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Parteien in staatlichen Institutionen

Uwe Jun

/ 16 Minuten zu lesen

Ohne Parteizugehörigkeit sind Parlamentsmandate bzw. Regierungsämter in der Kommune, im Land, im Bund und in der EU kaum erreichbar, und auch in Ministerien und gesellschaftlichen Organisationen sind Parteimitglieder häufig vertreten. Viele Abgeordnete haben die Politik zu ihrem Beruf gemacht. In jährlichen Rechenschaftsberichten legen die Parteien dem Bundestagspräsidenten ihre Finanzen dar, die sich aus unterschiedlichen Quellen speisen.

Vielfältiges Hineinreichen in den Staat

Die größten Gestaltungsmöglichkeiten bieten sich Parteien als Teil einer Regierung. Die Ministerinnen und Minister der Großen Koalition aus CDU/CSU und SPD bei einer gemeinsamen Sitzung am Kabinettstisch des Bundeskanzleramts im Dezember 2014. (© imago / Christian Thiel)

Die zentrale Stellung von politischen Parteien in der deutschen Parteiendemokratie wird deutlich beim Blick auf ihre Rolle in den staatlichen Institutionen. Nach der (Mitglieder-)Organisation auf der gesellschaftlichen Ebene in Ortsvereinen und Kreisverbänden (party on the ground), der strukturierten (Binnen-)Einheit mit Präsidium, Geschäftsstellen und bewusster Außenwirkung beispielsweise in Wahlkämpfen (party in central office) ist ihr Wirken in staatlichen Institutionen (party in public office) das dritte Gesicht einer Partei.

Sie entsendet Abgeordnete und/oder Regierungsvertreter in staatliche Institutionen der Exekutive und Legislative. Durch die (Aus-)Wahl der Bundesverfassungsrichter erstreckt sich ihr Einfluss selbst in die Judikative hinein. Auch in großen Teilen der öffentlichen Verwaltung (insbesondere Ministerialbürokratie und Parlamentsverwaltung), im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, in staatlichen Lottogesellschaften oder anderen quasi-staatlichen Einrichtungen und Unternehmen sind Vertreter der Parteien anzutreffen.

QuellentextParteianhänger in den Ministerien

[...] Dass die Parteien an der "politischen Willensbildung des Volkes" mitwirken, regelt das Grundgesetz im Artikel 21. Selbstverständlich ragt diese Mitwirkung auch in das Regierungsgeschehen, in die Ministerien hinein. Nach jeder Bundestagswahl teilen die Parteien, die eine Regierung bilden, die Ministerien unter sich auf. Ministerinnen und Minister pflegen Parteibücher zu haben. Im engsten Umfeld der Minister sind Vertraute im Einsatz, die oft dasselbe Parteibuch haben wie dieser. Da, wo das nicht der Fall ist, muss der Ressortchef sich zumindest darauf verlassen können, dass die Leute aus seinem engsten Umfeld nicht das Spiel einer anderen Partei spielen.

Höchste Beamte wie die Staatssekretäre werden ebenfalls oft nach politischen Kriterien ausgesucht, was freilich keinesfalls bedeutet, dass sie die fachlichen nicht erfüllen. Ein Minister muss sicher sein, dass die obersten Beamten der Ministerialhierarchie hinter den politischen Projekten stehen, welche die entsendende Partei sich auf die Fahnen geschrieben hat. Der Staatssekretär einer Arbeitsministerin, die nach Beschlusslage ihrer Partei einen Mindestlohn durchsetzen soll, muss dieses Projekt mittragen. Staatssekretäre sind sogenannte politische Beamte, für die es sogar einen eigenen Paragraphen im Beamtengesetz gibt. Sie können – anders als weniger ranghohe Beamte – ohne Nennung von Gründen jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden. An der Spitze von Regierungen ist also das Zusammenwirken von Beamtentum und Parteipolitik einigermaßen klar geregelt.

Schwieriger wird es weiter unten in der Hierarchie. Auch hier gibt es Regelungen im Bundesbeamtengesetz. So dürfen schon bei der Auswahl der Bewerber für eine Beamtenlaufbahn nur "Eignung, Befähigung und fachliche Leistung" eine Rolle spielen, nicht aber Geschlecht, Abstammung, Rasse oder ethnische Herkunft, Behinderung, Religion, Herkunft, Beziehungen oder sexuelle Identität oder aber: politische Anschauungen. Beamte in Bundesministerien dürfen solche Anschauungen auch durch eine Parteimitgliedschaft dokumentieren. Daraus darf ihnen kein Nachteil erwachsen. Das gehe, so schildert es ein erfahrener Akteur des bundespolitischen Geschäfts, bis auf Bismarck zurück. […]

Daher dürfen bis heute diejenigen, die nicht in die kleine Gruppe der politischen Beamten gehören, nur innerhalb ihrer Hierarchieebenen versetzt werden. Ein Minister von der CDU kann zwar dafür sorgen, dass ein missliebiger Unterabteilungsleiter von der SPD auf einen Posten von minderem operativem Einfluss versetzt wird. Er kann ihm aber nicht aus politischen Gründen seine Lebensgrundlage oder auch nur seinen Rang im ministerialen Gefüge nehmen. Manche Beamte könnten sogar darauf hoffen, dass eine Parteimitgliedschaft ihnen Vorteile einbringt. Mehr als heute galt das in der Zeit, da die Politik ideologisch noch hoch aufgeladen war, in den siebziger und achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, in Ausläufern auch noch in den Neunzigern. […]

In jenen parteipolitisch aufgeladenen siebziger und achtziger Jahren wurden die Betriebsgruppen wichtig. […] In manchen Ministerien ist […] der Begriff Betriebsgruppe durch freundlichere Namen wie Freundeskreis abgelöst worden.

Obwohl es […] mit dem parteipolitischen Kampf weniger geworden ist, […] haben die Betriebsgruppen neben der Organisation von Treffen mit Gastrednern noch ihre Bedeutung. Ein erfahrener Ministerialbeamter nennt zum einen die Schutzfunktion. Gebe es einen Machtwechsel im Ministerium und drohe einem Beamten, der sich zu seiner Parteimitgliedschaft bekennt, eine Verschiebung im System, die seiner Laufbahn über Gebühr schaden würde, so melde sich zuverlässig die Betriebsgruppe zu Wort. Eine zweite Funktion bestehe in der Bildung von Personalreserven. Wenn etwa eine Bundestagsfraktion Fachleute aus einem der Ministerien braucht, kann die Betriebsgruppe schnell Namen nennen von Mitarbeitern, die das richtige Parteibuch haben. Nicht von ungefähr bemühen sich einige Betriebsgruppenvorsitzende um Positionen mit Personalzuständigkeit.

Die Parteizugehörigkeit spielt nach wie vor eine große Rolle für die Werdegänge vieler Ministerialbeamten. Zum einen kann das im operativen Alltagsgeschäft der Fall sein. Ein langjähriger Beamter schildert einen Fall, in dem er innerhalb des Hauses Hilfe gebraucht habe. Er wandte sich an einen Kollegen, von dem er sicher sein durfte, dass er ihm parteipolitisch nahestand. Er bekam die gewünschte Hilfe. Wie sehr Parteibücher eine Rolle spielen, zeigt sich regelmäßig, wenn neue Minister ein Haus übernehmen, vor allem wenn sie von einer anderen Partei als der Vorgänger sind. Denn noch lauter als die Betriebsgruppen verschaffen sich häufig die Personalratsvorsitzenden Gehör, wenn sie der Ansicht sind, dass der neue Minister Parteifreunde auf attraktive Posten setzt, denen die fachliche Qualifikation fehlt, die vor allem aber langjährigen Mitarbeitern den Weg nach oben versperren. […]

Ausgebuffte Strategen des Machtspiels in Ministerien vertreten die These, dass noch wirkungsvoller als eine Betriebsgruppe keine Betriebsgruppe ist. So gibt es Beispiele dafür, dass Parteien bewusst auf die Gründung eines solchen Zusammenschlusses verzichten. Der Grund: Gibt es eine solche Gruppe erst, so ist jedes ihrer Mitglieder geoutet als Roter, Schwarzer, Grüner oder Gelber. Das erschwert Versuche, mit Parteifreunden Ziele durchzusetzen, ohne dass es gleich jeder merkt.

Eckart Lohse, "Hauseigene Sympathisantenszene", in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 31. März 2014 © Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt. Zur Verfügung gestellt vom Frankfurter Allgemeine Archiv

Auf allen vier staatlichen Ebenen – Kommunen, Ländern, Bundesstaat und EU – sind sie Mitglieder parlamentarischer Gremien: im Gemeinde- und Stadtrat, im Landesparlament, im Bundestag sowie im EU-Parlament. In herausgehobenen Ämtern dominieren Repräsentanten der Parteien: als Bürgermeister, Ministerpräsidenten oder Minister bzw. Senatoren in den Ländern und im Bund bis hin zum Amt des Bundeskanzlers bzw. der Bundeskanzlerin. So hatte beispielsweise jeder Bundeskanzler (mit Ausnahme von Helmut Schmidt) genauso wie momentan die Bundeskanzlerin zumindest zeitweise auch das Amt des/der Parteivorsitzenden inne und nutzte es als Absicherung bzw. Ressource seiner/ihrer Machtposition. Das Beispiel illustriert die enge Verknüpfung von Partei und öffentlichen Ämtern.

In den Städten und Gemeinden, also auf der kommunalen Ebene, agieren zumeist Parteienvertreter in den Gemeinde- und Stadträten bzw. als Bürgermeister, Landrat oder Dezernent in den Rathäusern. Hier erlangen jedoch auch nicht selten parteilose Kandidaten oder Wählervereinigungen Ämter und Mandate. Selbst in Großstädten kann es – wenn auch sehr selten – vorkommen, dass der Bürgermeister keiner Partei angehört.

Parteien in Regierungsverantwortung

Oberhalb der kommunalen Ebene ist ein Parlamentsmandat bzw. Regierungsamt ohne Parteizugehörigkeit kaum oder höchst selten zu erreichen – es herrscht quasi ein Parteienmonopol. Voraussetzung für ein Parlamentsmandat oder Regierungsamt ist also der Eintritt und die aktive Mitwirkung in einer Partei. Ein wichtiges Ziel von Parteien ist es, im Parlament vertreten zu sein, um bei der konkreten Politikgestaltung in Kommune, Land und Bund mitwirken zu können. Die größten Gestaltungsmöglichkeiten bieten sich als Teil der Regierung, am deutlichsten als (stärkste) Regierungspartei. Denn in dieser Rolle kommt einer Partei am meisten Macht zu, um die Interessen, Werte und Vorstellungen ihrer Mitglieder und Wählerschaft umsetzen zu können.

Fraktionen

Parteien im Parlament bilden Fraktionen. Als Fraktionen gelten im Bundestag und in den Landtagen freiwillige Zusammenschlüsse von Abgeordneten, welche in keinem Wettbewerb zueinander stehen (wie es beispielsweise bei CDU und CSU der Fall ist) und gleiche oder ähnliche politische Vorstellungen haben. Sie genießen einen besonderen Status, der durch zahlreiche parlamentarische Rechte und finanzielle Zuwendungen sichergestellt wird. Den Fraktionsstatus im Bundestag und in den Landesparlamenten erhält eine Gruppe von Abgeordneten, wenn sie mindestens fünf Prozent aller Mitglieder des Parlaments umfasst. Im kleinsten Landesparlament Deutschlands, dem saarländischen Landtag, reichen entsprechend zwei Abgeordnete.

Im Grundgesetz werden Fraktionen nur in Art. 53a Abs. 1 Satz 2 GG ausdrücklich erwähnt. Sie sind die wichtigsten Akteure der politischen Willensbildung im Parlament, wirken aber auch in das politische Geschehen außerhalb des Parlaments hinein. Der Bundestag gilt als ein Fraktionenparlament, in dem Fraktionen zentrale Rechte haben, wie etwa das Recht zur Gesetzesinitiative, und zahlreiche Kontrollrechte. Fraktionen organisieren, strukturieren und koordinieren den parlamentarischen Alltag und prägen damit letztlich den Bundestag. Sie setzen fest, welche Abgeordnete in Ausschüsse entsandt werden oder Reden im Plenum halten. Das Fraktionenparlament ist Kern der Parteiendemokratie, in dem es dem Prinzip politischer Repräsentation konkret Ausdruck verleiht und es in legitimiertes staatliches Handeln überführt.

Im 18. Deutschen Bundestag gibt es vier Fraktionen: Die CDU/CSU-Fraktion ist mit 310 Sitzen die stärkste Fraktion, gefolgt von der SPD-Fraktion mit 193 Sitzen, der Fraktion Die Linke mit 64 Sitzen und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit 63 Sitzen.

Sitzverteilung im 18. Deutschen Bundestag (© Deutscher Bundestag, Stand: September 2015)

Im parlamentarischen System Deutschlands kommt den Regierungsfraktionen und ihrem disziplinierten Abstimmungsverhalten eine besondere Bedeutung bei der Wahl des Bundeskanzlers und in der Gesetzgebung zu. Regierungsfraktionen sind an allen zentralen Entscheidungen der jeweiligen Bundes- oder Landesregierung beteiligt; sie müssen letztlich im Parlament ihre Zustimmung zu Gesetzen geben, denn ohne die Zustimmung in Parlamenten kommen Gesetze nicht zustande. Für die Funktionsfähigkeit der "Aktionseinheit" (Winfried Steffani) von Regierung und Parlamentsmehrheit ist es notwendig, Fraktionsdisziplin zu gewährleisten, also ein einheitliches Abstimmen der Regierungsfraktionen. Dies ist in Deutschland – wie in vielen anderen parlamentarischen Demokratien – auch weitgehend gegeben. Die Fraktionsdisziplin erst ermöglicht die Unterstützung und Durchsetzung der politischen Ziele der Regierungsparteien, die diese zuvor in Wahlprogrammen propagiert haben. Die parlamentarische Mehrheitsunterstützung ist auch notwendig für die Umsetzung der von den Regierungsparteien nach Wahlen abgeschlossenen Koalitionsvereinbarungen. Diese werden von den Vorsitzenden der Parteien unterzeichnet und von den Parteien getragen; für die Umsetzung des Programms sind wesentlich die Parlamentsfraktionen der Regierungsparteien verantwortlich.

QuellentextParteiübergreifende Gesetzesinitiativen

[…] [K]aum ein Minister muss bei null anfangen, wenn er […] ein Gesetz umschreibt. Oder: umschreiben lässt. Die Vorarbeit hat […] meist ein anderer gemacht. Einer, der die Idee für das ursprüngliche Gesetz hatte oder sie umsetzen sollte, einer, der gerechnet, gefeilscht, gekämpft hat, […]. […]

Heimliche Koalition für Ökostrom ...

Er rede ja eigentlich nicht mit den Grünen, soll Matthias Engelsberger gesagt haben, als man einmal zwei Stunden lang gemeinsam auf dem Flughafen wartete, "aber Sie sind ja Physiker". So erinnert sich Wolfgang Daniels an sein erstes Gespräch mit Matthias Engelsberger, Ingenieur von der CSU; 1990 war das. Von ferne war man sich längst aufgefallen: Der CSU-Hinterbänkler, der stets die kritischen Fragen zur Wasserkraft an die schwarz-gelbe Regierung stellte; und der Grüne, der nachhakte, wenn die Antwort unbefriedigend ausfiel.

Ein Anliegen verband die beiden: Strom aus erneuerbaren Energien sollte ein Geschäftsmodell werden, mit garantierten Preisen pro Kilowattstunde. Bis dahin mussten die Betreiber etwa von Wasserkraftanlagen, unter ihnen Engelsberger, mit den Energieversorgern den Preis selbst aushandeln. Wegen deren Machtposition war dieser oft ein Schnäppchen für die einen, kaum kostendeckend für die anderen. "Matthias Engelsberger und ich haben dann auf einer Seite einen Entwurf für ein Gesetz geschrieben", sagt Daniels. Seine Parteikollegen im damals einzigen grün geführten Ministerium, dem hessischen Umweltministerium, hätten noch mal drüber geschaut, einige Korrekturen, fertig.

Damit Einzelne ein Gesetz einbringen können, müssen mindestens fünf Prozent der Bundestagsabgeordneten es unterstützen, damals waren das 25. Also ließ das schwarz-grüne Team das Papier […] herumgehen, unter anderem in der CDU/CSU-Fraktion, wo viele es für einen Fraktionsantrag hielten und ungelesen unterschrieben. "Als das bekannt wurde, gab es einen ziemlichen Aufruhr", erzählt Wolfgang Daniels. Unterschriften wurden zurückgezogen, Engelsberger wurde zum parlamentarischen Geschäftsführer seiner Fraktion zitiert. […]

Irgendwann war die Unionsfraktion […] einverstanden – aber es sollte ein CDU/CSU-Antrag sein […]. Im Bundestag wurde das Stromeinspeisegesetz 1990 schließlich an einem Freitagabend von müden Abgeordneten durchgewinkt, mit der deutschen Einheit hatte man anderes im Kopf. Es ging ja auch um lächerliche Beträge, hieß es, ein paar Millionen nur, und das bisschen Ökostrom werde das Energiesystem schon nicht groß erschüttern. Was für ein Irrtum. Aus dem Stromeinspeisegesetz wurde im Jahr 2000 das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), und schließlich kam die Energiewende.

Wolfgang Daniels war nur eine Legislaturperiode Bundestagsabgeordneter. […] Er glaubt noch ans EEG, trotz allem, weil es kleine Einzelanlagen ermöglicht – das Genossenschafts-Windrad, die Solaranlage auf dem Dach. "Letztendlich geht es darum, ob die Bürger auch ein Stück vom Kuchen abbekommen, nicht nur die großen Konzerne", sagt er.

Matthias Engelsberger starb 2005. Inzwischen ist längst nicht mehr von Millionen, sondern von Milliarden die Rede. Die Reform der Ökostrom-Förderung, die das Kabinett schon gebilligt hat, sollte vor allem Kosten senken – allerdings kassierten die Länderchefs einen Teil der Pläne. Beim Fördermodell von Daniels und Engelsberger wird es indes vorerst bleiben. […]

… Zusammenarbeit für die Rentenreform

Andreas Storm […] saß 2005 in den Verhandlungen zur vorigen großen Koalition für die CDU als Rentenexperte am Verhandlungstisch, zusammen mit seinem Gegenpart Franz Thönnes von der SPD, der sich später auf Außenpolitik verlegte. Die beiden waren isoliert: Bis 2005 war die Rente im Gesundheitsministerium angesiedelt. Erst in den Koalitionsverhandlungen wurde sie im Arbeitsressort einsortiert. Zuständig fühlte sich niemand.

Im Wahlkampf des Jahres [2004] waren alle Parteien bei ihren Rentenplänen eher vage geblieben. Aber als das Wahlergebnis auf Schwarz-Rot stand, war schnell klar, wohin die Reise ging. "Der Arbeitsauftrag in den Koalitionsverhandlungen an Franz Thönnes und mich war: ‚Macht die Rente mit 67‘", erzählt Andreas Storm […]. Nur, wie eigentlich? "Ich dachte, da gibt es eine Blaupause, aber die Anhebung der Altersgrenze war unter Rot-Grün ein Tabuthema, das Ministerium hatte nichts vorbereitet", sagt Storm. Er habe dann das Modell einer Enquête- Kommission mitgebracht, die sich schon im Jahr 2002 für die Rente mit 67 ausgesprochen hatte. Darüber wurde man sich schnell einig. So kam die Anhebung des Rentenalters in Tippelschritten, Monat für Monat, ins Gesetz.

Aber was war mit denen, die lange hart gearbeitet haben? "Ich habe den Vorschlag eingebracht, dass man für Menschen, die mit 65 schon 45 Jahre gearbeitet haben, auf die Anhebung verzichtet", sagt Storm. Die Beamten im Ministerium seien darüber nicht begeistert gewesen, so etwas passte schlecht ins Rentenrecht. Aber in einer Sitzung der großen Runde griff Franz Müntefering den Vorschlag auf […]; die Anhebung des Rentenalters wäre der SPD-Basis sonst kaum zu verkaufen gewesen. Damit war das auch geregelt; zur großen Überraschung von Storm und Thönnes, die sich erstaunt ansahen. "Der erste 45-Jahre-Vorschlag, das war wirklich selbst gestrickt", sagt Storm. Er wirkt noch heute ziemlich verblüfft darüber. Im Rentenpaket, über das derzeit der Bundestag berät*, findet sich das Konzept ausgebaut wieder, schon mit 63 Jahren sollen langjährig Versicherte aufhören dürfen, und auch Arbeitslosenzeiten sollen zu den 45 Jahren zählen. Kritiker sehen das als fatalen Schritt weg von der Rente mit 67. Vielleicht kommt also Storms eigene Idee seinem Werk noch in die Quere. […] [*Im Mai 2014 wurde das Rentenpaket vom Bundestag verabschiedet – Anm. d. Red.]

Wolfgang Daniels, 62, ist promovierter Physiker. Von 1987 bis 1990 war er Bundestagsabgeordneter. Er ist Geschäftsführender Gesellschafter der Sachsenkraft GmbH und saß von 2011 bis 2014 für die Grünen im Dresdner Stadtrat.
Andreas Storm (CDU), 49, saß von 1994 bis 2009 im Bundestag und war von 2005 bis 2011 Staatssekretär. Von 2011 bis 2014 gehörte er der Regierung des Saarlands an.
Marlene Weiss / Johann Osel, „Die Gesetz-Geber“, in: Süddeutsche Zeitung vom 23. April 2014

In Deutschland hat sich ein enges Zusammenwirken von Partei, Fraktion und Kabinett (Bundeskanzler und Fachminister) herausgebildet. Dies schließt auftretende Unstimmigkeiten im Verhältnis der Akteure keineswegs aus. Eine Regierung braucht aber, um erfolgreich handeln zu können, die Unterstützung von Fraktion und außerparlamentarischer Partei gleichermaßen. Erodiert die Zustimmung von Partei und Fraktion zur Regierungspolitik, ist der Fortbestand der Bundesregierung gefährdet. Insofern können Fraktionen als "Resonanzboden des Zumutbaren" (Winfried Steffani) betrachtet werden. Die beiden sozialdemokratischen Bundeskanzler Schmidt und Schröder mussten jeweils am Ende ihrer Amtszeiten die Erfahrung machen, dass ihre Regierungspolitik teilweise von der eigenen Partei und Fraktion in Frage gestellt wurde. Es fehlte ihnen der starke Rückhalt bzw. die bedingungslose Unterstützung.

Koalitionsvertrag und Koalitionsbildung

Mit einer Ausnahme – im Jahr 1957 – war bislang eine Regierungsbildung in Deutschland auf Bundesebene nur möglich, wenn sich mindestens zwei Parteien zu einer Regierungskoalition zusammenschlossen. Unter einer Regierungskoalition wird eine organisierte Kooperation von mindestens zwei miteinander im Wettbewerb stehenden Parteien verstanden, vorwiegend innerhalb, aber auch außerhalb des Parlaments. Primäre Ziele sind die gemeinsame Regierungsbildung und -unterstützung sowie die Durchsetzung von politischen Inhalten. Deren zentrale Festlegungen werden in einem gemeinsamen Regierungsprogramm, dem sogenannten Koalitionsvertrag, vereinbart. Diese Kooperation auf Zeit – festgelegt für eine Wahl- bzw. Gesetzgebungsperiode (im Deutschen Bundestag 46–48 Monate) – kann jederzeit von den beteiligten Parteien aufgekündigt werden. Dann muss innerhalb von 60 Tagen neu gewählt werden.

Das Erfordernis der parlamentarischen Mehrheitsbildung ist in Deutschland ein zentrales Motiv der Koalitionsbildung, da gemäß Grundgesetz der Bundeskanzler bzw. die Bundeskanzlerin vom Bundestag in den ersten beiden Wahlgängen mit absoluter Mehrheit gewählt werden muss. Es gehört zu den Funktionslogiken parlamentarischer Regierungssysteme, dass die Parlamentsmehrheit und die Regierung eine politische Aktionseinheit bilden. Die Regierung ist abhängig von der Mehrheit im Parlament, welche wiederum die Regierung nicht nur stützt, sondern aktiv unterstützt.

Auch die Koalitionsbildung erfolgt im Rahmen des Parteienwettbewerbs. In einer strategischen Situation wie der Koalitionsbildung, die in erheblichem Maße durch Unsicherheiten gekennzeichnet ist, müssen die unmittelbaren Konsequenzen und mittel- bis langfristigen Folgen einer zwischenparteilichen Kooperation im Hinblick auf die eigene Wettbewerbssituation kalkuliert werden. Erfahrungen aus früheren Koalitionen fließen in die Entscheidung ebenso mit ein wie das erwartete Verhalten potenzieller Koalitionspartner und mögliche Auswirkungen einer Koalitionsbildung auf die Wählerschaft. Es wird geprüft, inwieweit die anderen Parteien koalitionsfähig sind und wie es um die Koalitionsbereitschaft der eigenen Partei bestellt ist. In diesem Kontext haben die Parteien auch die Koalitionspräferenzen ihrer Wählerschaft zu beachten, wollen sie diese nicht verprellen. Dies gilt insbesondere für kleinere Parteien, die auf Zweitstimmen oder Koalitionsstimmen in Folge des sogenannten Stimmensplittings setzen, nach dem Wähler mit ihrer Zweitstimme Koalitionspräferenzen zum Ausdruck bringen. Denn eine fehlende Koalitionsaussage ist für kleine Parteien, die nicht primär die Oppositionsrolle anstreben, nach empirischen Erkenntnissen nicht von Vorteil und wird von der Wählerschaft nicht belohnt.

Determinanten der Koalitionsentscheidungen (© Uwe Jun)

Um eine Regierung zu bilden und ihren Bestand zu sichern, muss in Regierungskoalitionen der zwischenparteiliche Wettbewerb reduziert werden. Kooperative Verhaltensmuster ergänzen somit in Regierungskoalitionen das Wettbewerbsverhalten. Dabei erweist es sich als vorteilhaft, wenn die Koalitionspartner sich in zentralen Politikbereichen programmatisch-inhaltlich nahe stehen. Noch günstiger ist es, wenn eine Partei in die Regierungskoalition integriert wird, die in den für die Regierungspolitik zentralen bzw. entscheidenden Politikfeldern eine gegenüber allen im Wettbewerb stehenden Parteien vermittelnde Position einnehmen kann. Denn so wird die Kompromissfindung nach innen und außen stabilisiert. Das heißt also, dass in Parlamenten diejenige Partei einen erheblichen Vorteil hat, die in einzelnen Politikfeldern inhaltlich in der Nähe einer mittleren Position steht (Medianansatz).

Karikatur (© Burkhard Mohr/Baaske Cartoons)

Koalitionsausschuss

Im politischen Alltagsgeschäft kommen die Regierungsparteien, ihre Fraktionen und die Mitglieder des Kabinetts häufig zu Entscheidungen zusammen, planen und koordinieren die wesentlichen Grundzüge der Regierungspolitik. Gibt es zwischen den Regierungsparteien in Koalitionen strittige Fragen, wird zur Klärung ein besonderes Gremium, der Koalitionsausschuss, einberufen: In ihm sind Parteispitzen, Fraktionsvorsitzende und führende Minister bzw. der Regierungschef / die Regierungschefin vertreten. Der Koalitionsausschuss gilt als ein zentrales informelles Machtzentrum der Politik in Deutschland, weil die Koalitionsparteien in diesem Gremium wesentliche Themen der Regierungspolitik diskutieren und zwischen den Koalitionsparteien politische Lösungen und Entscheidungen finden können.

Die genannten Faktoren bilden in unterschiedlichem Maße den Rahmen für Koalitionsentscheidungen. Sie beeinflussen und begrenzen die koalitionspolitischen Aktivitäten der Spitzenakteure in den Parteien, wobei auch deren Präferenzen Einfluss haben.

Einflüsse des Wahlsystems

Koalitionsbildungen werden im politischen System Deutschlands vom Wahlsystem begünstigt, denn dieses ist bei Bundestagswahlen als personalisierte Verhältniswahl mit Sperrklausel (Fünfprozenthürde) ausgestaltet. Befürworter von Verhältniswahlen möchten im Parlament möglichst viele Werte, Meinungen und Interessen entsprechend ihrer Stärke in der Bevölkerung repräsentiert sehen. Angestrebt wird daher eine möglichst hohe Proportionalität von Stimmenanteil bei Wahlen und anschließendem Mandatsanteil im Parlament.

Um eine Zersplitterung des Parlaments zu vermeiden, wird eine Sperrklausel als mehrheitsbildendes Element hinzugefügt. Im deutschen Wahlrecht ist dies die Fünfprozenthürde, nach der nur jene Parteien in den Bundestag einziehen, die mindestens fünf Prozent der abgegebenen Zweitstimmen erhalten haben. Die einzige Ausnahme stellt die Direktmandatsklausel dar. Danach zieht eine Partei, welche aufgrund der Erststimme in den Wahlkreisen mindestens drei Direktmandate gewinnt, proportional entsprechend des Zweitstimmenanteils in den Bundestag ein.

Das Wahlrecht der Bundesrepublik Deutschland (© Bergmoser + Holler Verlag AG, Zahlenbild 86 010)

Dies verweist auf eine Besonderheit des deutschen Wahlrechts: Bei Bundestagswahlen hat jeder Wähler bzw. jede Wählerin zwei Stimmen. Mit der Erststimme wird ein Wahlkreiskandidat gewählt, mit der Zweitstimme die Landesliste einer Partei. Entscheidend für die Zusammensetzung des Bundestages ist – abgesehen von der Direktmandatsklausel – aber mittlerweile ausschließlich die Zweitstimme, da nach der Wahlrechtsreform von 2013 sämtliche Überhangmandate vollständig ausgeglichen werden. Überhangmandate können entstehen, wenn eine Partei in einem Bundesland mehr Direktmandate gewinnt, als ihr nach dem Zweitstimmenanteil in diesem Bundesland zustehen. Diese werden dann für alle Parteien in Zusatzmandate umgewandelt. Die Fünfprozenthürde gilt ebenso bei Landtagswahlen, nicht jedoch bei Wahlen zum Parlament der Europäischen Union (EU) und auch nicht bei Kommunalwahlen. Für EU-Wahlen hat das Bundesverfassungsgericht mit dem Verweis auf Grundsätze der Wahlrechtsgleichheit der Bürgerinnen und Bürger und der Chancengleichheit der Parteien im Februar 2014 selbst eine Dreiprozenthürde für verfassungswidrig erklärt. Damit wurde die Wahl zum EU-Parlament 2014 erstmals in Deutschland ohne jegliche Sperrklausel durchgeführt.

Reform des Bundeswahlrechts (© Bergmoser + Holler Verlag AG, Zahlenbild 86 140)

Parteien in der Opposition

Oppositionsfraktionen üben hauptsächlich Kontrolle und Kritik gegenüber der Regierung aus und stellen im Parteienwettbewerb eine Alternative zu den Regierungsparteien dar. Grundlegend zu unterscheiden ist eine fundamentale Opposition, welche Grundprinzipien der Verfassung in Frage stellt, von einer systemloyalen. In Deutschland ist bislang im Parlament von einer weit überwiegend systemloyalen Opposition auszugehen. Ihre Aufgabe ist es, das Regierungshandeln zu kontrollieren, und zwar nicht nur im Nachhinein, sondern schon während des Entscheidungsprozesses, um gegebenenfalls mitgestalten zu können und zumindest die Regierungsmehrheit zu Reaktionen zu zwingen.

Gleichzeitig hat die Opposition kritische Punkte der Regierungsarbeit aufzuzeigen und Alternativen dazu anzubieten. Sie kann wählen zwischen Formen der kooperativen und der kompetitiven (wettbewerbsorientierten) Opposition: Bei kooperativer Opposition bietet sie zumindest zeitweise der Regierung eine konstruktive Zusammenarbeit an, ohne auf Kontrolle und Kritik vollständig zu verzichten. Kompetitive Formen der Opposition dominieren, wenn der Wettbewerb betont wird und Kritik sowie Alternativen öffentlichkeitswirksam in den Vordergrund gestellt werden. Diese Alternativen können sowohl Personen wie inhaltliche Aspekte der Politik einschließen. Die Strategie der Opposition kann auch Mischformen bilden und in einzelnen Politikfeldern kooperative, in anderen kompetitive Formen annehmen. Die Wahl der Strategie ist abhängig von der Intensität des Parteienwettbewerbs und den strategischen Zielen der Partei, aber auch von der Polarisierung der Parteien in einzelnen Politikfeldern bzw. deren Bedeutung für die Identität einer Partei.

Die Parteienfinanzierung

Die staatliche Finanzierung der Parteien gründet auf ihrem privilegierten Verfassungsrang und ihrer herausgehobenen Bedeutung für den politischen Willensbildungsprozess in der Demokratie. Schließlich übernehmen Parteien vielfältige Aufgaben für deren Funktionsfähigkeit und müssen dafür eine Organisation sowie politische Infrastruktur bereitstellen, die Kosten verursachen. Daher wurde 1959 in der Bundesrepublik erstmals eine staatliche Parteienfinanzierung eingeführt. Die im Bundestag vertretenen Parteien erhielten zunächst jährliche Finanzmittel zur Erfüllung ihrer Aufgaben. Nachdem das Bundesverfassungsgericht diese Regelung 1966 für verfassungswidrig erklärt hatte, trat ein Jahr darauf eine Wahlkampfkostenpauschale an ihre Stelle. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1992 wurde diese wiederum abgelöst durch eine seit dem Jahr 1994 gültige allgemeine staatliche Teilfinanzierung der Parteien, die jedes Jahr neu berechnet wird.

QuellentextParteiengesetz

§ 18 Grundsätze und Umfang der staatlichen Finanzierung

(1) Die Parteien erhalten Mittel als Teilfinanzierung der allgemein ihnen nach dem Grundgesetz obliegenden Tätigkeit. Maßstäbe für die Verteilung der staatlichen Mittel bilden der Erfolg, den eine Partei bei den Wählern bei Europa-, Bundestags- und Landtagswahlen erzielt, die Summe ihrer Mitglieds- und Mandatsträgerbeiträge sowie der Umfang der von ihr eingeworbenen Spenden

(2) Das jährliche Gesamtvolumen staatlicher Mittel, das allen Parteien höchstens ausgezahlt werden darf, beträgt für das Jahr 2011 141,9 Millionen Euro und für das Jahr 2012 150,8 Millionen Euro (absolute Obergrenze). Die absolute Obergrenze erhöht sich jährlich, jedoch erstmals für das Jahr 2013, um den Prozentsatz, abgerundet auf ein Zehntel Prozent, um den sich der Preisindex der für eine Partei typischen Ausgaben im dem Anspruchsjahr vorangegangenen Jahr erhöht hat. Grundlage des Preisindexes ist zu einem Wägungsanteil von 70 Prozent der allgemeine Verbraucherpreisindex und von 30 Prozent der Index der tariflichen Monatsgehälter der Arbeiter und Angestellten bei Gebietskörperschaften. Der Präsident des Statistischen Bundesamtes legt dem Deutschen Bundestag hierzu bis spätestens 30. April jedes Jahres einen Bericht über die Entwicklung des Preisindexes bezogen auf das vorangegangene Jahr vor. Der Bundestagspräsident veröffentlicht bis spätestens 31. Mai jedes Jahres die sich aus der Steigerung ergebende Summe der absoluten Obergrenze, abgerundet auf volle Eurobeträge, als Bundestagsdrucksache.

(3) Die Parteien erhalten jährlich im Rahmen der staatlichen Teilfinanzierung

  1. 0,83 Euro für jede für ihre jeweilige Liste abgegebene gültige Stimme oder

  2. 0,83 Euro für jede für sie in einem Wahl- oder Stimmkreis abgegebene gültige Stimme, wenn in einem Land eine Liste für diese Partei nicht zugelassen war, und

  3. 0,45 Euro für jeden Euro, den sie als Zuwendung (eingezahlter Mitglieds- oder Mandatsträgerbeitrag oder rechtmäßig erlangte Spende) erhalten haben; dabei werden nur Zuwendungen bis zu 3300 Euro je natürliche Person berücksichtigt.

Die Parteien erhalten abweichend von den Nummern 1 und 2 für die von ihnen jeweils erzielten bis zu vier Millionen gültigen Stimmen 1 Euro je Stimme. Die Beiträge erhöhen sich ab dem Jahr 2017 entsprechend Absatz 2 Satz 2 bis 5.

(4) Anspruch auf staatliche Mittel gemäß Absatz 3 Nr. 1 und 3 haben Parteien, die nach dem endgültigen Wahlergebnis der jeweils letzten Europa- oder Bundestagswahl mindestens 0,5 vom Hundert oder einer Landtagswahl 1,0 vom Hundert der für die Listen abgegebenen gültigen Stimmen erreicht haben; für Zahlungen nach Absatz 3 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 muss die Partei diese Voraussetzungen bei der jeweiligen Wahl erfüllen. Anspruch auf die staatlichen Mittel gemäß Absatz 3 Nr. 2 haben Parteien, die nach dem endgültigen Wahlergebnis 10 vom Hundert der in einem Wahl- oder Stimmkreis abgegebenen gültigen Stimmen erreicht haben. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Parteien nationaler Minderheiten.

(5) Die Höhe der staatlichen Teilfinanzierung darf bei einer Partei die Summe der Einnahmen nach § 24 Abs. 4 Nr. 1 bis 7 nicht überschreiten (relative Obergrenze). Die Summe der Finanzierung aller Parteien darf die absolute Obergrenze nicht überschreiten.

(6) Der Bundespräsident kann eine Kommission unabhängiger Sachverständiger zu Fragen der Parteienfinanzierung berufen.

(7) Löst sich eine Partei auf oder wird sie verboten, scheidet sie ab dem Zeitpunkt der Auflösung aus der staatlichen Teilfinanzierung aus.

Externer Link: www.gesetze-im-internet.de/partg/__18.html sowie Externer Link: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/068/1806879.pdf

Zahlreiche wichtige Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts haben stets auf drei Prinzipen der Parteienfinanzierung verwiesen:

  • Die Chancengleichheit der Parteien sollte gewährleistet sein.

  • Die Chancengleichheit der Bürgerinnen und Bürger in Bezug auf ihre politische Teilnahme sollte ebenso gewährleistet sein.

  • Das Prinzip innerparteilicher Demokratie muss auch bei Regelungen zur Parteienfinanzierung beachtet werden.

Daraus haben sich drei wesentliche Quellen der Finanzierung von Parteien entwickelt:

  • selbst erwirtschaftete Finanzmittel (aus Mitgliedsbeiträgen oder unternehmerischer Tätigkeit; wobei Mitgliedsbeiträge real den Löwenanteil stellen),

  • Spenden,

  • staatliche Unterstützung

Einnahmen und Ausgaben der im Bundestag vertretenen Parteien

(© Deutscher Bundestag, Drucksache 18/4300 vom 11. März 2015, S. 1 ff.; Link siehe Literaturhinweise)

Für die staatliche Parteienfinanzierung hat das Bundesverfassungsgericht sowohl eine relative wie eine absolute Obergrenze festgelegt. Die relative Obergrenze besagt, dass wenigstens die Hälfte der Einnahmen einer Partei nichtstaatlich, also von dieser selbst erwirtschaftet sein muss. Damit soll der vom Grundgesetz vorausgesetzten Staatsfreiheit der Parteien Rechnung getragen werden, indem nicht nur ihre Unabhängigkeit vom Staat sichergestellt wird, sondern auch, dass die Parteien sich ihren Charakter als frei gebildete, im gesellschaftlich-politischen Bereich wurzelnde Gruppen bewahren. Die absolute Obergrenze war ab dem Jahr 2002 auf 133 Millionen Euro festgesetzt worden. Mit dem 10. Änderungsgesetz zum Parteiengesetz wurde diese Obergrenze angehoben. Das jährliche Gesamtvolumen staatlicher Mittel wurde für 2011 auf 141,9 Millionen Euro und für 2012 auf 150,8 Millionen Euro festgelegt. Ab 2013 erhöht sich die absolute Obergrenze im Rahmen der in Paragraf 18 Abs. 2 PartG vorgegebenen Dynamisierung.

Staatliche Parteienfinanzierung ("Durch den Deutschen Bundestag veröffentlichte Festsetzungen der staatlichen Mittel für das jeweilige Jahr", Bundeszentrale für politische Bildung, 2015) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Einen wesentlichen Beitrag zu den Parteifinanzen leisten weiterhin Parteimitglieder. So finanzieren sich die Parteien nach eigener Auskunft durch die Rechenschaftsberichte zu einem großen Teil aus Mitgliedsbeiträgen, bei der CDU zu 25,6 Prozent (2013), bei der SPD zu 30,1 Prozent und bei der Linken gar zu 33,2 Prozent.

Wesentlich ist hierbei auch die relative Obergrenze, nach der die staatliche Parteienfinanzierung die Summe der jährlich selbst erwirtschafteten Einnahmen einer Partei nicht überschreiten darf (§ 18 (5) PartG). Die Mitgliedsbeiträge und die Spenden an die Parteien sind also auch bei der Vergabe staatlicher Mittel ein gewichtiger Berechnungsfaktor. In der Parteienforschung ist die Rolle der Mitgliedsbeiträge aber umstritten: So verweisen nicht wenige Forscher auf die Möglichkeiten der Parteien, andere, vor allem staatliche Finanzierungsquellen zu erschließen und Fraktionsgelder zur "Querfinanzierung" zu nutzen. Auch stellt sich die Frage, wie hoch die tatsächlichen, durch ein Parteimitglied verursachten Verwaltungskosten sind.Zu diesen Verwaltungskosten gehört zum Beispiel, dass Parteimitgliedern in der Regel eine periodisch erscheinende Mitgliederzeitung, E-Mails und Briefe zugestellt werden.

Umstritten im Zusammenhang der Parteienfinanzierung sind auch die sogenannten Mandatsträgerbeiträge. Das sind Mittel, welche von Abgeordneten und anderen Mandatsträgern in Parlamenten sowie von Vertretern der Exekutive (Bürgermeister, Landräte, Senatoren, Minister) auf allen Ebenen regelmäßig an ihre jeweilige Partei abgeführt werden. Sie gehen deutlich über den Mitgliedsbeitrag hinaus und gelten als Gegenleistung für geldwerte Leistungen der Parteien und Fraktionen. Da Kandidierende im Namen einer Partei antreten und dieser ihre Nominierung zu verdanken haben, zeigen sie sich, wenn sie ein Mandat errungen haben, mit einer finanziellen Abgabe erkenntlich. Diese Abgaben machen einen nicht unerheblichen Teil der Einnahmen von Parteien aus, sind aber umstritten, weil sie zwar freiwillig, aber doch unter einem gewissen Druck erfolgen.

In der Öffentlichkeit ist Parteienfinanzierung ein Reizthema, obwohl die Notwendigkeit einer staatlichen Politikfinanzierung von kaum jemandem bestritten wird. Eine Parteiendemokratie darf und muss finanzielle Mittel erhalten, um leistungsfähig zu bleiben. Jedoch werfen kritische Stimmen den Parteien gelegentlich eine Mentalität der Selbstbedienung aus der Staatskasse vor. Gewarnt wird vor der Gefahr einer Überversorgung, weil die im Parlament etablierten Parteien durch die Gesetzgebung selbst über die Höhe und Verwendung der Mittel entscheiden und somit die öffentlichen Haushalte unnötig stark belasten könnten.

Diese Missbrauchsgefahren und eine Reihe emotional aufgeladener Skandale im Bereich der Politikfinanzierung, die im Laufe der vergangenen Jahrzehnte auftraten, zeigen wie brisant die Parteienfinanzierung ist. Insbesondere Großspenden von Unternehmen oder Interessenorganisationen an Parteien standen immer wieder im Blickpunkt der Kritik, selbst wenn die Regelung eingeführt wurde, dass Spenden über 50.000 Euro dem Bundestagspräsidenten unverzüglich anzuzeigen und zu veröffentlichen sind. Als weniger problematisch gelten Kleinspenden oder sogenannte geldwerte Sach- und Dienstleistungen. Diese sind jedoch ebenfalls anzeigepflichtig. Wenn beispielsweise eine Bäckerei kostenlos Brote oder eine Getränkefirma kostenlos Mineralwasser für das Sommerfest einer Partei zur Verfügung stellt, so muss dies als Spende im Rechenschaftsbericht der Partei festgehalten werden.

Parteispenden über 50 000 Euro (Großspenden) (© Deutscher Bundestag, Externer Link: www.bundestag.de/bundestag/parteienfinanzierung/fundstellen50000)

Karikatur (© Thomas Plaßmann / Baaske Cartoons)

Nach Artikel 21 GG müssen politische Parteien über die Herkunft ihrer Mittel öffentlich Rechenschaft ablegen. Ihre jährlichen Rechenschaftsberichte werden dem Bundestagspräsidenten zugeleitet, welcher diese prüft und bei falschen oder fehlerhaften Angaben Sanktionen verhängen kann. Der Rechenschaftsbericht ist in der Regel von einer unabhängigen Stelle zu prüfen (Wirtschaftsprüfer, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, ausnahmsweise auch Buchprüfer bzw. Buchprüfungsgesellschaft) und mit dem entsprechenden Prüfungsvermerk beim Präsidenten des Deutschen Bundestages einzureichen, der ihn als Bundestagsdrucksache veröffentlicht. Anspruch auf staatliche Teilfinanzierung haben gemäß § 18 Abs. 4 PartG grundsätzlich diejenigen Parteien, die nach dem endgültigen Ergebnis der jeweils letzten Wahl zum Europäischen Parlament oder zum Deutschen Bundestag mindestens 0,5 Prozent oder bei einer der jeweils letzten Landtagswahlen 1 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen für ihre Listen erreicht haben. Spenden sind grundsätzlich erlaubt und bis zu einer Höhe von 3300 Euro je natürlicher Person steuerlich absetzbar, unterliegen jedoch, wie oben gesagt, oberhalb von 50.000 Euro der Anzeigepflicht und sind öffentlich einsehbar.

Neben der direkten Parteienfinanzierung existieren noch Formen der Finanzierung, die gern als "indirekte Parteienfinanzierung" bezeichnet werden. Darunter fallen wesentlich die Mittel für die Parlamentsfraktionen der Parteien, die sämtlich aus den Haushalten der Parlamente in Bund und Ländern kommen, also unabhängig von der direkten staatlichen Parteienfinanzierung sind und weniger der öffentlichen Kontrolle unterliegen. Zu unterscheiden ist zwischen einem Grundbetrag für jede Fraktion und einer Pauschale für jede Abgeordnete und jeden Abgeordneten einer Fraktion. Derzeit liegt die monatliche Grundpauschale pro Fraktion im Bundestag bei 371.258 Euro, die monatliche Pauschale pro Abgeordnetem einer Fraktion bei 7751 Euro. Die Zuwendungen an die Bundestags- und Landtagsfraktionen übersteigen insgesamt deutlich die der direkten Parteienfinanzierung und liegen in der Summe jährlich bei mehr als 180 Millionen Euro. Mit dem Geld werden überwiegend die Mitarbeiter in den Fraktionsverwaltungen bezahlt, aber auch beispielsweise Öffentlichkeitsarbeit, wissenschaftliche Studien oder Veranstaltungen. Diese Fraktionsgelder dürfen nicht für die außerparlamentarische Parteiorganisation verwendet werden.

Zuschüsse an die Mitarbeiter der Bundestagsabgeordneten / Geldleistungen an die Bundestagsfraktion (© Deutscher Bundestag; bpb; F.A.Z.-Archiv / © F.A.Z Brocker)

Zur indirekten Parteienfinanzierung zählen manche auch die Gelder an die sogenannten parteinahen Stiftungen wie die Konrad-Adenauer-Stiftung (CDU), die Friedrich-Ebert-Stiftung (SPD), die Hanns-Seidel-Stiftung (CSU), die Heinrich-Böll-Stiftung (Bündnis 90/Die Grünen), die Friedrich-Naumann-Stiftung (FDP) oder die Rosa-Luxemburg-Stiftung (Die Linke). Die parteinahen Stiftungen engagieren sich in der politischen Bildungsarbeit, in der Begabtenförderung und in der sozialwissenschaftlichen Forschung. Sie stellen (Partei-)Archive bereit, unterhalten Büros weltweit und leisten wirtschaftliche und humanitäre Unterstützung in anderen Staaten sowie Politikberatung. Die einzelnen Stiftungen arbeiten zwar in vielen Bereichen mit ihrer "Mutterpartei" eng zusammen, sind jedoch formal unabhängig und nicht jedes Handeln der Stiftung ist mit der "Mutterpartei" abgestimmt oder im Einklang. Die den Stiftungen gewährten Zuschüsse aus Bundesmitteln sind beträchtlich. Im Jahr 2014 lag die Gesamtsumme mit 491 Millionen Euro deutlich über der absoluten Obergrenze der direkten Parteienfinanzierung. Die Stiftungen beziehen ihr Geld aus den vier Ministerien Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Inneres, Bildung sowie Auswärtiges Amt. Am meisten bekommen die Stiftungen aus dem Etat des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) (2014: 266,06 Millionen Euro).

Bundeszuwendungen an die Politischen Stiftungen (© Bundesverwaltungsamt (BVA))

Politik als Beruf

Egal, ob es sich um Abgeordnete der Fraktionen in den Landtagen, im EU-Parlament und im Bundestag handelt, um Mitglieder der Regierungen in Bund und Ländern, um Bürgermeister in Großstädten oder um Landräte – sie alle sind fast ausschließlich Berufspolitiker. Nur in den Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg sind in den jeweiligen Landesparlamenten noch vereinzelt Nicht-Berufspolitiker anzutreffen. In den allermeisten Fällen sind diese Personen zunächst innerhalb der Partei in wichtige Ämter auf kommunaler und regionaler Ebene gelangt, bevor sie außerparteiliche Ämter und Mandate erreichten. Noch immer ist das kommunalpolitische Engagement die Grundlage für den Aufstieg in öffentliche Ämter und Mandate.

Berufsstruktur der Parteimitglieder (© Tim Spier u. a. (Hg.), Parteimitglieder in Deutschland, © 2011, VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, S. 50)

Die wachsende Komplexität der Probleme, die stärkere Ausdifferenzierung gesellschaftlicher Teilsysteme und die gestiegenen Kompetenzanforderungen haben eine fortwährende Professionalisierung der Politik notwendig gemacht. Sie hat in den zurückliegenden Jahrzehnten eine Führungsgruppe in den Parteien und Fraktionen (einschließlich ihrer Mitarbeiterstäbe) hervorgebracht, die hauptamtlich Politik betreibt, von der Politik lebt, das heißt ein Einkommen bezieht, gesellschaftliche Reputation erwirbt und im Gegenzug nicht geringe Anforderungen im Hinblick auf Zeit für den Beruf und politisches Engagement erfüllen muss. Eine moderne Demokratie mit ihren gestiegenen Anforderungen an die Politik und der Ausdifferenzierung sehr unterschiedlicher Politikfelder kommt ohne Berufspolitiker und -politikerinnen nicht mehr aus. Generalisten, die aufgrund ihrer Expertise und politischen Erfahrung unterschiedliche Politikbereiche kennen, und Spezialisten, die sich in ein Politikfeld intensiv eingearbeitet haben, ergänzen sich bei der Aufgabenbewältigung.

Die in vielen Bereichen zu beobachtenden gesellschaftlichen Tendenzen zur Ausdifferenzierung sind auch in der Politik stärker geworden, sodass in zunehmendem Maße hauptamtliche Politik direkt nach einem Studium als eigener Berufsweg eingeschlagen wird. Diese Tendenzen erfordern gleichzeitig klare institutionelle Regelungen für die Berufspolitik, wie etwa finanzielle Entschädigungen bei Amtsverlust oder Bestimmungen für den Wechsel in einen anderen beruflichen Bereich.

Da die Parteien insgesamt einen deutlichen Mitgliederrückgang zu verzeichnen haben, kommt den Personen, die hauptamtlich Politik betreiben, auch auf der kommunalen Ebene eine wachsende Bedeutung zu; viele von ihnen bekleiden entsprechend kommunale Partei- oder Wahlämter, nicht selten auch mehrere nebeneinander. Daneben übernehmen sie für die Funktionsfähigkeit der Organisation tragende Rollen und halten die alltäglichen Geschäfte zusammen mit den Angestellten in den Geschäftsstellen auf dem Laufenden.

Uwe Jun ist Professor für "Regierungslehre – Regierungssystem der Bundesrepublik Deutschland" an der Universität Trier, Sprecher des Arbeitskreises "Parteienforschung" der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft (DVPW) sowie Mitglied der DVPW, der Deutschen Vereinigung für Parlamentsfragen (DVParl) und des European Consortium for Political Research. Seine Forschungsschwerpunkte sind: Parteienforschung, Vergleichende Parlamentarismusforschung, Föderalismus, Politische Kommunikation und Koalitionsforschung.

Bei der Konzeption und der Materialrecherche wurde er unterstützt von Isabel Bähr, Sebastian Exner und Simon Jakobs