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Die Flüchtlingskrise der Rohingya | Regionalprofil Südasien | bpb.de

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Die Flüchtlingskrise der Rohingya

Nasir Uddin

/ 7 Minuten zu lesen

Die Rohingya, eine staatenlose Minderheit in Myanmar, werden seit Jahrzehnten verfolgt. Fast eine Million von ihnen leben unter prekären Bedingungen im Exil in Bangladesch. Ein Überblick.

Geflüchtete Rohingya, welche von Myanmar nach Bangladesch geflohen sind, stehen im Kutupalong Geflüchtetencamp an, um Hilfe zu erhalten (November 2017). (© picture-alliance/AP)

Die Rohingya, die oft als "eine der am stärksten verfolgten Minderheiten der Welt" bezeichnet werden, sind eine ethnisch-sprachliche und religiöse Minderheit, die seit Jahrhunderten auf dem Gebiet des heutigen Interner Link: Myanmar ansässig ist. Derzeit leben etwa 500.000 von ihnen in Myanmar, die meisten davon im Bundesstaat Rakhaing. Weitere 1,3 Millionen Rohingya leben im benachbarten Südosten Bangladeschs, von denen fast alle auf der Suche nach Schutz dorthin gekommen sind. Seit 1962 das Militär putschte und die Zivilregierung des damaligen Birma durch ein totalitäres Regime ersetzt wurde, waren Chinesen, Inder (Muslime und Hindus) und die Rohingya Ziel von Verfolgung, Ausbeutung, Diskriminierung und schweren Menschenrechtsverletzungen. Die Geschichte der Massenvertreibung der Rohingya begann 1978, als die Militärjunta die "Operation Drachenkönig" (Operation Dragon King) startete, um illegale Migrant/-innen und Flüchtlinge, insbesondere die Rohingya aus dem Land zu vertreiben und die in der Flucht von rund 250.000 Menschen mündete. Vier Jahre später, 1982, erließ Birma ein Staatsbürgerschaftsgesetz, das 135 "nationalen Rassen" die Staatsbürgerschaft zugestand, jedoch die Rohingya ausschloss und sie damit zu Staatenlosen machte.

Im Jahr 1991 leitete das myanmarische Militär eine weitere Operation namens "Reine und schöne Nation" (Operation Clean and Beautiful Nation) ein, die ebenfalls darauf abzielte, die Rohingya aus dem Rakhaing-Staat zu vertreiben. Aufeinanderfolgende Operationen gegen die Rohingya zwangen Hunderttausende von ihnen, vor der Verfolgung nach Bangladesch, Thailand, Malaysia und in Länder des Nahen Ostens zu fliehen. Im Jahr 2007 erregten die Rohingya weltweite mediale Aufmerksamkeit und weckten als sogenannte "New Boatpeople" die Besorgnis von Menschenrechtsorganisationen, weil Hunderte von ihnen bei dem Versuch, Thailand und Malaysia mit dem Boot zu erreichen, auf See ertranken. Die Vertreibung eskalierte im August 2017, als in Myanmars Bundesstaat Rakhaing Gewalt ausbrach und binnen zwei Jahren mehr als 742.000 Rohingya in Bangladesch Zuflucht suchten.

Staatenlosigkeit ist die Hauptursache für die Verwundbarkeit der Rohingya, da sich kein Staat für den Schutz ihrer Rechte verantwortlich fühlt. In Myanmar gelten die Rohingya als "illegale Einwanderer aus Bangladesch", während sie in Bangladesch lange als "illegale birmanische Migrant/-innen" bezeichnet wurden. Nach dem jüngsten massiven Zustrom im Jahr 2017 wurden die Rohingya in Bangladesch jedoch umbenannt und gelten seitdem als "zwangsvertriebene myanmarische Staatsangehörige".

(Zwangs-)Migration von Rohingya nach Bangladesch

Die Geschichte der Interner Link: Migration von Rohingya aus dem Bundesstaat Rakhaing (ehemals Provinz Arakan) nach Bangladesch begann Ende der siebziger Jahre. Der erste Zustrom von ungefähr 250.000 Rohingya erfolgte 1978 als Ergebnis der Operation Dragon King. Im Laufe der Jahre wurden Berichten zufolge rund 230.000 Rohingya-Flüchtlinge unter Aufsicht des Interner Link: UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) nach Myanmar zurückgeführt. Viele von ihnen kehrten jedoch illegal nach Bangladesch zurück, wo sie als nicht registrierte Rohingya an verschiedenen Orten in Teknaf und Ukhia lebten, zwei Unterbezirken des Verwaltungsbezirks Cox's Bazar, insbesondere in zwei provisorischen Lagern namens Taal (in Ukhia) und Leda (in Teknaf), in denen etwa 40.000 bzw. 30.000 Rohingya untergebracht waren. Ungefähr 350.000 bis 400.000 Rohingya lebten außerhalb dieser Lager. Vor 2017 waren nur 32.000 Rohingya offiziell in Bangladesch registriert und von der Regierung als Flüchtlinge anerkannt. Sie lebten in zwei offiziellen Lagern – Kutupalong in Ukhia und Nayapara in Teknaf –, die vom UNHCR überwacht wurden. Viele Rohingya, insbesondere diejenigen, die vor drei oder vier Jahrzehnten nach Bangladesch kamen, sind heute im Besitz eines bangladeschischen Reisepasses und Personalausweises und haben sich in die lokale Gesellschaft integriert. Mit bangladeschischen Pässen ausgestattet, sind viele von ihnen als internationale Arbeitsmigrant/-innen in die Interner Link: Golfstaaten abgewandert. Inzwischen leben in Bangladesch 1,3 Millionen Rohingya-Flüchtlinge. Die Siedlung der Rohingya in der Nähe der Grenzstadt Cox's Bazar ist heute das größte Flüchtlingslager der Welt.

Der Rohingya-Zustrom von 2017 und seine Auswirkungen

Ein 2018 erschienener Bericht eines dreiköpfigen Gremiums, das von den Vereinten Nationen ernannt wurde, um Myanmars Militärkampagne im Jahr 2017 zu untersuchen, zeigt, dass myanmarische Sicherheitskräfte, Extremisten der Bamar-Ethnie und buddhistische Fundamentalisten aus Rakhaing eine Allianz zur Durchführung der sogenannten "Räumungsoperationen" (Clearance Operations) bildeten, die am 25. August 2017 begannen. Diese Operation war eine direkte Reaktion auf Angriffe auf 30 Polizei- und Militärposten im Norden Rakhaings durch die Arakan Rohingya Salvation Army (ARSA) am 24. August 2017. Bis September 2018 hatten im Zuge dieser Militäroffensiven mehr als 725.000 Rohingya in Bangladesch Zuflucht gesucht. Laut Bericht wurden – konservativen Schätzungen zufolge – bei den Räumungsoperationen mindestens 10.000 Rohingya getötet, Hunderte von Frauen und Mädchen vergewaltigt – häufig im Rahmen von Gruppen-Vergewaltigungen – und rund 392 Rohingya-Dörfer teilweise oder vollständig zerstört. Das Ausmaß der Gräueltaten war so groß, dass der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte die Operationen als "Musterbeispiel für ethnische Säuberungen" bezeichnete, während andere UN-Ermittler von Interner Link: Völkermord sprachen. Im Jahr 2019, zwei Jahre nach den Räumungsoperationen, betonten sie, dass Rohingya in Myanmar immer noch gefährdet sind. Den UN-Ermittler/-innen zufolge seien viele der Bedingungen, die zu "Tötungen, Vergewaltigungen und Gruppenvergewaltigungen, Folterungen, Vertreibungen und anderen schweren Rechtsverletzungen" durch Myanmars Militär geführt haben, nach wie vor gegeben, und Rohingya, die in Myanmar bleiben, seien "einer größeren Gefahr des Völkermords ausgesetzt als je zuvor".

In Bangladesch leben die geflüchteten Rohingya in einer prekären Situation. Sie werden zwar mit Lebensmitteln, Wasser und medizinisch versorgt, jedoch nicht im erforderlichen Umfang. Weder die Regierung noch die nationalen Medien oder Vertreter/-innen der Zivilgesellschaft setzen sich für ihre Rechte ein. Die lokale Bevölkerung begegnet der Aufnahme der Rohingya mit zunehmendem Widerwillen und hat damit begonnen, die Rohingya für verschiedene soziale Probleme verantwortlich zu machen. Da sowohl Ukhia als auch Teknaf im Verwaltungsbezirk Cox's Bazar ressourcenarme Gebiete sind, bedeutet die Anwesenheit von 1,3 Millionen Rohingya eine zusätzliche Belastung für die lokalen Ressourcen, Arbeitsmärkte und sozialen Räume. Sie stellt auch eine Belastung für die Umwelt dar. Eine Studie aus dem Jahr 2018 bestätigt, dass insgesamt 4.300 Morgen Wald abgeholzt wurden, um temporäre Unterkünfte für Rohingya zu schaffen. In den verbleibenden Wäldern und Dschungeln in Ukhia und Teknaf werden monatlich fast 6.800 Tonnen Brennholz gesammelt. Die lokalen Bauern und Bäuerinnen haben Ackerland sowie Geflügel- und Viehzuchtgebiete verloren, da die meisten Weideflächen jetzt von Flüchtlingssiedlungen eingenommen werden. Die örtliche Sicherheitslage hat sich verschlechtert. Es gibt nicht nur Zusammenstöße zwischen Einheimischen und Rohingya, sondern auch unter Rohingya. Frauen und Kinder sind in Gefahr, Opfer von Vergewaltigung und Interner Link: Menschenhandel zu werden. Ende 2018 wurden in den Lagern 40 Personen identifiziert, die dort in den Handel von Frauen- und Kindern in den Nahen Osten und nach Malaysia involviert waren. Zwangsprostitution wird in den Lagern zur Norm, da Frauen und Mädchen unter dem Vorwand der Eheschließung oder mit dem Versprechen auf einen Arbeitsplatz gekauft, verkauft, exportiert und in Bordelle gelockt werden.

Bangladesch und Myanmar haben unterdessen zwei Versuche unternommen, Rohingya nach Myanmar zurückzuführen – einen am 15. November 2018 und einen zweiten am 22. Interner Link: August 2019. Beide Versuche scheiterten hauptsächlich an Myanmars Widerwillen, Rohingya zurückzunehmen, ebenso wie am Unwillen der Rohingya, in ein Land zurückzukehren, das ihnen keinen Schutz und keine Rechte als Staatsbürger/-innen gewährt sowie am Widerspruch der internationalen Gemeinschaften. Daher ist es sehr wahrscheinlich, dass der Verwaltungsbezirk Cox's Basar zur dauerhaften Heimat von mehr als einer Million Flüchtlingen wird. Durch den fehlenden politischen Willen auf beiden Seiten der Grenze, die langjährige Vertreibungskrise der Rohingya zu lösen, ist sie bereits jetzt zu einer langwierigen Flüchtlingssituation geworden.

Übersetzung aus dem Englischen: Vera Hanewinkel

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Nasir Uddin ist Kulturanthropologe und Professor für Anthropologie an der Universität von Chittagong, Bangladesch. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen Migrations- und Flüchtlingsforschung, Staatenlosigkeit und Nichtbürger sowie das Volk der Rohingya.