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Im Interview mit Pascale Hugues | Frankreich | bpb.de

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Im Interview mit Pascale Hugues

Claire Demesmay

/ 4 Minuten zu lesen

Die französische Journalistin und Schriftstellerin Pascale Hugue spricht im Interview von einer "relativ tiefen Identitätskrise" der französischen Gesellschaft und einer immer noch stark zentralistischen Kultur, welche auf Paris ausgerichtet ist. Aber auch auf einige Unterschiede zwischen Deutschland und Frankreich geht sie ein und erklärt, was den Humor in beiden Ländern ausmacht.

"Paris und die französische Wüste" ist ein geflügeltes Wort, das auch heute noch gilt. (© picture-alliance/AP)

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Interview mit Pascale Hugues

Inhalt

Interview mit Pascale Hugues

Interview mit Pascale Hugues

"Paris und die französische Wüste"

In Frankreich sind die sozialen und gesellschaftlichen Verhältnisse seit einiger Zeit ziemlich angespannt. Was sind die Gründe dafür? Hat der französische Traum der Einigkeit eigentlich gelebt?

Ich glaube, die französische Gesellschaft befindet sich in einer relativ tiefen Identitätskrise. Die Welt ist größer geworden, sie hat sich geöffnet, Frankreich ist nicht mehr eine Weltmacht, es ist ein mittelmäßiges, ein kleines Land mit nicht so viel Macht. Das ist so ein Reflex, dass man sich zusammenzieht. Also man hat Angst um alles, was von außen kommt, was die Gesellschaft lockert. Zum Beispiel diese große Debatte um die Homo-Ehe, da habe ich gestaunt von hier [Berlin] aus gesehen, wie viele Leute auf den Straßen demonstriert haben. Das war die Mittelschicht und es waren sehr viele junge Leute dabei. Ich glaube, man hat Angst, die Identität, den Kern, zu verlieren. Deswegen auch der große Erfolg der [rechtsradikalen Partei] Front National. Man schließt sich zusammen auf die alten Werte, wie eine Festung, und verteidigt sich. Es ist ein Angstreflex, würde ich sagen.

Kann man immer noch von einer Trennung zwischen Paris und der Provinz reden, von der lange Zeit die Rede war. Kann man überhaupt noch von Provinz reden?

Ja, das glaube ich. Ich weiß nicht mehr welcher Geologe sagte "Paris et le désert français", also "Paris und die französische Wüste" [Jean-François Gravier, 1947]. Das ist immer noch so. Ich war neulich in Marseille, eine große, die zweitgrößte Stadt mit Lyon, glaube ich. Aber sie ist dieses Jahr [2013] Kulturstadt gewesen und man fühlt sich... es ist natürlich eine große Stadt, es passiert sehr viel, aber es ist immer noch Provinz. Und wenn man was werden will in Frankreich, dann muss man nach Paris. Wenn man in Deutschland lebt, was eine richtige Föderation ist, wo sehr viel passiert in Frankfurt, München und Hamburg, und wo Berlin nicht das Zentrum der Macht ist. Selbst die politische Macht ist nicht nur in Berlin. Das ist in Frankreich natürlich ganz anders.

Pascal Hugues

Pascale Hugues (© privat)

Pascale Hugues, geboren 1959 in Strasbourg, ist seit 1995 Deutschland-Korrespondentin des französischen Nachrichtemagazins "Le Point" in Berlin. Zuvor war sie Redakteurin und Radiomoderatorin beim BBC World Service in Großbritannien (1984-1988), Korrespondentin der französischen Tageszeitung "Libération" in London (1986-1989) und anschließend in Bonn und Berlin (1989-1995).

Neben ihrer Tätigkeit als Deutschland-Korrespondentin ist Pascale Hugues auch Essayistin und Schriftstellerin. Sie ist Kolumnistin für den Berliner "Tagesspiegel" sowie die "Süddeutsche Zeitung". All ihre Bücher sind in deutscher und französischer Sprache erschienen. Ihr erstes Buch, "Deutsches Glück" (1999), ist eine Sammlung von Reportagen und Porträts über Deutschland. In "Marthe & Mathilde" (2008) erzählt sie die Geschichte von ihren beiden Großmüttern aus dem Elsass. In ihrem Buch, "Ruhige Straße in guter Wohnlage - Die Geschichte meiner Nachbarn", geht es um die Geschichten ihrer ehemaligen und heutigen Nachbarn in Berlin-Schöneberg (2013).

Nicht zuletzt ist Pascale Hugues Autorin von Dokumentarfilmen für den Fernsehsender Arte: "Bleiben oder gehen?" über die ostdeutsche Jugend (2001), der im gleichen Jahr den Deutsch-französischen Journalistenpreis gewannen, und "Alte Liebe rostet-nicht" anlässlich des 40-jährigen Jubiläum des Elysée-Vertrages (2003).

Wie würden Sie die Rolle der Frauen in der französischen Gesellschaft beschreiben? Ist diese Rolle so anders als in Deutschland?

Ja sehr! Ich glaube, das ist wie mit dem Verhältnis zum Atom, einer der sehr großen kulturellen Unterschiede zwischen unseren beiden Ländern. In Frankreich arbeiten alle Frauen. Es ist sehr einfach, Kinder und Familie zu leben, das heißt: Man kann arbeiten und Kinder bekommen, man muss nicht auf eine der beiden Rollen verzichten. Es ist einfacher, weiblich zu sein, sexy zu sein, Kinder zu haben und eine Position in der Gesellschaft zu haben. Ich finde das immer witzig, wenn man die französischen und deutschen Ministerinnen vergleicht, wie sie sich anziehen... Die Französinnen! Ich weiß nicht, wie die das schaffen, mit hohen Absätzen und wunderschön und... sehr sehr gut angezogen und die Deutschen eher so, also à la Merkel... so sehr praktisch mit flachen Schuhen und... ich bewerte das nicht. Es ist nur ganz ganz anders. Aber Frankreich ist definitiv eine Gesellschaft, wo es für Frauen viel einfacher ist, eine Karriere und eine Familie zu haben. Diese ganze Diskussion jetzt [in Deutschland], um die Mütterrente oder um dieses Erziehungsgeld, statt Kindergartenplätze. Dann ist das so, wie auf dem Mond zu sein für eine Französin.

Es gibt Zukunftsängste in Frankreich und trotzdem lachen die Franzosen immer noch viel. Was ist so besonders am französischen Humor, insbesondere im Vergleich zum deutschen? Wie würden sie das sehen?

Das ist fast eine unmögliche Frage! Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass in Frankreich vielleicht im Alltag mehr gelacht wird - weniger, als in England - also das gehört in England zum Nationalcharakter und zur Qualität des Lebens. Und die Deutschen... das ist schon wahr, dass die Deutschen ein bisschen ernster sind, sie sind moralischer. Ich war gestern in einer Zirkusshow [in Berlin]. Da war ein Conférencier [Vortragender] und der war überhaupt nicht lustig. Es war richtig peinlich, weil er sehr moralisch war und ich glaube, dass die Franzosen, dass der französische Humor keine Grenze kennt, er ist sehr leicht und er hat auch so einen Sprengstoff, was der deutsche... obwohl es gibt auch einen fantastischen deutschen Humor. Meistens ist das der jüdische Humor. Also wenn man die Gedichte von Tucholsky liest. Das ist wunderschön! Dieser Witz! Das hat Deutschland verloren. Es ist sehr schwierig, nicht in Klischees zu verfallen, aber ich finde, dass man im Alltag weniger lacht in Deutschland, als in Frankreich. Das glaube ich, kann ich so sagen, obwohl es hunderte Beispiele gibt, die dem widersprechen.

Fussnoten

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Dr. phil. Claire Demesmay, geb. 1975, leitet das Programm Frankreich/deutsch-französische Beziehungen im Forschungsinstitut der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin. Kontakt: E-Mail Link: demesmay@dgap.org