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Die jüngere politische Entwicklung in Panama | Lateinamerika | bpb.de

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Die jüngere politische Entwicklung in Panama

Karl-Dieter Hoffmann

/ 7 Minuten zu lesen

Seitdem das autoritäre Regime Noriegas 1989 durch eine US-Militärinvasion beendet wurde, befindet sich Panama im Demokratisierungsaufschwung. Der Wirtschaftsmotor brummt zudem unentwegt. Doch nicht alle Schichten profitieren gleichermaßen davon.

Ein Frachtschiff fährt durch die Miraflores Locks in Panama City. (© AP)

Das Jahr 1989 steht für einen bedeutenden Wendepunkt in der historischen Entwicklung des Kleinstaates am südöstlichen Ende der zentralamerikanischen Landbrücke zwischen Nord- und Südamerika. Kurz vor Jahresende unternahmen die USA eine Militärinvasion, die binnen weniger Tage das Ende des autoritären Regimes von General Noriega herbeiführte. Mit der Übernahme der Regierungsgeschäfte durch den demokratisch legitimierten Präsidenten Endara erhielt Panama als letztes lateinamerikanische Land Anschluss an den regionalen Demokratisierungsprozess. Wichtigstes Element der politischen Neuordnung war die Abschaffung der Streitkräfte, die zwei Jahre später durch eine entsprechende Verfassungsänderung formalisiert wurde. Die dadurch besiegelte Eliminierung eines zentralen Machtfaktors, der seit den 1940er-Jahren starken Einfluss auf die nationale Politik ausgeübt (und mehrere Präsidenten gestürzt) hatte, bewirkte eine markante Veränderung der internen Kräfteverhältnisse, die gleichzeitig die Chancen für eine Stabilisierung des neuen demokratischen Systems enorm verbesserte. Die 1994, 1999 und 2004 durchgeführten demokratischen Wahlen gelten als die saubersten in der Geschichte des Landes.

Zehn Jahre nach der US-Militärinvasion verzeichnen die Annalen des Kleinstaates eine weitere Zäsur von historischer Tragweite. Am 31. Dezember 1999 übergaben die Vereinigten Staaten den von ihnen erbauten interozeanischen Kanal an den panamaischen Staat, der seither die volle Verantwortung für den Transitbetrieb trägt. Nach der Schließung aller US-Militärbasen in der vormaligen Kanalzone übernahm Panama 96 Jahre nach Gründung der Republik endlich die uneingeschränkte Souveränität über sein gesamtes Territorium. Im Jahre 2004 begann ein stabiler Wirtschaftsaufschwung, in dessen Zentrum der florierende Kanalbetrieb und damit eng verbundene maritime Dienstleistungsaktivitäten stehen. Die verkehrsgeographisch günstige Lage der zweitwichtigsten künstlichen Wasserstraße der Welt und insbesondere der boomende Handelsaustausch zwischen Asien und der US-Ostküste machen Panama makroökonomisch zu einem Gewinner der Globalisierung.

General Noriega: Aufstieg und Fall eines (ehemaligen) Verbündeten der USA

Mit dem Sturz von General Noriega fanden 20 Jahre direkte und indirekte Herrschaft der Nationalgarde ihr ebenso abruptes wie spektakuläres Ende. Das im Oktober 1968 von General Torrijos etablierte autoritäre Regime konnte sich durch eine Reihe von Wirtschafts- und Sozialreformen starken Rückhalt in der Unter- und Mittelschicht verschaffen. Als größter politischer Erfolg des charismatischen Torrijos gilt die Aushandlung eines neuen Kanalvertrags, in dem sich die USA verpflichteten, die Wasserstraße nach einer Übergangszeit von 20 Jahren (1979-1999) an Panama zu übergeben. Um die Ratifizierung des neuen Kanalstatuts im US-Kongress zu erleichtern, hatte Torrijos einen stufenweisen Redemokratisierungsplan verkündet, der für das Jahr 1984 freie Wahlen vorsah. Nach dem Unfalltod Torrijos´ im Jahre 1981 stieg der frühere Geheimdienstchef General Manuel Noriega rasch zum neuen starken Mann des Regimes auf. Der in diverse dubiose Machenschaften (Drogen- und Waffenhandel) verwickelte Noriega war nicht bereit, sich demokratisch legitimierten zivilen Autoritäten unterzuordnen und die Rolle der Sicherheitskräfte auf ihre eigentlichen Aufgaben zu beschränken. Das Ergebnis der Wahlen von 1984 wurde zugunsten des Regime-Kandidaten Barletta manipuliert. Als dieser als Präsident zu eigenmächtig handelte, erzwang Noriega seinen Rücktritt, genauso erging es Barlettas Nachfolger. Die Regierung Reagan tolerierte die undemokratischen Zustände in Panama, weil Noriega den Konfrontationskurs der USA gegen das sandinistische Nicaragua heimlich unterstützte. Erst als Mitte 1987 das ganze Ausmaß der illegalen Aktivitäten Noriegas aufgedeckt wurde, gingen die USA auf Distanz zu ihrem langjährigen Verbündeten. Die Verhängung drastischer Wirtschaftssanktionen stürzte die panamaische Ökonomie in eine tiefe Krise, ohne den angestrebten Machtverzicht Noriegas bewirken zu können. Die Fälschung des Wahlresultats vom Mai 1989 war so dreist und der Stimmenvorsprung der Opposition derart offensichtlich, dass das Regime den Urnengang kurzerhand gänzlich annullierte. Präsident George Bush sen., der aufgrund diverser außenpolitischer Rückschläge dringend einen externen Erfolg benötigte, nahm im Dezember einen blutigen Zusammenstoß zwischen in Panama stationierten US-Soldaten und Angehörigen der Nationalgarde zum Anlass, eine Militäraktion gegen Noriega zu befehlen.

Wirtschaft und Politik 1990–2007: Drei Regierungswechsel – drei Erfolge der Opposition

Der unbestreitbare Sieg der Oppositionsparteien bei den Wahlen von 1989 ging in erster Linie auf die schlechte Wirtschaftslage zurück, unter der die traditionelle Anhängerschaft der von Torrijos gegründeten Regime-Partei Partido Revolucionario Democrático (PRD) besonders zu leiden hatte. Allerdings war die Regierung Endara nicht in der Lage, die Hoffnung der Bevölkerung auf eine spürbare Besserung der wirtschaftlichen und sozialen Situation zu erfüllen. Dies ist einer von drei wesentlichen Gründen, die zu erklären vermögen, warum es dem während der Noriega-Jahre arg diskreditierten PRD bereits 1994 gelang, erneut die Regierungsverantwortung zu übernehmen. Dazu kommt zweitens die Unfähigkeit des konservativen Lagers, sich auf einen gemeinsamen Kandidaten zu einigen, sowie drittens der Umstand, dass in Panama anders als in den meisten Staaten der Region für den Sieg in den Präsidentschaftswahlen die einfache Mehrheit genügt. Allerdings gelang es Präsident Pérez Balladares während seiner Amtszeit, das Image des PRD nachhaltig zu verbessern sowie das lange Zeit gestörte Verhältnis zum heimischen Unternehmertum zu entkrampfen. Letzteres wurde durch den liberalen Charakter seiner pragmatischen Wirtschaftspolitik und die Privatisierung diverser staatlicher Einrichtungen (u.a. die großen Häfen Cristóbal und Colón) begünstigt. Gleichzeitig verharrten Armut und Arbeitslosigkeit auf hohem Niveau, was maßgeblich dazu beitrug, dass die von Pérez mittels eines Referendums angestrebte Verfassungsänderung, welche die unmittelbare Wiederwahl eines Präsidenten erlaubte, von der Wählerschaft eine deutliche Abfuhr erhielt. Zudem scheiterte der Versuch, sich mit den USA auf eine verminderte und modifizierte – auf die Bekämpfung des Drogenhandels in Südamerika und der Karibik ausgerichtete – Militärpräsenz über das Jahr 1999 hinaus zu einigen. Hinter der Bereitschaft zu einer solchen Konzession stand ein primär ökonomisches Kalkül, weil infolge des vollständigen Abzugs des rund 10.000 Soldaten umfassenden Militärkontingents (plus Familien) ein volkswirtschaftlicher Einnahmeverlust von mehreren hundert Mio. US-Dollar pro Jahr (inkl. Tausende von Arbeitsplätzen für einheimische Zivilbedienstete) zu erwarten war.

Die magere sozialpolitische Bilanz des PRD-Präsidenten begünstigte die Oppositionsparteien unter ihrer Spitzenkandidatin Mireya Moscoso, die bei der Wahl im Mai 1999 als erste Frau das Präsidentenamt errang. Während der Transfer des Kanalbetriebs zum Jahreswechsel 1999/2000 reibungslos verlief, mussten die USA bezüglich des Zustandes der geräumten Militärstützpunkte herbe Kritik einstecken. In den Böden der Schießplätze blieben Hunderttausende nicht-explodierter Munitionseinheiten zurück, zudem waren rund 3.000 Hektar durch die Rückstände chemischer Kampfstoffe (u.a. Agent Orange und das Nervengas VX) verseucht. Von diesen Flächen abgesehen, konnte inzwischen ein großer Teil der ehemaligen Militäreinrichtungen und –areale zivilen Zwecken zugeführt werden.

Im Vergleich zu den ambitiösen Ankündigungen fiel die Regierungsbilanz von Präsidentin Moscoso sehr bescheiden aus. Armut und soziale Ungleichheit konnten – auch aufgrund des schwachen Wirtschaftswachstums – nicht reduziert werden. Überdies wurde das Ansehen der politischen Führungsriege durch eine Reihe von Korruptionsskandalen lädiert.

Die ersten drei Regierungen nach der Überwindung des Autoritarismus sahen sich mit den immer gleichen Problemen und Beschränkungen konfrontiert. Aufgrund der extremen Außenorientierung der von internationalen Dienstleistungen dominierten Ökonomie ist die Wirtschaftskonjunktur hochgradig von externen Impulsen abhängig. Bleiben diese aus, verfügt die Regierung nur über geringe Möglichkeiten, den Gang der Wirtschaft zu beeinflussen. Der Investitionsspielraum der Zentralregierung wird zudem durch die relativ sehr hohe Auslandsverschuldung, das jährlich zu deckende (strukturelle) Defizit der staatlichen Sozialversicherung sowie den hohen Personalbestand im öffentlichen Verwaltungsapparat (2005: 31 Prozent aller formell Beschäftigten) begrenzt. Obwohl der Finanztransfer aus dem Gewinnüberschuss der nationalen Kanalbehörde (Autoridad del Canal de Panamá) seit 2000 rasch gestiegen ist (2004: 350 Mio. US-Dollar; 2006: 500 Mio. US-Dollar), ging davon nur eine geringe Entlastung des Staatshaushaltes aus.

Mit dem Triumph des PRD unter seinem Spitzenkandidaten Martín Torrijos – dem Sohn des legendären Omar Torrijos – bei den Wahlen im Mai 2004 kam es zum dritten Mal in Folge zum Rollentausch zwischen den Parteien von Opposition und Regierung. Anders als seine Vorgänger profitiert Martín Torrijos von einem starken und stabilen Wirtschaftsaufschwung. Ihm gelang eine partielle Reform der Sozialversicherung, die das Problem für einige Zeit zu entschärfen vermag. Außerdem wurden Freihandelsverträge mit den USA und Costa Rica abgeschlossen. Im sozialpolitischen Bereich ist das Wohnungsbauprogramm hervorzuheben, das jährlich rund 20.000 Wohneinheiten für einkommensschwache Familien bereitstellt. Im März 2006 präsentierte Torrijos den Plan für das bislang größte öffentliche Investitionsprojekt in der Geschichte des Landes: die umfassende Modernisierung des Panamakanals durch den Bau einer dritten Schleusenstraße für die neue Generation der Riesenfrachter. Wenige Monate später wurde das Vorhaben von den Wählern in einem Referendum gutgeheißen, im September 2007 begannen die Aushubarbeiten. Auch wenn die Regierung im Hinblick auf die langfristige Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der Wasserstraße keine Alternative zu dem Megaprojekt sieht, birgt der Plan sowohl ökologisch als auch finanziell enorme Risiken. Die während der Bauphase zu tätigenden Investitionen (insgesamt 5,3 Mrd. US-Dollar) werden die Wirtschaftskonjunktur zweifellos zusätzlich stärken, es ist aber eher unwahrscheinlich, dass dadurch ein nachhaltiger Beitrag zur Verminderung der großen sozialen Probleme des Landes geleistet werden kann.

Trotz des starken Wirtschaftswachstums der Jahre 2004 bis 2007 und damit ansteigender Pro-Kopf-Werte ist der Anteil der unter der Armutsgrenze lebenden Bevölkerung nicht nennenswert gesunken (2006: 36 Prozent). Aufgrund der volkswirtschaftlichen Dominanz der verhältnismäßig beschäftigungsarmen Dienstleistungsbranchen, der Konzentration der produktivsten Wirtschaftszweige in kanalnahen Gebieten und der extremen demographischen Vormachtstellung der Hauptstadt (mit nahezu 40 Prozent der Gesamtbevölkerung) kommt den nationalen Durchschnittswerten einschlägiger Sozialindikatoren noch weniger Aussagekraft zu, als dies im lateinamerikanischen Regelfall ohnehin üblich ist. In keinem anderen Land der Region ist der kausale Zusammenhang zwischen hohen wirtschaftlichen Wachstumsraten und breitenwirksamen positiven Beschäftigungs- und Einkommenseffekten schwächer ausgeprägt als in Panama. Ein bezeichnendes Beispiel für die krassen sozialen Disparitäten bietet die (auf der karibischen Seite des Isthmus gelegene) Provinz Colón, die das im landesweiten Vergleich höchste Pro-Kopf-Einkommen (2006: 10.600 US-Dollar) verzeichnet, wo aber gleichzeitig 43 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze leben.

Weitere Inhalte

Dr. (sc. pol.) Karl-Dieter Hoffmann, Jahrgang 1950, studierte Politikwissenschaft und Volkswirtschaft an der Universität Duisburg-Essen, promovierte anschließend bei Prof. Dr. Franz Nuscheler. Heute ist er Geschäftsführer des Zentralinstituts für Lateinamerika-Studien der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt.