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Analyse: Der Ball rollt. Fußball in Polen und die EURO 2012 | Polen-Analysen | bpb.de

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Analyse: Der Ball rollt. Fußball in Polen und die EURO 2012

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Zusammenfassung

Am 17. November 2010 feierte die polnische Fußball-Nationalelf mit einem 3:1 gegen die Mannschaft der Elfenbeinküste ihren ersten Sieg im neu eröffneten EM-Stadion von Posen. In den Wochen vor Weihnachten reisten zwei fröhliche, bunte Maskottchen mit Punkfrisur - Slavek und Slavko - quer durch Polen, um Werbung für ein Großereignis zu machen, das seine Schatten voraus wirft: Die Fußball-Europameisterschaft 2012 in Polen und der Ukraine. Aus diesem Anlass soll ein Überblick über den Polnischen Fußballverband, seine Historie und die Probleme der letzten Jahre gegeben werden. Im Anschluss befasst sich ein Exkurs mit den deutsch-polnischen Beziehungen im Bereich der Nationalmannschaften, bevor das Projekt »EURO 2012« in den Blick genommen wird. Wie wird die EURO organisiert, welche wirtschaftlichen Erwartungen weckt das Turnier in Polen und welche gesellschaftlich-politische Bedeutung knüpft sich an die Austragung des weltweit drittgrößten Sport-Events?

Der Polnische Fußballverband (Polski Zwiazek Pilki Noznej - PZPN) wurde unmittelbar nach Ende des Ersten Weltkrieges und der wieder hergestellten Unabhängigkeit des polnischen Staates gegründet. Bereits am 20./21. Dezember 1919 trafen aus diesem Anlass Vertreter mehrerer polnischer Fußballvereine in Warschau zusammen. Zu den Gründungsmitgliedern der ältesten und größten Sportorganisation Polens, die ihren Sitz seit 1928 in Warschau (vorher Krakau) hat, gehören u. a. die noch heute bekannten und erfolgreichen Vereine Cracovia Krakow, Wisla Krakow und Polonia Warszawa. Seit 1923 Mitglied des Weltfußballverbandes FIFA und im Jahre 1955 in die Europäische Fußball-Union UEFA aufgenommen, blickt der Polnische Fußballverband heute auf eine ruhmreiche Vergangenheit zurück.

Historische Highlights und aktuelle Verbandsstruktur

Als Höhepunkt der Verbandsgeschichte gelten die 1970er und frühen 1980er Jahre. Die polnische Nationalmannschaft gewann 1972 bei den Olympischen Spielen in München die Gold- sowie 1976 in Montreal die Silbermedaille - Erfolge, an die später lediglich noch ein Mal als Finalteilnehmer bei Olympia 1992 in Barcelona angeknüpft werden konnte. Im Weltfußball mit noch wesentlich höherem Prestige verbunden sind allerdings die Erfolge, die Polen bei den FIFA-Weltmeisterschaften 1974 und 1982 feierte. Beide Male, in Deutschland wie in Spanien, belegte die polnische Nationalmannschaft den dritten Platz (in München mit einem 1:0-Sieg über den damals amtierenden Weltmeister Brasilien, in Alicante acht Jahre später mit einem 3:2-Erfolg über den späteren Europameister Frankreich). Im Rückblick auf das Turnier von 1974 ist dabei aus polnischer wie westdeutscher Perspektive besonders das entscheidende Spiel um den Finaleinzug - die so genannte Wasserschlacht von Frankfurt in Erinnerung geblieben: Erst ein Tor von Gerd Müller sorgte damals bei nahezu irregulären Bedingungen auf kaum bespielbarem Untergrund für die Entscheidung zugunsten der DFB-Auswahl und gegen die polnische Mannschaft, die zu diesem Zeitpunkt zu den besten Teams der Welt gezählt wurde.

Nachdem das polnische Nationalteam hingegen in den 1990er Jahre eine längere Phase des Umbruchs zu überstehen hatte, gelang während des letzten Jahrzehnts die Rückkehr auf die internationale Bühne. So qualifizierte man sich 2002 (Südkorea/Japan) und 2006 (Deutschland) jeweils für die WM und nahm 2008 (Österreich/Schweiz) auch erstmals in der Verbandsgeschichte an einer Europameisterschaftsendrunde teil. Mehr als die Teilnahme gelang dem in Weiß-Rot aufspielenden Team dabei jedoch nicht; bei allen drei Turnieren schied die polnische Nationalelf jeweils nach der Vorrunde aus.

Blickt man jenseits des grünen Rasens auf die Strukturen des PZPN, so verbindet sich - ebenfalls nach schweren Jahren, die von zahlreichen Skandalen und Affären geprägt waren, - ein Neuanfang im polnischen Verband mit dem Namen Grzegorz Lato. Er ist einer der bekanntesten Fußballer Polens, Starstürmer des WM-Teams von 1974 (er wurde mit sieben Treffern WM-Torschützenkönig) und steht dem PZPN seit dem 30. Oktober 2008 als Präsident vor. Unterhalb der Führungsebene gliedert sich im Weiteren, entsprechend den polnischen politischen Regionalstrukturen, der Verband in die so genannten Woiwodschafts-Fußballverbände (Wojewodzki Zwiazek Pilki Noznej). Sie bilden die wichtigsten organisatorischen Strukturen, denen die jeweiligen Sportklubs aus den Gebieten der 16 Woiwodschaften als Mitglieder angehören. Den Woiwodschaftsverbänden sind schließlich die Bezirksverbände (Okregowy Zwiazek Pilki Noznej) als Körperschaften und die Unterbezirke (Podokreg) als Einheiten ohne Rechtspersönlichkeit untergeordnet.

Die polnische Liga und der schwere Weg nach Europa

Der Spielbetrieb in Polen umfasst im Profibereich zwei Ligen, wobei die so genannte Ekstraklasa - vergleichbar der deutschen Bundesliga - die höchste Spielklasse darstellt. Sie wurde im Jahre 1927 gegründet und unterstand bis 2005 fortwährend der direkten Organisation des Polnischen Fußballverbandes, bevor im Anschluss die unmittelbare Verantwortung für den Spielbetrieb an die neugegründete Aktiengesellschaft Ekstraklasa S.A. übertragen wurde.

Im Zuge der auch Polen erfassenden zunehmenden Kommerzialisierung des Fußballs wurden derweil die Sponsorenrechte an der Ekstraklasa beginnend mit der Saison 2004/05 an den polnischen Mobilfunkanbieter Idea, später bekannt unter dem Firmennamen Orange, vergeben. Die polnische Erste Liga trug deshalb von September 2005 bis Mai 2008 vorübergehend den Namen Orange Ekstraklasa. Mit Beschluss der Ligareform am 7. Januar 2007 aber wurde ab der Saison 2008/09 der alte Name Ekstraklasa wieder eingeführt.

In der laufenden Saison 2010/11 kämpfen innerhalb der Ekstraklasa 16 Mannschaften um die polnische Meisterschaft. Dabei sieht das Reglement vor, dass die beiden letztplatzierten Vereine nach Abschluss der Meisterschaft in die zweite Liga absteigen. Die drei besten Teams hingegen, ebenso wie der Gewinner des parallel zur Meisterschaft ausgetragenen polnischen Pokalwettbewerbs (»Puchar Polski« - amtierender Pokalsieger 2010 ist Jagiellonia Bialystok), qualifizieren sich für die europäischen Wettbewerbe der kommenden Saison. Amtierender Meister in Polen ist das Team von KKS Lech Poznan, was insofern eine Besonderheit darstellt, da seit 2001 die Vereine Wisla Krakow und Legia Warszawa (mit nur einer Ausnahme!) die polnische Meisterschaft faktisch unter sich ausgemacht haben. Erkennen lässt dies, dass - ähnlich den Kräfteverhältnissen in der deutschen Bundesliga - die polnischen Erstligisten untereinander, entsprechend ihrer finanziellen und strukturellen Mittel, große Unterschiede aufweisen und innerhalb der Liga eine Art Zweiklassengesellschaft entstanden ist. Fraglich ist, inwieweit dies die Entwicklung des Fußballs in Polen beeinträchtigt, denn die Herausforderung bleibt auch zukünftig bestehen, einerseits polnische Vereine in der Breite zu fördern, andererseits aber zugleich die internationale Wettbewerbsfähigkeit polnischer Klubs unter Beweis zu stellen. Mit Blick auf die europäische Fußball-Landkarte zeigt sich gegenwärtig, dass die polnischen Mannschaften große Schwierigkeiten haben, Anschluss an die europäische Spitze zu finden. Anders als früher liegen heute die Haupteinnahmequellen der Vereine im Bereich der Vermarktung und sind, bezogen auf den sportlichen Tageserfolg, eng mit der Teilnahme an den lukrativen europäischen Wettbewerben verknüpft. Über die Frage, wie viele Mannschaften eines nationalen Verbandes an diesen, insbesondere an der UEFA-Championsleague, teilnehmen dürfen, entscheidet die so genannte Fünfjahreswertung der UEFA. Doch Polen belegt in diesem Ranking derzeit lediglich den 24. Platz. Die Aussicht auf einen verbesserten Zugang für polnische Vereine zu den gewinnversprechenden kontinentalen Vereinswettbewerben der UEFA ist daher für die nahe Zukunft nur gering.

Korruption

Organisatorisch wie politisch durchlebte der Polnische Fußballverband PZPN während der letzten Jahre eine schwere Krise, wobei er seit 2005 gleich von mehreren großen Skandalen und Affären erschüttert wurde. Wie sich im Rahmen staatlicher Ermittlungsverfahren herausstellte, soll im polnischen Fußball über mehrere Jahre hinweg auf allen Ebenen durch Sportfunktionäre des Verbandes, Klubvertreter, Schiedsrichter, Spieler und auch Trainer systematisch Korruption betrieben worden sein. Weit über einhundert Personen wurden verhaftet, in einem Drittel der Spiele in den obersten Ligen soll geschoben worden sein und zahlreiche Vereine, auch der Ekstraklasa, wurden mit einem Zwangsabstieg bestraft. Im Zuge der Korruptionsvorwürfe hatte bereits 2007 der Sportminister der Regierung von Jaroslaw Kaczynski (Recht und Gerechtigkeit/PiS), Tomasz Lipiec, die gesamte Spitze des PZPN einschließlich des Präsidenten Michal Listkiewicz entlassen. Diese Entscheidung musste anschließend auf Druck der FIFA zurückgenommen werden, da der Weltverband dies als Einmischung der Politik in die nationalen Verbandsstrukturen wertete. Lipiec selbst musste im Sommer 2007 wegen Korruptionsanschuldigungen zurücktreten. Als im Jahr darauf erneut von »Unregelmäßigkeiten« die Rede war, beauftragte Miroslaw Drzewiecki als neuer Sportminister der Regierung von Donald Tusk (Bürgerplattform/PO) das Schiedsgericht des Polnischen Olympischen Komitees mit der Untersuchung der Sachverhalts. Ergebnis war, dass im September 2008 abermals die Verbandsspitze abgesetzt und durch einen kommissarischen Verwalter ersetzt wurde, woraufhin die FIFA Polen (wie zu Beginn des Jahres 2011 in einem ähnlichen Fall auch der Ukraine) gar mit dem Ausschluss von der laufenden WM-Qualifikation und mit dem Entzug des Gastgeberstatus für die EURO 2012 drohte. Dieses Szenario konnte jedoch abgewendet werden. Nach intensiven Gesprächen zwischen Vertretern der FIFA und der Regierung Tusk einigte man sich auf einen Kompromiss. Teil der Vereinbarung war die Neuwahl der PZPN-Führung, bei der im Oktober 2008 Grzegorz Lato zum neuen Präsidenten des Polnischen Fußballverbandes gewählt wurde. Getreu seiner Antrittsworte »Wir müssen das Image des polnischen Fußballs verbessern. Wir müssen Transparenz und Reinheit zeigen und vorleben«, verbindet sich mit ihm nun die Hoffnung auf ein Ende der Korruption und des Chaos. Wie glaubhaft dieser neue Weg beschritten wird, muss sich allerdings noch erweisen: Auch Sportminister Drzewiecki musste im Oktober 2009 aufgrund von Korruptionsvorwürfen von seinem Amt zurücktreten.

Gewalt in den Stadien

Ein weiteres Problem im polnischen Fußball besteht im Bereich der gewaltbereiten Hooliganszene und der Zuschauerkultur in den Stadien, wobei in den letzten Jahren nur vereinzelt Fortschritte erzielt werden konnten (vgl. Polen-Analysen Nr. 42). Während sich im gesellschaftlichen und kulturellen Leben in Deutschland der Fußball bereits als Teil der modernen, familienfreundlichen Entertainment- und Eventkultur etabliert hat, steht im polnischen Fußball diese Entwicklung noch aus. Mitursächlich hierfür ist die Szene gewaltbereiter, teilweise rechtsextremer Fußballfans in Polen, die längere Zeit schon als eine der größten in Europa gilt. Wie groß und brutal die Hooliganszene ist, wurde insbesondere im Vorfeld der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 deutlich, als sich polnische »Fans« in einem brandenburgischen Waldstück zu einem ersten Kräftemessen mit ihren deutschen »Gegnern« verabredeten. Nach dem Treffen befürchtete man, dass anlässlich der WM in Deutschland bis zu 3.000 gewaltbereite Hooligans aus Polen kommen werden. Besonders für das Vorrundenspiel zwischen der deutschen und der polnischen Mannschaft rechnete man mit gewaltsamen Aktionen. Doch aufgrund umfangreicher Vorsorgemaßnahmen im Vorfeld der Weltmeisterschaft durch grenzüberschreitende Zusammenarbeit der zuständigen Behörden sowie mittels harten Durchgreifens deutscher und polnischer Polizeikräfte im Umfeld der Stadien kam es nur vereinzelt zu Ausschreitungen.

Das Problem der Hooligans wurde in Polen in den letzten Jahren zunehmend angegangen. Werden von Experten als Ursache der Ausschreitungen vor allem Frustration und Perspektivlosigkeit im Zuge der Transformation des Landes sowie darüber hinaus eine starke gesellschaftliche Verankerung nicht genügend aufgearbeiteter Feindbilder genannt, suchen die polnischen Verantwortungsträger mit speziell gegründeten sozialen und Bildungsinitiativen und Gesetzeserlassen zur Verbesserung der Lage beizutragen. So wurde etwa mit Blick auf die EM 2012 am 20. März 2009 das »Gesetz über die Sicherheit von Massenveranstaltungen« erlassen, und der Spielbetrieb der Ekstraklasa wird von den Organisatoren fortlaufend beobachtet und analysiert. Als ein erster Erfolg kann dabei gewertet werden, dass heute im Inneren der Stadien die Hooliganszene während des Ligaalltags nahezu nicht mehr vertreten ist. Außerhalb der Stadien allerdings ist die Lage nach wie vor besorgniserregend, denn gerade zu Beginn dieses Jahres lösten erneut zwei gewaltsame Vorfälle landesweit Entsetzen aus: In Lodz kam es zu Auseinandersetzungen von rund 150 Hooligans der lokalen Vereine LKS und Widzew, bei denen ein 24-Jähriger starb, und in Krakau wurde ein 30-jähriger Cracovia-Anhänger von Mitgliedern einer Gruppierung der Wisla-Hooligans auf brutale Weise erstochen. Als Reaktion auf die bestürzenden Ereignisse strebt Justizminister Krzysztof Kwiatkowski (PO) nun eine Strafrechtsreform an, gemäß der Gewalttätern zukünftig per Schnellverfahren noch im Stadion der Prozess gemacht werden soll und elektronische Fußfesseln in Fällen von Stadionverboten Gewissheit über das Fernbleiben von Hooligans verschaffen könnten. Diese Maßnahmen allein werden allerdings weitere Eskalationen durch verfeindete Gruppierungen, die sich laut Tageszeitung Gazeta Wyborcza »zunehmend Mafia-ähnlich organisieren«, wohl nicht nachhaltig verhindern.

Polen - Deutschland

Im Zusammenhang mit dem Thema Nationalmannschaft stößt man unweigerlich auf verschiedene Bezüge der fußballbegeisterten polnischen Nation zu Deutschland. So verdienen derzeit allein sechs polnische Nationalspieler ihr Geld in der deutschen Bundesliga. Eine besondere Stellung hat dabei der Bundesligist Borussia Dortmund inne, der mit gleich drei Spielern der polnischen Nationalelf den Spitzenplatz in dieser Statistik einnimmt. Mit Jakub Blaszczykowski, dem Spielmacher der Nationalmannschaft, sowie Robert Lewandowski, dem polnischen Torschützenkönig der Saison 2009/10, und Lukasz Piszczek setzt man im »Revier« gezielt auf polnische Spieler. Dort gilt es in besonderer Weise, die Tradition und die Identität des Vereins zu bewahren, die seit der Gründung des Klubs 1909 eng mit Immigranten aus Ostmitteleuropa verknüpft ist. Der »Ballsportverein Borussia« erwies sich schon damals als eine Art Schmelztiegel, und das Miteinander im Verein trug auf eigene Weise wesentlich dazu bei, Unterschiede zwischen den Immigranten sowie der einheimischen Bevölkerung aufzuheben.

Heute ist man in Polen froh über die internationale Wettbewerbsfähigkeit, die sich polnische Nationalspieler in der Bundesliga aneignen, denn aus der polnischen Liga heraus ist die Herausforderung, ein schlagkräftiges Team für die EURO 2012 zusammenzustellen, allein kaum zu bewältigen. Gemessen an den polnischen Rahmendaten, der Wirtschaftskraft, einer Bevölkerungszahl von rund 38 Millionen und der Popularität des Fußballs, sagen Wirtschafts- und Fußballanalysten, dass der Verband zu den Top Ten in Europa gehören müsste. Doch angesichts der Finanzschwäche der polnischen Klubs und der Probleme der Gewalt und Korruption fehlt es hierfür an Kraft. Vor allem hat der Verband die Jugendarbeit und Talentförderung lange Zeit vernachlässigt. So verlieren heute die Jugendmannschaften des PZPN gegen Teams wie Aserbaidschan und viele junge Talente mit polnischen Wurzeln spielen im Ausland.

Ein wenig Hoffnung knüpft sich in diesem Zusammenhang an den polnischen Nationaltrainer Franciszek Smuda. Der erfolgreiche Coach, der mit Widzew Lod 1996 als bisher letzter Trainer mit einer polnischen Vereinsmannschaft den Einzug in die Gruppenphase der UEFA-Championsleague feiern konnte, hat sich u. a. zum Ziel gesetzt, keine polnischen Nachwuchshoffnungen mehr an andere Verbände zu »verschenken«. Dass Spieler wie Miroslav Klose (geb. 1978 in Opole/Oppeln), Piotr Trochowski (geb. 1984 in Tczew/Dirschau) und Lukas Podolski (geb. 1985 in Gliwice/Gleiwitz) für Deutschland auflaufen, kreidet man dem PZPN in der polnischen Öffentlichkeit besonders an. Der Verband habe sich nur halbherzig bemüht, diese Fußballtalente in jungen Jahren für ihr Geburtsland zu begeistern. Und so führte Smuda 2009 sogleich Gespräche mit dem Deutsch-Polen Sebastian Boenisch, einem Spieler, der mit dem deutschen U-21-Juniorenteam 2009 Europameister wurde, bei Werder Bremen zum Bundesligastamm gehört und wie Podolski im polnischen Gliwice/Gleiwitz geboren wurde, allerdings zwei Jahre später 1987. Die Maßnahme zeigte Erfolg: Boenisch absolvierte im Sommer 2010 seine beiden ersten Länderspiele für Polens A-Nationalmannschaft. Ob dieser Weg Polen allerdings zu mehr Erfolg verhelfen wird, ist ungewiss.

Unabhängig von diesem Engagement bleibt für die polnische Nationalelf viel Aufbauarbeit, um die hochgesteckten Ziele bis 2012 zu erreichen: Die WM-Qualifikationsgruppe beendete das Team 2009 hinter der Slowakei, Slowenien, Tschechien und Nordirland auf einem enttäuschenden fünften Platz, in der aktuellen FIFA-Weltrangliste belegt Polen international sogar nur den 71. Rang. Und das junge Nationalteam, das sich gerade im Neuaufbau befindet, verlor erst am 8. Juni 2010 gegen den späteren Weltmeister Spanien ein Testspiel mit 0:6. Da blieben den Polen im Sommer 2010 vorerst nur euphorische Presseberichte zum »polnischen Beitrag« beim WM-Auftakt Deutschlands gegen Australien. »Die wichtigsten Tore« der DFB-Elf, so die Medien, wurden von »den Polen Lukas Podolski und Miroslav Klose geschossen«. Unterschlagen wird dabei regelmäßig, dass die beiden Topstürmer als deutschstämmige Spätaussiedler in früher Kindheit mit ihren Eltern Polen verließen und ihre fußballerische Ausbildung bei deutschen Klubs erfuhren. Eigenen Aussagen zufolge zeigen jedoch beide Stars auch weiterhin eine enge Verbundenheit mit ihrem Geburtsland.

Das Projekt Europameisterschaft - die EURO 2012

Die Austragung der EURO 2012 gilt als wichtigster wirtschaftlicher und sportlicher Impuls für den polnischen Fußball und ist für die Republik Polen als politisch-gesellschaftliches Großereignis von überragender Bedeutung. UEFA-Präsident Michel Platini bewertete die Entscheidung des Exekutivkomitees vom 18. April 2007, der polnisch-ukrainischen Bewerbung den Zuschlag für die Fußball-Europameisterschaft zu erteilen, als ein »Zeichen des Vertrauens« gegenüber den Mitgliedsverbänden in Ostmitteleuropa. Von Seiten der UEFA erhofft man sich dabei, im Zuge der EM-Ausrichtung diese bisher mit weniger Organisationserfahrung und finanziellen Mitteln ausgestatteten Verbände besser und schneller an die Strukturen des modernen europäischen Fußballs anzubinden. Für die beiden gastgebenden Länder steht hingegen vor allem die Tatsache im Vordergrund, dass die unvergleichliche Attraktion des wichtigsten kontinentalen Fußballwettbewerbs und die außergewöhnliche Kraft dieses Spiels es vermögen, Menschen zusammenzubringen und zu motivieren.

Die Endrunde der Fußball-Europameisterschaft wird vom 8. Juni bis zum 1. Juli 2012 ausgetragen. Gemeinsame Gastgeber des Turniers, das bereits zum dritten Mal von zwei nationalen Verbänden zusammen ausgerichtet wird, sind Polen und die Ukraine. 16 Länder werden in insgesamt 31 Spielen um den Europameistertitel kämpfen. Dabei wird es bei diesem Turnier letztmals vier Vorrundengruppen zu je vier Mannschaften geben, bevor bei der EURO 2016 in Frankreich die Teilnehmerzahl auf 24 Verbände erhöht wird. Spielorte der EURO 2012 werden auf polnischer Seite die Städte Warschau, Danzig, Posen und Breslau sein, während auf ukrainischer Seite die Städte Kiew, Donezk, Lemberg und Charkiw ausgewählt wurden. Das Eröffnungsspiel unter Beteiligung der polnischen Mannschaft wird am 8. Juni in Warschau, das Endspiel am 1. Juli in Kiew stattfinden. Die Organisatoren erwarten nicht weniger als 1,4 Millionen Zuschauer in den Stadien, und die Spiele werden in mehr als 200 Länder live übertragen.

Die UEFA ist im Namen ihrer 53 Mitgliedsverbände für die Organisation der EM-Spiele, den Kartenvorverkauf, das Hospitality-Programm, die TV-Übertragungen, die Akkreditierung sowie den Verkauf der Werbe- und TV-Rechte verantwortlich. In Polen und der Ukraine wurden jeweils eigene so genannte Lokale Organisationskomitees (LOC) gegründet. In Polen ist dies die EURO 2012 - Polska Sp. z o.o., ein hundertprozentiges Tochterunternehmen des Polnischen Fußballverbandes PZPN, dessen wichtigste Aufgabe in der Organisation entscheidender Bereiche im Umfeld der EURO 2012 liegt. Dazu gehören vor allem Unterkünfte, öffentliche Veranstaltungen, Event-Transporte, das Management der Gastgeberstädte, Nachhaltigkeitsprogramme, Mannschaftsquartiere, technische Dienstleistungen und Volontariatsprogramme, all das in Übereinstimmung mit den Richtlinien der UEFA.

Sicherheitsfragen fallen ebenfalls in den Bereich der jeweiligen Gastgeber, wie in den Verträgen zur UEFA EURO 2012 festgehalten ist. Des Weiteren koordiniert und steuert in Polen nach Maßgabe des »Gesetzes über die Vorbereitung der Endrunde der Fußball-Europameisterschaft UEFA EURO 2012« vom 27. September 2007 die Gesellschaft PL.2012 (PL.2012 Sp. z o.o.) die Vorhaben der EURO. Sie arbeitet eng mit dem polnischen Ministerium für Sport und Touristik, der UEFA, dem Polnischen Fußballverband und den Vertretern des ukrainischen Co-Gastgeberlandes zusammen. In ihre Zuständigkeit fallen insbesondere die regelmäßige Auswertung des Stands der Vorbereitungen und die Überwachung der EM-Vorhaben sowie Werbe- und Marketingmaßnahmen, die mit der Reklame für Polen verbunden sind. Verantwortlich für die Organisation der EURO 2012 sind auf polnischer Seite Grzegorz Lato, der Präsident des PZPN, Adam Olkowicz, der polnische Turnierdirektor und Vizepräsident des PZPN, sowie von Seiten der UEFA Martin Kallen, der Direktor der UEFA EURO 2012. Marcin Herra steht als Vorstandsvorsitzender der Gesellschaft PL.2012 vor.

Wirtschaftliche Erwartungen

Polen erwartet von der Austragung der Europameisterschaft enorme wirtschaftliche Vorteile. Mit den Vorbereitungen des Turniers sind in Polen insbesondere umfangreiche Infrastrukturmaßnahmen verbunden: 900 Kilometer Autobahn und 2000 Kilometer Schnellstraße werden gebaut, 1500 Kilometer Schienennetze überprüft, 15 Bahnhöfe modernisiert, 300 neue Hotels errichtet und sechs Flughäfen überholt. Hinzu kommen die neuen EM-Stadien an den vier Austragungsorten. Bereits am 20. September 2010 wurde das »Städtische Stadion« in Posen (Zuschauerkapazität: 43.090) mit einem Konzert des britischen Rockstars Sting feierlich eröffnet, das zudem am 17. November auch erstmals Schauplatz eines Länderspiels des EM-Gastgebers Polen wurde, der gegen die Elfenbeinküste mit 3:1 gewann. Folgen werden in den nächsten Monaten die »PGE-Arena Gdansk« in Danzig (Zuschauerkapazität: 44.000 / geplante Fertigstellung: Juni 2011), das »Städtische Stadion« in Breslau (42.771 / Spätsommer 2011) und vor allem das neu zu errichtende »Nationalstadion« in Warschau (55.000 / Juni 2011), in dem am 4. Januar 2011 bereits Richtfest gefeiert wurde. Folgt man Pressestimmen zu einer Mitte 2010 von Wissenschaftlern der Handelshochschule Warschau (Szkola Glowna Handlowa - SGH), der Jagiellonen-Universität Krakau und der Universität Lodz veröffentlichten Studie, so kommt in Polen die Organisation des weltweit drittgrößten Sport-Events einem »positiven inneren Erdbeben« gleich. Den Ergebnissen der Studie nach ist die Ausrichtung insgesamt mit einem erwarteten Wirtschaftswachstum bis 2020 in Höhe von 27,9 Mrd. (konservative Schätzung) bis 36,6 Mrd. PLN (optimistische Schätzung) verbunden. Die erste Summe entspricht 2,1% des Bruttoinlandsproduktes. Die gesamten Kosten der Vorbereitungen werden mit einem Betrag von 81 Mrd. PLN veranschlagt, wovon 5 Mrd. PLN für die Stadien benötigt werden.

Erhebliche Teile der Kosten werden mit EU-Fördergeldern finanziert. Hierin besteht nach Angaben der polnischen Organisationsleitung auch einer der wesentlichen Unterschiede zwischen den beiden gastgebenden Ländern Polen und Ukraine. Während Polen nach anfänglicher Kritik am Stand der Vorbereitungen mit Blick auf den festgelegten Masterplan mit den meisten Projekten zeitlich wieder rasch im Ist war, gibt es diesbezüglich in der Ukraine erheblich größere Probleme. Die UEFA bestätigte deshalb auch sehr spät, erst am 11. Dezember 2009, alle ukrainischen Städte als offizielle Spielorte. Polen, das erheblich von europäischen Fonds profitiert, wurde hingegen während der letzten Sitzungen des UEFA-Exekutivkomitees von Präsident Platini ausdrücklich für seine beispielhafte Vorbereitungsarbeit gelobt. Neben den infrastrukturellen Investitionen, von denen sich die polnische Wirtschaft einen nachhaltigen Impuls verspricht und die nun in Verknüpfung mit der Ausrichtung der EURO 2012 schneller umgesetzt werden, erwartet man in Polen zudem enorme Gewinne im Bereich des Tourismus. Die Studie geht dabei für 2012 insgesamt von etwa 821.000 ausländischen Besuchern aus, von denen über die Hälfte (ca. 453.000) mehr als einen Tag in Polen verbringen werden. Daran soll Polen allein in einem Monat rund 845 Mio. PLN verdienen können. Dabei wird betont, dass eine gut durchgeführte EURO 2012 Polen auch langfristig als attraktives Reiseziel bekannt macht - Wissenschaftler sprechen an dieser Stelle vom »Barcelona-Effekt«, der wesentlich zur Entwicklung der gesamten ostmitteleuropäischen Region beitragen könne. Wirtschaftliche Bedenken an der Ausrichtung werden vereinzelt dahingehend geäußert, dass sich manche Investitionen, vor allem die großen Stadien, im Nachhinein als unrentabel erweisen könnten.

Einen handfesten finanziellen Erfolg konnte unterdessen der Polnische Fußballverband bereits im Vorfeld der EURO 2012 feiern. So schloss er mit dem US-amerikanischen Sportartikelhersteller Nike einen Ausrüstungsvertrag für die polnische Nationalmannschaft ab, der über mindestens vier Jahre bis zur EURO 2012 läuft und dem PZPN jährlich geschätzte Einnahmen von fünf bis sieben Millionen Euro beschert. Auch dies ist ein Beleg für die wirtschaftliche Attraktivität und die hohe Werbewirksamkeit des Turniers.

Die politische Bedeutung des Projekts EURO 2012

Die erste Austragung der Fußball-Europameisterschaft in Ostmitteleuropa seit dem Turnier 1976 in der Tschechoslowakei besitzt auch als gesellschaftliches und politisches Großereignis ein herausragendes Potential. Fußball ist in Polen unter allen Sportarten die unumstrittene Nummer 1 und so erwarten die polnischen Organisatoren mit Blick auf die EURO 2012, dass Polen von einer wahren Euphoriewelle erfasst werden wird und eine ähnlich fröhliche und weltoffene Stimmung wie Deutschland anlässlich der Austragung der FIFA-Weltmeisterschaft 2006 erleben wird. Die Verantwortlichen hoffen dabei zugleich, dass sich mit dem Turnier der Blick auf Polen ändert und nicht zuletzt in anderen Ländern vorhandene negative Stereotype gegenüber dem Gastgeberland abgebaut werden können. Die Bühne des internationalen Fußballs wird hierfür sicher eine hervorragende Plattform bieten können.

Darüber hinaus werden die Infrastrukturprojekte - etwa der schnellere Ausbau des Autobahnnetzes zwischen Ostsee und Tatra sowie zwischen der Westgrenze mit Deutschland und den Ländern des Baltikums und der EU-Außengrenze im Osten - nicht nur in der Perspektive bis 2012 gesehen. Vielmehr spricht man aufgrund ihrer großen Entwicklungswirkung in den Reihen der Verantwortlichen von einem »Mini-Marshallplan«, der »große Auswirkungen auf die Zukunft Polens« haben wird. Mit Blick nach Osten soll, so deutet es bereits der offiziellen Slogan der EURO 2012 »Gemeinsam Geschichte schreiben« an, die gemeinsame polnisch-ukrainische Organisation den östlichen EU-Nachbarn enger an die europäischen Strukturen anbinden. Die tägliche und unmittelbare Zusammenarbeit mit dem ukrainischen Verband, von dem die ursprüngliche Initiative zur Doppelbewerbung beider Länder ausging, verlief in den vergangenen Jahren gut und harmonisch. Momentan konzentrieren sich die Vorbereitungen hauptsächlich auf Tätigkeitsfelder wie Sicherheit und medizinische Versorgung, doch je näher die EM rückt, desto mehr wird die umfassende bilaterale polnisch-ukrainische Zusammenarbeit an Bedeutung gewinnen.

Auch dem Verhältnis zu Deutschland messen die Organisatoren große Bedeutung bei. So hat zum einen der Polnische Fußballverband PZPN im Februar 2010 mit dem Deutschen Fußball Bund (DFB) eine Vereinbarung im Bereich der Jugendförderung getroffen. Im Sinne der Unterstützung von Fußball als Breitensport werden hierbei unter der Schirmherrschaft des Polnischen Ministeriums für Sport und Touristik Sportlehrer sowie Kinder im Alter von sechs bis zehn Jahren in Zusammenarbeit mit der UEFA und der polnischen Initiative »Junge Adler 2012« (»Orliki 2012«) gezielt gefördert. Zum anderen wurde vereinbart, dass die polnische Nationalmannschaft am 6. September 2011 mit einem Freundschaftsspiel gegen das DFB-Team das neue Nationalstadion in Warschau einweihen wird. Dieses Ereignis wird unter besonders großer medialer Aufmerksamkeit stattfinden, von hoher Symbolkraft sein und bereits im Vorjahr der EURO 2012 eine ausgezeichnete Gelegenheit bieten, die freundschaftliche Verbundenheit der beiden Verbände und der beiden Nachbarstaaten hervorzuheben.

So richten sich die Erwartungen darauf, dass die Austragung der Fußball-Europameisterschaft 2012 in Polen einen wichtigen Beitrag zur grenzüberschreitenden Verständigung der Nationalitäten in Mittel- und Osteuropa leisten kann und der gemeinsame Gedanke von möglichst vielen Besuchern und Fans aufgenommen und weitergetragen wird.

Der Artikel entstand im Rahmen eines Praktikums an der Konrad-Adenauer-Stiftung in Warschau.

Über den Autor

Thomas Behrens studiert Politische Wissenschaft, Psychologie und Strafrecht an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn und schreibt zurzeit seine Magisterarbeit zum Thema deutsch-polnische Beziehungen seit 1998. Seine Interessenschwerpunkte liegen in den Bereichen Internationale Politik (insbesondere die Polen- und Europapolitik Deutschlands) und Sicherheitspolitik sowie auf den Gebieten politische Bildung und Sozialpsychologie. Von April bis Juli 2010 war er Praktikant bei der Konrad-Adenauer-Stiftung in Warschau.

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