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Refah Partisi (RP) | Türkei | bpb.de

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Refah Partisi (RP) Wohlfahrtspartei

Dr. Yaşar Aydın

/ 3 Minuten zu lesen

Gründungsjahr
1983
Letzte Regierungsbeteiligung
1996-1997
Internationale Verbindungen
Islamische Gemeinschaft Milli Görüş (IGMG)
Parteiverbot 1998

Die Refah Partisi (RP, Wohlfahrtspartei) war eine islamistische Partei, die 1983 als Nachfolgeorganisation der Milli Selamet Partisi (MSP, Nationale Heilspartei) gegründet wurde. Die MSP wiederum wurde am 11. Oktober 1972 als Nachfolgerpartei der Milli Nizam Partisi (MNP, Nationale Ordnungspartei) gegründet, die nach dem Militärputsch von 1971 verboten wurde. Süleyman Arif Emre, erster Vorsitzende der Partei, wurde am 20. Oktober 1973 durch Necmettin Erbakan abgelöst. Die MSP zog bei der Wahl 1973 mit 11 Prozent der Stimmen ins Parlament ein, beteiligte sich als Juniorpartnerin an der Regierung von Bülent Ecevit, Interner Link: Cumhuriyet Halk Partisi (CHP, Republikanische Volkspartei), später nach dem Zusammenbruch der Koalition mit der CHP an den "Rechts-von-der-Mitte"-Regierungen unter Süleyman Demirel. Die MSP war im Zuge Interner Link: des Militärputsches von 1980 verboten worden. Beide Parteien standen der islamistischen Milli-Görüş-Bewegung nahe.

Die RP konnte ihre ersten Erfolge auf kommunaler Ebene in den Provinzen Konya, Şanlıurfa, Van, Kahramanmaraş und Sivas (1989), später auch in Istanbul und Ankara (1994) erzielen. Bei der Parlamentswahl 1991 zog sie mit 16,9 Prozent erstmals in die Große Nationalversammlung ein, bei der folgenden Wahl im Jahr 1995 wurden sie mit 21,4 Prozent stärkste politische Kraft der Türkei. Da keine andere Partei bereit war mit der RP zusammen zu arbeiten, zog sich die Regierungsbildung über ein halbes Jahr hin. Ein Versuch der Interner Link: Anavatan Partisi (ANAP, Mutterlandspartei) und der Interner Link: Doğru Yol Partisi (DYP, Partei des Rechten Weges) gegen die RP zu koalieren scheiterte. Im Juni 1996 ging die DYP dann doch eine Koalition mit der RP ein, deren Vorsitzender Necmettin Erbakan zum Ministerpräsidenten ernannt wurde.

Verschiedene Faktoren und Entwicklungen waren für den Erfolg der Islamisten verantwortlich. Aufgrund des abrupten Übergangs zu einer liberalen Marktwirtschaft in den 1980er-Jahren und der Entstehung einer Konsumgesellschaft kam es zu starken gesellschaftlichen Veränderungen. Korruptionsskandale ließen zudem das Vertrauen der Bevölkerung in etablierte Parteien schwinden. Die RP konnte in dieser Situation mit moralischen und religiösen Werten für sich werben.

Verantwortlich war auch die Gesellschaftspolitik der ANAP, die in den Jahren 1983 bis 1991 versucht hatte Islamisten und Traditionalisten in den öffentlichen Diskurs zu integrieren und in die Institutionen des Staates einzubinden. Die RP konnte zudem mit ihrer Systemkritik und ihrem Einsatz für sozial Schwache sowie für politisch und kulturell vom System ausgeschlossene Schichten punkten. Sie erreichte so breite Wählerschichten, auch jenseits ihrer konservativ-islamischen Stammwählerschaft: Neben den weniger privilegierten städtischen Schichten erhielt sie den größten Zulauf von kurdischen Wählern. Während der kurzen Periode ihrer Regierungsbeteiligung und zuvor auf kommunaler Ebene betrieb die RP jedoch auch eine Politik des Klientelismus, begünstigte religiös-konservative Personen, Firmen, islamische Netzwerke und lokale Machtstrukturen und erreichte die Erstarkung eines islamisch-konservativen Machtsektors, auf dem später die Interner Link: Adalet ve Kalkınma Partisi (AKP, Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung) aufbauen konnte.

Während seiner Amtszeit präsentierte sich Erbakan weitgehend als Realpolitiker, seine politisch-islamische Ausrichtung zeigte er vor allem durch Auslandsreisen in arabisch-muslimische Staaten, mit denen die Türkei stärker kooperieren und sich gleichzeitig vom Westen lösen sollte.

1997 wurde Interner Link: seine Regierung auf Betreiben des Militärs zum Rücktritt gezwungen. Der "sanfte Putsch" war das vierte und letzte Mal, dass das türkische Militär einen Regierungswechsel erzwang. Die RP wurde 1998 vom Verfassungsgericht verboten, Erbakan selbst mit einem fünfjährigen Politikverbot belegt.

Ihre Nachfolgepartei, die Fazilet Partisi (FP, Tugendpartei) wurde bei der Parlamentswahl im Jahr 1999 größte Oppositionspartei, bereits zwei Jahre später jedoch aus den gleichen Gründen verboten, wie zuvor die RP. Mit dem Verbot der Partei kam es auch zur Spaltung der bisherigen FP-Fraktion im türkischen Parlament: 2001 entstanden dadurch aus dem Reformflügel die heutige Regierungspartei AKP und aus dem konservativen Flügel die Interner Link: Saadet Partisi (SP, Partei der Glückseligkeit).

Weitere Inhalte

ist seit April 2013 Mercator-IPC-Fellow an der Stiftung Wissenschaft und Forschung und Mitarbeiter in der Forschungsgruppe EU-Außenbeziehungen. Forschungsgebiete: Migrationsforschung und Zuwanderungspolitik; Türkeiforschung; Nationalismusforschung (Nationalismus, ethnische Konflikte, Fremdheitsproblematik, kollektive Identität); Soziale Philosophie und Politische Theorie (Theorien der Moderne/Modernisierung)