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Historische Entwicklung der Migration nach Luxemburg

Boris Kühn

/ 4 Minuten zu lesen

Heute ist Luxemburg als Sitz verschiedener EU-Institutionen und internationalem Finanzplatz ein Einwanderungsmagnet. Dass das nicht immer so war, verrät ein Blick in die Migrationsgeschichte des Landes.

Stahlwerk in Luxemburg 1953: Nach 1945 benötigte das unter deutscher Besatzung stark zerstörte Luxemburg ausländische Arbeitskräfte zum Wiederaufbau des Landes. Hierfür unterzeichnete die Regierung bereits im Jahr 1948 ein erstes Abkommen mit Italien. (© picture alliance / akg )

Zu- und Abwanderung im Zeitalter der Industrialisierung

Das Großherzogtum Luxemburg besteht seit 1839 als unabhängiger Staat in den heutigen Grenzen und war in seinen Anfängen ein eher armes, ländlich geprägtes Gebiet. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts etablierte sich im Süden des Landes eine Eisen- und Stahlindustrie, die Arbeitskräfte aus dem Ausland anzog: Zunächst Deutsche aus den angrenzenden Regionen, die zumeist als Facharbeiter rekrutiert wurden, dann auch italienische Arbeitswanderer, die die schlecht bezahlten, unqualifizierten Tätigkeiten übernahmen. Parallel zu dieser ersten Einwanderungswelle war Luxemburg bis zum Ersten Weltkrieg auch ein Auswanderungsland: Viele gebürtige Luxemburger migrierten nach Nordamerika, aber auch ins nahe Lothringen, wo sie in der dortigen Industrie höhere Löhne erzielen konnten.

Der Ausländeranteil der Bevölkerung verfünffachte sich zwischen 1875 und 1910 von knapp drei Prozent auf 15 Prozent. Dabei waren männliche Zuwanderer deutlich überrepräsentiert. Viele Italiener kamen ohne Familien und blieben nur für kurze Zeit im Land bzw. wanderten mehrfach zwischen Arbeitsplätzen in den Grenzregionen Lothringen und Saarland hin und her. Die meisten ließen sich – viele vorübergehend, manche dauerhaft – in armen Arbeitervierteln nahe der Fabriken nieder: Es entstanden "Ghettos" wie "La Petite Italie" im südluxemburgischen Dudelange.

Neben wirtschaftlichen Krisen führten vor allem die beiden Weltkriege zu vorübergehenden Rückgängen der ausländischen Bevölkerung. Am Ende des Zweiten Weltkriegs erreichte diese den niedrigsten Stand seit der Jahrhundertwende.

Einwanderung nach dem Zweiten Weltkrieg

Nach 1945 benötigte das unter deutscher Besatzung stark zerstörte Luxemburg ausländische Arbeitskräfte zum Wiederaufbau des Landes. Die Zielgruppe der luxemburgischen Regierung waren zunächst erneut junge, alleinstehende Italiener, die für einen begrenzten Zeitraum ins Land geholt werden sollten. Hierfür unterzeichnete sie bereits im Jahr 1948 ein erstes Abkommen mit Italien, das in der Folge mehrfach erneuert wurde. Diese zweite italienische Einwanderungswelle ebbte jedoch Anfang der 1960er Jahre wieder ab, da italienische Auswanderer nun Deutschland und die Schweiz, wo das Lohnniveau zu jener Zeit höher war, bevorzugten und auch die wachsende norditalienische Wirtschaft zunehmend mehr Arbeitsperspektiven bot.

Abbildung 1: Entwicklung der ausländischen Bevölkerung 1875 bis 2014. Grafik als Interner Link: PDF-Datei (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Um dem Arbeitskräftebedarf der boomenden Wirtschaft zu begegnen, schloss die luxemburgische Regierung 1970 Anwerbeabkommen mit Portugal und Jugoslawien ab und erleichterte damit die Einwanderung aus diesen Nicht-EG-Ländern. Dabei fiel das Abkommen mit Portugal aufgrund der vorgeblich größeren "kulturellen Nähe" deutlich weniger restriktiv aus (vgl. das Kapitel zur Migrationspolitik), so dass in den Folgejahren Portugiesen den Großteil der Einwanderer stellten: Ihre Zahl erhöhte sich in den 1970er Jahren von gut 5.000 auf knapp 30.000. Infolge der wirtschaftlichen Krise ab Mitte der 1970er Jahre kam die Einwanderung nach Luxemburg vorübergehend zum Erliegen, seit Mitte der 1980er Jahre ist der Wanderungssaldo aus Portugal jedoch wieder durchgehend positiv, so dass die portugiesische Bevölkerung bis zur Jahrtausendwende auf fast 60.000 anstieg (siehe Abb. 2).

Abbildung 2: Ausländische Bevölkerung seit 1945 nach Hauptherkunftsländern. Grafik als Interner Link: PDF-Datei (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Die portugiesische Einwanderung war dabei von Anfang an zu großen Teilen eine familiäre und auf längere Dauer angelegte. Ehepaare migrierten mit ihren Kindern bzw. holten diese nach einer Weile nach oder gründeten in Luxemburg eine Familie. Häufig kam es zu einer Kettenmigration: Auf die "Pionier"-Migranten folgten Geschwister, Cousins und Cousinen oder Bekannte aus demselben Heimatdorf. Der Großteil dieser Einwanderer verfügte über eine geringe Schulbildung (nicht selten nur vier Jahre Grundschule) und fand Anstellung in Branchen, die von Luxemburgern zunehmend gemieden wurden: Männer vorwiegend im Bauwesen, Frauen z.B. als Reinigungskräfte oder Haushaltshilfen.

Parallel zur Migration in die unteren Segmente des Arbeitsmarktes, setzte – zunächst in kleinerem Rahmen – eine Arbeitsmigration anderen Typs ein, die ab Ende der 1980er Jahre Schwung aufnahm: Der Zuzug von Hochqualifizierten, die in Institutionen der Europäischen Gemeinschaft und in Unternehmen des Finanzsektors eine Anstellung fanden. Die Finanzbranche wurde zum Motor des Wirtschaftswachstums und konnte den Verlust an Arbeitsplätzen durch das Ende der Schwerindustrie im Süden des Landes mehr als kompensieren. Die Hauptherkunftsländer dieser Zuwanderer waren (und sind) die Nachbarstaaten Belgien, Deutschland und Frankreich, wobei vor allem Franzosen auch in anderen, weniger gut entlohnten Branchen wie dem Hotel- und Gaststättengewerbe durchaus zahlreich vertreten sind.

Diese doppelte Einwanderung (double immigration) sowohl am unteren als auch am oberen Ende der Einkommensskala ist ein Merkmal der luxemburgischen Migrationsgeschichte, das sich im Grunde seit den Anfängen der Einwanderungsgeschichte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis in die heutige Zeit fortsetzt.

Dieser Text ist Teil des Interner Link: Länderprofils Luxemburg.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Falls nicht explizit etwas anderes aufgeführt wird, stammen alle im Folgenden genannten Zahlen zur Einwanderung und Bevölkerungszusammensetzung aus den öffentlich zugänglichen Statistiken der Rubriken "Population et emploi" sowie "Migrations" des luxemburgischen Statistikinstituts STATEC oder sind eigene Berechnungen auf Grundlage der dort angegebenen Zahlen. Externer Link: http://www.statistiques.public.lu/ (Zugriff: 7.5.2015).

  2. Pauly (2010), S. 66-67; Cordeiro (2001), S. 94-97.

  3. Pauly (2010), S. 67-68.

  4. In den 1960er und 1970er Jahren kamen auch einige Tausend spanische Arbeitsmigranten nach Luxemburg, ihr Anteil blieb aber vergleichsweise gering: Scuto (2009), S. 346.

  5. Pauly (2010), S. 67-69; STATEC (2013a); Cordeiro (2001), S. 98-99.

  6. Hartmann-Hirsch (2010), S. 124-127; Pauly (2010), S. 70-72.

Lizenz

Dieser Text ist unter der Creative Commons Lizenz "CC BY-NC-ND 3.0 DE - Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland" veröffentlicht. Autor/-in: Boris Kühn für bpb.de

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Boris Kühn, M.A., war von April 2013 bis Februar 2015 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Luxemburg und hat dort im Forschungsgebiet "INSIDE - Integrative Research Unit on Social and Individual Development" zum Thema Migration und Alterung gearbeitet.