf einem Punktesystem basiert. Das HSMP wurde 2008 im Zuge des Aufbaus eines fünfstufigen Einwanderungssystems eingestellt.

Reform des Einwanderungssystems

Als Folge öffentlicher Beratungsprozesse zur Reform des Einwanderungssystems wurde das Punkteverfahren 2006 zu einem fünfstufigen System ausgearbeitet. In diesem neuen System erhalten die Bewerber Punkte auf der Basis ihrer Qualifikation und aufgrund des Bedarfes am Arbeitsmarkt. Die bis dahin existierenden rund 80 verschiedenen Zugangswege in das Vereinigte Königreich wurden auf die folgenden Zuwanderungsmöglichkeiten reduziert: Eine erste Stufe ist für hoch qualifizierte Zuwanderer (dies ist die einzige Gruppe, die kein Stellenangebot benötigt, um eine Zugangsberechtigung zu erhalten). Eine zweite Stufe zielt auf qualifizierte Arbeiter, die in bestimmten Arbeitsbereichen benötigt werden, wie beispielsweise Pflegepersonal, Lehrer oder Ingenieure. Die dritte Stufe umfasst gering qualifizierte Arbeiter (Bewerber dieser Stufe benötigen einen Arbeitgeber, der sie nachweislich fördert). Die vierte Stufe ist für Studierende und die fünfte Stufe umfasst Urlauber, die arbeiten (working holidaymakers) , sowie Leistungssportler und Musiker. Die dritte Stufe ist nie umgesetzt worden.

Als die Regierungskoalition aus Konservativen und Liberaldemokraten unter Premierminister David Cameron 2010 an die Macht kam, versprach sie, die Einwanderung auf einige zehntausend Migranten zu senken. Bislang hat sie dieses Ziel aber verfehlt. Die Lobbyarbeit der Wirtschaft führte dazu, dass die Regierung die jährliche Höchstgrenze für die Zuwanderung im Rahmen von Stufe 1 auf 1.000 Personen festsetzte und sie auf "besonders Qualifizierte" beschränkte. Die Zuwanderung über Stufe 2 wurde auf 20.700 begrenzt; davon sind allerdings Personen, die jährlich mehr als 150.000 Pfund verdienen, ebenso ausgenommen wie Mitarbeiter, die aus dem Ausland in die britische Niederlassung ihres Unternehmens entsandt werden (intra-company transfers), und einige weitere Kategorien. Die Ausstellung einer Aufenthaltsgenehmigung im Rahmen der Stufe 4 erfolgt nur unter strengen Kontrollen, um zu verhindern, dass Bildungseinrichtungen nur als Instrument genutzt werden, um an ein Visum zu gelangen; zudem sind die Aufenthaltsgenehmigungen zeitlich begrenzt: Studierende dürfen demnach nur fünf Jahre im Vereinigten Königreich bleiben. Zuvor konnten sich Personen mit einem Studienabschluss um ein Arbeitsvisum im Rahmen von Stufe 1 (Post Study Work) bewerben. Dies ist nicht mehr möglich. Stattdessen können sie ein Visum der Stufe 2 beantragen. Die Zuwanderung über die fünfte Stufe des Einwanderungssystems ist nicht auf eine bestimmte Zahl von Migranten begrenzt; Bewerber müssen jedoch genau wie Bewerber, die über andere Stufen des Systems einwandern wollen, eine Mindestpunktzahl im Rahmen eines Punktesystems erwerben, um eine Aufenthaltserlaubnis zu erhalten (ausreichende finanzielle Mittel bringen beispielsweise 10 der 30 vorausgesetzten Punkten). 2012 verkündete die Regierung, dass ausländische Arbeitskräfte, die über Stufe 2 einwandern wollen, jährlich mindestens 35.000 Pfund verdienen müssen.

Dieser Text ist Teil des Interner Link: Länderprofils Vereinigtes Königreich.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Hansen (2000).

  2. Hansen (2000).

  3. Im Rahmen des Programms für arbeitende Touristen (Working Holidaymaker Scheme), können Personen, die zwischen 17 und 30 Jahre alt sind und aus Australien, Kanada, Japan, Neuseeland, Monaco oder Taiwan stammen sowie Einwohner einiger britischer Überseeterritorien und britische Staatsangehörige (aus dem Ausland), insbesondere aus Hongkong, für zwei Jahre zum Urlaub ins Vereinigte Königreich kommen; in diesen zwei Jahren dürfen sie insgesamt zwölf Monate arbeiten.

  4. Für einen Überblick siehe Hansen (2014).

Lizenz

Dieser Text ist unter der Creative Commons Lizenz "CC BY-NC-ND 3.0 DE - Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland" veröffentlicht. Autor/-in: Randall Hansen für bpb.de

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Dr. Randall Hansen ist Professor am Lehrstuhl für "Kanadische Forschung zu Einwanderung und Governance" sowie Direktor des "Zentrums für Europäische, Russische und Eurasische Studien" der Universität Toronto. E-Mail Link: r.hansen@utoronto.ca