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'Make it in Germany' – das Fachkräfteeinwanderungsgesetz | Deutschland | bpb.de

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'Make it in Germany' – das Fachkräfteeinwanderungsgesetz

Holger Kolb

/ 6 Minuten zu lesen

Fachkräfteengpässe stellen viele Unternehmen in Deutschland vor Schwierigkeiten. Ausländische Arbeitskräfte könnten bestehende Lücken schließen. Am 1. März 2020 trat ein Gesetz in Kraft, das ihre Zuwanderung erleichtern soll.

Visitenkarten der Zentralen Servicestelle Berufsanerkennung. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz bietet auch die Möglichkeit zur Nachqualifikation durch Fort- und Weiterbildungen nach Deutschland zu kommen. (© picture-alliance/dpa, Oliver Berg)

Im Sommer 2019 hat die Bundesregierung ein umfangreiches Gesetzespaket verabschiedet, das sowohl Fragen der Interner Link: Migration nach Deutschland als auch Fragen der Interner Link: Integration in Deutschland umfassend neu regelt. Zentrale Bestandteile des Paketes mit Blick auf Migration waren das sogenannte Externer Link: Geordnete-Rückkehr-Gesetz sowie das Externer Link: Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Im Geordnete-Rückkehr-Gesetz geht es im Kern darum, die rechtlichen Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass diejenigen, die keine Bleibeberechtigung in Deutschland haben, das Land auch tatsächlich wieder verlassen. Den Gegenpol bildet das Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Dieses Gesetz soll dafür sorgen, dass Unternehmen ausländische Fachkräfte, die Deutschland schon allein aufgrund des Interner Link: demografischen Wandels in immer größerer Zahl benötigen wird, leichter und vor allem schneller und unbürokratischer anwerben und beschäftigen können. Kurz gesagt: Die beiden Gesetze regeln, dass die, die gehen sollen, auch gehen, und dass die, die kommen sollen, auch kommen können.

Zur Diskussion um die Zuwanderung von Fachkräften

Die Diskussion um die Zuwanderung von Fachkräften nach Deutschland ist bereits mehr als zwei Jahrzehnte alt. Hauptinitiator der Debatte war der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), als er während der Blütezeit der Interner Link: New Economy kurz vor der Jahrtausendwende eine landläufig als Green Card bekannt gewordene Sondermaßnahme für Fachkräfte aus der Informations- und Kommunikationsbranche vorschlug. Im Jahr 2005 wurde dann – nach langem politischen Streit – das Zuwanderungsgesetz verabschiedet. Es sah erstmals systematisch und berufsgruppenübergreifend, wenn auch – zumindest nach heutigen Maßstäben – in eher restriktiver Form, grundsätzliche Optionen des Interner Link: Zuzugs ausländischer Fachkräfte nach Deutschland vor. Eine umfassende Weiterentwicklung erfuhren die deutschen Regelungen wiederum einige Jahre später durch europäische Vorgaben. 2009 wurde auf europäischer Ebene die Externer Link: Hochqualifiziertenrichtlinie verabschiedet. 2012 wurde diese in deutsches Recht umgesetzt. Dabei nutzte die Bundesregierung die im Rahmen der Umsetzung von Richtlinien zur Verfügung stehenden Spielräume sehr stark, um Deutschland weiter zu öffnen. Das 2020 in Kraft getretene Fachkräfteeinwanderungsgesetz als bislang letzte Etappe eines nun zwei Dekaden währenden Prozesses der Öffnung Deutschlands für Fachkräfte aus Drittstaaten hat seinen Ursprung im Bundestagswahlkampf 2017. Vor allem die SPD, Bündnis 90/Die Grünen und die FDP wiesen auf die Notwendigkeit eines neuen Gesetzes zur weiteren Erleichterung des Zuzugs für Arbeitskräfte nach Deutschland hin und präsentierten Reformideen. Aber auch im Wahlprogramm der CDU/CSU fand sich die Forderung, die Fachkräftezuwanderung zu vereinfachen.

Zahlen und Daten zur aktuellen Fachkräfteeinwanderung nach Deutschland

Ausgangspunkt zahlreicher Plädoyers für eine Weiterentwicklung der deutschen Regelungen im Bereich der Erwerbsmigration war meist der Hinweis auf nur geringe Zahlen von nach Deutschland kommenden Fachkräften aus dem Ausland. 2018 sind beispielsweise lediglich knapp 40.000 Personen mit Hochschulabschluss oder einer abgeschlossenen Berufsausbildung aus Ländern außerhalb der Europäischen Union nach Deutschland Externer Link: gekommen. Allerdings ist diese Zahl nur sehr eingeschränkt aussagekräftig, denn sie blendet den seit vielen Jahren hohen Zuzug von Personen aus den Mitgliedstaaten der Europäischen Union aus. Allein 2018 sind mehr als 600.000 Personen aus dem EU-Ausland zugewandert. Sie genießen Interner Link: innereuropäische Freizügigkeitsrechte und müssen nicht begründen, warum sie nach Deutschland kommen. Geht man – wie beispielsweise der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration – davon aus, dass etwa 50 Prozent davon nach Deutschland kommen, um hier zu arbeiten, und berücksichtigt man, dass ein Großteil davon wiederum gut qualifiziert und als Fachkraft tätig ist, zeigt sich, dass nach Deutschland sehr wohl (hoch)qualifizierte Erwerbsmigration stattfindet. Diese ist aber vor allem im Bereich hochqualifizierter Beschäftigung derzeit noch primär europäisch geprägt. Allerdings ist absehbar, dass innereuropäische Migration nach Deutschland nicht zuletzt aufgrund einer ähnlichen demografischen Entwicklung in den anderen europäischen Staaten zukünftig an Bedeutung verlieren wird. Seine Wirkung wird das Fachkräfteeinwanderungsgesetz daher verstärkt in der Zukunft und konkret dann entfalten können, wenn die Erwerbsmigration aus anderen EU-Staaten abnimmt.

Inhalt des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes

Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz modifiziert den rechtlichen Rahmen der Erwerbsmigration. Eine erwerbsmigrationspolitische "Revolution" erfolgt durch das Gesetz allerdings nicht. Vor allem an zwei Stellschrauben erwerbsmigrationspolitischer Steuerung werden jedoch die Rahmenbedingungen erheblich verändert und dies eindeutig im Sinne einer Öffnung des Landes für Drittstaatsangehörige, die zum Zweck der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nach Deutschland kommen wollen.

Zum einen erfolgt durch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz eine weitgehende Angleichung der Rechtsposition beruflich qualifizierter mit der akademisch qualifizierter Fachkräfte. Die zuvor im Recht angelegte Besserstellung von Personen mit einem Universitätsabschluss gegenüber Personen mit einer beruflichen Ausbildung wird dadurch beendet. Nun können nicht mehr nur Personen mit einer Berufsqualifikation in einem Mangelberuf nach Deutschland zuwandern, sondern auch Personen in anderen Berufen, sofern sie einen Arbeitsvertrag vorweisen können. Darüber hinaus wird durch das Gesetz auch Personen mit einer beruflichen Ausbildung die Möglichkeit eingeräumt, für sechs Monate zur Arbeitsplatzsuche nach Deutschland zu kommen. Dies stand vorher nur Personen mit Universitätsabschluss offen. Finden sie in dieser Zeit einen qualifikationsadäquaten Arbeitsplatz, dürfen sie in Deutschland bleiben.

Die zweite zentrale Innovation des Gesetzes betrifft ein Merkmal der deutschen Wirtschafts- und Berufsordnung: die starke Fokussierung auf zertifizierte Qualifikationen und Abschlüsse. Ihr zufolge dürfen im Rahmen der Erwerbsmigration nur diejenigen nach Deutschland zuwandern, deren im Ausland erworbene Bildungs- und Berufsqualifikationen als Interner Link: gleichwertig mit deutschen Standards anerkannt sind. Vor allem bei beruflichen Qualifikationen erwies sich dies in der Vergangenheit als große Hürde – nicht zuletzt angesichts der Tatsache, dass die in Deutschland bekannte Interner Link: duale Ausbildung in dieser Form in kaum einem anderen Land und erst recht keinem wichtigen Herkunftsland von Migrantinnen und Migranten nach Deutschland (wie z.B. der Türkei, Indien oder Serbien) etabliert ist. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz reagiert auf diese Herausforderung, in dem es die Möglichkeiten ausbaut, zur Nachqualifikation etwa durch Fort- und Weiterbildungen nach Deutschland zu kommen. Wenn dadurch die Gleichwertigkeit mit deutschen Bildungs- und Berufsabschlüssen bescheinigt wird, dürfen die ausländischen Fachkräfte in Deutschland bleiben und arbeiten. So erhöht das Gesetz beispielsweise die maximale Aufenthaltsdauer zur Nachqualifikation von 18 auf 24 Monate. Für Personen, denen zur Anerkennung schwerpunktmäßig Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten in der betrieblichen Praxis fehlen, schafft es zudem die Möglichkeit, auch ohne unmittelbare Anerkennung der Gleichwertigkeit der Qualifikation in Deutschland zu arbeiten. Hierfür muss sich der Arbeitgeber verpflichten, während der Berufstätigkeit Möglichkeiten zur Nachqualifikation zu schaffen, die zu einer Anerkennung der Gleichwertigkeit der im Ausland erworbenen Qualifikation mit deutschen Bildungs- und Berufsabschlüssen führen. Schließlich erweitert das Gesetz auch die Möglichkeiten, auf der Basis von Vermittlungsabsprachen zwischen der Bundesagentur für Arbeit und Arbeitsverwaltungen ausgewählter Herkunftsländer zur Nachqualifikation nach Deutschland zu kommen.

Ausblick: Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz und Deutschlands Position im internationalen Wettbewerb um Fachkräfte

Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz hat Deutschlands Position im internationalen Wettbewerb um Fachkräfte verbessert. Allerdings darf der Einfluss der rechtlichen Rahmenbedingungen auf die Migrationsentscheidungen von hochqualifizierten Fachkräften, die oftmals über mehrere Migrationsoptionen verfügen, auf keinen Fall überschätzt werden. Allein die Tatsache, dass die deutsche Sprache in keinem relevanten Herkunftsland als Erstsprache gesprochen wird, stellt einen Wettbewerbsnachteil dar, der einen größeren Effekt haben dürfte als die Frage nach der Ausgestaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen. Auch die in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern vergleichsweise hohe Steuer- und Abgabenlast besonders für hohe Einkommen dürfte ein Nachteil im internationalen Wettbewerb um Fachkräfte sein. Jedoch beziehen Fachkräfte in ihre Migrationsentscheidung auch die Frage ein, ob es im anvisierten Zielland faire und transparente rechtliche Regeln für Einwanderung und Beschäftigung gibt. Durch die Neuregelung muss sich Deutschland zumindest mit Blick auf den rechtlichen Aspekt nicht hinter anderen Einwanderungsländern verstecken.

Dieser Beitrag wurde vom Autor als Privatperson verfasst und gibt seine persönliche Auffassung wieder.

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Dr. Holger Kolb ist Politikwissenschaftler und publiziert zum Thema Arbeits- und Fachkräftemigration. Er leitet den Arbeitsbereich Jahresgutachten beim Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR), dessen stellvertretende Geschäftsführung er innehat.