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El Salvador | Kriege und Konflikte | bpb.de

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El Salvador

Jonatan Suarez Palomino

/ 8 Minuten zu lesen

28 Jahre nach dem Bürgerkrieg in El Salvador scheint Präsident Bukele die Eindämmung der ausufernden Bandengewalt gelungen zu sein. Doch die Lage bleibt fragil, denn die strukturellen Gewaltursachen wirken fort. Armut und Perspektivlosigkeit sowie die nicht aufgearbeitete Konfliktgeschichte bedrohen das Land weiter.

Agenten der Nationalen Zivilpolizei aus San Salvador während der Operation "Secure House" gegen kriminelle Banden. (© picture-alliance/dpa, Oscar Rivera )

Aktuelle Konfliktsituation

Seit seiner Wahl im Februar 2019 ist es Nayib Bukele gelungen, zum beliebtesten Präsidenten Lateinamerikas aufzusteigen. Der ehemalige Bürgermeister von San Salvador, der mit seiner eigenen politischen Bewegung "Nuevas Ideas" angetreten ist, genießt Zustimmungswerte von über 80 %. Bei den Parlamentswahlen am 28. Februar 2021 erreichte die von Bukele gegründete Partei Nuevas Ideas (Neue Ideen) auf Anhieb mit 56 eine klare Mehrheit der 84 Sitze. Gemeinsam mit der Gana-Partei (5 Sitze) verfügt sie sogar über eine Zweidrittelmehrheit. Dagegen mussten die beiden lange dominierenden Parteien herbe Niederlagen hinnehmen. Die rechte ARENA kam lediglich auf 14 und die linke FMLN (Frente Farabundo Martí para la Liberación Nacional) auf vier Sitze.

Bukele, der mit 38 Jahren bei Amtsantritt jüngste Präsident in der Geschichte El Salvadors, kündigte einen Neuanfang an. Neu ist der Regierungsstil bei genauer Betrachtung jedoch nicht; er ähnelt dem klassischen populistischen und autoritären Führungsstil, gepaart mit Vetternwirtschaft und Klientelismus. Viele Posten im Kabinett werden von Verwandten oder Freunden bekleidet. So ist ein Onkel Bukeles Handelsminister und ein Cousin Vorsitzender seiner Partei. Den direkten Kontakt zur Bevölkerung hält Bukele – nach seinem großen Vorbild Donald Trumps – per Twitter und wird deshalb "Trumpito" (kleiner Trump) genannt. Genau wie Trump verkauft er der Bevölkerung einfache Lösungen für komplexe Probleme und hat ein ähnlich aufbrausendes und radikales Gemüt.

Die autoritäre Ausrichtung der Regierung zeigt sich besonders im Umgang mit seinen Widersachern. Im April 2020 hatte Bukele nach drastischem Anstieg der Mordrate die Polizei und Armee angewiesen, von der Schusswaffe gebraucht zu machen, und verkündetet die Anweisung auf Twitter zusammen mit Fotos von inhaftierten Bandenmitgliedern, die gefesselt, mit nackten Oberkörpern und eng aneinander sitzend in einem Gefängnisinnenhof vorgeführt wurden.

Immer wieder macht Bukele durch Tweets für die gravierende Gewalt im Land Jugendbanden, sogenannte "Maras", verantwortlich. Den schätzungsweise 70.000 Mara-Mitgliedern im Land hat er offen den Krieg erklärt. Weil Kriminalität und Gewalt zuletzt immer weiter zugenommen haben, trifft das harte Durchgreifen der Regierung in weiten Teilen der Bevölkerung auf viel Zustimmung.

Zugleich nehmen Übergriffe und Menschenrechtverletzungen der Sicherheitskräfte zu (Human Rights Watch 2020: 185–190; Amnesty International 2020). Vor allem Journalisten und Redaktionen geraten immer mehr in den Fokus, wenn sie kritisch über die Regierung berichten. So lässt die Regierung Journalisten filmen, die kritische Fragen stellen, und stellt die Aufnahmen unzensiert ins Internet. Die Identität der Journalisten wird dabei nicht geschützt, was in einem Land mit hoher Kriminalität, Korruption und Mordrate ein erhebliches Risiko darstellt. Bukele greift Journalisten auch persönlich über Twitter an, nicht selten verbunden mit Beleidigungen und Drohungen seitens seiner Anhänger. Auch kommt es zu Hackerangriffen und Einbrüchen in Redaktionen.

Kriege und Konflikte in El Salvador. (© bpb)

Ursachen und Hintergründe

Mit dem Ende des Bürgerkrieges (1980-1991) begann zunächst eine positive Entwicklung in Richtung Demokratisierung. Doch die Fortschritte wurden schnell in der unversöhnlichen Konfrontation zwischen den beiden führenden Parteien zerrieben. Das ist einerseits die rechtskonservative Alianza Republicana Nacionalista de El Salvador (ARENA) und andererseits die ehemalige Guerilla-Bewegung Frente Farabundo Martí para la Liberación Nacional (FMNL). Beide standen sich bereits während des Bürgerkrieges gegenüber, in dem die ARENA die Militärregierung stellte. Die Rivalität bedeutet de facto die Fortsetzung des alten Konflikts mit überwiegend politischen Mitteln. Die Folgen sind ein polarisiertes politisches System und ein nie dagewesenes Maß an populistischer Propaganda von beiden Seiten.

Hinzu kommt, dass die Verbrechen im Bürgerkrieg nie aufgebarbeitet wurden. 1993 wurde sogar im Parlament für die Verantwortlichen und Täter für alle Kriegsverbrechen vor 1992 eine Generalamnestie erlassen. Dies geschah fünf Tage bevor mehrere Ermittlungskommissionen, wie z.B. die "Comisión de la Verdad para El Salvador", die Ergebnisse veröffentlichen wollten. Es wurden 13.569 Fälle ermittelt, darunter schwere Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen.

Weiterer konfliktverschärfende Faktoren sind das Fehlen natürlicher Ressourcen und die geringe Konkurrenzfähigkeit der salvadorianischen Unternehmen im globalen Markt. Die Situation wurde in den 1990er Jahren noch zusätzlich durch die neoliberale Sparpolitik der ARENA-Regierungen verschärft. In der Folge vertiefte sich die traditionelle Kluft zwischen reicher Oberschicht und der großen Mehrheit der Bevölkerung. Besonders die Zukunftschancen der jüngeren Generation verschlechterten sich drastisch.

Die fragile Stabilität wird zudem von der Bandenkriminalität bedroht. Durch Gewalt- und Tötungsdelikte werden nicht nur die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet, sondern auch ausländische Investoren abgeschreckt und die wirtschaftliche Entwicklung ausgebremst. Die starke sozio-ökonomische Ungleichheit, vor allem zulasten der Jugendlichen, verstärkt die Anreize, sich Banden anzuschließen.

Das Gewaltmonopol des Staates war seit dem Ende des Bürgerkrieges zwar nie in Gefahr, jedoch führte die extreme Gewalt und Kriminalität der Banden in vereinzelten Orten zum Verlust der staatlichen Kontrolle. Die Sicherstellung von grundlegenden Zivil- und Menschenrechten konnte dort aufgrund der hohen Kriminalitätsrate nicht mehr vollständig durch den Staat gesichert werden.

Auch die Bandenkriminalität hat ihre Ursachen im Bürgerkrieg. Damals flohen etwa eine Million Menschen aus dem Land. Sie strandeten in den Armenvierteln im Westen der USA. Aus Schutz vor lokalen Banden schlossen sich vor allem Jugendliche bestehenden Gruppierungen an oder bildeten ihrerseits Banden, um nicht hilflos gewalttätigen Übergriffen ausgesetzt zu sein. Vor allem die MS-13 entwickelte sich schnell zu einer der gefährlichsten Bandengruppierungen in Kalifornien. So liegen die Wurzeln der heute in El Salvador dominierenden Mara Salvatrucha 13 (MS-13) in Los Angeles und anderen Städten Kaliforniens.

Aufgrund der rapide ansteigenden Gewalt- und Kriminalitätsrate verschärfte die USA ab 1996 ihre Migrationsgesetzgebung und Abschiebepolitik. Allein zwischen 1998 und 2005 wurden 46.000 Menschen nach Zentralamerika abgeschoben, darunter tausende Bandenmitglieder mit ihren Strukturen, ihrem Know-how und ihrer Ideologie. Dies erklärt, warum die Maras, deren Mitglieder auf mehrere Zehntausend geschätzt werden, mittlerweile ein grenzüberschreitendes Sicherheitsproblem in ganz Nord- und Zentralamerika darstellen.

Viele Mara-Gruppierungen unterhalten Kontakte zu mexikanischen Drogenorganisationen. Sie betreiben unter anderem mit den mexikanischen "Los Zetas" gemeinsame Schmuggelrouten und erhalten im Austausch Kampftrainings. Allgemein agieren Maras als Mittelsmänner, die sich um Transport und Schutz der Ware kümmern. Zudem treten sie immer häufiger als Betreiber eigener Etablissements im Dienstleitungs- und Unterhaltungssektor auf – u.a., um das eingenommene Geld zu waschen.

Bearbeitungs- und Lösungsansätze

Präsident Bukele versucht, die Probleme des Landes mit einer Politik der "harten Hand" in den Griff zu bekommen. Kurz nach seinem Amtsantritt schickte Bukele zusätzlich 2.500 Polizisten und 3.000 Soldaten auf die Straßen der Hauptstadt San Salvador und weiterer Städte. Nach seinem "Plan Control Territorial" soll in sieben Phasen die Bandenkriminalität eingedämmt werden. Trotz der Missachtung elementarer Rechtsgrundlagen stilisieren ihn regierungskonforme Medien und große Teile der Bevölkerung zum Retter. Auch die Statistik scheint dem Präsidenten recht zu geben. Laut "Conflict Barometer 2019" des Heidelberg Instituts für Internationale Konfliktforschung (HIIK) ist die Mordrate in El Salvador mit 2.383 Fällen im Vergleich zu den Vorjahren auf einen Tiefststand seit 2013 gesunken. Auch die Anzahl der Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Gangs ist rückläufig. Diese Entwicklung veranlasste die Regierung, die Politik der "harten Hand" fortzuführen (HIIK 2020).

Die repressive Strategie führt jedoch nicht zu nachhaltigen Lösungen. Im Gegenteil, das zunehmend brachiale Vorgehen gegen die Mara-Gruppierungen, bei dem Polizei und Armee "zum Schutz der Bevölkerung" zur Anwendung "tödlicher Gewalt" autorisiert wurden, spitzt die Lage im Land weiter zu. Nachdem in den Gefängnissen die Haftbedingungen der ca. 13.000 inhaftierten Maras verschärft und die Verwahrung von Mitgliedern verschiedener Mara-Gruppierungen in getrennten Zellen aufgehoben wurde, eskalierte laut den Berichten der interamerikanischen Menschenrechtskommission die Situation in den stark überfüllten Gefängnissen.

Nach einem Anstieg der Gewaltzahlen in El Salvador hatte Bukele zum wiederholten Mal den Notstand in den Gefängnissen und eine Isolierung der Häftlinge verkündet sowie der Polizei und Armee befohlen, tödliche Gewalt gegen die "Terroristen" auch außerhalb der Gefängnisse anzuwenden. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) kritisierte das als "Blankovollmacht zum Morden". Auf 100.000 Einwohner kommen 600 Inhaftierte. El Salvador ist damit im weltweiten Ranking hinter den USA auf dem zweiten Platz hinsichtlich des Verhältnisses von Inhaftierten und Bevölkerung.

Anders als viele seiner lateinamerikanischen Amtskollegen, die die Gefährlichkeit des Coronavirus lange Zeit ignorierten, ordnete Bukele strenge Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie an. Über Twitter forderte er Militär und Polizei auf, jeden, der die häusliche Quarantäne missachtet, für 30 Tage in eigens eingerichteten Lagern festzusetzen. Den Einspruch des Obersten Gerichtshofes gegen diese Praktiken wies er schroff zurück und verpflichtete Regierungs- und Sicherheitsorgane, die Maßnahmen weiter umzusetzen.

In der Öffentlichkeit finden die Maßnahmen des Präsidenten angesichts eines Klimas der Gewalt und der Rache viel Zustimmung, auch weil große Teile der Bevölkerung seit Jahrzehnten unter der Willkür und Rücksichtslosigkeit der Banden leiden. Die Opposition im Land genießt weniger Zustimmung und ist durch das harte Vorgehen Bukeles teilweise eingeschüchtert. Staatliche Institutionen werden instrumentalisiert, um Medien, die kritisch über die Regierung berichten, zu attackieren.

Durch die öffentliche Zustimmung ermutigt, praktiziert Bukele auch in anderen Bereichen einen zunehmend autoritären Regierungsstil. So besetzte er am 9. Februar 2020 an der Spitze einer Gruppe uniformierter Soldaten das Parlament. Grund hierfür war ein Streit über die Bewilligung eines Kredites zur Finanzierung seiner Pläne zur "Wahrung der öffentlichen Sicherheit". Zwar erklärte der Oberste Gerichtshof das Vorgehen Bukeles und den Einsatz der Streitkräfte für unzulässig, doch hat dies keine Auswirkung auf das undemokratische und unverantwortliche Handeln des Präsidenten.

Geschichte des Konflikts

Am 16. Januar 1992 endete in El Salvador der blutige 12-jährige Bürgerkrieg, in dem 75.000 Menschen starben. Durch die Vermittlung von Kirche und UNO und den "Friedensvertrag von Chapultepec" begann eine neunmonatige Waffenruhe, die den Übergang zur Demokratie einleitete. Die Umsetzung des Vertrages wurde von 1991 bis 1995 durch die UN-Beobachtermission (ONUSAL) garantiert. Der Prozess galt lange als Musterbeispiel liberaler Friedensentwicklung. Neben der Demokratisierung des Landes beinhaltete der Vertrag die Entwaffnung der Guerilla-Gruppierung FMNL (Frente Farabundo Martí para la Liberación Nacional) und deren Anerkennung als Partei, die Reduzierung des Militärs sowie Grundbesitz- und Justizreformen.

Mit dem 1992 unterzeichneten Friedensvertrag entstand ein neues politisches System, das auf politischen und bürgerlichen Rechten beruhte. Die Kandidaten der ARENA Partei gewannen mit ihrer proamerikanischen und neoliberalen Ausrichtung alle vier Präsidentschaftswahlen seit 1989 und kontrollierten die Exekutive bis 2009. Während dieser Periode erlebte das Land ein hohes Wirtschaftswachstum, was es ermöglichte, die Zölle zu senken. Auch für die Einführung des US-Dollars als Landeswährung 2001 war die ARENA maßgeblich verantwortlich – eine Maßnahme, die ab den 2000er Jahren mit einem sinkenden Wirtschaftswachstum einherging. Während der Weltwirtschaftskrise 2008 kam das Wachstum zum Stillstand und erholte sich in den darauffolgenden Jahren nur sehr langsam.

Als 2009 die FMNL zum ersten Mal die Präsidentschaftswahlen für sich entscheiden konnte, war in rechten Kreisen die Sorge groß, dass die neue Regierung die marktwirtschaftlich orientierte Politik der Vorgängerregierung stoppen könnte. Die FMNL-Regierung fokussierte sich auf die benachteiligten Bevölkerungsgruppen. Sie beschloss u.a. erhöhte Ausgaben für Bildung und Gesundheit sowie staatliche Unterstützung für die Rentenpläne. Diese Ausgabensteigerungen verstärkten den Druck auf die Staatsfinanzen. Staatsverschuldung und das Haushaltsdefizit erreichten 2017 ein Rekordhoch. Daraufhin wurde auf Druck der Opposition ein Gesetz verabschiedet, das die Regierung verpflichtete, Defizitausgaben und Neuverschuldung zu begrenzen.

Diese wirtschaftlichen und politischen Krisen gingen mit einem explosionsartigen Anstieg der organisierten und Bandenkriminalität einher und eröffneten eine erbitterte Debatte darüber, wie damit umgegangen werden solle. Zwar sind sich ARENA und FMNL darin einig, dass die Ursachen der Gewalt zum größten Teil in der tiefen Kluft zwischen Arm und Reich zu suchen sind, doch bestehen nach wie vor unvereinbare Positionen dazu, wie die sozio-ökonomischen Unterschiede überwunden werden können.

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Jonatan Suarez Palomino absolvierte den Master "Friedensforschung und Internationale Politik" an der Universität Tübingen. Währenddessen sammelte er zahlreiche praktische Erfahrungen bei verschiedenen Akteuren der internationalen Entwicklungszusammenarbeit, unter anderem in Nepal und Kosovo. Seine Forschungsschwerpunkte sind Nationsbildungsprozesse, Konfliktstudien und Terrorismusforschung.