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Gründung der Europäischen Gemeinschaften

Eckart D. Stratenschulte

/ 5 Minuten zu lesen

Fünf Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs schlug Robert Schuman die Vereinigung deutscher und französischer Schwerindustrie in der "Montanunion" vor. Für die Bundesrepublik Deutschland begann damit die Westintegration.

Der französische Aussenminister Robert Schuman, treibende Kraft und Namensgeber des Abkommens, unterschreibt den Schumanplan im französischen Ausssenministerium. (© AP)

Die Entstehung der Europäischen Union ist nur vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkriegs verständlich. Als der von Deutschland begonnene und verlorene Krieg zu Ende war, bestand große Unsicherheit, wie es nun in Europa weitergehen solle. Zum einen zog der Ost-West-Konflikt auf, da die wichtigsten Siegermächte des Zweiten Weltkriegs - die USA und Großbritannien auf der einen, die Sowjetunion auf der anderen Seite - sehr unterschiedliche Vorstellungen davon hatten, wie das Nachkriegseuropa aussehen sollte. Zum anderen befürchtete man insbesondere in Frankreich, das geschlagene Deutschland könnte in absehbarer Zeit wieder zu Kräften kommen und erneut zur Bedrohung werden. Der Erste Weltkrieg war in den Nachbarländern noch gut in Erinnerung. Auch 1918 war Deutschland besiegt worden - und nur gut 20 Jahre später wurde Paris von deutschen Truppen eingenommen.

Es galt also, zwei Fragen gleichzeitig zu lösen: Wie konnte der Westen trotz eines teilweisen Rückzugs amerikanischer Truppen genügend Stärke aufbringen, um gegen die Sowjetunion und eine mögliche Bedrohung durch sie bestehen zu können, und wie konnte Deutschland in ein solches Konzept eingebunden werden, ohne seinerseits zur Gefahr für seine Nachbarn zu werden?

Robert Schuman und die Montanunion

Die Antwort gab der französische Außenminister Robert Schuman am 9. Mai 1950, also genau fünf Jahre nach Kriegsende. Er schlug eine "Montanunion" vor, eine Vereinigung der deutschen und der französischen Schwerindustrie, an der teilzunehmen andere Staaten ausdrücklich eingeladen waren. Das Besondere an Externer Link: Schumans Vorschlag war die gemeinsame Verwaltung der Kohle- und Stahlindustrie. Das ging weiter als die üblichen internationalen Vereinbarungen. Hier musste jeder der beteiligten Staaten ein Stück nationaler Souveränität aufgeben, die dann gemeinsam ausgeübt wurde.

Bereits ein Jahr zuvor, am 5. Mai 1949, hatten zehn europäische Staaten den Europarat gegründet. Sein Ziel war und ist es, durch die Zusammenarbeit der Staaten zu Frieden, Demokratie und Wohlstand beizutragen. Aber auf eine Souveränitätsübertragung von den Nationalstaaten auf den Europarat - die damals durchaus diskutiert wurde - konnte man sich in Straßburg, wo die Institution seit Gründung ihren Sitz hat, nicht einigen. Die Supranationalität ist bis heute eine Besonderheit der Europäischen Union, die diese nicht nur vom Europarat, sondern von vielen anderen internationalen Institutionen unterscheidet.

Kohle und Stahl waren von Schuman keineswegs willkürlich gewählt. Kohle war der zentrale Energieträger der Zeit, eine Rolle die heute Erdöl und Erdgas zukommt. Stahl stand für die Schwerindustrie, die wiederum Voraussetzung nicht nur für den Wiederaufbau der kriegszerstörten Länder, sondern auch für mögliche Rüstungsvorhaben war. Wenn man also die Schwerindustrie gemeinsam verwaltete, hatte man die Sicherheit, dass ein Partner nicht unbemerkt gegen den anderen aufrüsten konnte.

Der deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer erkannte die Chancen, die im französischen Angebot lagen. Es bot für Deutschland die Möglichkeit, sich mit dem Westen auszusöhnen und wieder Aufnahme in die Völkerfamilie zu finden. Belgien, die Niederlande, Luxemburg und Italien schlossen sich der Montanunion an, die 1951 als Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) vereinbart wurde und 1952 in Kraft trat. Ihr Ziel war die Sicherung des Friedens unter den Mitgliedstaaten. Das Instrument, dieses Ziel zu erreichen, waren Kohle und Stahl.

Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und Atomgemeinschaft

Diese beiden Grundlagen des wirtschaftlichen Aufbaus verloren allerdings im Laufe der 1950er-Jahre an Bedeutung. Öl und im Weiteren auch Erdgas nahmen die Rolle der Kohle als Energieträger ein. Damit das europäische Projekt nicht mit der Kohle an Wirkung und Bindekraft verlor, wurde die zuvor auf diesen Bereich (der Schwerindustrie) beschränkte (monosektorale) Integration auf die gesamte Wirtschaft ausgeweitet. 1957 wurden in Rom die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und die Europäische Atomgemeinschaft (EAG oder Euratom) gegründet, die zum 1. Januar 1958 ihre Arbeit aufnahmen. Der Plan, auch eine Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) zu gründen, scheiterte indes 1954 am Widerstand der französischen Nationalversammlung.

Die sechs Gründerstaaten der europäischen Integration sahen ihr Vorhaben nicht als geschlossenen Klub, sondern boten weiteren Staaten an, sich an den neuen Gemeinschaften zu beteiligen. Tatsächlich nahmen britische Vertreter auch an vorbereitenden Konferenzen teil. Man konnte sich zu diesem Zeitpunkt allerdings in London noch nicht dazu entschließen, einem Verbund beizutreten, dem man Souveränität abgeben musste. So waren die Mitglieder der beiden neuen Gemeinschaften dieselben wie die der Montanunion: Frankreich und Deutschland, Italien, Belgien, die Niederlande und Luxemburg. Einfach war die Einigung auch unter ihnen nicht gewesen. Vor allem bei der Frage, wie viel nationale Protektion für die Wirtschaft weiterhin möglich sein sollte, wurde so heftig gestritten, dass der Vertrag, als er öffentlich unterzeichnet werden sollte, zwar vereinbart, aber noch nicht ausgefertigt war. Das geschah damals noch mit der Schreibmaschine und war daher vergleichsweise zeitaufwändig. Die Regierungschefs unterschrieben vor den laufenden Kameras daher einen Stapel leeren Papiers.

In den 1960er-Jahren änderte sich die britische Haltung und das Vereinigte Königreich beantragte die Aufnahme in die EWG. Diese wurde allerdings vom französischen Präsidenten Charles de Gaulle abgelehnt, so dass der britische Beitritt erst nach dem Ausscheiden de Gaulles aus der aktiven Politik vollzogen werden konnte.

Politik des leeren Stuhls

Auch in einer anderen Frage zeigte Paris sich sperrig. Im EWG-Vertrag war festgelegt, dass man über Maßnahmen der Agrarpolitik acht Jahre lang einstimmig und anschließend, also ab 1966, mit qualifizierter Mehrheit entscheiden würde. Frankreich hätte damit in dem für seine Bedürfnisse wichtigen Bereich überstimmt werden können. Um das zu verhindern, verließen die französischen Vertreter am 1. Juli 1965 auf Weisung von Präsident de Gaulle den Ministerrat der EWG und blockierten dessen Arbeit bis Anfang 1966 durch Abwesenheit. Man sprach von der Politik des leeren Stuhls. Durch den "Luxemburger Kompromiss" wurde diese Krise schließlich beigelegt. Er besagte, dass ein Land die Mehrheitsentscheidung blockieren könne, wenn "elementare nationale Interessen" berührt seien. Wann das der Fall sei, entscheide jeder Mitgliedstaat für sich selbst. Der Luxemburger Kompromiss wurde in den Folgejahren mehrfach von verschiedenen Mitgliedern in Anspruch genommen. Seit dem Inkrafttreten der Einheitlichen Europäischen Akte 1987 ist dies jedoch nicht mehr der Fall gewesen.

Fussnoten