Bereits Zar Peter I. warb in einem Manifest aus dem Jahr 1702 um deutschstämmige Offiziere für die Modernisierung seiner Streitkräfte. Doch erst ab 1763, mit dem "Kolonistenbrief" der Zarin Katharina II. und seiner Neuauflage 1804 unter Zar Alexander I., kamen zahlreiche Deutsche als Siedler nach Russland. Das sogenannte Kolonistenprivileg versprach ihnen eine politische, wirtschaftliche und kulturelle Sonderstellung. So wurden die deutschen Siedler zu einer besonderen Bevölkerungsgruppe im Zarenreich. Und mit ihrer eigenen Sprache, Kultur und Traditionen zu einem wichtigen Kapitel der russländischen Geschichte.
Mit dem Ersten Weltkrieg änderte sich die Situation für viele deutschstämmige Untertanen. Eine Zeit der Unterdrückung begann. Während der Sowjetzeit verstärkten sich die Repressionen. Die Gründung der Wolgadeutschen Republik stellte hierbei nur eine kurzweilige Unterbrechung dar. Reichsdeutsche Kommunisten sollten unter Wolgadeutschen für die sozialistische Sache mobilisieren. Das Projekt wurde jedoch bald nach der Machtergreifung Adolf Hitlers abgebrochen, die Russlanddeutschen der Kollaboration mit den Nationalsozialisten haltlos beschuldigt und die Wolgarepublik liquidiert. Insgesamt betrieb die sowjetische Regierung eine massive Politik der kulturellen Enteignung.
Schnell mündeten die Repressionen in politisch-ethnisch motivierte Säuberungsaktionen, bei denen alleine zwischen 1937 und 1938 aufgrund des Befehls "Deutsche Operation" mindestens 52.000 Russlanddeutsche verurteilt und erschossen wurden. Bis Ende 1941 wurden rund 900.000 nach Zentralasien und Sibirien deportiert. Die Marginalisierung und Unterdrückung ging weiter und endete auch nicht mit dem Tod von Josef Stalin 1953. Eine Ausreisebewegung entstand.
Erst 1964 wurde die russlanddeutsche Minderheit rehabilitiert, jedoch nur unvollständig. So blieb die alltagskulturelle und staatlich-systematische Benachteiligung ein bestimmendes Element des Lebens vieler Deutschstämmiger in der Sowjetunion. Noch 1976 übernahm der KGB-Vorsitzende Jurij Andropow persönlich die Leitung einer Kommission zur Untersuchung der deutschen Bevölkerung.
Mit der Liberalisierung unter Michail Gorbatschow Mitte der 1980er Jahre und der anschließenden Implosion des Sowjetimperiums veränderte sich die Lage ein weiteres Mal grundlegend. In der Folge kamen gut 2,3 Millionen sogenannte russlanddeutsche (Spät-)Aussiedler und ihre Familienangehörigen im Rahmen von Artikel 116, Abs. 1 des Grundgesetzes sowie §§ 1 und 6 des Bundesvertriebenengesetzes und Flüchtlingsgesetzes von 1953 zurück in ihre "historische Heimat".
Dieses Dossier wirft einen Blick auf wichtige Etappen der russlanddeutschen Geschichte und geht auf zentrale Fragen der gegenwärtigen Diskussionen um die russlanddeutschen (Spät-)Aussiedler sowie russischsprachige Migranten ein.
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