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Was ist Verwaltung? | Kommunalpolitik | bpb.de

Kommunalpolitik Editorial Was ist eine Kommune? Zur Bedeutung von Kommunalpolitik heute Geschichte der kommunalen Selbstverwaltung Verwaltungshandeln Was ist Verwaltung? Politische Mitbestimmung Ausblick Literaturhinweise und Internetadressen Impressum

Was ist Verwaltung?

Elena Frank Jens Hildebrandt Beatrice Pardon Ralf Vandamme

/ 29 Minuten zu lesen

Der Bürgermeister und die Gemeindevertretungen repräsentieren die Kommune, haben aber nicht überall die gleichen Befugnisse. Dafür sind die unterschiedlichen Verfassungen der Länder verantwortlich, die die Kommunalverwaltungen steuern.

Das Rathaus mit seinen Ämtern ist häufig der Sitz der Stadtverwaltung und Anlaufstelle für die Bürgerinnen und Bürger. Eingang zum Rathaus der Gemeinde Saerbeck im münsterländischen Kreis Steinfurt (© JOKER / Süddeutsche Zeitung Photo)

Der Soziologe Max Weber hat bereits Anfang des 20. Jahrhunderts im Rahmen seiner Bürokratietheorie die Verwaltung idealtypisch als eine rationale Form der Herrschaft verstanden, in der niemand bevorzugt oder benachteiligt wird und Entscheidungen nicht willkürlich sind. Das rationale Verwaltungshandeln verhindert die Bevorzugung oder Benachteiligung Einzelner in Form von willkürlichen Entscheidungen, weil sich alle an die gleichen Spielregeln und Gesetze halten müssen.

Allgemeine Kennzeichen

Besondere Kennzeichen der Verwaltung sind die Trennung von Amt und Person, die Regelgebundenheit und Neutralität des Verwaltungshandelns, das Hierarchieprinzip, die Schriftlichkeit und Aktenkundigkeit sowie die Arbeitsteilung und Professionalität.

Als administrativer Teil der Exekutive, der sogenannten ausführenden Gewalt, dient die öffentliche Verwaltung dem Vollzug und der Konkretisierung politischer Entscheidungen der Legislative. Die Verwaltung ist also der Regierung gegenüber verantwortlich, bindet diese aber auch an ihre Funktionslogik. Die Verwaltung ist dementsprechend ein zentraler Bestandteil der gewaltenteiligen Organisation des modernen Verfassungsstaates.

Kennzeichen der Kommunalverwaltung

Die Grundsätze und Regeln der öffentlichen Verwaltung gelten auch für die Kommunalverwaltung. Die kommunale Selbstverwaltung ist ein Sonderfall der Verwaltung. Sie ist durch das Grundgesetz garantiert (Art. 28 Abs. 2 GG), in den Landesverfassungen abgesichert, und die Städte, Gemeinden und Landkreise sind als Körperschaften mit Selbstverwaltungsrecht "mittelbar" der Landesverwaltung zugeordnet. Aufgrund dessen bestehen auch keine unmittelbaren Finanzbeziehungen zwischen Bund und Kommune, was von Kritikern als "Webfehler" des Grundgesetzes bezeichnet wird.

QuellentextGrundgesetz

Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln."
Art.28, Abs.2, Satz 1 GG

Diese Verfassungsgarantie beinhaltet also das Recht, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze eigenverantwortlich zu regeln. Dabei gibt es keinen festgelegten Aufgabenkatalog. Es gilt das Universalitätsprinzip. Wenn der örtliche Bezug gegeben ist, kann bzw. muss die Gemeinde im Sinne der "Allzuständigkeit" jede Aufgabe wahrnehmen, sofern eine Zuständigkeit des Landes oder des Bundes nicht besteht.

Art. 28, Abs. 2 GG steht unter einem Gesetzesvorbehalt, sodass durch Gesetze Eingriffe in diese Selbstverwaltung zulässig sind. Das kommt in den Worten "im Rahmen der Gesetze" zum Ausdruck. Bundes- und Landesgesetze sowie unmittelbar geltende EU-Richtlinien können in die Allzuständigkeit eingreifen, sofern der Kernbereich kommunaler Selbstverwaltung nicht verletzt wird. Die kommunale Zuständigkeit bezieht sich nur auf kommunale Aufgaben, die nicht durch ein Landes- oder Bundesgesetz geregelt sind oder Gesetze, die der Kommune einen eigenen Handlungsspielraum für die Umsetzung zugestehen. Die Kommunalverwaltung nimmt in diesem Sinne im Rahmen der mittelbaren Landesverwaltung eine Sonderstellung ein und gilt – neben Bund und Land – als "dritte Säule" der bundesdeutschen Verwaltung.

Dennoch kennt der föderal organisierte Bundesstaat Deutschland nur zwei staatliche Ebenen: die Bundesebene und die Ebene der 16 Länder. Sowohl im Bund wie in den Ländern gilt die Dreiteilung der Staatsgewalten in die Gesetzgebung, die vollziehende Gewalt, also die Verwaltung, und die Rechtsprechung.

In diesem Staatsaufbau sind die Kommunen Teil der vollziehenden Gewalt. Damit sind sie Teil der Verwaltung der Bundesländer. Das bedeutet, dass die Länder für die Kommunen zuständig sind, sowohl im Hinblick auf die Aufsicht wie auch hinsichtlich notwendiger Regelungen. Demgemäß gibt es bei uns für jedes Bundesland mit Ausnahme der Stadtstaaten eine eigene Gemeindeordnung, wie die Kommunalverfassungen bezeichnet werden.

Gemeindeordnungen in den einzelnen Ländern

Im Rahmen ihrer jeweiligen landesrechtlichen Zuständigkeit verfügen die Kreise und Gemeinden über die Organisationshoheit, d.h. sie sind frei, ihre innere Organisation selbst zu wählen. Die jeweiligen Gemeindeordnungen legen fest, wie Gemeinden ihre eigenen Angelegenheiten durch Satzungen regeln können. Aus diesem Grund geben sie sich eine Hauptsatzung, die eine Art Grund- und Verfassungsstatut der Gemeinde darstellt, und eine Geschäftsordnung, die die Zusammenarbeit der Mitglieder der Gemeindevertretung regelt. Hauptsatzung und Geschäftsordnung bilden den rechtlichen Rahmen zur Wahrnehmung der Selbstverwaltungsaufgaben und Auftragsangelegenheiten einer Kommune. [Pflichtaufgaben und freiwillige Leistungen]

Die Kommunalverwaltung unterscheidet sich von den staatlichen Verwaltungen darin, dass viele Entscheidungen, die die Kommunalverwaltung gegenüber den Bürgern zu vollziehen hat, durch ein von den Bürgerinnen und Bürgern gewähltes Kollegialorgan – die Gemeindevertretung – getroffen werden. Die Gemeindevertretung ist das Hauptorgan der kommunalen Selbstverwaltung. Sie ist das zentrale Willensbildungsorgan der Selbstverwaltung und Teil der Kommunalverwaltung. Die Entscheidungsfindung erfolgt im Rahmen der Gesetze und in Bindung an die Gesetze. Das heißt, die Entscheidungen der Gemeindevertretung können auch rechtswidrig und damit anfechtbar und ggf. durch Rechtsaufsichtsbehörden [Kommunalaufsicht] beanstandet und der Vollzug der Entscheidungen unterbunden werden.

Als Teil der vollziehenden Gewalt besteht die Kommune demnach aus der Gemeindevertretung und den Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern, die von demokratisch legitimierten (Ober-)Bürgermeisterinnen und (Ober-)Bürgermeistern geführt werden. Für die meisten Bürgerinnen und Bürger werden die Entscheidungen der Gemeindevertretung erst sichtbar, wenn sie durch die Verwaltung verwirklicht wurden.

Durch die öffentliche Fixierung auf die Gemeindevertretung gerät so aus dem Blickfeld, dass die Verwaltung selbst ein entscheidender Impulsgeber der Kommunalpolitik ist. Da sich die Verwaltungsangestellten im Gegensatz zur Gemeindevertretung hauptberuflich mit den Geschäften der Kommune befassen, sind sie Spezialisten und Träger der Fachkompetenz. Sie sind nicht nur Dienstleister für die Einwohnerinnen und Einwohner sondern auch aufgrund ihres fachlichen Wissens diejenigen, von denen die meisten Ideen, Initiativen und Projektvorschläge für die Stadtentwicklung ausgehen. Die Verwaltung prägt daher in entscheidendem Maße den kommunalen Willensbildungs- und Entscheidungsfindungsprozess mit.

Idealtypisch lässt sich die Beziehung zwischen Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft, also der Selbstorganisation von Bürgerinnen und Bürgern, in unterschiedliche Modelle gliedern.

Das Modell der hierarchischen Verwaltung sieht in der Gemeindevertretung die kommunale Leitungsinstanz, deren Entscheidungen von der Verwaltung fair und neutral umzusetzen sind. Die Kernelemente dieses Modells, das schon Max Weber beschrieben hat, sind Hierarchie, Regelsteuerung und Rechtsförmigkeit des Handelns.

Das Modell der kooperativen Verwaltung nimmt den Wunsch vieler Bürgerinnen und Bürger auf, aktiv an der Lösung gegenwärtiger Entwicklungen und Probleme in der Kommune teilzuhaben und Entscheidungen mitgestalten zu wollen. Die Verwaltung ist in diesem Modell vor allem ein Moderator zwischen der Gemeindevertretung und den Bürgerinnen und Bürgern. Sie hat die Aufgabe, die politischen Entscheidungen der Vertretung für die Bürgerschaft aufzubereiten und verständlich zu machen sowie die Wünsche, Bedürfnisse und Interessen der Bürgerschaft durch entsprechende Beteiligungsmöglichkeiten in die Willensbildung einfließen zu lassen.

Im Rahmen der Verwaltungsmodernisierung hat sich neuerdings der "Konzern" als weiteres Leitbild etabliert. Im Konzernmodell wird die öffentliche Verwaltung zu einem Dienstleistungsunternehmen, das effizientes, wirksames und wirtschaftliches Verwaltungshandeln zum zentralen Kriterium erfolgreicher Kommunalpolitik macht. In diesem Modell hat die Gemeindevertretung vor allem eine Kontroll- und Aufsichtsfunktion und formuliert die langfristigen Ziele des "Konzerns" Stadt, vergleichbar mit dem Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft. Die Verwaltung betreibt hingegen das operative Geschäft und setzt die politischen Ziele in eigener Verantwortung um.

Gliederung der Verwaltung

Aus ihren Aufgaben ergibt sich die institutionelle Organi­sation der Verwaltung, der Aufgaben- und Verwaltungsgliederungsplan. Im Rahmen der Organisationshoheit kann die Kommune Abläufe und Entscheidungszuständigkeiten für die Aufgabenwahrnehmung festlegen. Hierzu orientieren sich Gemeinden und Kreise am Verwaltungsgliederungsmodell der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt). Die KGSt ist ein von Städten, Gemeinden und Kreisen gemeinsam getragener Fachverband für kommunales Management, der Empfehlungen, Konzepte und Lösungen zu aktuellen und relevanten Fragen der Verwaltungsmodernisierung veröffentlicht.

Das Modell der KGSt zur Verwaltungsgliederung richtet sich an tradierten Organisationsgrundsätzen und einem hierarchischen Strukturprinzip aus. Es unterscheidet die Aufbauorganisation, die die Struktur der Organisation festlegt, von der Ablauforganisation, die die Ablaufprozesse innerhalb der Verwaltung bestimmt. Die Organisationsstruktur ist also nicht auf einen Amtsinhaber zugeschnitten. Sie folgt dem Gliederungsprinzip der sogenannten Linienorganisation, worunter man ein hierarchisch gegliedertes Organisationssystem mit einem einheitlichen Dienstweg versteht, um – ganz im Sinne der Definition von Max Weber – die Aufgaben der Verwaltung sach- und regelgerecht zu erledigen.

Die Linienorganisation folgt dem Grundsatz der Einheit der Auftragserteilung, d. h. jeder Mitarbeiter hat einen Vorgesetzten. Er muss dessen Weisungen befolgen und diesem auch Rechenschaft ablegen. Idealtypisch führt diese Organisationsform zu einer Pyramide, an deren Spitze der Verwaltungschef steht.

Da nicht alle Aufgaben einer Kommune von einem Verwaltungschef unmittelbar geleitet werden können, sind Zwischenstufen – Dezernate oder Fachbereiche – eingezogen und in Aufgabengruppen zusammengefasst worden. Geleitet werden die Dezernate von Beigeordneten bzw. Dezernenten [Was ist Verwaltung?].

Den Dezernaten sind verschiedene Ämter zugeordnet. Die Ämter sind die untersten Organisationseinheiten der Verwaltung und nehmen den Vollzug der kommunalen Aufgaben vor. Je nach Größe der Gemeinden und Kreise variiert auch die Größe der Verwaltungen. In großen Städten mit mehr als 400.000 Einwohnern werden bis zu 44 Ämter gebildet; in kleinen Gemeinden mit bis zu 10.000 Einwohnern nur 11 Ämter. In Kreisen mit 250.000 Einwohnern werden angesichts der Ausdifferenzierung der Aufgaben auch bis zu 44 Ämter gebildet; in Kreisen mit nur 100.000 Einwohnern an die 31 Ämter. Auf der Grundlage dieser Prinzipien hatte die KGSt bereits im Jahr 1979 einen Muster-Verwaltungsgliederungsplan entworfen. Ausgehend von den zahlreichen Aufgaben einer Gemeinde oder eines Kreises wurden zusammenhängende Aufgaben identifiziert und in Aufgabengruppen zusammengefasst.Eine Aufgabengruppe bildet nach dem Modell die Grundlage zur Formierung eines Amtes. Die Aufgabengruppen wurden wiederum zu Aufgabenhauptgruppen zusammengefasst, die ein Dezernat bilden. Insgesamt sind 45 Aufgabengruppen zu Ämtern zusammengefasst worden und acht Dezernaten zugeordnet worden, die zusammengenommen die kommunale Gesamtverwaltung darstellen.

Verwaltungsgliederungsplan der Kommunalen Gemeinschaftsstelle (KgSt) (© Jörg Bogumil / Lars Holtkamp, Kommunalpolitik und Kommunalverwaltung. Eine praxisorientierte Einführung (bpb-Schriftenreihe, Bd.1329), Bonn 2013, S.44)

Der Gliederungsplan sagt nichts über Dringlichkeit, Bedeutung oder Notwendigkeit einer Aufgabe aus. Er nimmt nur eine zweckmäßige und funktionale Zuordnung vor, durch die Berechenbarkeit, Kontinuität und Einheitlichkeit der Entscheidungen und des Verwaltungshandelns gewährleistet werden sollen.

Im Kontext der Einführung des Neuen Steuerungsmo­dells, einer betriebswirtschaftlich ausgerichteten Verwal­tungsmodernisierung, wurden die Fach-Ämter zu Fachbe­reichen umgebildet, neue Zuordnungen entstanden und strategische Gesichtspunkte fanden nunmehr auch in der Organisationsstruktur der Verwaltung Berücksichtigung. Vor dem Hintergrund immer neuer Aufgaben und gesellschaftli­cher Herausforderungen sowie veränderter politischer Ziel­setzungen unterliegt die Organisationsstruktur einer Verwaltung entsprechend einem steten Veränderungsprozess.

Neben dem Aufbau der Verwaltung, der die Struktur der Verwaltung bestimmt, sorgt die Ablauforganisation für effiziente Verwaltungsabläufe und -prozesse zur Aufgabenerfüllung. Die Ablauforganisation ordnet und strukturiert die Zusammenarbeit zwischen den Dienststellen, die Kommunikation und das Verhalten gegenüber der Bevölkerung und die Organisation des sogenannten Geschäftsganges, also die täglichen Ablaufroutinen im Alltag der "Kernverwaltung". Dazu gehören der Postlauf, die Eingangsbearbeitung, der Schriftverkehr, die Zeichnungsbefugnis und die Aktenführung.

QuellentextEigenbetriebe

Die Durchführung kommunaler Aufgaben wird auch durch die Gründung eigener Betriebe oder die Beteiligung an Betrieben mit mehreren Eigentümern gewährleistet. Hinzu kommen Regiebetriebe und weitere privatrechtliche Formen des Geschäftsbetriebs. Die Ausgliederung eines Geschäftsfeldes in eine eigenständige Organisationsform folgt in der Regel den Zielen einer besseren Steuerung oder einer effizienteren Betriebsführung. Das gilt vor allem für die Eigenbetriebe, die zwar eine organisatorische, aber keine rechtliche Selbstständigkeit besitzen.

Beispiele für Eigenbetriebe von Kommunen sind insbesondere die Abfallwirtschaft, der Betriebshof oder Bauhof, aber auch Krankenhäuser, Kitas, die Volkshochschulen, Wohnungsbaugesellschaften usw.

Die Gemeindevertretung entscheidet über die Errichtung und Auflösung sowie über die strategische und personelle Führung des Eigenbetriebes. Aber im Gegensatz zum Regiebetrieb, der ohne jegliche institutionalisierte Selbstständigkeit agiert, obliegt die Führung des Eigenbetriebs einer Betriebsleitung. Die Aufsicht hat ein von der Gemeindevertretung eingesetzter Betriebsausschuss. Die rechtliche Vertretung des Eigenbetriebs bleibt bei der Kommune.

Der Eigenbetrieb stellt einen eigenen Wirtschaftsplan auf, der nicht den Vorschriften des Haushaltsrechts unterliegt. Eigenbetriebe bilden ein eigenes kommunales Sondervermögen, das aus dem kommunalen Haushalt ausgegliedert ist und gesondert verwaltet und nachgewiesen wird. Somit erscheint das Vermögen des Eigenbetriebs auch nicht als Negativposten in der Bilanz und wirkt gerade in einer angespannten Haushaltssituation nicht als zusätzliche Belastung. Die tatsächliche finanzielle Situation der Kommune wird dadurch aber nicht vollständig im Haushalt abgebildet.

Bürgermeister, Oberbürgermeister, Dezernenten

Die Leitung der Verwaltung in den unterschiedlichen Kommunalverfassungen

Eine zentrale Funktion bei der Gestaltung und Optimierung der Verwaltungsabläufe und Prozesse nimmt der Oberbürgermeister wahr. Sein Einfluss und seine Gestaltungsmöglichkeiten variieren je nach Kommunalverfassung.

In der Hessischen Magistratsverfassung steht an der Spitze der Verwaltung nicht der Bürgermeister allein, sondern ein Kollegium. Dieses Kollegialorgan heißt in Städten "Magistrat" und in den übrigen Gemeinden "Gemeindevorstand". Das Kollegialorgan besteht aus dem von den Bürgern (seit 1993) unmittelbar gewählten Bürgermeister, den Dezernenten und den aus Mitgliedern der Gemeindevertretung zu wählenden ehrenamtlichen Mitgliedern.

In den in der Regel wöchentlichen Sitzungen des Magistrats werden Beschlüsse mit Stimmenmehrheit gefällt. Die Stimme des Bürgermeisters zählt nicht mehr als die der anderen Magistratsmitglieder, lediglich bei Stimmengleichheit gibt seine Stimme den Ausschlag. Der Bürgermeister ist also "nur" Erster unter Gleichen. Verwaltungsgeschäfte von geringerer Bedeutung erledigen der Bürgermeister und die Dezernenten selbstständig, ohne Votum des Magistrats. Die Dezernenten unterliegen dabei keiner Weisungsbefugnis des Bürgermeisters.

In der – heute nicht mehr gültigen – Norddeutschen Ratsverfassung stellte der Rat das wichtigste und zentrale Organ dar. Der vom Rat gewählte Oberbürgermeister hatte in diesem Modell lediglich die Funktion des Vorsitzenden. Die Verwaltungsgeschäfte wurden von einem Hauptverwaltungsbeamten, dem Oberstadtdirektor wahrgenommen. Dieser wurde ebenfalls vom Rat gewählt, in dessen Auftrag er tätig wurde. In diesem Modell einer "Doppelspitze" hatte der Oberbürgermeister nur geringe Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten. Die norddeutsche Ratsverfassung war in Nordrhein-Westfalen bis 1994 und in Niedersachsen bis 1996 das geltende kommunale Verfassungsmodell. Heute gilt in beiden Ländern das Modell der Süddeutschen Ratsverfassung.

In Rheinland-Pfalz und dem Saarland bestand bis Anfang der 1990er-Jahre die Rheinische Bürgermeisterverfassung, in der der Oberbürgermeister indirekt durch den jeweiligen Rat gewählt wurde. Ohne die direktdemokratische Legitimation war der Oberbürgermeister in der Rheinischen Bürgermeisterverfassung schwächer als der direkt gewählte Rat, auch wenn der Bürgermeister die Aufgaben des Ratsvorsitzenden und des kommunalen Verwaltungschefs in einer Person bündelte. Heute hat sich bis auf die Ausnahmen Hessens und der Stadtstaaten die Süddeutsche Ratsverfassung durchgesetzt, in welcher der Oberbürgermeister die entscheidende politische und administrative Führungsperson ist. Er leitet nicht nur die Geschäfte der Gemeindevertretung, sondern ist auch Chef der Verwaltung.

Seine Macht und seinen Gestaltungsanspruch erhält der Oberbürgermeister insbesondere durch die Direktwahl. Das unmittelbare Plazet der Bürgerschaft verschafft ihm eine eigene Legitimität gegenüber den durch personalisierte Verhältniswahl gewählten Mitgliedern der Gemeindevertretung. Als stimmberechtigter Vorsitzender übt er so (außer in Hessen) in Rat und Verwaltung eine "exekutive Führerschaft" (so der Politik- und Verwaltungswissenschaftler Lars Holtkamp) aus. Dabei kann es immer wieder zu einem Konkurrenzverhältnis zwischen Oberbürgermeister und Ratsmitgliedern kommen.

Wahlverfahren im Überblick: (© Ralf Vandamme)

Politische Beobachter diagnostizieren, dass mancherorts die Auseinandersetzungen zwischen Rat / Stadtverordneten und Bürgermeistern persönlicher und aggressiver werden. Dies könnte auch an der Zersplitterung der Vertretungsorgane in kleine Gruppierungen liegen, die teilweise nur mit einer Person in der Gemeindevertretung sitzen. Kleine, mit wenigen Stimmen gewählte Gruppen, die vornehmlich Eigeninteressen vertreten, so die Vermutung, könnten eine am Gemeinwohl ausgerichtete Konsensfindung erschweren. In Hessen wird daher darüber diskutiert, für die Kommunalwahlen wieder eine Sperrklausel in Höhe von 2,5 Prozent einzuführen.

Aufgaben und Kompetenzen der Bürgermeister / Oberbürgermeister

Der Bürgermeister (BM), oder in größeren Gemeinden auch Oberbürgermeister (OB), ist mit der Leitung der Kommune beauftragt und repräsentiert diese nach außen. Bis zur schrittweisen Reform und Angleichung der Kommunalverfassungen in den 1990er-Jahren wurden die Unterschiede in der Kommunalpolitik zwischen den jeweiligen Bundesländern hauptsächlich über die unterschiedliche Machtverteilung zwischen Gemeindevertretung, Bürgermeister und Verwaltungschef beschrieben.

Heute haben sich die Kommunalverfassungsrechte in diesem Punkt weitgehend angeglichen. Zwei Hauptvarianten bleiben jedoch bestehen: Auf der einen Seite die Süddeutsche Ratsverfassung mit einem starken BM / OB, die beim Aufbau der kommunalen Selbstverwaltung in den neuen Bundesländern prägendes Modell war – sowie auf der anderen Seite die hessische "unechte Magistratsverfassung", die sich stärker an der preußischen Städteordnung von 1808 orientiert und einen weniger mächtigen Bürgermeister vorsieht, indem er Kompetenzen an Magistrat und Stadtverordnetenvorsteher abgeben muss.

Funktionen und Kompetenzen (Befugnisse) des BM in den unterschiedlichen Ratsverfassungen (© Ralf Vandamme)

Die herausgehobene Rolle des BM / OB ist durch vier Funktionen gekennzeichnet: Er repräsentiert 1. die Gemeinde nach außen, hat 2. (außer in Hessen und Niedersachsen) den Vorsitz in der Gemeindevertretung, die er einberuft und deren Tagesordnung er festsetzt; darüber hinaus hat er 3. die Leitung der Verwaltung inne und ist 4. Dienstvorgesetzter aller Beamten und anderen Mitarbeiter. Auch hier bildet Hessen eine Ausnahme: Gemäß der "unechten Magistratsverfassung" leitet der Bürgermeister dort die Verwaltung kollegial mit dem Magistrat.

Der BM / OB kann folglich in alle Phasen des politischen Entscheidungsprozesses maßgeblich eingreifen:

  • in die Entscheidungsvorbereitung,

  • in die Debatte und Entscheidung in der Gemeindevertretung,

  • in die Entscheidungsausführung.

Außerdem hat er das Recht "in dringenden Angelegenheiten des Gemeinderats, deren Erledigung auch nicht bis zu einer ohne Frist und formlos einberufenen Gemeinderatssitzung [...] aufgeschoben werden kann, [...] an Stelle des Gemeinderats" zu entscheiden. (§ 43 (4) GemO) Dank dieser exklusiven Sonderstellung im System der kommunalen Selbstverwaltung verfügt der BM / OB über eine herausgehobene Gestaltungskraft. Der Amtsträger oder die Amtsträgerin muss hierfür über persönliche Kompetenzen verfügen und gleichzeitig gesellschaftspolitischer Innovator, parteiübergreifender Moderator von gesamtgesellschaftlichen Aushandlungsprozessen und politisch handelnder Verwaltungsmanager sein.

Neben seiner herausgehobenen Funktion im kommunalen Entscheidungsprozess verfügt er als Leiter der Verwaltung über weitreichende Organisationsmacht. Er ist der Dienstvorgesetzte der kommunalen Mitarbeiterschaft und verfügt über das Organisationsrecht bzw. die Organisationshoheit, d. h., er hat das Recht und die Möglichkeit, ohne Einbeziehung der Gemeindevertretung Verwaltungsstrukturen zu ändern und an die Bedürfnisse einer effektiven und effizienten Ablauforganisation anzupassen. (Auch hier gibt es eine Ausnahme: In NRW legt die Gemeindevertretung die allgemeinen Grundsätze fest, nach denen die Verwaltung geführt wird.)

QuellentextBürgermeister mit unternehmerischem Gespür

In der Provinz kommt nicht der Mensch zur Politik, sondern die Politik zum Menschen. Und deswegen klingelt an diesem Vormittag das Handy von Andreas Lysk nicht zum ersten Mal und nicht zum letzten Mal. […] Henri Hänchen ist dran, und der heißt wirklich so. Aber Lysk nennt ihn nur Henri. "Henri, wie sieht’s aus?" Und Henri weiß gleich, was Lysk meint. Sind die Straßen sauber, das Dorfgemeinschaftshaus sauber? "Allet jut", sagt Henri. "Jut", sagt Lysk. Wo es kein Ordnungsamt mit Dutzenden Mitarbeitern gibt, wo der Alleskönner Henri auf seinem Traktor die Straßen vom Schnee befreien muss, wo eben Provinz ist, da kommt es nicht so sehr auf die Strukturen an, sondern auf die Personen. […]

Lysk ist ehrenamtlicher Bürgermeister von Weißkeißel, aber eigentlich ist er Geschäftsführer. Er organisiert im nördlichen Teil des Landkreises Görlitz, direkt an der polnischen Grenze, die Müllentsorgung. Und wie ein Geschäftsführer leitet er auch den Ort. Mehr wie ein Unternehmen. Und das bedeutet vor allem: besser sein. Besser sein als viele andere Orte, wo im Winter morgens um sechs Uhr die Straßen noch nicht komplett schneefrei sind. Das müssen sie aber sein, denn kaum einer der knapp 1 300 Einwohner arbeitet noch in Weißkeißel. Die gute Organisation […] ist überlebenswichtig für den Ort. […]

Auf so viel Verantwortung und Arbeit haben nicht mehr viele Bürger Lust, zumal wenn das so schlecht bezahlt wird wie bei Lysk. Vor einigen Jahren wurde die sächsische Gemeindeordnung so geändert, dass in Orten unter 3000 Einwohnern der Bürgermeister nun nicht mehr hauptamtlich, sondern ehrenamtlich die Aufgabe übernimmt. Ehrenamtlich – das klingt weniger wichtig, und es ist auch mit einem Einkommensverlust verbunden. Lysk bekommt 1 270 Euro monatlich Aufwandsentschädigung für seine Arbeit als Bürgermeister. Das ist nicht sonderlich viel. Und wenn man dann noch bedenkt, dass in vielen Orten – nicht in Weißkeißel – Bürgermeister, Mitarbeiter der Verwaltung und Gemeinderäte beschimpft, einige sogar angegriffen werden, kann man gut verstehen, dass nur noch wenige eine solche Aufgabe übernehmen wollen. […]

Herr Lysk, warum tun Sie sich das noch an? "Nun ja, einer muss es ja machen." […]
1994 wurde Lysk in den Gemeinderat gewählt. In diesem Amt hält sich die Arbeit in einem Ort wie Weißkeißel noch in Grenzen.
Dann musste ein neuer Bürgermeister gewählt werden, der alte wollte nicht mehr. Und Lysk wollte auch nicht so richtig. Der Beruf, die Familie, zwei Kinder. […]
Lysk hat mit seiner Frau gesprochen. Sie war dafür. Und so wurde Lysk Bürgermeister von Weißkeißel. 2002 war das […].

Seither sind der Ort und der Mann eins. Und er liebt diesen Ort. […] Im Winter schneit es hier wie aus Schneekanonen, im Sommer rattert oder knallt es. Die NVA übte hier Gefechte, der größte Teil von Weißkeißel ist Truppenübungsplatz. Noch heute, denn jetzt kommt die Bundeswehr und übt hier. Weißkeißel ist elastisch über die Zeiten gekommen. Aber viele sind gegangen. Auch Lysks Kinder. Eines wohnt in München, eines in Berlin. Die Lausitzer Füchse, der Eishockeyclub der Gegend, haben eine große Fangemeinde in Bayern, alles ehemalige Kinder des Ostens. Der wohl größte Laden im Ort verkauft Kettensägen.

Nun könnte ein falsches Bild entstehen. Weißkeißel ist kein zurückgebliebener Fleck, an dem sich nur Soldaten und Wölfe wohl fühlen. Weißkeißel wächst. In die Kita gehen 63 Kinder. Wenn Lysk ein Grundstück ausweist, dann ist es schnell weg. Familien ziehen gerne aus der Stadt hierher. Das Pendeln nehmen sie in Kauf. Und deswegen ist der Breitbandausbau eines der großen Themen für den Bürgermeister Lysk. Er verwaltet nicht den Abbau, er gestaltet die Zukunft. Das macht Freude und entschädigt für so manches. […]

Als Politiker hat sich Lysk noch nie begriffen. Politik und Staat machen Gesetze, er macht die Satzung, sagt er. Wann das Abwasser wo hinfließen darf. Mit dem Argument, dass diese Einstellung womöglich auch zur Politikverdrossenheit beitragen könnte, kann er nichts anfangen. […] In den vergangenen Jahren hatte Weißkeißel immer eine schwarze Null. Das schafft die Gemeinde auch, weil sie mit Weißwasser, dem nächstgrößeren Ort, eine Verwaltungsgemeinschaft bildet. Lysk kann dort auf die Strukturen zurückgreifen; wenn er eine Straße wegen des Breitbandausbaus aufreißen muss, dann organisieren das die Verwaltungsmitarbeiter in Weißwasser. "Sehr praktisch" findet das der Bürgermeister-Unternehmer Lysk. Eingemeinden lassen will er sich nicht. "Dann wären wir ja nicht mehr unser eigener Herr." In Weißkeißel ist man traditionell.


Mona Jaeger, "Machen statt jammern", in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 4. April 2017; © Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt. Zur Verfügung gestellt vom Frankfurter Allgemeine Archiv

Gleichwohl ist es angesichts einer auf Konsens ausgerichteten Kommunalpolitik ein Gebot "politischer Klugheit", die Mitglieder der Gemeindevertretung in größere organisatorische Veränderungen einzubeziehen, löst doch fast jede Organisationsreform finanzielle Folgekosten aus, über welche die Gemeindevertretung letztlich zu entscheiden hat.

In allen größeren Verwaltungen werden Ämter oder Fachbereiche nach Schwerpunkten in sogenannte Dezernate zusammengefasst. Die Leitung dieser Dezernate nennt sich Dezernent, Beigeordneter, Bürgermeister oder auch Stadtrat.

In den Hansestädten heißt der Dezernent Senator. Der BM / OB seinerseits leitet ebenfalls ein Dezernat.

Mit Ausnahme von Nordrhein-Westfalen legt der BM / OB in allen Bundesländern den Zuschnitt der Dezernate fest. In Baden-Württemberg hat dies einvernehmlich mit dem Gemeinderat zu geschehen. Maßgeblich sind einerseits fach­liche Gesichtspunkte, andererseits auch politische Ziel- und Schwerpunktsetzungen. So behalten die Verwaltungschefs ­häufig die Personalverwaltung und die Öffentlichkeitsarbeit in ­ihren Händen. Bereiche, die spezifische Fachkenntnisse erfordern oder besonders konfliktträchtig sind wie z. B. "Soziales", ­werden gerne an die einschlägig ausgebildeten Dezernenten delegiert. Die Bildung von Dezernaten ist in den meisten Ge­meindeordnungen erst ab einer bestimmten Gemeindegröße vorgesehen.

Der ständige und alleinige Vertreter des Oberbürgermeisters ist der sogenannte Erste Bürgermeister, in kleineren Städten heißt die Vertretung des Bürgermeisters in Hessen Erster Stadtrat. Die weiteren Beigeordneten vertreten den BM / OB nur in ihrem Dezernatsbereich und sind lediglich allgemeine Vertreter des BM / OB, wenn dieser und der Erste Bürgermeister verhindert sind. Jener ist nicht zu verwechseln mit dem Ersten Bürgermeister der Freien Hansestadt Hamburg, der als Regierungsoberhaupt vom Parlament des Landes und der Hamburgischen Bürgerschaft gewählt wird.

Zentrale Instrumente: Antrag und Vorlage

Der Antrag

Um einen Beschluss der Gemeindevertretung zu einem kommunalpolitischen Sachverhalt herbeizuführen, stellen die Fraktionen oder einzelne Mitglieder der Gemeindevertretung Anträge. Sie sind das wichtigste Instrument der Gemeinderä­te bzw. der Stadtverordneten, um politische Initiativen zu ergreifen. Das genaue Verfahren ist in der Geschäftsordnung der Gemeindevertretung der jeweiligen Kommune festgehalten.

Anträge sind beim Vorsitzenden der Gemeindevertretung (oder des Ortsbeirates), also beim Bürgermeister (in Hessen beim Stadtverordnetenvorsteher), einzureichen. Über sie wird zunächst im zuständigen Ausschuss, danach gegebenenfalls abschließend in der Gemeindevertretung beraten und abgestimmt. Neben einer bestimmten Forderung enthalten die Anträge meist eine ausführliche Begründung, um für den Antrag zu werben. Findet der Antrag in der Abstimmung der Gemeindevertretung eine Mehrheit, wird er zum Beschluss, den die Verwaltung (in Hessen der Magistrat) ausführen muss. Häufig werden Anträge einer Fraktion durch Änderungs- oder Zusatzanträge anderer Fraktionen variiert. Über diese Variationen wird zuerst abgestimmt, danach erfolgt die Abstimmung über den ursprünglichen Antrag, der geändert oder ergänzt werden soll. Ein Beispiel:

Antrag 1:
Die Kommune soll beim Neubau einer bestimmten Straße Lärmschutzwände anbringen lassen
(= ursprüngliche Fassung).

Antrag 2:
Die Kommune soll außerdem einen lärmdämmenden Fahrbahnbelag aufbringen lassen (= Ergänzung).

Antrag 3:
Die Straße soll überhaupt nicht gebaut werden (= weitergehend, erübrigt Anträge 1 und 2).

Ein Antrag kann von der Antragstellerin oder dem Antragsteller jederzeit zurückgezogen werden. Dann kann darüber nicht mehr abgestimmt werden, selbst wenn eine Mehrheit dies verlangen und sogar zustimmen würde.

Der Bürgerantrag

Nicht nur die Mitglieder der Gemeindevertretung, auch jede Bürgerin und jeder Bürger haben die Möglichkeit, einen Antrag an die Gemeinde zu stellen. Diese Anträge müssen nicht zwingend von der Gemeindevertretung behandelt werden; sie können auch auf dem Verwaltungsweg bearbeitet werden. Die Gemeindevertretung wird aber auf jeden Fall durch ihren Vorsitzenden (Bürgermeister oder Stadtverordnetenvorsteher) über solche Anträge und die daraus resultierende Antwort oder Maßnahme informiert. Auch hier gibt es selbstverständlich in jedem Bundesland eigene Regelungen. Der Bürgerantrag als politische Mitwirkungsmöglichkeit wird in der Praxis jedoch kaum angewandt. Das mag u. a. daran liegen, dass er den wenigsten bekannt sein dürfte.

Die Vorlage

Die Vorlagen der Verwaltung dienen der Vorbereitung von Entscheidungen oder der Information der Gemeindevertretungsmitglieder über einen Sachverhalt. Daher wird in Verwaltungen zuweilen auch zwischen Informationsvorlage und Beschlussvorlage unterschieden. Die Vorlagen gehen in der Ablauforganisation der Verwaltung den Weg "von unten nach oben". Die mit einem Sachverhalt befasste Stelle hat die Aufgabe, Informationen und Umsetzungsvorschläge entscheidungsreif zusammenzufassen und zu präsentieren und diese abschließend den Entscheidungsträgern vorzulegen. Im Rahmen des Entscheidungsweges der Linienorganisation "von unten nach oben" haben die Entscheidungsträger auf den unterschiedlichen Hierarchieebenen die Möglichkeit, eine Vorlage zu genehmigen, zu modifizieren oder abzulehnen. Der BM/OB zeichnet eine Vorlage als oberste Entscheidungsinstanz als letztes, bevor die Vorlage zur Information oder Beratung der Gemeindevertretung vorgelegt wird.

Ausschüsse

Da nicht alle kommunalen Angelegenheiten in der Gemeindevertretung ausführlich beraten und diskutiert werden können, hat die Gemeindevertretung die Möglichkeit, Aufgaben und Entscheidungen auf kleinere Beratungs- und Entscheidungsgremien – sogenannte Ausschüsse – zu verlagern. In aller Regel ist es dem Rat überlassen, welche und wie viele Ausschüsse er bildet, teilweise kann die Bildung bestimmter Ausschüsse aber auch vorgegeben sein. Manche Ausschüsse können "beschließend" zuständig sein. Das heißt, die im Ausschuss gefällte Entscheidung ist bereits ohne nochmaligen Beschluss der Gemeindevertretung verbindlich und wird von der Verwaltung umgesetzt. Welche Entscheidungen bereits in den Ausschüssen gefällt werden können, legt die Gemeindevertretung selbst in der Hauptsatzung der Kommune fest. Sie muss sich bei der Übertragung von Entscheidungsbefugnissen an Grenzen halten, die in der Kommunalverfassung festgelegt sind. Die bedeutendsten Entscheidungen bleiben der Gemeindevertretung vorbehalten. In der Hauptsatzung steht auch, welche Entscheidungen der Oberbürgermeister alleine treffen darf, ohne die Gemeindevertretung einzubeziehen.

In bestimmten Fällen verfügt der Rat allerdings auch über ein Rückholrecht, d. h., er kann die Entscheidung vor Ablauf einer festgelegten Frist ändern oder aufheben. Teilweise darf die Kommunalvertretung den Ausschüssen auch Weisungen erteilen oder Einspruch erheben. Die Sitzungen der Ausschüsse sind zum Teil auch öffentlich, allerdings gibt es hierzu keine einheitliche Regelung. Neben den beratenden und beschließenden Ausschüssen gibt es Pflichtausschüsse und fakultative Ausschüsse. Die Pflichtausschüsse sind durch die Gemeindeordnung vorgesehen. Zu diesen Pflichtausschüssen können je nach örtlicher Tradition und Gemeindeordnung ein Hauptausschuss, ein Finanz- oder ein Personalausschuss gehören. Eine besondere Funktion nimmt der Jugendhilfeausschuss ein, da er als kommunales Verfassungsorgan ein Teil des Jugendamtes ist.

In den Ausschüssen finden oftmals die entscheidenden Fachdebatten unter den Mitgliedern der Gemeindevertretung statt. Angesichts der kommunalen Aufgabenfülle ermöglicht die Ausschussarbeit den ehrenamtlichen Mitgliedern eine Arbeitsteilung und fachpolitische Spezialisierung. Der Ausschuss berät die Gemeindevertretung und ist zusammengesetzt aus deren Mitgliedern sowie aus sachkundigen Bürgern, die von der Gemeindevertretung in die Ausschüsse entsandt werden.

Verwaltungsstruktur des Fachbereichs Jugend und Familie der Landeshauptstadt Hannover (© Klaus-Peter Heine)

Die Besetzung von Ausschüssen erfolgt einvernehmlich oder durch Wahl seitens der Gemeindevertretungen. Dadurch spiegeln sie grob die Mehrheitsverhältnisse der Gemeindevertretung wider. Den Vorsitz in den beratenden Ausschüssen führt der Oberbürgermeister oder eine Stellvertretung. In den Ausschusssitzungen sind Mitarbeiter der Verwaltung anwesend. Außerdem können zu den Ausschusssitzungen Fachleute eingeladen werden, um mit ihrem Fachwissen die Beratungen des Ausschusses zu unterstützen.

Ausschusssitzungen bieten den Mitgliedern der Gemein­devertretung bedeutende Gestaltungsmöglichkeiten; denn in der Regel folgt die Gemeindevertretung den Beschlussempfehlungen ihrer Ausschüsse ohne weitere inhaltliche Auseinandersetzung.

QuellentextDas Jugendamt

Obwohl der Bürger- oder Oberbürgermeister bei der Gliederung der Verwaltung in Dezernate und Fachbereiche viele Gestaltungsfreiheiten hat, sind die Kommunen in ihrer Aufbauorganisation nicht vollständig frei.

Im Achten Sozialgesetzbuch (SGB VIII) über die Kinder- und Jugendhilfe ist festgelegt, dass jeder örtliche Träger der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe – also die kreisfreien Städte bzw. die Landkreise – ein Jugendamt einrichten muss.

Somit handelt es sich hierbei um eine Pflichtaufgabe der Kommune. Der Gesetzgeber will damit sicherstellen, dass eine zentrale Anlaufstelle sowohl für Erziehungsberechtigte als auch für Kinder und Jugendliche zur Verfügung steht.

Das Recht auf Erziehung und die Aufgaben der Jugendhilfe sind in § 1 SGB VIII festgelegt. Demnach sollen Erziehungsberechtigte bei der Erziehung beraten und unterstützt, Kinder und Jugendliche vor Gefahren geschützt und positive Lebensbedingungen für junge Menschen und Familien geschaffen werden.

Die Jugendämter können in Kommunen unterschiedlich bezeichnet werden (z. B. "Fachbereich Jugend" oder "Amt für Kinder, Jugend und Familie") sowie mit anderen Ämtern oder Fachbereichen zusammengelegt werden. Desweiteren können sie einen von Kommune zu Kommune unterschiedlichen inneren Aufbau haben. Dennoch sind aufgrund der gesetzlichen Verankerung die Existenz, die Aufgaben und die zweigliedrige Organisationsstruktur in jeder Kommune gleich: Das Jugendamt ist in die beiden Teile Jugendhilfeausschuss und behördliche Verwaltung des Jugendamtes unterteilt.

Der Jugendhilfeausschuss
Der Jugendhilfeausschuss plant örtliche Angebote, bei welchen auf aktuelle Problem- und Bedarfslagen reagiert und Vorschläge zur Weiterentwicklung entworfen werden sollen. Er setzt sich wie folgt zusammen:
3/5 sind Mitglieder der Gemeindevertretung und von ihr gewählte Personen, die in der Jugendhilfe erfahren sind;
2/5 sind Mitglieder, die auf Vorschlag von freien Trägern der Jugendhilfe gewählt werden.

Der Jugendhilfeausschuss hat ein Anhörungsrecht. Befasst sich die Gemeindevertretung mit Fragen der Jugendhilfe, soll sie zuvor den Jugendhilfeausschuss anhören. Im Rahmen der von der Gemeindevertretung bereitgestellten Mittel kann der Jugendhilfeausschuss Beschlüsse in Angelegenheiten der Jugendhilfe tätigen. Er hat somit ein Beschlussrecht.

Die Verwaltung des Jugendamtes
Die Beschlüsse des Jugendhilfeausschusses und die im SGB VIII vorgeschriebenen Aufgaben und Leistungen werden von der behördlichen Verwaltung des Jugendamtes umgesetzt. Die Mitarbeiter sind in der Regel sozialpädagogische Fachkräfte. Sie bieten Hilfen nach dem SGB VIII selbst an oder vermitteln diese zum Beispiel durch freie Träger der Jugendhilfe. Die vielfältige Hilfe zeigt sich in folgenden Bereichen:
Förderung und Unterstützung in Form von z. B. Kindertageseinrichtungen und Jugendhäusern;
Beratung und Hilfe etwa durch Erziehungsberatung, Sozialpädagogische Familienhilfe und Heimerziehung (stationäre Jugendhilfe);
Schutz bei einer Inobhutnahme des Kindes und Einschaltung des Familiengerichts, wenn das Kind gefährdet ist.

In den vergangenen Jahren sind die Kosten der erzieherischen Hilfen – insbesondere bei stationären Hilfen – stark angestiegen. Das liegt unter anderem am Zuwachs von Bedarfsgemeinschaften (in denen mindestens ein Mitglied Hartz IV bezieht), dem Zuzug von Zuwandererfamilien und internen Regelungen.

Der Versuch, diese Kostenexplosion einzudämmen, führt zu steigenden Fallzahlen für eine gleichbleibende Anzahl an Fachkräften, sodass unter Zeitdruck und großer Arbeitsbelastung Entscheidungen von großer Tragweite, wie zum Beispiel die Inobhutnahme eines Kindes, getroffen werden müssen. Gleichzeitig wächst der Aufgabenbereich der Jugendämter enorm: Eine veränderte gesellschaftliche Zusammensetzung, veränderte Familienkonstellationen und neue pädagogische Methoden führen immer wieder zu einer Neuausrichtung und Anpassung der Jugendamtsarbeit.

QuellentextSelbstverwaltete Jugendzentren

Selbstverwaltung in Jugendtreffs – dies weckt Assoziationen von besetzten Häusern und Revoluzzern, aber wie funktioniert das eigentlich genau, wenn Jugendliche ihre Projekte eigenständig gestalten und somit ihre Prioritäten selbst setzen? Nach einer [2015 veröffentlichten] Studie des Deutschen Jugendinstituts (DJI) ist Selbstverwaltung nicht klar definiert und lässt einigen Interpretationsspielraum zu. [...] [D]ie Forscher [...] benennen fünf Kriterien: Zum einen soll die Trägerschaft bei den Jugendlichen selbst liegen [...]. Außerdem besteht der Vorstand aus Jugendlichen oder in die Jahre gekommenen Jugendlichen, die das Zentrum gegründet haben. Drittens werden Ablauf und Organisation des Hauses komplett von den Jugendlichen bestimmt. Des Weiteren sind Träger und Einrichtung identisch oder die Einrichtung handelt gegenüber dem Träger, z. B. der Stadt, autonom.

Im Stadt-Land-Vergleich liegen die Landkreise vorn: Hier gibt es mit 27 Prozent einen weitaus höheren Anteil an selbstverwalteten Jugendhäusern als in Städten mit 12 Prozent. Im Westdeutschland der 1970er-Jahre hatten sich auf dem Land die ersten Jugendzentren gegründet, da laut DJI dort die Auswahl und Anzahl der Freizeitangebote schlechter als in den Städten war.

Der Osten überholte den Westen allerdings nach der Wende. Mit 29 Prozent ist der Anteil an selbstverwalteten Zentren dort deutlich höher als mit 17 Prozent im Westen. Nach der Wiedervereinigung nutzten Jugendliche die neuen Freiräume und gestalteten Orte nach ihren eigenen Vorstellungen, so die Studie. Konflikte zwischen Jugendhäusern und politischer Verwaltung gibt es allerdings noch immer. Das Soziale Zentrum Norderstedt (SZ) in der Stadt mit 77.000 Einwohnern vor den Toren Hamburgs ist ein Beispiel. Seinen Anfang nahm es in den frühen 1990er-Jahren durch Hausbesetzungen. Nach dem Wahlerfolg von CDU und FDP im Jahre 2003 wurde der Mietvertrag mit dem Haus nicht verlängert. Es wurde abgerissen, ein Parkplatz entstand. Die Einrichtung überlebte aber, indem sie ihre Aktivitäten in Hamburg fortsetzte, und erhielt 2008 dank eines neuen Konzeptes wieder die Unterstützung der Verwaltung. Als Kulturzentrum gab es Förderungen und ein Haus der Stadt. Zwar noch immer selbstverwaltet, ist das SZ inzwischen also kein klassisches Jugendzentrum mehr. Stattdessen stehen Konzerte oder Flohmärkte allen Generationen offen. Ein Konzept, dass Jugend, Erwachsene und Verwaltung scheinbar gleichermaßen überzeugt, trotz der Schwierigkeiten zwischen dem SZ und der Politik in der Vergangenheit.

"Die offene Kinder- und Jugendarbeit lässt häufig zu wenig Freiraum für die Gestaltung von Jugendräumen und die Übernahme von Eigenverantwortung durch Jugendliche", spricht Anette Reinders (Grüne), Sozialdezernentin in Norderstedt, einen Hauptpunkt des Konflikts an. Statt für sollten Kommunen mit Jugendlichen planen und explizit auf ihre stark veränderten Bedürfnisse eingehen. […]


Jonas Geske, "Treffen der Generationen", in: AKP (Fachzeitschrift für Alternative Kommunalpolitik) 5/2015

Wer kontrolliert die Verwaltung?

Verwaltungshandeln wird in erster Linie von der Gemeindevertretung kontrolliert. In wie weit die überwiegend ehrenamtlichen Repräsentanten der Bevölkerung diese Aufgabe in allen fachlichen Einzelheiten leisten können, ist eine immer wieder kontrovers diskutierte Frage. Damit in zentralen Bereichen der Daseinsvorsorge rechtliche Vorgaben und fachliche Standards eingehalten werden, gibt es neben der Gemeindevertretung eine formal geregelte Aufsicht.

Die Kommunalaufsicht

Kommunales Handeln steht in Deutschland unter Aufsicht des jeweiligen Bundeslandes. Dabei wird zwischen der Rechts- und der Fachaufsicht unterschieden.

Durch die Rechtsaufsicht wird die Rechtmäßigkeit kommunaler Handlungen kontrolliert, d. h., es wird geprüft, ob eine Kommune in der Erfüllung ihrer Aufgaben bestehende Gesetze einhält. Die Fachaufsicht bezieht sich auf staatliche Aufgaben, welche Kommunen als Auftragsangelegenheiten wahrnehmen [kommunale Aufgaben]. Wesensmerkmal der Fachaufsicht und deren Unterschied zur Rechtsaufsicht ist, dass sie die Art der Ausführung einer Aufgabe bewertet, also auch die Zweckmäßigkeit des Handelns.

Die Zuständigkeit für die Fachaufsicht richtet sich nach dem entsprechenden Themengebiet. Wenn darüber keine Regelungen bestehen, führen die Rechtsaufsichtsbehörden auch die Fachaufsicht aus. Aber nicht alles kommunale Handeln unterliegt einer Fachaufsicht. Eine Fachaufsicht für alle kommunalen Aufgabenbereiche wäre auch kaum zu leisten, da die Aufgaben der Kommunen dafür zu umfangreich sind und sich außerdem ständig weiterentwickeln. In der jeweiligen Gemeindeordnung eines Bundeslandes wird geregelt, ab welcher Einwohnerzahl eine Kommune eine interne Rechnungsprüfung durch ein Rechnungsprüfungsamt einzurichten hat. Für kleinere Kommunen übernimmt diese Prüfung das Landratsamt des entsprechenden Landkreises als untere Verwaltungsebene. Landkreise und kreisfreie Städte beaufsichtigt das Finanzministerium oder das Innenministerium des Landes; eventuell wird diese Kontrolle an die Regierungspräsidien delegiert.

Auch die Haushaltsführung (Einnahmen und Ausgaben) einer Kommune unterliegen der Aufsicht der nächst höheren Behörde, also der Landratsämter oder der Regierungspräsidien. Grundlage der Einnahmen und Ausgaben der Kommunen sind deren Haushaltspläne. Damit ein Haushaltsplan wirksam wird, beschließt die Gemeindevertretung zunächst eine Haushaltssatzung. Diese Satzung enthält die zentralen Angaben des Haushaltsplanes; alle weiteren Hinweise sind dem Haushaltsplan selbst sowie den dort beigefügten Übersichten und Informationen zu entnehmen. Nachdem die Gemeindevertretung die Satzung für das kommende oder die kommenden zwei Jahre (Doppelhaushalt) beschlossen hat, wird der Haushaltsplan der Kommunalaufsicht zur Genehmigung vorgelegt.

Die Kommunalaufsicht kann die Genehmigung verweigern, wenn sie Verstöße gegen geltendes Recht feststellt; etwa, wenn der Haushalt dauerhaft nicht ausgeglichen ist. Daraus kann die Pflicht zur Erarbeitung eines Haushaltssicherungskonzeptes erfolgen. Haushaltssatzung und -plan (kurz: der "Haushalt") treten in Kraft, nachdem sie durch die Aufsichtsbehörde genehmigt und für eine bestimmte Frist öffentlich ausgelegt wurden. Jeder Bürger einer Gemeinde hat also das Recht, den Haushalt seiner Gemeinde einzusehen. Die meisten Kommunen stellen ihren Haushalt inzwischen online, sodass dies theoretisch ohne große Schwierigkeiten geschehen könnte.

Wird ein Haushalt nicht genehmigt, dürfen Gemeinden nur noch jene Aufgaben wahrnehmen bzw. Ausgaben tätigen, zu denen sie rechtlich verpflichtet sind Diese sogenannte vorläufige Haushaltsführung umfasst zum Beispiel alles, was vertraglich geregelt wurde, also auch Personalausgaben.

"Kommunen ohne Bürger"? – die Landkreise

Verwaltungsgliederung Deutschlands (© Externer Link: Bundesamt für Kartografie und Geodäsie, Frankfurt am Main)

Landkreise übernehmen jene wichtigen Infrastruktur- und Versorgungsleistungen, die von den Städten und Gemeinden nicht eigenständig erbracht werden können. Die Aufgaben der Landkreise hängen also stark von der Leistungsfähigkeit der Städte und Gemeinden in ihrem Gebiet ab, aber auch von den durch das jeweilige Bundesland gesetzten Rahmenbedingungen. Zu den Aufgaben der Landkreise können gehören: Altenpflege, Krankenhäuser, Schulgebäude, Abfallwirtschaft, Kreisstraßen, die Zulassungsämter für Kraftfahrzeuge, die Bewilligung und die Auszahlung von sozialer Grundsicherung, kurz: alle Pflichtaufgaben, die von den kleineren Gemeinden im Alleingang nicht gestemmt werden können.

Diese Aufgaben erledigt der Landkreis sowohl durch seine Kreisverwaltung (in Süddeutschland: dem Landratsamt) als auch durch Eigenbetriebe. Gleichzeitig hat er aber auch Aufgaben für das jeweilige Innenministerium zu übernehmen.

QuellentextRegierungsbezirke

Zwischen den Landkreisen und den Innenministerien ist in vier Ländern noch eine weitere Verwaltungsebene angesiedelt, der Bezirk. Er umfasst mehrere Landkreise. Sitz der Bezirksverwaltung ist das Regierungspräsidium, geleitet wird dieses von der Regierungspräsidentin/dem Regierungspräsidenten (RP).

In Bayern ist – anders als in anderen Bundesländern – auch auf dieser Ebene eine demokratische Kontrollinstanz eingerichtet worden: der Bezirkstag und dessen Vertreter, die Bezirkstagspräsidenten. Diese werden vom Bezirkstag gewählt, der Bezirkstag wiederum zeitgleich mit den Landtagswahlen von allen Bürgerinnen und Bürgern.

Damit ist er also sowohl Landesbehörde, Gemeindeverband als auch Kommune. Kommune ist der Landkreis, weil er wie andere Gemeinden auch demokratisch organisiert ist und die gleichen Rechte und Pflichten im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung hat. Der Kreistag ist das Äquivalent zum Gemeinde- oder Stadtrat bzw. zur Stadtverordnetenversammlung und der Kreisausschuss in Hessen das Äquivalent zum Magistrat. Mancher Landrat versteht sich gleichsam als "Bürgermeister" aller Einwohner des Landkreises, der für ihre Daseinsvorsorge zuständig und auf einen Ausgleich der unterschiedlichen Interessen im gesamten Kreis bedacht ist. Allerdings kennen zwar viele Einwohner ihren Gemeinde-Bürgermeister, nicht unbedingt aber ihren Landrat. Die Idee, dass der Landkreis eine Kommune im Sinne einer relevanten, funktionalen Einheit sei, ist für die wenigsten Menschen konkret erfahrbar. Dies gilt auch für die emotionale Zugehörigkeit. Auf die Frage danach, wo man wohnt, wird kaum jemand den Landkreis nennen, wohl aber die Gemeinde. Daher spricht man vom Landkreis auch mitunter als "Kommune ohne Bürger", also ohne bürgerliches Zugehörigkeitsgefühl.

Landesbehörde ist der Landkreis, da er als Fach- und Rechtsaufsicht die Leistungen (z. B. Kinderbetreuung) und die Haushaltsplanungen der Gemeinden auf seinem Gebiet prüft und genehmigt. [Kommunalaufsicht] Er ist in dieser Funktion eine direkt dem jeweiligen Innenministerium des Bundeslandes unterstellte Behörde. Landkreise sind also dann, wenn sie ihre Aufsichtspflicht ausüben, in der Hierarchie über den kreisangehörigen Gemeinden angesiedelt.

Zweckverband ist der Landkreis dort, wo er in eigener Regie Leistungen für die auf dem Kreisgebiet angesiedelten Gemeinden erledigt. Dazu haben Landkreise in der jüngeren Vergangenheit zahlreiche Eigenbetriebe oder Beteiligungsgesellschaften gegründet, etwa in den Bereichen Müllentsorgung und Energieversorgung (Elektrizitäts- und Gaswerke), Bildung (z. B. Volkshochschulen) oder Regionalförderung und Tourismus.

Aber auch viele soziale Leistungen wurden in der Vergangenheit von Eigenbetrieben übernommen und damit aus dem Landratsamt ausgegliedert. Dazu zählen Pflegezentren, Jugend- und Freizeiteinrichtungen oder Kinder-, Jugend- und Familienhilfe. Darüber hinaus sind die Landkreise Träger der Sparkassen sowie an Verkehrsgesellschaften beteiligt und in überregionalen Verkehrsverbünden mit Sitz und Stimme vertreten.

Eigenbetriebe gehören dem Landkreis ganz, Beteiligungsgesellschaften wie GmbHs meist zu über 50 Prozent. Der Landkreis steuert diese Betriebe über einen Vorstand, der von ihm oder einem Aufsichtsrat bestimmt wird, welcher wiederum aus dem Kreistag heraus gewählt wird. Der Kreistag, also die politische Vertretung des Landkreises, hat durch die Verschiebung von Verantwortung auf einen Vorstand nur wenige Gelegenheiten, auf das Handeln dieser Betriebe Einfluss zu nehmen. Durch Eigenbetriebe steigt die unternehmerische Flexibilität, aber es sinkt die demokratische Kontrolle.

Der Landkreis und die Städte

Diejenigen Städte, die alle Pflichtaufgaben selbst erledigen, sind nicht kreisangehörig, also kreisfrei. Dies gilt auch dann, wenn sie von dem Gebiet eines Landkreises umschlossen werden. Sie heißen, je nach Bundesland, kreisfreie Städte oder Stadtkreise. Der Name Stadtkreis betont die Gleichrangigkeit mit dem Landkreis.

Zur Verwirrung kann beitragen, dass sich in manchen kreisfreien Städten (bzw. Stadtkreisen) das Landratsamt des sie umgebenden Landkreises befindet, obwohl sie selbst nicht dem Landkreis angehören. In einigen Bundesländern werden Städte wiederum dann als Kreisstädte bezeichnet, wenn sie auf ihrem Stadtgebiet das Landratsamt beherbergen und dabei durchaus kreisangehörig sind. Ein weiterer Titel ist Große Kreisstadt; ihn dürfen Städte in Sachsen, Bayern und Baden-Württemberg dann führen, wenn sie eine (unterschiedliche) Mindestgröße an Einwohnern haben und bestimmte Zuständigkeiten und Pflichtaufgaben selbst übernehmen. Alle kreisangehörigen Städte zahlen an den Landkreis eine steuerähnliche Abgabe, damit dieser seine Pflichtaufgaben erfüllen kann, die sogenannte Kreisumlage. In vielen Gemeinden zählt sie zu den höchsten Ausgabenposten. Die Kreisumlage wird vom Landkreis festgesetzt, die Gemeinden haben diesbezüglich kein Mitspracherecht. Dies führt immer wieder zu Beschwerden seitens der Gemeinden, wenn ihnen die Kreisumlage zu hoch erscheint.

Landkreisaufgaben

Zu den Aufgaben von Landkreisen gehört es, gesellschaftliche und demografische Entwicklungen zu verfolgen, um mit entsprechenden Planungen darauf reagieren zu können. So müssen Landkreise etwa Zuzüge und Wegzüge junger Familien, das Entstehen von Wohngebieten und den Altersdurchschnitt der Bevölkerung genau beobachten, um Schulgebäude (wo die Schulträgerschaft nicht bei den Gemeinden liegt) und Altenpflegeeinrichtungen dort zu planen, wo sie dann einige Jahre später gebraucht werden.

QuellentextDas Emsland - Vorbild für andere Regionen

[…] Das Emsland ist agrarisch, abgeschieden und unendlich weit. Es ist einer der größten Landkreise Deutschlands, trotzdem leben hier nur rund 319.000 Menschen in überwiegend kleinen Ortschaften. Eigentlich müsste es hier verstaubte, leerstehende Geschäfte geben, vorwiegend alte Menschen, Dörfersterben, Landflucht. Aber so ist das nicht.

Das Emsland wächst, als eine der wenigen ländlichen Regionen in Deutschland. Zwar sterben auch hier inzwischen mehr Menschen, als neue geboren werden, aber durch die Einwanderung aus den Niederlanden und die Aufnahme von Flüchtlingen gab es auch in den vergangenen Jahren keinen Rückgang bei der Bevölkerungsdichte. Die Wirtschaft wächst, die Arbeitslosenquote fällt – mit 3,1 Prozent liegt sie bei fast der Hälfte des niedersächsischen Durchschnitts – und die Steuereinnahmen steigen. Es werden Kindertagesstätten gebaut, Neubaugebiete geplant, Ortskerne saniert. […]

Wenn man die Menschen hier fragt, warum sie nicht von hier weggegangen sind, dann verstehen sie die Frage nicht. Nirgendwo wachse man doch so behütet auf wie hier, sagt einer. Die ganze Clique sei doch hier, sagt der Nächste. Viele, auch wenn es sie zwischenzeitlich nach Dortmund oder Frankfurt verschlagen hat, sind zurückgekehrt, manche zu Besuch, andere zur Familiengründung und zum Eigenheimbau. "Du kannst nirgendwo so gut eine Familie gründen wie hier", sagt Thorsten Havemann, 33 Jahre alt. Er spricht fließend Spanisch und Englisch, hat ein Jahr in Kanada gelebt, ein halbes in Madrid. Havemann ist ein Kosmopolit, der fast jedes zweite Wochenende zurück nach Emsbüren fährt, einer Gemeinde, die nicht einmal 10.000 Einwohner hat, aber dafür 15 Schützenvereine.

Das Engagement und der Zusammenhalt in den Vereinen sind der Schlüssel zur Antwort auf die Frage, warum das Emsland wider Erwarten weiter wächst. "Vereine schaffen Nähe, Bindung und Heimatverbundenheit", sagt Theresa Damm, die mit ihren Kollegen vom Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung 2016 eine Studie zum Emsland gemacht hat. Dass man aus der Dichte der Vereine Rückschlüsse auf die Abwanderung ziehen kann, das hat sich bei einer anderen Studie des Instituts aus dem Jahr 2011 gezeigt. "Vereine beeinflussen die Bereitschaft, dazubleiben", sagt Damm, "aber ob man dableibt, hängt letztlich auch von der wirtschaftlichen Lage ab."

Bis in die vierziger Jahre lebten die Emsländer von der Landwirtschaft und vom Torfabbau, und sie verkauften fast alles, um zu überleben. Dann kam der sogenannte Emslandplan, ein im Bundestag im Jahr 1950 einstimmig beschlossenes Förderprogramm zur Aufbesserung der Region. Zwei Milliarden D-Mark sind bis in die siebziger Jahre an Fördermitteln in die Region geflossen – Geld, von dem Straßen gebaut, die Moore kultiviert und die Ansiedlung von Industrie ermöglicht wurden. […] [D]er Emslandplan war und bleibt eine Erfolgsgeschichte, er legte die Grundlage für die rund 14.000 Betriebe, die heute in der Region existieren, die meisten von ihnen mittelständisch.

In vielerlei Hinsicht steht Matthias Kruse symbolisch für den Emsländer. Die Landwirtschaft ist Tradition in der Region, genau wie das Mehrgenerationenhaus, in dem Kruse lebt. […] Matthias Kruse hat seine Ausbildung über zwei Jahre in Osnabrück absolviert, danach ist er wieder zurück in die Heimat. Auch der Freundeskreis seiner Ehefrau Judith zeugt von solchen "Heimkehrern": Spätestens zur Familiengründung seien alle zurück ins Emsland gekommen – jedoch mussten sie meistens Kompromisse eingehen. "Für manche war es schwer bei der Jobsuche, sie haben hier weniger gleichwertige Jobs gefunden, aber dafür sind die Lebenshaltungskosten auch niedriger", sagt Judith Kruse. […] Das verfügbare Einkommen pro Kopf liegt zwar knapp unter dem niedersächsischen und bundesweiten Durchschnitt, dennoch säumen hübsche Einfamilienhäuser, oft neu gebaut und oft von großzügigen Gärten umgeben, die Dorfstraßen. Die Grundstücke sind preiswert und die Baukosten niedrig. Man schwimme zwar nicht im Geld, heißt es auch von Seiten des Landkreises, sei aber in der "komfortablen Situation, eine freie Spitze zu haben", sagt Sigrid Kraujuttis, Dezernentin für Soziales, Jugend und Gesundheit. […] Ist die Bekämpfung von Landflucht eine Geldfrage?

"Nicht nur, denn es geht auch um das Gemeinschaftsgefühl, dass einfach was passiert vor Ort", sagt Theresa Damm. Alle scheinen sie beim Fußball, bei der Caritas, bei den Messdienern, im Schützenverein oder zumindest beim Zeltlager mit dabei zu sein. Zwei Drittel aller Emsländer seien ehrenamtlich aktiv, sagt Dezernentin Kraujuttis – und "das Ehrenamt kostet ja nicht so viel", pflichtet Walter Pengemann, der Demographiebeauftragte des Emslands, bei.

Im historisch katholischen Emsland gibt es zusätzlich zu den klassischen Vereinsstrukturen noch die Kirche, die für Heimatverbundenheit sorgt. Obwohl auch hier die Besuchszahlen der Gottesdienste zurückgehen, versucht man, dem Einflussverlust entgegenzuwirken und das Gemeinschaftsgefühl, das die Leute hier hält, nicht zu verlieren. Das geht durch Zusammenarbeit mit den Kindergärten, durch die Übernahme von Trägerschaften von Kitas, durch den Besuch in Schulen. Aber die Ganztagsschulen machen es den Vereinen und der Kirche schwer. "Die jungen Leute haben einfach nicht mehr die Zeitressourcen", sagt Annegret Lucks von der Caritas Emsland. […]

Nach einem Patentrezept, das sich einfach mal auf andere Dörfer, denen die Landflucht das Leben entzieht, übertragen lässt, hört sich das alles nicht an. Können sich andere Landstriche trotzdem etwas von den Emsländern abschauen? "Ortskern am Leben halten, Treffpunkte schaffen, die Dorfbewohner einbeziehen", listet Theresa Damm die Emsländer Ansätze auf, aus denen andere lernen könnten. Man müsse die Leute dazu animieren, auch selbst aktiv zu werden, sei es, das Dorf zu verschönern oder zumindest einen Dialog über die Zukunft der Gemeinde zu beginnen. Aber auch Damm muss eingestehen: "Es hilft, wenn das finanzielle Budget passt." […]


Aziza Kasumov, "Gallisches Dorf an der Ems", in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 21. Juni 2017; © Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt. Zur Verfügung gestellt vom Frankfurter Allgemeine Archiv

Dabei haben Landkreise sehr unterschiedliche Raumtypen und Bedarfslagen zu beachten: von den suburbanen Rändern einer prosperierenden Großstadt bis hin zu strukturschwachen, absterbenden Dörfern. Es reicht daher nicht, nur die Anzahl der in einer Region lebenden Menschen zu zählen, um beispielsweise den Bedarf an Schulen auszurechnen, sondern es kommt darauf an, spezifische Prognosen zu erstellen. So ist zu beachten, dass Menschen in großstadtnahen, kreisangehörigen Gemeinden häufig die Einrichtungen der Stadt nutzen. Auf dem Land hingegen stellt sich mancherorts die Frage, ob Dörfer ganz aufgegeben werden müssen.

Landkreise haben also eine hohe Verantwortung, um Le­bensqualität in den einzelnen Regionen zu erhalten oder zu erhöhen. Dafür ist neben der Infrastruktur insbesondere die Gesundheitsversorgung ausschlaggebend. Dort, wo Leistungen nicht mehr in jedem Dorf anzubieten sind, müssen Versorgungszentren geschaffen werden wie beispielsweise Ärztehäuser, die mit Apotheken und anderen Geschäften kombiniert werden können. Dabei kommt es immer wieder zu Konkurrenzen zwischen den einzelnen Regionen eines Landkreises, wenn zum Beispiel die eine Gemeinde seit Jahrzehnten auf eine Umgehungsstraße wartet, die andere hingegen scheinbar bevorzugt wird. Hier haben Landkreise nicht nur eine wichtige Planungs-, sondern auch eine Vermittlungsaufgabe.

Entwicklung des Kassenkreditbestands und des Finanzierungssaldos der Landkreise in Mrd. Euro (© Deutscher Landkreistag (Hg.), 2017–2021. Erwartungen des Deutschen Landkreistages an die Bundespolitik in der 19. Legislatur, Berlin Juni 2017, S. 8)

Eine weitere Aufgabe des Landkreises ist die Vertretung der regionalen Interessen gegenüber dem Land und dem Bund. Dies ist insbesondere von Bedeutung, wenn um den Ausbau und Erhalt des Schienenverkehrs gerungen wird. Bei all dem reichen die Einnahmen der Landkreise seit Jahren nicht aus, um alle Aufgaben zu erledigen. Dies wird insbesondere deutlich an der Zunahme der Kassenkredite, umgangssprachlich also am Überziehen des Girokontos. Seit 1992 ist der Kassenkreditbestand aller deutschen Landkreise zusammengenommen von rund 300 Millionen Euro auf 7,8 Milliarden Euro im Jahr 2012 angewachsen. 2013 sank er erstmals wieder leicht.

Gleichwohl tragen die Kassenkredite bei den Landkreisen insgesamt zu ca. einem Drittel zur gesamten Verschuldung bei. Wichtigster Ausgabeposten der Landkreise ist die Soziale Sicherung. Sie macht ca. 75  bis  80 Prozent des Budgets aus. Dies verdeutlicht, wie gering häufig der finanzielle Spielraum für die Umsetzung eigener Vorhaben in der Praxis ist.

Die Position des Landrates und seiner Verwaltung ist also dadurch gekennzeichnet, dass viele Erwartungen an sie gerichtet und viele Interessen auszugleichen sind – und das bei teilweise angespannter Finanzausstattung. Angesichts dieser vielen Herausforderungen stellt sich die Frage, wie dies zu schaffen sein soll bzw. in welchem Maße kommunale Selbstverwaltung wirklich noch besteht oder in die Gefahr gerät, zu einem Abarbeiten der schlimmsten Notstände ohne kreative Gestaltungsmöglichkeiten zu verkümmern.

Kreise und Raumordnungsregionen in Mecklenburg-Vorpommern
http://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/Raumbeobachtung/Raumabgrenzungen/ KreisreformMeckPomm.html (© BBSR Bonn 2013, Quelle Statistisches Landesamt Mecklenburg-Vorpommern)

Trotz der geschilderten Schwierigkeiten gelingt es den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kreise immer wieder, im Rahmen ihrer bestehenden Aufgabenstellung und mit einer gewissen "Kreativität im Alltag" Lösungen für Probleme zu finden, die die einzelnen Gemeinden für sich alleine nicht bewältigen könnten. Beispiele sind die Verwertung von Biomüll zur Energiegewinnung, Solaranlagen auf stillgelegten Mülldeponien, die Einrichtung von Altenpflegezentren oder der Aufbau von Sterbebegleitung, sodass unheilbar erkrankte Menschen nicht mehr in weit entfernte Städte fahren müssen, um am Ende Linderung zu erfahren. Der Landkreis kann wohl nicht alle Probleme der Regionen zufriedenstellend lösen, erhöht aber durch Kooperationen und Synergien die Handlungsmöglichkeiten der kreisangehörigen Gemeinden.

Obwohl der Landkreis in der Fläche die zentralen Aufgaben der Daseinsvorsorge übernimmt, wird er von den Medien kaum wahrgenommen und findet daher in der "Öffentlichkeit" fast gar nicht statt. Auch die Entscheidungen der Kreistage werden von der Bevölkerung kaum verfolgt. Damit ist die demokratische Kontrolle des Landkreises durch das Volk zwar in den meisten Bundesländern vorgesehen, in der Realität aber defizitär. Vor diesem Hintergrund ist festzustellen, dass in Baden-Württemberg die Diskussion, den Landrat direkt durch das Volk wählen zu lassen, faktisch eingeschlafen ist. In Schleswig-Holstein wurde die Direktwahl des Landrates 1998 eingeführt – 2009 aber wieder abgeschafft.

Der Zuschnitt der Gebietskörperschaften ist ein fortwährendes Thema der Innenpolitik. Während die Verwaltung von ihrem Handlungsverständnis her für verlässliche Standards und mithin für Kontinuität steht, werden die organisatorischen Rahmenbedingungen der Verwaltungen immer wieder grundlegend verändert. So wurde in Mecklenburg-Vorpommern 2011 durch die Kreisgebietsreform die Zahl der Landkreise von zwölf auf sechs halbiert – gegen erheblichen Widerstand in Form von Verfassungsbeschwerden mehrerer Landkreise und kreisfreier Städte, der auch von 24 Landtagsabgeordneten unterstützt wurde.

Auch nach der Reform ist die Kritik daran keineswegs verstummt. Sie betont, dass die Menschen in der Fläche das Gefühl haben müssen, dass sich der Staat mit seinen Leistungen zurückzieht und sie damit im Stich lässt. Kritiker erklären auch damit den hohen Wahlerfolg der AfD bei den Landtagswahlen 2016, die mit 20,8 Prozent immerhin zweitstärkste Kraft geworden ist. Derzeit soll in Thüringen ebenfalls eine Gebietsreform durchgeführt werden, die in ihren ersten Entwürfen die Reduktion von 850 Gemeinden auf 200 und die Halbierung der Landkreise vorsieht. Wie in Mecklenburg-Vorpommern regt sich auch in Thüringen erheblicher Widerstand gegen das Vorhaben. Andererseits hat Thüringen damit zu kämpfen, dass die Bevölkerung schrumpft und vom Land in die Städte zieht, sodass die Infrastruktur in der Fläche im Verhältnis zur Anzahl der Einwohnerinnen und Einwohner immer teurer wird.

QuellentextGebietsreformen bringen nicht nur Vorteile

Laut dem Vorschlag eines Expertengremiums sollen Gemeinden in Thüringen künftig mindestens 6000 Einwohner haben. Von bisher 17 Landkreisen und sechs kreisfreien Städten sollen nur acht Kreise und zwei kreisfreie Städte übrig bleiben; der Präsident des Landesrechnungshofes plädiert gar für vier Großkreise. Die gegenwärtige Verwaltungsstruktur sei auf eine Million mehr Einwohner ausgelegt, sagte [Ministerpräsident Bodo] Ramelow. Er verschwieg dabei nicht, dass eine Zusammenlegung zunächst Geld koste. Wie stets bei Gebietsreformen ist auch in Thüringen die Gegnerschaft riesig – von Bürgern, die dagegen ein Volksbegehren anstrengen, über Städte, die ihren kreisfreien Status nicht verlieren wollen, bis hin zur Opposition im Landtag, die den generellen Nutzen bezweifelt […].

In dieser Gemengelage sorgt eine Studie der Dresdner Niederlassung des ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung für Aufsehen, die zahlreiche Untersuchungen zum Nutzen von Gemeinde- und Kreisgebietsreformen ausgewertet hat und zu dem Ergebnis kommt, dass sich vorab erhoffte Einsparungen durch Fusionen und Zusammenlegungen von Kommunen größtenteils nicht bestätigen. […]

Am Beispiel der letzten Kreisreform in Sachsen untersuchte [Studienleiter Felix] Rösel konkrete Einspareffekte. 2008 wurde im Freistaat die Zahl der Landkreise von 22 auf zehn reduziert, von einst sieben kreisfreien Städten blieben drei. Die durchschnittliche Einwohnerzahl eines Landkreises verdreifachte sich damit auf rund 300.000. Die christlich-demokratische Landesregierung argumentierte damals so wie jetzt die linke in Thüringen: Das Land werde so "zukunftsfest" und die Verwaltung "leistungsfähiger und bürgernäher". Beides wird in Rösels Untersuchung widerlegt.

"Die Ausgaben nach der Gebietsreform entwickelten sich nahezu genauso wie zuvor", sagt der Forscher. Das decke sich auch mit der Erfahrung der politisch Verantwortlichen in den Kreisen. Die Gründe dafür liegen für Rösel auf der Hand: "Bei einer Fusion spart man, zugespitzt gesagt, den Posten des Landrates und seines Fahrers, aber die Ausgaben für Soziales und Schulen, die ohnehin den größten Teil ausmachen, bleiben gleich."

Zugleich lenkt Rösel den Blick auf bisher kaum beachtete, aber sehr große politische Kosten von Gebietsreformen, nämlich die zunehmende Distanz zwischen Politik und Verwaltung und den Bürgern. Lokale Unterschiede wie Kinderbetreuung, Unterstützung des Vereinslebens oder Abgaben und Gebühren ließen sich in kleinteiligen Strukturen besser berücksichtigen, in größeren Gebietseinheiten werde dagegen die – anonyme – Verwaltung gegenüber dem gewählten und häufig persönlich bekannten Stadt-, Gemeinde- oder Kreisrat gestärkt, was Frust und Unverständnis fördere. Das wiederum könne politisch zu einer geringeren Wahlbeteiligung oder gar einem Zuwachs von Stimmen für Protestparteien führen. Zuvor hatten bereits Untersuchungen in Baden-Württemberg ergeben, dass die Gemeindefusionen in den siebziger Jahren dort zu einem signifikanten und dauerhaften Rückgang der Wahlbeteiligung bei Gemeinderatswahlen geführt haben. […]

Mecklenburg-Vorpommern hatte 2011 so radikal wie kein anderes Bundesland je zuvor seine Landkarte neu geordnet. Jetzt gibt es dort noch sechs Landkreise, von denen allein fünf größer als das Saarland sind. Binnen 20 Jahren gingen im Nordosten so mehr als drei Viertel der Landkreise verloren. In ganz Ostdeutschland gibt es von einst 215 Landkreisen und kreisfreien Städten nach zahlreichen Gebietsreformen heute noch 76. Noch drastischer fällt der Blick auf die Gemeinden aus: Von im Jahr 1990 knapp 8000 selbständigen Städten und Gemeinden im Osten sind heute noch gut 2000 übrig, die meisten davon in Thüringen (849) und Brandenburg (417), wo derzeit ebenfalls heftig über eine deutliche Verringerung der Gemeinden und Kreise gestritten wird.

"Die Zusammenlegung von Gemeinden oder Landkreisen stellt auch demokratiepolitisch einen scharfen Eingriff dar", resümiert Felix Rösel, der obendrein herausfand, dass auch politische Ämter in großen Gebietseinheiten unattraktiv werden. "Die Bereitschaft, dort zu kandidieren, sinkt ebenso wie das politische Engagement, weil man glaubt, die Dinge nicht mehr zu überblicken." Alternativ empfiehlt der Forscher, zunächst immer "mildere Mittel" wie gemeinsame Ämter oder Kooperationen etwa bei Krankenhäusern oder Schulen zu wählen und zu fördern. Eine solche Zusammenarbeit über Gebietsgrenzen hinaus würde nicht nur die Entscheidungshoheit über lokale Angelegenheiten vor Ort belassen, sondern auch tatsächlich Einsparungen in der Verwaltung ermöglichen.


Stefan Locke, "Wie man die Bürger gegen sich aufbringt", in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 28. September 2016; © Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt. Zur Verfügung gestellt vom Frankfurter Allgemeine Archiv

Die Idee der Gebietsreform findet sich in nahezu allen von Schrumpfung betroffenen Bundesländern immer wieder. So wird zum Beispiel auch in Hessen eine Reduzierung der Ebenen Regierungspräsidium und Landkreis diskutiert. Die 21 Landkreise könnten dementsprechend in fünf bis sieben Regionalkreise umgewandelt werden, die dann nach der Auflösung der Regierungspräsidien deren Aufgaben übernehmen würden. Gleichzeitig könnte ein Großteil der Landkreisaufgaben auf die Kommunen verlagert werden. Eine andere Diskussion taucht im Saarland regelmäßig auf: Dieses Bundesland, das nicht viel größer als ein Landkreis ist, könnte als solcher Teil von Rheinland-Pfalz werden. Aus historischen Gründen wird dem die Bevölkerung des Saarlandes aber auf absehbare Zeit nicht zustimmen.

Europa und die Kommunen

So wie die Gesetze von Bund und Ländern zu einem Großteil von den Kommunen umzusetzen sind, so müssen die Kommunen auch die Richtlinien und Gesetze der EU vor Ort umsetzen. Dabei sind es oft scheinbar unbedeutende Vorgaben, die in der Praxis zu einem hohen Verwaltungsaufwand führen und damit entsprechen Personal binden und Kosten produzieren. Ein Beispiel ist die Datenschutzrichtlinie. Durch sie sind die Kommunen gezwungen, die Daten, die sie über ihre Einwohnerinnen und Einwohner gesammelt haben, auf Verlangen zur Einsicht bereit zu stellen. Dazu müssen in den verschiedenen Fachbereichen dezentral erfasste Daten zentral zusammengeführt werden, was mit einem hohen Aufwand verbunden ist.

Ein weiteres Beispiel ist die im Rahmen der Dienstleistungsrichtlinie geregelte Freizügigkeit, also die Möglichkeit, in allen europäischen Ländern zu arbeiten. Um dies zu gewährleisten, müssen Kommunen ortsunkundigen Anbietern auf Anfrage alle relevanten Auskünfte erteilen. Ein Dauerthema ist das Vergaberecht. Danach ist die Vergabe von Aufträgen ab einer bestimmten Summe europaweit auszuschreiben. So konkurriert theoretisch die alteingesessene Müllabfuhr einer deutschen Kleinstadt mit einem Entsorgungsbetrieb aus Südeuropa oder umgekehrt die Müllentsorgung von Neapel mit einem Betrieb aus dem Ruhrgebiet. In der Praxis wird weiterhin zumeist das heimische Unternehmen den Zuschlag bekommen, der oben beschriebene Verwaltungsaufwand bleibt jedoch bestehen.

Die Kommunen bemühen sich daher über ihre kommunalen Spitzenverbände Einfluss auf europäische Gesetzgebung zu nehmen, indem sie in Brüssel Europabüros einrichten. Von dort aus beobachten Referenten die aktuellen Gesetzesinitiativen, um dann die Verbandsmitglieder entsprechend zu informieren und auf die Gestaltung neuer Standards einzuwirken. Auch durch den 1951 auf Initiative deutscher und französischer Bürgermeister hin gegründeten Rat der Gemeinden und Regionen Europas (RGRE) nehmen die Kommunen Einfluss auf Europapolitik. Der RGRE hat vor allem zum Ziel, ein vereintes und starkes Europa zu unterstützen, das sich auf die lokale und regionale Selbstverwaltung und die Demokratie stützt.

Umgekehrt hat europäische Politik große Bedeutung für die Erhaltung der Vitalität in den Regionen. Regionalprogramme können diese dabei unterstützen, vergessene Ressourcen in Wert zu setzen, wie es in der Regionalentwicklung heißt, also die Herstellung traditioneller Produkte, regionaltypischer Lebensmittel, die landwirtschaftliche Nutzung oder den Tourismus wieder anzuregen und deren Vermarktung zu koordinieren. Dadurch sind in der Vergangenheit zugleich neue regionale Identitäten entstanden, etwa entlang neu geschaffener Naturparks.

QuellentextDer "Pakt von Amsterdam" – die urbane Agenda der EU

Europapolitik ist viel Kommunalpolitik. Die Städte der EU sind von etwa 70 Prozent der in Brüssel vereinbarten Regelungen betroffen. Die Probleme, die der EU zu schaffen machen – Integration der Flüchtlinge, Alterung der Gesellschaft, Spaltung in Reiche und Arme, zunehmende Mobilität und ihre Folgen – sind in hohem Maß städtische Probleme, denn dort leben und arbeiten drei von vier EU-Bürgern [...]. Mitreden und mitentscheiden in Europa können die Städte allerdings kaum; [...].

Seit Jahren versucht die EU, dieses Defizit zu beseitigen, den Belangen der Städte endlich gebührend Rechnung zu tragen. […] Mit dem "Pakt von Amsterdam" […] gibt sich die EU die von den Kommunen schon lange geforderte "urbane Agenda". Einen Katalog von Themen, die den Städten als dringlich erscheinen, von Umwelt über Energie bis zur öffentlichen Auftragsvergabe. Zum anderen hält sie damit ein Instrument in der Hand, um auf diesen Gebieten durch das Zusammenspiel mehrerer politischer Ebenen tatsächlich etwas zu verändern – im Interesse der Städte und ihrer Bewohner.

Es hat gedauert, bis in der EU ein Bewusstsein für die speziellen Anliegen von Städten entstand [...]. […] 2005 wurde immerhin ein "Urban Acquis" verabschiedet, dem fast im Jahresrhythmus allerlei Chartas und Erklärungen folgten. [...]

[…] Als neue Idee bringt [der Amsterdamer Pakt] […] "Partnerschaften" ein. Sie sollen den Rahmen bilden für eine auf ein bestimmtes Thema gerichtete Zusammenarbeit der Städte, der EU-Kommission, den Mitgliedstaaten sowie Experten anderer Organisationen. Die ersten Gruppen werden sich mit Wohnungsbau, Armut, der Eingliederung von Flüchtlingen und der Luftqualität befassen und versuchen, innerhalb von drei Jahren einen Aktionsplan zu vereinbaren. Weitere Themen kommen nach und nach hinzu. Im Vordergrund steht jeweils das Ziel, bessere Regulierungen vorzuschlagen, den Zugang zu europäischen Fördergeldern zu erleichtern – denn gerade kleinere Städte können den Finanzierungsdschungel der EU nicht überblicken – sowie den Datenstand und den Austausch zwischen den Städten zu verbessern.

Es gäbe viel voneinander zu lernen. Mit seiner Fahrradpolitik und weiteren Maßnahmen hat sich Kopenhagen ernsthaft auf den Weg zur ökologischen Stadt gemacht. Amsterdam merkt gerade, dass es zu erfolgreich um Touristen geworben hat und könnte vielleicht mit einem Blick auf Venedig verstehen, wie man trotzdem eine lebenswerte Stadt bleibt. Ähnliches gilt für den Umgang mit privaten Wohnbörsen wie Airbnb. Was die Integration von Migranten betrifft, haben deutsche Städte mit ihrem Beharren auf einer ethnischen und sozialen Mischung jene Ghettos verhindert, die anderswo beklagt werden. Und Barcelona mit seiner neuen Bürgermeisterin Ada Colau gilt manchen als Vorbild für eine alternative, basisdemokratische Politik.

Um dem Verdacht zu begegnen, hier entstehe schon wieder "mehr Brüssel", betont die EU-Kommission, dass der Pakt weder zusätzliches Geld koste noch Kompetenzen auf die europäische Ebene verlagert würden. "Die Städte verlangen, dass wir uns einbringen", sagt die für Regionalpolitik zuständige EU-Kommissarin Corina Cret¸u. "Wir wollen nur helfen." Ihre Behörde liefere Expertise, erleichtere den Weg zu anderen EU-Institutionen und kontrolliere die Ergebnisse. […]

Der Deutsche Städtetag begrüßt den Pakt. [...] Was den deutschen Kommunen fehlt, ist ein Hinweis auf die "kommunale Daseinsvorsorge". Sie wollen selbst entscheiden, wie sie Dienstleistungen bereitstellen, etwa die Versorgung mit Wasser, Energie und Infrastruktur oder den öffentlichen Personennahverkehr. Damit geraten sie immer wieder in Konflikt mit dem liberalen, wettbewerbsorientierten Ansatz, den Brüssel verfolgt.


Thomas Kirchner, "Die urbane Union", in: Süddeutsche Zeitung vom 30. Mai 2016

Die Kommunen und Europa sind also stärker miteinander verbunden, als dies zunächst den Anschein haben mag. Dabei sollte nicht in Vergessenheit geraten, dass die EU nicht nur aus wirtschaftlichen Erwägungen, sondern vor allem als ein Projekt zur Friedenssicherung gegründet wurde. Durch die europäische Einigung konnten Menschen einander friedlich begegnen, deren Eltern und Großeltern sich noch als "Erbfeinde" in Schützengräben gegenüber gestanden hatten. Kommunen können viel zur Friedenssicherung durch Begegnung beitragen, etwa durch die Einrichtung zweisprachiger Kindergärten in Grenzregionen oder durch die Pflege von Städtepartnerschaften, die Verständnis für die Lebenslagen von Menschen wecken – auch abseits der großen Touristenströme.

Kommunale Spitzenverbände

Auf Landes- und auf Bundesebene haben sich die Kommunen in sogenannten Spitzenverbänden zusammengeschlossen, um ihre Interessen gegenüber den Gesetzgebern zu vertreten. In einigen Ländern (Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hessen, Sachsen, Thüringen) haben diese Verbände das Recht, bei allen die Kommunen betreffenden Gesetzen und Verordnungen angehört zu werden, bevor das Gesetz im Landesparlament beraten wird. Da Bund und Länder bei fast allen Gesetzen darauf angewiesen sind, dass die Kommunen diese vor Ort in die Tat umsetzen, besteht daher in der Praxis ein regelmäßiger Austausch zwischen den Landesministerien und den entsprechenden Fachleuten der Spitzenverbände.

Auf Bundesebene haben die Kommunen kein verfassungsrechtlich verbrieftes Anhörungsrecht; hier sollen die Länder die kommunalen Interessen in laufenden Gesetzgebungsverfahren im Bundesrat vertreten. Da Länder und Kommunen jedoch durchaus unterschiedliche Interessen haben können, haben die Kommunen auch auf Bundesebene Spitzenverbände gegründet, um sich gegenüber der Bundespolitik zu artikulieren: Im Deutschen Städtetag sind fast 3 400 Städte zusammengeschlossen und mehrere kommunale Landesverbände, im deutschen Städte- und Gemeindebund haben sich Städte- und Gemeindeverbände aus den Bundesländern zusammengeschlossen und im Deutschen Landkreistag die 13 Landesverbände der Landkreise aus den Flächenländern.

Städtetag Baden-Württemberg: Organigramm (© Städtetag Baden-Württemberg, Stuttgart Externer Link: www.staedtetag-bw.de/media/custom/1198_40011_1.PDF?1490946290)

Die kommunalen Spitzenverbände haben eine hohe Bedeutung, um die in Artikel 28 Abs. 2 GG festgeschriebene kommunale Selbstverwaltung zu bewahren. Denn häufig werden Gesetze beschlossen, deren Folgekosten nicht exakt im Voraus zu berechnen sind. Wenn beispielsweise eine bestimmte Quote in der Betreuung von Kindern unter drei Jahren per Bundesgesetz garantiert wird, dann ist zunächst nicht absehbar, wie viele Kinder tatsächlich dieses Angebot in Anspruch nehmen werden. Die Kommunen müssen aber sofort nach Inkrafttreten des Gesetzes Krippenplätze einrichten, Personal einstellen, Gebäude bereitstellen. Die dafür erforderlichen Finanzmittel sollen zwar in gewissem Umfang erstattet werden, sind aber zunächst von den Kommunen vorzustrecken. Damit die Kommunen durch diese Vorleistungen nicht in zu große finanzielle Schwierigkeiten geraten, versuchen die kommunalen Spitzenverbände durch eigene Berechnungen die Prognosen des zuständigen Ministeriums zu ergänzen oder gegebenenfalls zu korrigieren.

Durch Erfahrungsaustausch zwischen den Mitgliedern und zielgerichtete Umfragen an dieselben wissen die Spitzenverbände mehr als jeder andere darüber, wie die Lage in den Kommunen tatsächlich ist und wie sich Gesetzesvorhaben auf die Praxis vor Ort auswirken. Dieses Wissen bringen sie in die Verhandlungen mit Bund und Ländern ein. Einige Verbände haben auch ein Büro in Brüssel eingerichtet, um schnell über europäische Gesetzgebung informiert zu sein und dort ihre Argumente vortragen zu können. Darüber hinaus beraten die kommunalen Spitzenverbände ihre Mitgliedskommunen beim Vollzug von Gesetzen und Vorschriften und bieten in Streitfällen Rechtsberatung und Prozessvertretung an.

QuellentextDie Stadt als sozialer Organismus

[…] Die Stadt ist nicht nur der Ort, an dem sich alle Probleme unserer Wirtschaftsordnung und Lebensweise wie in einem Brennspiegel konzentrieren, sondern auch der Ort, an dem alle Sehnsüchte und Meinungen, alle Träume und Temperamente, alle theoretischen und ästhetischen Entwürfe aufeinander treffen, sich gegenseitig sowohl radikalisieren als auch relativieren und so den Boden für neue Denk- und Lebensmöglichkeiten bereiten. […] Sie zwingt zusammen, was nach traditionell landläufiger (ländlicher!) Auffassung nicht zusammen gehört, sie ist seit je und heute erst recht ein Gebilde, das die Menschen dazu anhält, den jeweils anderen als anderen und nicht als bedrohlich Fremden zu sehen. Sie ist ein Trainingscamp für Menschen, die als Verschiedene lernen müssen miteinander zu leben, ein Modell dessen, was im Großen als notwendige Weltordnung sich herausbilden muss, wenn die Menschheit überleben soll: nicht als Weltstaat, sondern als eine kosmopolitische Ordnung, in der die Menschen nach einem Wort von Theodor W. Adorno "ohne Angst (ich füge hinzu: und ohne Entwürdigung) verschieden sein können".

Vielfach leben in der Stadt unter den Neuankömmlingen vom Lande die Sitten und Gebräuche und die Gesellungsformen der ländlichen Kultur in ethnisch und kulturell relativ homogenen Stadtbezirken noch fort. Aber spätestens in der zweiten oder dritten Generation werden diese überlagert durch eine urbane Kultur der Individualität, der Differenz und der akzeptierten Ambivalenz. Das heißt aber nicht, dass in der urbanisierten Welt alle Menschen auf Dauer zu jenen kosmopolitischen Individuen werden […]. Für die allermeisten ist ein Leben ohne relativ stabile Bindungen, ohne Gemeinschaft, ohne vertrauensbasierte Weisen des Umgangs miteinander nicht lebbar.

Die Urbanisierung der Welt muss im Übrigen nicht notwendig dazu führen, dass die großen Städte noch größer und damit monströser und die ländlichen Räume zunehmend menschenleerer werden. […] Hier und da führt die Verbesserung der Lebensbedingungen auf dem Land heute schon dazu, dass Menschen, die in jungen Jahren in die Stadt abgewandert sind, irgendwann wieder in die ländliche Heimat zurückziehen und dort mit ihren neuen Erfahrungen und ihrem erworbenem Spezialwissen die Entwicklung vorantreiben.

Hier und da können wir schon heute eine spezifische, durchaus eigenständige Urbanisierung der ländlichen Räume beobachten. Besonders dort, wo die Menschen in ländlichen Regionen ihr geringes finanzielles und ihr großes soziales Kapital in Kooperativen und Genossenschaften zusammenfügen, haben sie heute die Möglichkeit, sowohl ihre Energieversorgung als auch die Produktion und Verteilung einer großen Palette von Gütern in eigener Regie zu organisieren und so von den Zulieferungen aus den städtischen Zentren unabhängiger zu werden. Gleichzeitig ergeben sich unter diesen Bedingungen neue Möglichkeiten der Bildung und Ausbildung, auch der Ausbildung eines modernen kosmopolitischen Lebensverständnisses. […]

Wenn sich dieser Trend fortsetzt, könnte er ganz wesentlich zur Verbesserung der Lebenssituation der Menschen in den ländlichen Räumen beitragen. Diese spezifische Urbanisierung der ländlichen Räume, die im Ansatz heute an vielen Stellen der Erde zu beobachten ist, kann für die Entwicklung der Urbanität insgesamt bedeutende Impulse liefern. Zum Beispiel könnte sie dem Bedürfnis der Stadtbewohner nach Vergemeinschaftung einen Weg weisen, Beheimatung und Weltoffenheit, Mobilität und Bindung miteinander zu versöhnen. Dazu wäre es aber erforderlich, dass Kommunalpolitiker ihre Gemeinde, ihre Stadt nicht als eine große Maschine, sondern als einen sozialen Organismus betrachten. Ein solcher sozialer Organismus funktioniert am besten, wenn eine rigide Trennung einzelner Lebens- und Arbeitsfunktionen vermieden und die Separierung von Alt und Jung, von ethnisch-kulturellen und Lebensstilgruppen verhindert wird.

Wer die Entwicklung städtischer Räume weitgehend der Marktdynamik überlässt, muss sich nicht wundern, wenn gated communities für die Reichen und gettoähnliche verwahrloste Quartiere für die Armen entstehen. Wer in der Baupolitik die Gentrifizierungsmodelle der Investoren ungeprüft übernimmt, darf sich nicht beklagen, wenn die Mieten ins Unermessliche steigen und die Normalbevölkerung aus der Stadt vertrieben wird. Wer auf der grünen Wiese Bauland für riesige Supermärkte und Malls ausweist, erzeugt nicht nur zusätzlichen Autoverkehr, sondern trägt auch zur Verödung der Innenstädte bei. Wer durch veraltete Vorschriften die Ansiedlung kleiner emissionsarmer Betriebe in Wohngebieten behindert und Handwerksbetriebe und moderne Dienstleister in Gewerbeparks am Stadtrand verbannt, ebenso.

Kein Zweifel, im Zeitalter der Globalisierung ist lokale, regionale, ja, auch nationale Autarkie nicht mehr sinnvoll denkbar. Dies bedeutet aber nicht, dass wir bei allem und jedem das Heil in der Zentralisierung suchen sollten. Hoch zentralisierte Strukturen sind wegen der großen Menge zu verarbeitender Informationen besonders fehleranfällig, sie neigen dazu, von Ort zu Ort, von Gruppe zu Gruppe differierende Bedürfnisse an der Basis zu vernachlässigen oder zu verfehlen, sie haben erhöhte Transportkosten und Transportverluste zur Folge, verursachen, wenn etwas schief geht, wesentlich größere Schäden als dezentrale Strukturen und erfordern entsprechend einen extrem hohen Sicherheitsaufwand. Vor allem aber erschweren sie die demokratische Partizipation der betroffenen Menschen, die in der Kommunalpolitik ihr wichtigstes Einübungsfeld hat. Aus allen diesen Gründen ist es klug, wo immer dies von der Sache her möglich ist, dezentralen Strukturen, vor allem in der Versorgung und Verwaltung der Bevölkerung, den Vorzug vor zentralen zu geben.

Das Gesagte sollte nicht als eine romantische Verklärung des small is beautiful verstanden werden. In der modernen globalisierten Welt lassen sich keineswegs alle Aufgaben in kleinen Einheiten und dezentralen Strukturen effizient und zum Wohle der Menschen erledigen. Dies gilt zum Beispiel für viele Aspekte von Bildung und Wissenschaft, für Rechtsprechung und Rechtsdurchsetzung, für die Verkehrsinfrastruktur, für die Organisation einer demokratischen Öffentlichkeit, für die Koordinierung und Abstimmung der dezentralen Aktivitäten: ganz allgemein für die Garantie von gleichen Rechten und gleicher Freiheit für die Menschen. Die urbane Welt der Zukunft wird also notwendig subsidiär zu organisieren sein.
Johano Strasser ist Politologe, Publizist und Schriftsteller und war von 2002 bis 2013 Präsident des PEN-Zentrums Deutschland.


Johano Strasser, "Zusammenleben in der Stadt", in: Neue Gesellschaft | Frankfurter Hefte 9|2016, S. 47ff.

Elena Frank, Jg. 1991, Sozialarbeiterin (B.A.), studierte an der Hochschule Mannheim Soziale Arbeit mit einem Schwerpunkt auf Kommunalpolitik. Sie fasziniert, an wie vielen Stellen im Alltag der Bürgerinnen und Bürger Kommunalpolitik wirkt.

Dr. Jens Hildebrandt, geb. 1971, ist stellvertretender Leiter der Friedrich- Ebert-Stiftung in der Russischen Föderation. Er war vorher Referent der Bildungsbürgermeisterin der Stadt Mannheim und stellvertretender Geschäftsführer der SPD-Gemeinderatsfraktion. Er arbeitete an der Fakultät für Sozialwissenschaften und am Historischen Institut der Universität Mannheim und übernimmt Lehraufträge an der Universität Mannheim und der Hochschule Mannheim. Seine wissenschaftlichen Schwerpunkte sind die Geschichte der Arbeiterbewegung, Deutschlandpolitik und Internationale Beziehungen. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen auf dem Feld der Kommunalpolitik, Bildungspolitik, Integrationspolitik und Osteuropapolitik. Kontakt: E-Mail Link: Jens@hildebrandt.ws

Beatrice Pardon, Jg. 1992, Sozialarbeiterin (B. A.), studierte Soziale Arbeit an der Hochschule Mannheim mit einem Schwerpunkt auf Kommunalpolitik. Ein besonderes Interesse an Kommunalpolitik ergibt sich aus ihrer großen Bedeutung sowohl für den beruflichen Kontext der Sozialen Arbeit als auch für die individuelle Lebensgestaltung des Einzelnen innerhalb der Gesellschaft.

Prof. Dr. Ralf Vandamme, Jg. 1963, Politikwissenschaftler, lehrt seit 2009 an der Hochschule Mannheim mit den Schwerpunkten Kommunalpolitik, Politische Ordnung, Bürgerschaftliches Engagement und Partizipation. Zuvor war er für den Städtetag Baden-Württemberg 12 Jahre als Fachberater für Bürgerschaftliches Engagement tätig.
Kontakt: E-Mail Link: r.vandamme@hs-mannheim.de