Bangladesch hat eine lange Tradition der Entsendung von Arbeitsmigranten ins Ausland. Es gibt zahlreiche Gesetze und Institutionen, die diese Migration steuern und die Rechte bangladeschischer Arbeitsmigranten schützen sollen. Einwanderung spielt demgegenüber bislang kaum eine Rolle.
Im Vergleich zur Bedeutung, die der internationalen Migration von Arbeitsmigranten aus Bangladesch für die Wirtschaft des Landes und seine langfristige Entwicklungsstrategie beigemessen wird, haben Einwanderung und Flüchtlingsschutz keine politische Priorität. Seit den 1960er Jahren verzeichnete Bangladesch durchgehend einen negativen Wanderungssaldo – die Zahl der Abwanderer überstieg also stets die der Zuwanderer[1]. 2013 lebten rund 1,4 Millionen ausländische Staatsangehörige in Bangladesch und stellten damit nur einen Anteil an der Gesamtbevölkerung von etwa 0,9 Prozent. Malaysia, Myanmar, China, Indonesien und Laos sind die fünf Hauptherkunftsländer (siehe Tabelle 5). Die Einwanderungsstatistik gibt keine Auskunft darüber, ob es sich zum Beispiel bei den rund 45.000 in Bangladesch lebenden US-Amerikanern um Expatriates handelt, die in den Bereichen Entwicklung, Wissenschaft, Technologie oder der Bekleidungsindustrie arbeiten, oder etwa um ehemalige Auswanderer aus Bangladesch, die die US-amerikanische Staatsangehörigkeit angenommen haben und dann nach Bangladesch zurückgekehrt sind. Die Regierung Bangladeschs hat Visa-Bestimmungen für Touristen und ausländische Arbeitskräfte erlassen, aber bislang keine explizite Einwanderungspolitik definiert.
Tabelle 5: Die zehn Hauptherkunftsländer von Migranten in Bangladesch 2013
Die Probleme von zwei Minderheitengruppen in Bangladesch müssen erwähnt werden. Zum einen gibt es die Biharis, Urdu sprechende Muslime, die zur Zeit der Teilung Indiens 1947 aus dem von Hindus dominierten indischen Bundesstaat Bihar in das damalige Ostpakistan migrierten. Im Bürgerkrieg in Bangladesch kämpften sie auf der Seite der Truppen Westpakistans. Nach der Unabhängigkeit Bangladeschs 1971 blieben sie im neu gegründeten Land, entschieden sich aber dennoch für die pakistanische Staatsangehörigkeit. Sie wurden in zahlreichen Flüchtlingslagern überall im Land untergebracht und sind seitdem von der Gesellschaft und dem Zugang zu sozialen Dienstleistungen und zum Bildungssystem ausgeschlossen. 2008 wurden den 250.000 Biharis, die über das Staatsgebiet Bangladeschs verstreut leben, Identitätspapiere ausgestellt, die es ihnen erlaubten, an den Wahlen teilzunehmen. Dennoch werden einige von ihnen bis heute nicht als vollwertige bangladeschische Staatsangehörige anerkannt. Viele von ihnen sehen sich selbst als "gestrandete" oder staatenlose Menschen[2].
Zum anderen gibt es die Rohingya, die seit jeher in der Grenzregion zwischen Bangladesch und Myanmar leben. In Myanmar werden sie als Minderheit Bengali sprechender Muslime betrachtet. Sie haben keine vollen Bürgerrechte und sind repressiven Staatshandlungen, politischer Schikane und sozialer Ausgrenzung ausgesetzt. 1978 flohen etwa 200.000 und 1991/92 noch einmal rund 250.000 Rohingya nach Bangladesch, das aber nie die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 unterzeichnet hat. Die Unterstützung, die die Flüchtlinge in Bangladesch erhielten, war minimal. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) errichtete einige Flüchtlingslager im Bezirk Cox Bazar, die bis heute existieren und etwa 2.600 Menschen beherbergen. Mitte der 1990er Jahre wurden etwa 236.000 Flüchtlinge nach Myanmar zurückgeschickt; die meisten von ihnen kehrten kurz darauf "illegal" wieder nach Bangladesch zurück. Insgesamt leben heute etwa 200.000 Flüchtlinge und undokumentierte Migranten aus Myanmar in Bangladesch (siehe Tabelle 5). Sowohl anerkannte Flüchtlinge als auch Rohingya, die sich auf eigene Initiative in Bangladesch niedergelassen haben, sind mit wirtschaftlicher Ausbeutung, politischer Repression und sozialer Ausgrenzung konfrontiert. Zwischen 2012 und 2014 verdreifachte sich die Zahl der Migranten und Flüchtlinge aus Myanmar und Bangladesch, die per Boot versuchten, Thailand, Malaysia und Indonesien zu erreichen; sie stieg von 20.000 auf 63.000 an. Im Mai 2015 saßen zehntausende dieser "irregulären" Migranten im Grenzgebiet zwischen Thailand und Malaysia fest oder trieben wochenlang in Booten auf dem Andamanischen Meer. Neben der anhaltenden Gewalt gegenüber dieser muslimischen Minderheit in Myanmar kann diese humanitäre Krise auch teilweise durch die abweisende Haltung Bangladeschs gegenüber den Rohingya-Flüchtlingen erklärt werden[3].
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Viele Bangladescher pendeln regelmäßig zwischen ihrem Heimatdorf in ländlichen Gebieten und der Megastadt Dhaka. Die meisten Strecken werden mit Bussen zurückgelegt.
Dr. Benjamin Etzold ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Geographischen Institut der Universität Bonn. Er hat über den Straßenhandel in der Megastadt Dhaka promoviert und war an einem Forschungsprojekt zu Klimawandel, Hunger und Migration in Bangladesch beteiligt. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen die geographische Migrations- und Entwicklungsforschung mit Fokus auf soziale Verwundbarkeit und Arbeitsverhältnisse.
E-Mail: etzold@giub.uni-bonn.de
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