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Geschlechterverhältnisse im 21. Jahrhundert | Geschlechterdemokratie | bpb.de

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Geschlechterverhältnisse im 21. Jahrhundert

Helma Lutz Marianne Schmidbaur Helma Lutz und Marianne Schmidbaur

/ 27 Minuten zu lesen

Das wissenschaftliche und gesellschaftliche Verständnis von Geschlecht hat sich in den vergangenen Jahrzehnten entscheidend verändert. Die meisten Gesell schaften der Welt unterscheiden zwar weiterhin zwei Geschlechter – weiblich und männlich –, allerdings lässt sich diese Einteilung nicht länger biologischbestimmt begründen. Erwartungen, Werte und Ordnungen, die an das bei der Geburt zugewiesene Geschlecht gerichtet sind, werden gesellschaftlich und politisch gestaltet und verändern sich.

Im 21. Jahrhundert haben sich die Geschlechterzuordnungen differenziert, neben männlich und weiblich sind weitere Kategorisierungen getreten. (© KonzeptQuartier)

Im 21. Jahrhundert gibt es mehr Raum für "Uneindeutigkeiten" in der Geschlechterzuordnung. Geschlechterordnungen, die Geschlechterverhältnisse regeln und Orientierung geben, werden neu verhandelt. Diese Debatten spiegeln sich zum Beispiel in neuen Formen der Verteilung von Erwerbsarbeit und Sorgearbeit oder in der Anerkennung von "divers" als einer dritten Personenstandskategorie neben weiblich und männlich. Vorstellungen von gefestigten zweigeschlechtlichen Rollen, nach denen Männer dies sind oder machen und Frauen jenes sind oder machen, werden nun offen diskutiert.

Es erhebt sich die Frage, wie das Verhältnis zwischen den Geschlechtern ausgehandelt und verändert wird, welche Verschiebungen und Bruchlinien dabei entstehen. Dies beinhaltet auch den Blick auf Ungleichheiten innerhalb der Gruppe der "Frauen" und der Gruppe der "Männer". Dabei geht es um die Wechselwirkung zwischen "Geschlecht" und weiteren sozialen Platzanweisern wie Bildung, soziale Klasse, körperliche und geistige Leistungsfähigkeit, Hautfarbe, Nationalität oder Migrationsbiografien. Das Zusammenwirken verschiedener Diskriminierungsformen wird als "Intersektionalität" (von engl. intersection = Schnittpunkt, Schnittmenge) bezeichnet (Näheres dazu siehe auch Kapitel Gender-Datenreport, Geschlechterverhältnisse im Recht und Die Anerkennung der Vielen).

Eine Beschreibung der Geschlechterverhältnisse im 21. Jahrhundert muss nationale Gegebenheiten im Zusammenhang mit internationalen Entwicklungen betrachten und die globale Vernetzung von Nationalstaaten, speziell die wechselseitigen Verknüpfungen zwischen dem Globalen Norden und dem Globalen Süden, berücksichtigen. Der Begriff "Globaler Süden" umfasst nach landläufigem Verständnis alle Regionen mit erheblichen ökonomischen, sozialen und politischen Problemlagen, die vorwiegend in der südlichen Hemisphäre anzutreffen sind. Der wirtschaftlich prosperierende "Globale Norden" wird oft als "westliche Welt" dargestellt – dazu gehören jedoch auch Länder, die geografisch von uns aus gesehen eher im Süden liegen wie beispielsweise Australien, Neuseeland, Japan, Hongkong und Singapur.

Zwar lassen sich zwischen Globalem Süden und Globalem Norden eindeutige Unterschiede in Bezug auf die Verteilung von Lebenschancen oder auf Verfügungsrechte über materielle und immaterielle Güter feststellen, allerdings gibt es solche Unterschiede auch innerhalb dieser Einheiten, etwa zwischen West- und Osteuropa.

Veränderungen von Geschlechterordnungen, Geschlechterdifferenzen sowie intersektionale und internationale Verflechtungen sind relevant für die Frage, wie Geschlechterverhältnisse nachhaltig gleichberechtigt und demokratisch gestaltet werden können. Im Folgenden werden Kernaspekte der Debatten über Geschlechterverhältnisse im Wandel skizziert und historische Verbindungslinien gezogen.

Zwischen Aufbruch und Beharrung: Arbeit und Care

"Das Private ist politisch", hieß die Losung der Frauenbewegung, die sich gegen Ende der 1960er-Jahre formierte. Als zweite Welle der Frauenemanzipation nahm sie den Kampf um Gleichberechtigung und Anerkennung auf, den die erste Welle Ende des 19. / Anfang des 20. Jahrhunderts geführt hatte. Ihr Streitruf sollte darauf hinweisen, dass nicht nur die "große" Politik, sondern auch die Gestaltung der privaten Verhältnisse für die Fortdauer von Ungleichheit von Belang ist.

Aus heutiger Sicht gibt es viele "Mütter" dieser Bewegung. Eine unter ihnen war die spätere Filmemacherin Helke Sander. Als Vertreterin des "Aktionsrats zur Befreiung der Frauen" hielt sie auf der 23. Delegiertenkonferenz des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) am 13. September 1968 in Frankfurt/Main eine flammende Rede. Dabei sagte sie unter anderem: "Wir können die gesellschaftliche Unterdrückung der Frau nicht individuell lösen. Wir können damit nicht auf Zeiten nach der Revolution warten, da eine nur politisch-ökonomische Revolution die Verdrängung des Privatlebens nicht aufhebt, was in allen sozialistischen Ländern bewiesen ist".

Der Sozialistische Deutsche Studentenbund (SDS) setzte sich in Westdeutschland und West-Berlin von 1946 bis 1970 für eine Änderung der herrschenden politischen Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland zugunsten eines antiautoritären Sozialismus ein und hatte in diesem Zusammenhang die Geschlechterverhältnisse zunächst ausgeblendet. Das änderte sich spätestens mit der Rede von Helke Sander, mit der sie die auch von ihr befürwortete Revolution der Verhältnisse auf das Verhältnis der Geschlechter ausweitete.

QuellentextDer Aktionsrat zur Befreiung der Frauen

Er bildete eine der Keimzellen der neuen Phase der Frauenbewegung – der Aktionsrat zur Befreiung der Frauen. Um die Jahreswende 1967/68 hatte sich aus dem West-Berliner SDS und der APO eine Frauengruppe zusammengefunden, die die männerdominierten Strukturen im SDS wie in der Gesellschaft allgemein infrage stellte und eine Demokratisierung der Geschlechterverhältnisse forderte.

Eine besonders wichtige Thematik stellte die ungleiche Verteilung der alltäglichen Arbeit bei der Erziehung der Kinder dar. So schrieben die Frauen des Aktionsrates in ihrem ersten Flugblatt vom Januar 1968: "Wir bekamen Angst und wurden immer lahmer. Wir begannen, politische Veranstaltungen zu hassen, da sie nichts daran änderten, dass uns die alltäglichen Probleme zu einem reaktionären Verhalten zwangen. Da wir nicht länger passiv, verkrampft, wehleidig, einsam bleiben wollen, nicht mehr auf den unverbindlichen Zufall eines verständnisvollen Verhältnisses angewiesen sein wollen, müssen wir trotz aller Interessengleichheit unsere ungleiche Situation aufnehmen, artikulieren und organisieren. […]" Vor diesem Hintergrund entstanden in West-Berlin die ersten Kinderläden.

Besondere öffentliche Aufmerksamkeit erhielt der Aktionsrat zur Befreiung der Frauen anlässlich der Rede von Helke Sander bei der 23. Delegiertenkonferenz des SDS in Frankfurt am Main am 13. September 1968. Sander, die an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin studierte, trat vor den SDS-Delegierten als Sprecherin des West-Berliner Aktionsrates auf. In ihrer Rede betonte sie, dass der SDS "die spezifische Problematik der Frauen" begreifen müsse und schloss mit den Worten: "Genossen, wenn ihr zu dieser Diskussion, die inhaltlich geführt werden muss, nicht bereit seid, dann müssen wir allerdings feststellen, dass der SDS nichts weiter ist als ein aufgeblasener konterrevolutionärer Hefeteig. Die Genossinnen werden dann die Konsequenzen zu ziehen wissen." Als der nächste Redner, der Frankfurter Genosse und bedeutende Theoretiker des SDS, Hans-Jürgen Krahl, nicht auf den Beitrag Sanders einging, wurde er auf dem Podium von Sigrid Rüger mit Tomaten beworfen. Sanders Rede und Rügers Tomatenwurf gelten heute als Initialzündung für die Entwicklung der neuen Frauenbewegung in der Bundesrepublik.

Ingo Juchler, 1968 in Deutschland, be.bra Verlag Berlin-Brandenburg 2018, S. 88 f.

In diesem Punkt sah sie auch in den damaligen sozialistischen Ländern noch Veränderungsbedarf. So wurde zwar grundsätzlich bei der Gründung der DDR im Jahr 1949 ein Leitmodell etabliert, das die doppelte Erwerbstätigkeit als Norm setzte und Erziehungs- und Versorgungstätigkeiten während der Arbeitszeit an den Staat delegierte. Ein Teil der westdeutschen Frauenbewegung bewunderte diese Errungenschaften von "Gretchens roten Schwestern" (so der Titel eines 1974 erschienenen Buches von Jutta Menschik und Evelyn Leopold). Doch Sanders letzter Halbsatz verwies darauf, dass Frauen in der DDR neben ihrer Erwerbstätigkeit gleichzeitig weiterhin den Hauptteil der Arbeit im Privaten übernehmen mussten. Nach der Wiedervereinigung hat sich das Modell doppelter Erwerbstätigkeit in Ostdeutschland erhalten und galt bei der Modernisierung seit den 1990er-Jahren auch im Westen als Vorbild.

Im damaligen Westdeutschland dagegen gab es zur Zeit der zweiten Frauenbewegung kaum öffentliche Kindergärten oder Senioren- und Pflegeheime. Als Norm galt das Modell der "Versorgerehe", in der Männer als "Alleinverdiener" für das Familieneinkommen sorgten, während ihre Ehefrauen unbezahlt die dienende Hintergrundarbeit übernahmen. Als "Hausfrauen" waren sie zuständig für die Betreuung, Begleitung und Unterstützung von Kindern und hilfsbedürftigen Erwachsenen sowie für alltägliche Versorgungstätigkeiten wie Putzen, Waschen, Kochen, Bügeln und Einkaufen.

Dieser Aufteilung lag ein hierarchisches Geschlechterverhältnis zugrunde, das die produktive Erwerbsarbeit der öffentlichen Sphäre zugehörig als "männlich" charakterisierte, während die "weibliche" Beschäftigung in der privaten Sphäre als re-produktive Arbeit galt. In einem wegweisenden Aufsatz charakterisierten die Geschichtswissenschaftlerinnen Gisela Bock und Barbara Duden 1977 diese re-produktive Beschäftigung als "Arbeit aus Liebe – Liebe als Arbeit" und zeichneten historisch nach, wie Haus- und Sorgearbeit als integraler Bestandteil der Entwicklung einer kapitalistischen Wirtschaftsweise unsichtbar (gemacht) wurden. Vor allem beharrten sie darauf, dass es sich dabei um "Arbeit" handelt und trugen damit zur Erneuerung des Arbeitsbegriffs bei.

Für die neue Frauenbewegung, die dem Aufstand der 68er folgte, war diese Erkenntnis eine wichtige praktische und theoretische Grundlage. So wurden in den 1970er-Jahren mit der Kampagne "Lohn für Hausarbeit" und mit dem Ausrufen von Streiktagen neue Strategien des Protests erprobt. Damit waren nicht unbedingt reale Lohnforderungen verbunden. Vor allem wollten die Aktivistinnen die von Frauen geleistete Sorgearbeit als Arbeit sichtbar machen, das Patriarchat abschaffen und einen kapitalismuskritischen Beitrag zur Neugestaltung der Gesellschaft liefern.

QuellentextSilvia Federicis Einsatz für die Entlohnung von Hausarbeit

Die italienische Feministin Silvia Federici hat sich mit ihrem intellektuellen Einsatz für die Entlohnung von Haushalts- und Fürsorgetätigkeiten international einen Namen gemacht. Ihr Ziel ist ambitioniert: die Wiederverzauberung der Welt.

Wie ein Popstar wird Silvia Federici von tausenden Frauen auf dem letzten Stopp ihrer Lateinamerika-Reise in Santiago de Chile begrüßt. Die gebürtige Italienerin gehört zu den feministischen Legenden des letzten Jahrhunderts. Seit den Siebzigerjahren hat sie sich als Autorin, Aktivistin und Professorin für politische Philosophie und Frauen-Studien profiliert. Und noch heute – mit ihren 76 Jahren – wird sie auch in Lateinamerika als Ikone der feministischen Bewegung gefeiert. Und sie bemüht sich in Südamerika nicht nur um Frauenrechte.

Federici: "Der Feminismus wird nicht nur als eine Bewegung begriffen, die die Position der Frauen verbessern soll. Sondern als eine Bewegung, die die gesamte Gesellschaft verändert und eine neue Gesellschaft schaffen will: eine, die nicht kapitalistisch ist, die nicht auf der Ausbeutung der Arbeitskraft und der Natur gegründet ist – und auch nicht auf Krieg."

Federici ist eine der wichtigsten Vertreterinnen der internationalen Kampagne "Lohn für Hausarbeit", die bereits Anfang der Siebziger in den USA entstand.

Federici: "Die Frauen sind in die globale Wirtschaft integriert worden, und so konnte der Kapitalismus zu einer neuen Blüte kommen. Vor diesem Hintergrund fordern wir die Entlohnung der Hausarbeit, also der Arbeit, die Frauen schon immer erledigt haben. Dabei geht es nicht darum, die Hausarbeit zu institutionalisieren und zu sagen, dass Frauen zu Hause bleiben sollen. Es geht darum, Nein zu sagen zu unbezahlter Arbeit im Kapitalismus.

Mit Reproduktionsarbeit meint Federici nicht nur das Aufziehen der Kinder, sondern auch die Pflege von Alten und Hilfsbedürftigen und all die Haushalts- und Fürsorgetätigkeiten, die im erweiterten Familienumfeld anfallen. Tätigkeiten also, die das Arbeiten gegen Geld erst ermöglichen.

Federici: "Die Reproduktionsarbeit ist die Grundlage aller anderen Arten von Arbeit. Und sie ist immer noch unbezahlt. Denn als Arbeit ist sie gar nicht sichtbar: Sie wird nicht als Arbeit wahrgenommen. Das hat viele Frauen verarmen lassen und von Männern abhängig gemacht."

In diesem Jahr [2019] hat Federici gleich drei Bücher veröffentlicht. Dreh- und Angelpunkt ist dabei eine feministische Kritik an Marx. Der habe nämlich übersehen, wie die unbezahlte Hausarbeit von Frauen zur Entwicklung des Kapitalismus beigetragen habe, argumentiert Federici. Da in den meisten Gesellschaften Frauen für die Reproduktionsarbeit zuständig waren und sind, sieht Federici heute in ihnen eine große gesellschaftliche Chance. Sie könnten den Wandel hin zu einer gemeinschaftlichen, post-kapitalistischen Ökonomie vorantreiben.

Federici: "Nur wenn wir die Bedingungen der Reproduktionsarbeit verändern, können wir auch andere soziale Beziehungen verändern – die Arbeit außerhalb des Hauses, das Verhältnis zu Arbeitgebern, zum Staat, zum Geld und zu unseren Körpern."

Dass Federici in letzter Zeit viel in Lateinamerika unterwegs ist und auf Spanisch publiziert, kommt nicht von ungefähr. In Lateinamerika versuchen sich immer mehr ländliche und indigene Gemeinschaften im Widerstand gegen industrielle Landwirtschaft, Bergbau und Umweltzerstörung. Oft sind es dabei Frauen, die die traditionelle Landwirtschaft aufrechterhalten und das Wissen um kollektive Arbeits- und Besitzformen weitergeben. Entwicklungen, die Federici in einem ihrer jüngsten Bücher unter den Titel der "Wieder-Verzauberung" der Welt stellt – "Re-enchanting the World: Feminism and the Politics of the Commons" heißt es im englischen Original.

Federici: "In dem Buch geht es um eine neue Organisation der Reproduktionsarbeit auf dem Land und in der Stadt. Ich lege einen starken Schwerpunkt auf Lateinamerika. Mexiko und Argentinien haben mich stark inspiriert – die Frauen in den Gemeinschaftsküchen, die gemeinschaftliche Organisation des Reproduktionsprozesses."

Der Begriff "Commons" steht für die Wiederentdeckung und Neuerfindung von Formen solidarischer Ökonomie. Wasser, Land, Fischbestände und Wald – all diese Ressourcen und auch ideelle wie Sprache und Wissen könnten ebenso gut als Gemeingüter aufgefasst und gemeinschaftlich bewirtschaftet werden. Eine Mammutaufgabe, ja, da ist sich Silvia Federici sicher. Aber eine, die viel Hoffnung macht.

Sophia Boddenberg, "Feministin Silvia Federici – Sollte Hausarbeit bezahlt werden?", in: Deutschlandfunk Kultur vom 13. Januar 2019. Podcast unter Externer Link: www.deutschlandfunkkultur.de/feministin-silvia-federici-sollte-hausarbeit-bezahlt-werden.2162.de.html?dram:article_id=438115 (zuletzt abgerufen am 3. März 2020)

Seit Ende der 1960er-Jahre beschäftigt sich der Emanzipationsdiskurs mit der Gleichverteilung von Berufs- und Haus-/Erziehungs- und Sorgearbeit. Doch trotz einer Reihe von positiven Veränderungen ist im beginnenden 21. Jahrhundert ein widersprüchliches Bild zu erkennen: Große Wirtschaftsverbände und einflussreiche internationale Institutionen, etwa die OECD (Organisation for Economic Cooperation and Development), haben in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder darauf hingewiesen, dass die Potenziale gut ausgebildeter Frauen verschwendet werden, wenn sie aufgrund familiärer Sorgeverpflichtungen aus der Berufsarbeit aussteigen. Zudem erfordere der rasch voranschreitende demografische Wandel das Verbleiben von Frauen im Arbeitsmarkt.

Durch Regelungen wie das arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgesetz, den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz oder die Unterhaltsrechtsreform von 2008 (siehe Kapitel Geschlechterverhältnisse im Recht) wird mittlerweile auch auf rechtlicher Ebene das Modell der Adult-Worker-Gesellschaft gestützt. Darunter wird ein Gemeinwesen verstanden, in dem alle arbeitsfähigen Erwachsenen − Männer und Frauen – erwerbstätig sind und nach ihrer Beschäftigungs- und Leistungsfähigkeit bewertet werden. Der Verlust von Arbeitskraft und Arbeitsplatz gilt in diesem Modell als individuelles Fehlverhalten und wird gemäß dem Slogan "Fördern und Fordern" mithilfe marktorientierter Instrumente gelenkt und sanktioniert.

Das Prinzip individueller Verantwortung kommt in gewisser Weise den Gleichstellungsidealen der Frauenbewegung entgegen, auf Kritik stößt allerdings die Unterwerfung unter die marktwirtschaftliche Verwertungslogik und die ungleiche Verteilung der gesamten gesellschaftlichen Arbeit. Ein Blick auf die aktuelle Erwerbstätigkeitsquote von Frauen (siehe Tabelle Erwerbstätigen- und Arbeitslosenquoten im Kapitel Gender-Datenreport) zeigt, dass diese sich 2017 auf 71,5 Prozent erhöhte und nur 7,4 Prozentpunkte unter der von Männern lag. Von allen Erwerbstätigen lag der Anteil der in Teilzeit arbeitenden Frauen bei 47, 9 Prozent, unter den Männern waren dies lediglich 11,1 Prozent (siehe Tabelle Anteil der Teilzeitbeschäftigten im Kapitel Gender-Datenreport); insgesamt ist der Anteil der weiblichen Teilzeitbeschäftigung in den vergangenen Jahrzehnten von 35,4 Prozent im Jahre 1997 auf 47,9 Prozent im Jahre 2017 kontinuierlich gestiegen. Zeitbudgetstudien zeigen weiterhin, dass die freie Zeit keine Freizeit ist. Frauen übernehmen nach wie vor den überwiegenden Teil der unbezahlten Arbeit im Haushalt und wenden dafür im Schnitt täglich eineinhalb Stunden (87 Minuten) mehr auf als Männer (Gender Care Gap).

Diese Daten machen also einerseits darauf aufmerksam, dass der Aufbruch der Frauen große Erfolge verzeichnen kann, denn der Einstieg in die Berufswelt ist gelungen. Andererseits haben Forschungen in den vergangenen 40 Jahren auf die Beharrlichkeit ungleicher Beschäftigungsstrukturen hingewiesen. Nach wie vor bestehen sowohl vertikale Ungleichheiten in Bezug auf Einkommen, Status, Macht und Ansehen wie auch horizontale Ungleichheiten, etwa die Hierarchien zwischen sogenannten Frauen- und Männerberufen und innerhalb von Berufen, beispielsweise die tarifvertragliche Minderbewertung von Frauenarbeit in Fabriken.

Karikatur: Lohngerechtigkeit. (© picture-alliance, dieKLEINERT.de/ Martin Erl)

Große Gerechtigkeitslücken zeigen sich weiterhin in der Bezahlung. Seit Jahren liegt der Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern in Deutschland bei etwas mehr als 20 Prozent (Gender Pay Gap). Dies wirkt sich auf den Rentenbezug aus und wird verstärkt durch unterbrochene Erwerbsbiografien, verursacht etwa durch Auszeiten zur Betreuung von Kindern oder hilfsbedürftigen Eltern. 2015 betrug die Lücke zwischen eigenen Alterssicherungsleistungen von Frauen und Männern 53 Prozent (Gender Pension Gap).

Auch in Bezug auf berufliche Aufstiegschancen ("Gläserne Decke") und den Anteil von Frauen in Spitzenpositionen liegt eine Parität noch in weiter Ferne (siehe Abschnitt Einfluss in Politik und Gesellschaft im Kapitel Gender-Datenreport). Diese Unterschiede sind wiederum sowohl nach sozialer Klassenzugehörigkeit als auch nach Migrationshintergrund zu differenzieren. Während also der Einstieg in die Berufswelt – wenn auch mit Hindernissen – voran geht, ist die gesamtgesellschaftliche Frage, wer die unbezahlte Arbeit übernehmen soll, vernachlässigt worden, sodass die Umverteilung der Sorgearbeit zwischen den Geschlechtern weiterhin fehlt. In der Genderforschung wird dieser Tatbestand als "unvollendete Revolution" charakterisiert. Ein zweiter Teil dieser Revolution – die Care-Revolution – steht also noch aus.

Care – Sorgetätigkeit

Die Debatte über die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung hat sich seit den 1970er-Jahren zu einem zentralen Thema der Geschlechterforschung entwickelt. So wurden mit der 1975 von der Soziologin Helge Pross präsentierten Studie über "Die Wirklichkeit der Hausfrau" Haushalts- und Kinderbetreuungsarbeit thematisiert und Fragen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf erörtert. Die Erzeugung von genderspezifischer Ungleichheit wird verbunden mit gesellschaftlich normierten und institutionell durch Familie, Kindergarten, Schule und Arbeitswelt vermittelten Sozialisationsprozessen, die – so die Soziologin Regina Becker-Schmidt – zu einer "doppelten Vergesellschaftung" von Frauen führen. Damit ist die doppelte Orientierung von Frauen auf Familie und Beruf gemeint, die unter den gegebenen Bedingungen zu einer Doppelbelastung führt. Diese Norm der zweifachen Orientierung richtet sich im Prinzip auch an Jungen und Männer; dennoch wird ihnen weiterhin eher die Botschaft vermittelt, dass sie ihren spezifischen Beitrag zur Familienversorgung über Berufsarbeit und das damit verbundene Einkommen leisten sollen.

Nun haben sich in den vergangenen Jahren die Anforderungen an Vaterschaft dahingehend verändert, dass von jungen Vätern mehr emotionales Engagement und zumindest am Wochenende auch eine eingehendere Beschäftigung mit den Kindern (quality time) erwartet wird – charakterisiert im Ideal der "involvierten Vaterschaft". Der Staat fördert die Beteiligung von jungen Vätern nach der Geburt von Kindern mithilfe der Elternzeit- und Elterngeldregelung. Zwar zeigt die Statistik (siehe Tabelle Elternzeiten mit Elterngeldbezug im Kapitel Gender-Datenreport), dass die väterliche Inanspruchnahme von Elternzeit rasch zugenommen hat. Bislang nimmt allerdings nur ein geringer Anteil der jungen Väter die Option wahr, für zehn bis zwölf Monate aus dem Beruf auszusteigen – ein gutes Beispiel dafür, dass gesellschaftliche Veränderungen langwierig sind.

Gleichzeitig lässt sich ein gegensätzlicher Trend beobachten: In vielen Berufszweigen steigen mittlerweile spezifische Anforderungen in Bezug auf Mobilität und Flexibilität, Überstunden als Norm und erwartete Anruf- und Abrufbereitschaft, die Männern wie Frauen eine Kombination von Vollzeit-Erwerbsarbeit und einem verlässlichen Betreuungsarrangement erschweren. So lässt sich etwa eine zuverlässige und zeitintensive Versorgung und Begleitung von (Klein-)Kindern und alten oder kranken Menschen schlecht mit der Anforderung vereinbaren, jederzeit, "always online", für berufliche Aufgaben zur Verfügung zu stehen. Zwar werden im Rahmen staatlicher "sozialer Investitionspolitik" in jüngster Zeit außerfamiliäre Kinderbetreuungsangebote ausgebaut, doch sind diese derzeit in vielen Regionen/Städten noch nicht ausreichend verfügbar und kaum auf die geforderte Flexibilität der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausgerichtet. Im Bereich der Betreuung von alten und pflegebedürftigen Angehörigen ist das staatliche Unterstützungsdefizit noch ausgeprägter.

Karikatur: Care (Sorgetätigkeit). (© picture-alliance, KonzeptQuartier; Collage auf Basis von picture alliance / die KLEINERT.de / Bernhard Förth)

Insgesamt zeigt sich, dass die gesellschaftliche Botschaft an junge Frauen und Männer zwar rhetorisch dem Gleichheitsanspruch folgt. Gleichzeitig führt jedoch die Dominanz der sozialen Wertschätzung von Erwerbsarbeit zu paradoxen Anforderungen, denn beruflich und im Privathaushalt gleichermaßen erfolgreich und zuverlässig sorgend zu sein, kommt nach wie vor einer Quadratur des Kreises gleich.

In den vergangenen Jahren hat sich eine Sprachregelung entwickelt, in der an die Stelle von Reproduktions- oder Hausarbeit der Begriff "Care“" bzw. Care-Arbeit getreten ist, der sich aus dem Englischen nur unzureichend mit Fürsorge übersetzen lässt und heute weitgehend in einer englisch-deutschen Mischform sprachlich eingebürgert wurde. Care umfasst sowohl eine Tätigkeit (jemanden versorgen) als auch ihre emotionale Komponente (sich Sorgen machen um). In der Genderforschung wird Care oft als Begriff für die gesamte Breite der Versorgungsarbeit gesehen, die aus "Wissen, Handeln und Gefühlen" besteht und so unterschiedliche (informelle) Tätigkeiten wie etwa das Trösten, die körperliche Pflege oder die Versorgung eines Menschen mit Nahrung beinhaltet (siehe auch Abschnitt Sorgearbeit im Kapitel Gender-Datenreport sowie Abschnitte Der Gender Care Gap und Im Fokus: unterschiedliche familiale Lebensformen im Kapitel Neue Lebensformen - alte Verhältnisse?, 37 ff.).

Einige Forschungsansätze gehen davon aus, dass "Care" nicht nur die Sorge- und Pflegetätigkeiten im Lebenszyklus (Kindheit, Alter, Gesundheit – Krankheit) umfasst, die informell und professionell im Wesentlichen von Frauen ausgeübt werden, sondern ebenso erzieherische, sozialpädagogische und sozialarbeitsbezogene Tätigkeiten. Diese These wird gestützt durch statistische Befunde, aus denen hervorgeht, dass Tätigkeiten in der Krankenpflege, in der Bildung und Erziehung, in der Sozialpädagogik sowie in der Verkaufs- und Dienstleistungsbranche feminisiert sind, also vorrangig von Frauen ausgeführt werden.

Berufliche Geschlechtertrennung zeigt sich darin, dass soziale Berufe, die ein hohes emotionales Engagement erfordern, weiterhin mehrheitlich von Frauen gewählt werden, während Technik- und Ingenieurwissenschaften sowie ein Teil der Naturwissenschaften nach wie vor Männerdomänen sind. Mittlerweile bemühen sich Unternehmen, Schulen und Universitäten über Kampagnen wie den jährlichen "Girlsday" – oder als Pendant den "Boysday" –, diese Trennung zu durchbrechen, eine Trendwende ist jedoch noch nicht zu erkennen. Die Forschung weist darauf hin, dass sich diese Situation erst dann verändern wird, wenn mit Care verbundene Arbeit besser entlohnt und gesellschaftlich anerkannt wird, dass Menschen im Laufe ihres gesamten Lebens auf Versorgung und Unterstützung angewiesen sind.

Die Organisation unserer Arbeitsgesellschaft zeichnet sich bislang eher durch eine geringe Wertschätzung von Care aus. Ein aktuelles Beispiel dafür ist die Regelung der Pflege von älteren Menschen, deren Anteil an der Bevölkerung im Zuge demografischer Veränderungen schnell steigt. Der Staat hat die Versorgung dieser Bevölkerungsgruppe weitgehend an die Familien delegiert; in der Regel wird sie von Töchtern und Schwiegertöchtern übernommen, die allerdings selbst oft berufstätig sind. Zur Unterstützung wird dann häufig über den neuen Markt der Pflegeagenturen eine Migrantin eingestellt, die die 24-Stunden Betreuung im Haushalt der pflegebedürftigen Familienangehörigen übernimmt, während sie ihre eigene Familie in ihrem Herkunftsland zurücklässt bzw. zurücklassen muss.

QuellentextUnterstützung aus dem Ausland für die häusliche Pflege

[…] Frau Lutz, in vielen deutschen Privathaushalten werden ausländische Pflegekräfte – überwiegend Frauen – für die Pflege pflegebedürftiger Menschen engagiert. Warum ist das so?

Das deutsche Wohlfahrtssystem beruht auf einem familialistischen Ansatz, d. h., dass in erster Linie die Familie für die Pflege von alten, kranken und gebrechlichen Menschen in die Verantwortung genommen wird. Anders ist z. B. das skandinavische Modell, wo primär der Staat für die Pflege und die Frage der Organisation dieser Pflege zuständig ist und dafür höhere Summen zur Verfügung stellt als die deutsche Bundesregierung. Bei uns in Deutschland werden seit der Einführung des Pflegegeldes Leistungen an die Pflegeempfänger bzw. deren Familien gezahlt. […] [I]n diesen Bereich haben die Migrantinnen Einzug gehalten; sie werden häufig über das Pflegegeld, das an die Familien gezahlt wird, finanziert und zwar tendenziell überall dort, wo Angehörige berufstätig sind und die Pflege nicht übernehmen können oder wollen. Das Geld wird also weitergegeben. So entsteht eine Art Outsourcing-System, das im Prinzip vom Staat gefördert wird, obwohl der Staat selbst behauptet, die Familien seien die Pflegenden. Öffentlich wird dieses Outsourcing-Modell nicht anerkannt. Ich spreche daher von einem "komplizenhaften Modell": Die gesamte Gesellschaft weiß, dass es einen großen Bedarf an Pflegekräften gibt, die in Privathaushalten Pflegebedürftige versorgen, aber niemand spricht darüber, dass die Versorgungs- und Pflegelücken im Privathaushalt durch Migrantinnen geschlossen werden. In diesem Bereich hat sich ein großer Markt entwickelt, der nicht vom Staat kontrolliert wird. […]

Woher kommen die meisten Migrantinnen und Migranten, die in deutschen Privathaushalten als Pflegekräfte beschäftigt werden?

Es gibt Hinweise darauf, dass die meisten dieser Migrantinnen und Migranten aus Osteuropa kommen. So haben sich in den vergangenen fünf bis zehn Jahren sehr schnell Agenturen am Markt etabliert, die Migrantinnen aus Osteuropa an Privathaushalte vermitteln. Als ich um das Jahr 2000 mit meiner Forschung begonnen habe, gab es diese Agenturen noch nicht. Stattdessen lief die Vermittlung vor allem über private Netzwerke. […] [D]er Umsatz einiger Agenturen ist riesig. Die Tatsache, dass von den international tätigen großen Agenturen einige börsennotiert sind, verweist darauf, dass es um große Summen geht. […]

Die Arbeitsbedingungen sind auch aufgrund der Grauzone, in der Haushaltsarbeit stattfindet, prekär. Warum regt sich kein öffentlicher Widerstand dagegen bzw. warum wehren sich die Migrantinnen nicht?

Bei Problemen wenden sich die Migrantinnen eher an die Agenturen, die sie vermitteln und deren Kontaktdaten sie haben. Häufig tauschen sie sich auch mit anderen Migrantinnen, die im selben Bereich arbeiten, über Telefon und Internet aus. Ein großer öffentlicher Aufstand ist jedoch bislang ausgeblieben. Das liegt auch daran, dass diese Frauen versuchen, zwei Haushalte miteinander zu verbinden, und zwar den Haushalt, in dem sie in Deutschland arbeiten, und denjenigen, den sie im Herkunftsland zurücklassen. Dort leben ihre Kinder oder auch pflegebedürftige Eltern. Die Frauen versuchen, in beiden Haushalten präsent zu sein. Für eine begrenzte Zeit – zwischen sechs Wochen und drei Monaten – arbeiten sie in Deutschland. Anschließend werden sie von einer Freundin, einer Bekannten oder auch einer über die Agentur vermittelten Pflegekraft abgelöst, damit sie für eine gewisse Zeit in ihren eigenen Haushalt im Entsendeland zurückkehren können, um dort die Familienarbeit zu leisten. Sie bewegen sich also in einem zirkulären Migrationssystem. Ursprünglich wurde dieses Rotationssystem von den Migrantinnen selbst organisiert, mittlerweile übernehmen das die Agenturen. Die Migrantinnen haben also wenig Zeit, sich gewerkschaftlich zu organisieren. Und es gibt nur wenige Gewerkschaften, die sich überhaupt mit dieser Frage auseinandersetzen – ver.di z. B. ist in einigen Städten aktiv geworden. […]

Wie wird die Migration der Frauen in den Herkunftsländern gesehen?

Es gibt in Herkunftsländern wie Polen, Ukraine, Rumänien oder Ungarn eine starke Skandalisierung der Mütter, die ihre Kinder zurücklassen. In einigen dieser Länder hat sich die Migration feminisiert, es migrieren also mehr Frauen als Männer, und das ist für viele dieser osteuropäischen Entsendeländer ein neues Phänomen. Vorher gab es männliche Arbeitsmigration, aber vor allem innerhalb des Ostblocks. Der Diskurs über diese Migration war lange Zeit sehr positiv, da die Rücküberweisungen der Arbeitsmigranten einen wichtigen Beitrag zum nationalen Haushalt darstellten. In Bezug auf die Frauenmigration hat sich das gewandelt. Sie wird negativ dargestellt. Dadurch befinden sich die Frauen unter starkem Legitimationszwang.

Warum sind es vor allem Frauen, die in deutschen Privathaushalten "Care Arbeit" verrichten?

Hausarbeit und Kinderversorgung sind nach wie vor weiblich kodierte Arbeiten. Das kennen wir ja auch aus Deutschland. Aus einer aktuellen Zeitbudgetstudie geht z. B. hervor, dass sich daran in den vergangenen Jahren wenig geändert hat. Die Väter sind zwar am Wochenende präsent, aber nicht während der Woche. Im Schnitt verbringen Frauen immer noch doppelt so viel Zeit mit Kindern wie Männer und die Hausarbeit liegt nach wie vor absolut in Frauenhand. In den Herkunftsländern ist die Situation ähnlich wie bei uns. Hier wie dort gibt es keine Anerkennung für den Bereich der Haushaltsarbeit und Kinderversorgung – das gilt sowohl für Männer als auch für Frauen, die diese Arbeiten übernehmen. […].

Was wären Alternativen zum deutschen System?

In Österreich gab es lange dieselben Grauzonen wie in Deutschland: Viele Migrantinnen arbeiteten undokumentiert im Pflegebereich. Dann hat sich Österreich aber dazu entschieden, diesen Bereich zu verrechtlichen, sodass die Frauen nun als Selbstständige legal arbeiten können. Eine solche Legalisierung ist in anderen Ländern wie Spanien oder Italien auch schon erfolgt. In der Schweiz haben die Agenturen ein anderes System als in Deutschland. Dort gilt nicht das Entsendeprinzip. Stattdessen werden die Migrantinnen nach Schweizer Recht angestellt, wodurch auch Sozialabgaben in der Schweiz bezahlt werden. […] Eine bessere Versorgung in Deutschland kann nur durch eine Umverteilung von Steuergeldern erfolgen. Aber dies ist eine hoch kontroverse gesellschaftliche Frage, die in und mit der Gesellschaft auch diskutiert werden muss. Parteien und Regierungen müssen stärker dazu gedrängt werden, diese Fragen anzugehen, um neue Lösungen für den Pflegebereich zu finden. […]

"Ausländische Pflegekräfte in deutschen Privathaushalten". Ein Interview mit Prof. Dr. Helma Lutz, Kurzdossier "Migration und Pflege", Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn, 18. August 2015. Die Fragen stellte Vera Hanewinkel. Online unter: Interner Link: www.bpb.de/gesellschaft/migration/kurzdossiers/211011/interview-mit-helma-lutz?p=all (zuletzt abgerufen am 5. März 2020)

Eine Veränderung dieser Situation wird in jüngster Zeit von Aktionsgruppen vorangetrieben, die unter dem Begriff Care-Revolution mit politischen Aktionen auf die Schieflage der Bewertung von Erwerbsarbeit und Care-Arbeit aufmerksam machen. Ausgangspunkt vieler Aktivitäten ist die Utopie der US-amerikanischen Sozialphilosophin Nancy Fraser: Eine gerechte Gesellschaft muss aus der Perspektive der Sorge-Verpflichtung organisiert werden; das heißt, jede(r) Erwerbstätige muss neben Erwerbsarbeit auch Care-Arbeit übernehmen, ehrenamtliches Engagement zeigen und in die Lage versetzt werden, diese zu leisten. Ein solches Modell, das zum Teil an die feministische Kapitalismuskritik der 1968er-Bewegung anknüpft, könnte die derzeitige Situation im Kern verändern, in der die Erwerbsarbeit Taktgeberin für das Leben ist.

(Neue) Männlichkeiten

#Im Rahmen der Protest-, Bürgerrechts-, Schwulen und Frauenbewegungen der 1960er- und 1970er-Jahre schlossen sich auch Männer zusammen, um sich gegenseitig bei der Bewältigung neuer gesellschaftlicher Herausforderungen zu unterstützen und Lösungen für widersprüchliche Anforderungen und Bedürfnisse zu finden. Neben Männer- und Vaterrechtsbewegungen, die sich gegen feministische Forderungen positionierten und sich durch Emanzipationsbewegungen bedroht sahen, entstanden profeministische Männerbewegungen, die an der Seite der Frauen für die Emanzipation der Männer, für Gleichberechtigung und gegen sexualisierte Gewalt kämpften.

Anfang der 1980er-Jahre entstand in den USA die National Organization for Men Against Sexism (NOMAS), die sich heute als profeministisch versteht, für die Rechte von lesbischen, schwulen/homosexuellen, bisexuellen und transsexuellen (LGBT-) Menschen eintritt und sich gegen Rassismus wendet. 1991 wurde in Kanada die mittlerweile international wirksame White Ribbon-Kampagne gegen häusliche Gewalt ins Leben gerufen. In Deutschland wurde 2010 das "Bundesforum Männer" gegründet. Der Dachverband mit mittlerweile 33 Mitgliedsorganisationen zielt auf die Unterstützung von Frauen im Kampf gegen Diskriminierung und Benachteiligung und setzt sich mit tradierten Vorstellungen von Männlichkeit und ihren Folgen auseinander. Zentrale Themen profeministischer Männerbewegungen und kritischer Männer- und Männlichkeitsforschung sind Familie, Arbeit und Beruf, Gesundheit, Gewalt, Bildung und Erziehung, Jugend, Alter, Sexualitäten und sexuelle Orientierungen, Flucht und Migration.

QuellentextZiele gleichstellungsorientierter "Männerpolitik“

Die gesellschaftlichen, ökonomischen und demografischen Veränderungsprozesse haben Auswirkungen auf das Geschlechterverhältnis und die Geschlechterbilder. Tradierte Vorstellungen von Männlichkeit haben noch nicht ausgedient, sind aber auch nicht mehr selbstverständliche und alleinige Norm. Viele Männer stehen gleichstellungspolitischen Anstrengungen heute positiv gegenüber und glauben, dass die Gleichstellung der Geschlechter noch nicht erreicht ist. Um erfolgreich zu sein, muss Gleichstellungspolitik auch Männer stärker in den Blick nehmen. Dies hebt der Zweite Gleichstellungsbericht der Bundesregierung ausdrücklich hervor und hält fest, dass auch für Männer geschlechtsspezifische Barrieren und Hindernisse bestehen. Statt Frauen und Männer gegeneinander auszuspielen, rückt so das Verhältnis der Geschlechter mehr in den Vordergrund. Ziel ist es, Frauen und Männern gleichermaßen zu ermöglichen, ihre Lebensentwürfe ohne Rollenzwänge und Benachteiligungen zu gestalten.

Männerpolitik, wie wir sie verstehen, ist solidarisch mit Frauen in ihrem Kampf gegen Diskriminierung und Benachteiligungen. Gleichzeitig richtet Männerpolitik das kritische Augenmerk auf tradierte Vorstellungen von Männlichkeit und ihre zum Teil destruktiven Folgen für individuelle Selbstbilder und gesellschaftliche Strukturen. Das betrifft das klassische Alleinverdiener-Ernährermodell, die Erwartung an Jungen und Männer, ihre Gefühle zu kontrollieren und nicht zu zeigen, den Leistungs- und Selbstoptimierungsdruck oder die Abwertung von Weiblichkeit und Homosexualität. Männerpolitik hat zum Ziel, Bewusstseins- und Verhaltensänderungen anzustoßen, um Männern wie Frauen einen besseren Zugang zu ihren Potenzialen und Ressourcen zu ermöglichen und individuelle wie auch gesellschaftliche Handlungsräume zu erweitern.

Männerpolitik muss, wie Gleichstellungspolitik insgesamt, von zivilgesellschaftlichen Akteuren sowie von staatlichen und parlamentarischen Strukturen getragen sein. Die Themenfelder einer gleichstellungsorientierten Männerpolitik sind vielfältig: Familie, Arbeit und Beruf, Sorgearbeit (Care), Gesundheit, Gewalt (Täter und Opfer), Jugend, Alter, Flucht und Migration. Gleichstellungsorientierte Männerpolitik muss zudem sensibel bleiben für die Vielfalt und Unterschiedlichkeit innerhalb der Gruppe der Männer.

Bundesforum Männer, "Warum gleichstellungsorientierte ‚Männerpolitik‘", in: Positionen & Perspektiven, Berlin 2019, S. 5 f. Online unter Externer Link: https://bundesforum-maenner.de/wp-content/uploads/2019/09/BFM_Positionen_Perspektiven.pdf (zuletzt abgerufen am 5. März 2020)

Seit den 1990er-Jahren formieren sich wieder verstärkt antifeministische und maskulinistische Gruppierungen gegen Gleichstellung und Geschlechtergerechtigkeit. Die international vernetzten Akteure wollen männliche Privilegien wiederherstellen sowie männliche Identität und Selbstbewusstsein stärken. Solche antiemanzipatorischen Reaktionen hat es in der Geschichte der Emanzipationsbewegungen immer wieder gegeben, und es sind seit jeher nicht nur Männer, sondern auch Frauen daran beteiligt. Vehement kämpfte zum Beispiel der "Deutsche Bund gegen die Frauenemanzipation", dessen Mitglieder etwa zu einem Viertel aus Frauen bestanden, zu Beginn des 20. Jahrhunderts gegen die Einführung des Frauenstimmrechts, das als "Gefahr für die Demokratie", "Gefahr für die Familie" und als "nationaler Selbstmord" betrachtet wurde. In ihrer Schrift "Die Antifeministen" charakterisierte die radikale Schriftstellerin und Frauenrechtlerin Hedwig Dohm (1831–1919) mit spitzer Feder die typischen Vertreter des Antifeminismus im Deutschen Kaiserreich.

Ein wichtiger theoretischer Beitrag zum Verständnis von Macht- und Dominanzbeziehungen im Geschlechterverhältnis und im Verhältnis unter Männern ist das Konzept "hegemonialer Männlichkeit". Es wurde von Raewyn Connell in dem zusammen mit Tim Carrigan und John Lee 1985 veröffentlichten Artikel "Toward a New Sociology of Masculinity" eingeführt, der als Grundstein der sozialwissenschaftlichen Männlichkeitsforschung angesehen werden kann. Nach den Erkenntnissen der australischen Soziologen gibt es bestimmte Muster von Orientierungen und Praktiken, die allgemein als männlich, dominant und vorherrschend (hegemonial) anerkannt sind. Diese Muster verändern sich zwar, aber die meisten Gesellschaften gestehen Männern das Privileg einer "patriarchalen Dividende" zu. Ein Beispiel für hegemoniale Männlichkeit im 19. Jahrhundert ist die "bourgeoise Männlichkeit", das Besitz anhäufende autoritäre Familienoberhaupt, das der englische Schriftsteller John Galsworthy in seiner Roman-Trilogie "The Forsyte Saga" geschildert hat. Als prägend für Imperialismus und Kolonisierung gelten "Siedler-Männlichkeiten" und im 21. Jahrhundert ist laut Raewyn Connell eine "transnationale Manager-Männlichkeit" hegemonial geworden.

QuellentextVier Kategorien der Antifeministen

Dem Ansturm gegen die Frauenbewegung liegen die verschiedensten Motive zugrunde. Sie klar zu stellen, nehme ich vier Kategorien der Antifeministen an.
1. Die Altgläubigen.
2. Die Herrenrechtler, zu denen ich die Charakterschwachen und die Geistesdürftigen zähle.
3. Die praktischen Egoisten.
4. Die Ritter der mater dolorosa. (Unterabteilung: die Jeremiasse, die auf dem Grabe der Weiblichkeit schluchzen.)
Über die Altgläubigen ist nicht viel zu sagen. Die Majorität aller Menschen gehört zu ihnen. Diese Vielen nennen die Gewohnheit ihre Amme, die sie von der Wiege bis zum Grabe sicher nährt.

Die Altgläubigen sind diejenigen, die den Gedankeninhalt vergangener Jahrhunderte für alle Ewigkeit festzuhalten für ihre Pflicht erachten. Zum eisernen Bestand ihrer Argumentation gehören der liebe Gott und die Naturgesetze. In dem Jahrhundert der Naturwissenschaften, an deren Spitze die Entwicklungslehre steht, steifen diese Orthodoxen sich auf geoffenbarte Heiligkeiten und auf Naturgesetze, die die Wissenschaft nicht kennt. Ihr Hauptgrundsatz: Weil es immer so war, muß es immer so bleiben. Sie treiben einen Gedanken-Ahnenkultus, die Taktik jener alten Spanier befolgend, die den toten Cid, aufrecht aufs Pferd gebunden, mit in die Schlacht führten, um mit dem Glauben an seine siegende Kraft den Feind zu schlagen. […]

Die Zeit ist unwiederbringlich hin, wo Königinnen und ihre Töchter spannen und webten und aufstehen mußten, wenn ein Mann ins Zimmer trat. Und nun zerbröckelt auch langsam das Palladium der Antifeministen, die fünf inhaltsschweren Worte: die Frau gehört ins Haus.

Die Herrenrechtler unterscheiden sich von den Altgläubigen dadurch, daß sie weniger Gewicht auf den lieben Gott und seine Offenbarungen als auf die realen, praktischen Unmöglichkeiten legen, die sich der Frauenemanzipation entgegenstellen. Sie pochen mehr auf ihre Rechte als auf die himmlischen.

Ich war an einem Sylvesterabend Ohrenzeuge, als so ein Herrenrechtler (er braute noch am Punsch) seine Frau, die mit dem Glockenschlag zwölf "Prosit Neujahr!" rief, zur Ruhe wies mit den Worten: "Ich habe hier zu bestimmen, wann Mitternacht ist."

Der Herrenrechtler weigert dem Weib das Bürgerrecht, weil es als Weib und nicht als Mann geboren wurde. […]

Zu den Herrenrechtlern gehören die Charakterschwachen und Geistesdürftigen.

Die Charakterschwachen machen Front gegen die Frauenbewegung – aus Furcht. Sie haben immer Angst, von der Frau – besonders von ihrer eigenen – unterdrückt zu werden. Weil sie sich heimlich ihrer Schwäche bewußt sind, betonen sie bei jeder Gelegenheit ihre Oberhoheit.

Die Motive derer, die das Pulver nicht erfunden haben, liegen zutage. Wenn die Frau nicht dümmer wäre als sie, wer wäre es denn? …

Der praktische Egoist betrachtet die Frauenemanzipation vom Standpunkt der Vorteile oder Nachteile, die ihm daraus erwachsen könnten. Er – der Geschäftsantifeminist – fürchtet von ihr die Konkurrenz beim Broterwerb, sieht aber zugleich in der Erwerbsfrau die Zerstörerin seiner häuslichen Behaglichkeit. […]

Die Ritter der mater dolorosa gebärden sich teils als Schutzengel, die ihre Götterhände über das gequälte Weib halten, teils als Cerberusse, die der Unberufenen, die sich in ihr Gehöft wagt, gefährlich die Zähne zeigen." […]

Hedwig Dohm, Die Antifeministen. Ein Buch der Verteidigung, Berlin 1902; online unter: Externer Link: www.projekt-gutenberg.org/dohm/antifemi/antifemi.html (zuletzt abgerufen am 5. März 2020)

Gegen bzw. quer zu "hegemonialen" Männlichkeiten bilden sich neue Leitbilder heraus. Als "Ernährer" haben Männer an Bedeutung und Macht verloren. Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern ist – zumindest dem Anspruch nach – selbstverständlich geworden. Unter diesen Bedingungen wird darüber diskutiert, was "Männlichkeit" ausmacht und was unter "Männlichkeit" verstanden werden soll. Eine neue, kritische Sicht auf Care-Arbeit und insbesondere auf die "Sorglosigkeit" (so die Soziologin Brigitte Aulenbacher), mit der der Arbeitsmarkt organisiert wird, könnte nicht nur das Leben von Frauen, sondern auch das von Männern, deren Sozialisation und die soziale Normierung von Männlichkeit grundlegend verändern. Aktive, engagierte Väter bzw. "involvierte Väterlichkeit" wäre zum Beispiel ein solches alternatives Modell. Wie Leitbilder gefördert werden können, die Sorgetätigkeiten und Gleichberechtigung im Geschlechterverhältnis unterstützen, ist eine wichtige Frage aktueller Gleichstellungspolitiken.

Sexualpolitiken – neue Ethik, Selbstbestimmung, Vielfalt

In den letzten 100 Jahren hat es unterschiedliche Wellen sexualpolitischer Kämpfe gegeben. Ende des 19. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts waren Themen der historischen Frauen-, der Jugend- und der Homosexuellenbewegung bestimmend. Organisationen wie das 1897 gegründete "Wissenschaftlich-humanitäre Komitee" (WhK) und der "Bund für Mutterschutz und Sexualreform" traten für sexualpolitische Reformen ein. Auf der Grundlage der Arbeiten des Mediziners und Sexualwissenschaftlers Magnus Hirschfeld propagierte das WhK die Theorie von der Homosexualität als "Drittem Geschlecht" und kämpfte für die Abschaffung des Paragrafen 175, der sexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe stellte und erst 1994 endgültig abgeschafft wurde. Lesbische Frauen traten in der Öffentlichkeit weniger offen in Erscheinung. Aber es gab Ausnahmen wie die Journalistin Theo Anna Sprüngli, die unter dem Pseudonym Anna Rüling 1904 auf der WhK-Jahrestagung eine Rede zum Thema "Homosexualität und Frauenbewegung" hielt. Der 1904/5 gegründete Bund für Mutterschutz und Sexualreform trat für eine "neue Ethik" ein und betrachtete das Geschlechtsleben als unentbehrlich für die Gesundheit, Sittlichkeit und das Glück jedes Menschen. Prostitution, Frauen- und Mädchenhandel, Gewalt gegen Frauen und die Not unverheirateter Mütter waren brennende soziale Fragen.

QuellentextHelene Stöcker und der Bund für Mutterschutz und Sexualreform

Die Frauenrechtlerin, Sexualreformerin, Pazifistin und Publizistin Helene Stöcker (1869–1943) gehört zu den prominentesten Vertreterinnen der radikalen bürgerlichen Frauenbewegung in Deutschland. Erst in den 1980er-Jahren wurden sie und ihre Mitstreiterinnen im radikalen Flügel der bürgerlichen Frauenbewegung neu entdeckt. Lebenszeugnisse und Schriften vieler engagierter, historischer Frauenrechtlerinnen waren in Vergessenheit geraten oder während des Nationalsozialismus vernichtet worden.

Helene Stöcker wuchs als ältestes von acht Kindern in einer bürgerlichen, calvinistisch geprägten Familie auf. Nach einer Ausbildung zur Lehrerin studierte sie als Gasthörerin in Berlin Literaturgeschichte, Philosophie und Nationalökonomie. 1901 promovierte sie an der Universität Bern über Kunstanschauungen der Romantik. Nach Deutschland zurückgekehrt, arbeitete sie als freie Dozentin und Schriftstellerin.

Engagiert trat Helene Stöcker für die Gleichberechtigung in der Ehe und für ein Recht auf sexuelle Freiheit für Frau und Mann ein. Die "moderne Frau", so ihre Überzeugung, lasse sich die "Beleidigungen des Ballsaals" nicht mehr gefallen. Sie wolle aber auch nicht als "Mannweib" betrachtet werden. Stöcker vertrat eine "lebensbejahende Moral" und forderte eine neue Ethik, die es Frauen wie Männern gestattet, ihre Sexualität – auch außerhalb der Ehe – selbstbestimmt zu leben. Nach ihrer Auffassung werde die "Krankheit Prostitution" erst dann aufhören, wenn sich die gesamte gesellschaftliche Ordnung erlaubter und nicht erlaubter Liebe ändert. Tatkräftig trat Stöcker für Sexualaufklärung und Geburtenregelung ein, kämpfte für die Abschaffung des § 175, der männliche Homosexualität unter Strafe stellte, und engagierte sich für das Recht auf Abtreibung.

Der von Helene Stöcker und anderen sozial- und frauenpolitisch engagierten Frauen und Männern 1905 gegründete "Bund für Mutterschutz und Sexualreform", gegen dessen "Hurra-Erotik" sich die konservative, bürgerliche Frauenrechtlerin Helene Lange energischst verwahrte, nahm im Spektrum der sexualpolitischen Positionen der historischen Frauenbewegung in Deutschland eine wichtige, aber immer umstrittene Rolle ein. Ein Antrag des Bundes auf Aufnahme in den Bund der deutschen Frauenvereine (BDF), der Dachorganisation bürgerlicher Frauenvereine in Deutschland, wurde abgelehnt. Nicht etwa, weil dem Bund für Mutterschutz auch Männer angehörten, sondern weil seine Politik nicht dem Volkswohl diene, so die Begründung des BDF.

In den 1920er-Jahren kooperierte der Bund eng mit dem Magnus-Hirschfeld-Institut für Sexualwissenschaft. Magnus Hirschfeld (1868–1935) war ein deutscher Arzt und Sexualwissenschaftler sowie Mitbegründer der Homosexuellenbewegung in Deutschland. Von 1899–1923 gab er unter wechselnden Titeln das Jahrbuch für sexuelle Zwischenstufen heraus.

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten hörte der Bund für Mutterschutz auf zu existieren. Die pazifistische Sexualreformerin Helene Stöcker war bereits am 30. Januar 1933 emigriert.

Helma Lutz und Marianne Schmidbaur

Im Zuge der Neuorientierungen in den 1960er- und 1970er-Jahren ging es vermehrt um Aufklärung und befreite sexuelle Beziehungen. "Mein Bauch gehört mir!" hieß der Slogan der neuen Frauenbewegung, die mit Aktionen wie "Wir haben abgetrieben!" an die Öffentlichkeit ging und die Abschaffung des § 218, der Schwangerschaftsabbrüche unter Strafe stellt, forderte. Die Volkskammer der DDR beschloss am 9. März 1972 das "Gesetz über die Unterbrechung der Schwangerschaft", das Frauen das Recht einräumte, in den ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft selbst über einen Abbruch zu entscheiden. Diese Fristenregelung wurde 1974 auch in der Bundesrepublik beschlossen, musste jedoch nach einer erfolgreichen Verfassungsklage 1976 durch ein Indikationsmodell ersetzt werden, das Abtreibungen nur unter bestimmten Voraussetzungen ("Indikationen") erlaubt. Im Rahmen der deutsch-deutschen Wiedervereinigung wurde Anfang der 1990er-Jahre ein politischer Kompromiss ausgehandelt, der die Bedingungen für die Straffreiheit eines Schwangerschaftsabbruchs in § 218a regelt. Um die Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Sorgeverpflichtungen zu verbessern, wurden parallel dazu der Ausbau öffentlicher Kinderbetreuung und der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz vereinbart.

Zu einer erneuten Diskussion über die Paragrafen 218, 218 a und 219a kam es Anfang der 1990er-Jahre. So klagte beispielsweise eine Ärztin gegen ihre Strafe: Sie hatte auf ihrer Webseite darüber informiert, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornimmt, und war deshalb für schuldig befunden worden, gegen das "Werbeverbot" (§ 219a) verstoßen zu haben. Die Diskussion über eine Neufassung oder Abschaffung des § 219 a dauert an und zeigt die unterschiedlichen Positionen in dem politischen Konflikt. Pro-Choice-Bewegungen stellen die Persönlichkeitsrechte von Frauen in den Mittelpunkt. Sie setzen sich für das Recht auf Abtreibung ein und gehen davon aus, dass Frauen verantwortungsvolle Entscheidungen treffen. Für Pro-Life-Bewegungen dagegen hat der Schutz des ungeborenen Lebens Vorrang. Der Einfluss von sogenannten Lebensschützern hat in den letzten Jahren international, aber auch in Deutschland, erheblich zugenommen.

In die Zeit der "neosexuellen Revolution" (ein Begriff des Psychiaters und Sexualwissenschaftlers Volkmar Sigusch) seit den 1990er-Jahren fallen Debatten um die Unterscheidung zwischen Sex und Gender, also zwischen biologischem und sozialem Geschlecht, sowie Themen wie AIDS, Missbrauch, sexualisierte Gewalt und das Aufkommen virtueller, in Spielen und sozialen Netzwerken ausgelebter, vielfältiger Sexualitäten. Die Existenz vielfältiger Geschlechtsidentitäten und -haltungen ist in der öffentlichen Diskussion präsent und hat in soziale Medien, Internetportale und publizistische Berichterstattung Eingang gefunden. In der dritten Welle feministischer Bewegungen, die mit den 1990er-Jahren begann, setzen sich Aktivistinnen und Aktivisten verstärkt für die Rechte von Menschen ein, die nicht in ein zweigeschlechtliches Schema passen und sich nicht als entweder "männlich" oder "weiblich" verstehen. Homosexuelle, schwule oder lesbische Personen richten ihr Begehren auf das eigene Geschlecht. Trans*sexuelle Menschen identifizieren sich nicht mit ihrem Geburtsgeschlecht und wünschen sich, anders zu leben – mit oder ohne entsprechende körperliche Veränderungen und Operationen. Intersexuelle Personen sind mit nicht eindeutigen Geschlechtsmerkmalen geboren und wehren sich dagegen, zwangsweise, zum Beispiel durch medizinische Eingriffe im Kindesalter, eindeutig gemacht zu werden. Als "queer" werden Personen und Strategien bezeichnet, die gesellschaftliche Normen von Zweigeschlechtlichkeit, Sexualität oder Körper "veruneindeutigen", so die Philosophin Antke Engel (Näheres zu den unterschiedlichen Begriffen siehe das bpb Interner Link: LSBTIQ Lexikon). Das Engagement für die Anerkennung unterschiedlicher Sexualitäten und Beziehungsformen ist mit einer grundsätzlichen Kritik an Diskriminierung und Benachteiligung verbunden.

Sexuelle Diversität erfährt auf der einen Seite zunehmend Beachtung und Anerkennung: Seit dem 1. Oktober 2017 ist in Deutschland die Ehe für alle legal, das heißt, homosexuelle Paare können unter denselben Bedingungen heiraten wie heterosexuelle Paare. Kurze Zeit darauf traf das Bundesverfassungsgericht eine wegweisende Entscheidung: Das Personenstandsrecht sieht neben "weiblich" und "männlich" künftig einen dritten, unbestimmten Eintrag ("divers") vor. Auf der anderen Seite bleibt die Diskriminierung sexueller Minderheiten ein Dauerthema und die Akzeptanz sexueller Vielfalt ist umstritten. So wurde gegen Entwürfe zum neuen baden-württembergischen Bildungsplan, die Defizite in der Sexualpädagogik ausgleichen sollten, Ende 2013 eine Online-Petition gestartet unter der Überschrift "Kein Bildungsplan 2015 unter der Diktatur des Regenbogens".

Claudia Krell / Kerstin Oldemeier unter Mitarbeit von Sebastian Müller, Coming-Out und dann …?! Ein DJI-Forschungsprojekt zur Lebenssituation von lesbischen, schwulen, bisexuellen und trans* Jugendlichen und jungen Erwachsenen, München 2015, S. 22 und S. 20. Online unter: Externer Link: www.dji.de/fileadmin/user_upload/bibs2015/DJI_Broschuere_ComingOut.pdf (zuletzt abgerufen am 5. März 2020)

(Stand: Mai 2017) © Aengus Carroll / Lucas Ramón Mendos, State-Sponsored Homophobia. A World Survey of Sexual Orientation Laws: Criminalisation, Protection and Recognition. 12th Edition, designed by Eduardo Enoki. Geneva: ILGA, 2017. Online unter: Externer Link: https://ilga.org/downloads/2017/ILGA_WorldMap_ENGLISH_Overview_2017.pdf (zuletzt abgerufen am 5. März 2020)

Opposition gegen eine Liberalisierung und Öffnung für Diversität kommt vor allem von Gruppierungen aus dem rechtskonservativen Spektrum. So sieht die Initiative "Demo für alle. Ehe und Familie vor!" durch die Anerkennung vielfältiger Lebensweisen Kinder, Ehe und Familie bedroht. Nach rechtskonservativer Auffassung ist Zweigeschlechtlichkeit die natürliche oder gottgeschaffene Ordnung, die mit spezifischen, nach Geschlecht identifizierbaren Aufgaben und Machtpositionen in Familie und Gesellschaft verknüpft ist. Dem widerspricht die interdisziplinäre Geschlechterforschung: Zum einen zeigen biologische und humangenetische Studien, dass, unabhängig davon, welche Art der biologischen Geschlechtsbestimmung vorgenommen wird – genetisch, hormonell oder anatomisch –, vielfältige Zwischenformen zu beobachten sind. Zum anderen belegen historische und kulturvergleichende Untersuchungen, dass die Verbindung zwischen sozialen Aufgaben und Geschlecht variabel ist.

Sexualisierte Übergriffe und Gewalt

Mit welcher Selbstverständlichkeit sexuelle Nötigung und Vergewaltigung noch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Deutschland als Privatsache und nicht als Gegenstand von Politik angesehen wurde, zeigt die Debatte über Vergewaltigung in der Ehe im Deutschen Bundestag 1983. Es dauerte weitere 14 Jahre, bis der Bundestag entschied, Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe zu stellen.

QuellentextWaltraud Schoppe, MdB, im Deutschen Bundestag am 5. Mai 1983

"[…] Wir bewegen uns in einer Gesellschaft, die Lebensverhältnisse normiert auf Einheitsmoden, Einheitswohnungen, Einheitsmeinungen, auch auf eine Einheitsmoral, was dazu geführt hat, dass sich Menschen abends hinlegen und vor dem Einschlafen eine Einheitsübung vollführen, wobei der Mann meist eine fahrlässige Penetration durchführt, […] fahrlässig, denn die meisten Männer ergreifen keine Maßnahmen zur Schwangerschaftsverhütung. […]

Unter den bestehenden Verhältnissen, wo Menschen ausgebeutet werden, in einer solchen Gesellschaft hat Gewalt als Mittel der Auseinandersetzung auch in den engsten menschlichen Beziehungen Einzug gehalten. Dort werden Kinder drangsaliert und gequält, dort wird Sexualität zu einem Akt von Herrschaft – häufig mit dem Resultat einer Schwangerschaft. Wir fordern die Bestrafung bei Vergewaltigung in der Ehe. […]

Wir fordern Sie auf, endlich zur Kenntnis zu nehmen, dass auch die Frauen ein Selbstbestimmungsrecht haben über ihren Körper und ihr Leben. Wir fordern Sie alle auf, den alltäglichen Sexismus hier im Parlament einzustellen. (lautes Lachen, Applaus, Unruhe ... zweimal Glocke) […]

Ich merke, ich habe das richtige gesagt. Sie sind getroffen! (Lachen, Applaus) […]
Anstatt die Frauen mit der Verschärfung des § 218 unter Druck zu setzen, sollte einmal darüber nachgedacht werden, wie Schwangerschaftsverhütung betrieben werden könnte. Eine wirkliche Wende wäre es, wenn hier oben zum Beispiel ein Kanzler stehen würde und die Menschen darauf hinweisen würde, dass es Formen des Liebesspieles gibt, die lustvoll sind und die Möglichkeit einer Schwangerschaft gänzlich ausschließen. (Rufe, Unruhe)

Aber man kann natürlich nur über etwas reden, wovon man wenigstens ein bisschen versteht …". […]

Am 15. Mai 1997 stimmt der Deutsche Bundestag dem überparteilichen Gesetzentwurf zu, Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe zu stellen. […]

Michaela Wunderle, "Wie Waltraud Schoppe vor 30 Jahren den Bundestag schockierte". Ein Beitrag in der Reihe "Wissenswert", Hessischer Rundfunk, hr 2 Kultur. Online unter Externer Link: http://mp3.bildung.hessen.de/hr2/2013/20130502_mxUser453_0142985b_13_054_1367498760580.mp3 (zuletzt abgerufen am 5. März 2020)

Der Kampf gegen sexualisierte Übergriffe und Gewalt im häuslichen Kontext, am Arbeitsplatz und im Zusammenhang mit kriegerischen Auseinandersetzungen ist ein grundsätzliches Anliegen feministischer Bewegungen weltweit. Initiativen und Maßnahmen zur Bekämpfung sexualisierter Übergriffe und Gewalt zielen auf Prävention, Bildung, Hilfsangebote und eine funktionierende Strafverfolgung.

In Deutschland trat am 1. Februar 2018, sieben Jahre nach ihrer Unterzeichnung, die Istanbul-Konvention in Kraft. Sie ist ein Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen, das 2011 in Istanbul vereinbart wurde. Bis 2018 wurde die Konvention von 45 Staaten unterzeichnet und von 27 ratifiziert, also offiziell rechtlich in Kraft gesetzt. Eine Voraussetzung für die Ratifizierung in Deutschland war eine Reform des Sexualstrafrechts, die 2016 vollzogen wurde. Bis dahin waren sexuelle Handlungen nur dann strafbar, wenn sie durch Gewalt oder Gewaltandrohung erzwungen worden waren.

"Nein" heißt "nein" ist der Grundsatz des reformierten Sexualstrafrechts, das auch dann Anwendung findet, wenn das Nichteinverständnis erkennbar ist und trotzdem ignoriert wird. Diese Reform des Sexualstrafrechts wurde erheblich vorangebracht durch das Aufkommen neuer Protest- und Diskussionsformen. Das Internet und die sozialen Medien ermöglichen zeitnah und transnational Informationsgewinnung, Stellungnahmen und den Austausch über Meinungen und Positionen. 2013 riefen feministische Aktivist*innen in Deutschland mit dem Hashtag (#) "Aufschrei" dazu auf, über Erfahrungen mit sexualisierten Übergriffen zu berichten. Die hohe Beteiligung an dieser Aktion zeigte nicht nur eine weit reichende Aufmerksamkeit für das konkrete Thema, sondern auch ein großes Interesse, sich allgemein für feministische Anliegen zu engagieren. 2016 folgte als Reaktion auf Berichte über sexualisierte Übergriffe im Rahmen öffentlicher Silvesterpartys in Köln und in anderen Großstädten, die diese Vorfälle mit der Debatte über die Aufnahme von Flüchtlingen verknüpften, der Hashtag "Ausnahmslos". Er richtete sich gegen Rassismus und Sexismus und forderte den Kampf gegen sexualisierte Gewalt immer und überall.

QuellentextSolidarisch sein gegen Alltagssexismus

Frankfurter Rundschau: Sie erreichen Mädchen und junge Frauen zwischen 10 und 25 Jahren. Was berichten diese Ihnen vom Alltagssexismus in Frankfurt? Sind dumme Anmachen überhaupt noch ein so großes Problem?

Sinah Klockemann: Alltagssexismus ist leider nach wie vor ein riesiges Thema, zugenommen haben zudem offen rassistische Kommentare. Gerade im öffentlichen Raum trauen sich Leute immer mehr Dinge zu sagen, die vorher tabu waren. Der öffentliche Nahverkehr ist für viele Mädchen ein Angstraum.

FR.: Inwiefern?

Klockemann: In den öffentlichen Verkehrsmitteln werden sie oft von jungen oder auch erwachsenen Männern auf eine sehr unangenehme Art und Weise angesprochen. Angefangen von noch harmloseren, aber nervigen Kommentaren wie "Lach doch mal" hin zu diesem sogenannten Manspreading, also wenn die Männer sich so breitbeinig hinsetzen, dass man selbst gar keinen Platz mehr hat. Und dann gibt es noch diese Anmachen, die deutlich unterhalb der Gürtellinie sind.

FR.: Oft ist es so, dass Mädchen und Frauen sich selbst die Schuld geben: "Vielleicht war mein Rock zu kurz?"

Klockemann: Dafür gibt es den Fachbegriff "Victim blaming". Wir versuchen ihnen zu erklären, dass das Unsinn ist. Wir sagen: "Du könntest dich nackt auf die Hauptwache stellen, und es dürfte dich keiner anfassen."

FR.: Was raten Sie den Mädchen noch?

Klockemann: Miteinander solidarisch zu sein. Und nicht zu sagen: "Ja, die war auch betrunken." Oder: "Die hat einen kurzen Rock getragen, und dann muss sie sich nicht wundern." Das sind so Sprüche, die die Mädchen immer wieder hören und oft einfach übernehmen. Wir betonen immer wieder: "Ihr seid nicht schuld, wenn ihr blöd angemacht werdet."

FR.: Also nicht denken: "Hm, vielleicht stelle ich mich bloß an?"

Klockemann: Genau. Sondern wenn man eben ein Grundunbehagen hat, sollte man auf sein Bauchgefühl vertrauen. Es ist angebracht, darüber wütend und erschrocken zu sein. Und wenn man im Moment selbst sprachlos ist oder von anderen keine Hilfe bekommt, sollte man später noch mal darüber reden können.

FR.: Wie sieht es im Schulalltag aus?

Klockemann: Ein großes Thema ist Cybermobbing. Konkret WhatsApp-Gruppen. Es gibt Schulgruppen, die sich 24 Stunden am Tag austauschen. Da werden auch gerne mal Fotos und Körperteile von Mitschülerinnen kommentiert. Eine Zeit lang gab es auch diese Listen: Da wurden Bauch, Beine, Po der Mädchen von den Jungs mit Noten versehen. Die Mädchen haben das nur zufällig rausbekommen. […]

FR.: Hat #MeToo nichts gebracht?

Klockemann: Generell wird in der Öffentlichkeit mehr über Sexismus und sexualisierte Gewalt gesprochen, das ist gut. Mein Eindruck ist auch, dass die Mädchen so auch mehr erzählen. Ob sich bei den Männern etwas verändert hat, weiß ich nicht. Da höre ich öfter die Aussage: "Man kann jetzt nur noch alles falsch machen." Diese Aussage leuchtet mir gar nicht ein. Wenn ich mich als Mann angemessen verhalte, dann muss ich keine Sorge haben, dass mir etwas unterstellt wird.

FR.: Reicht es eigentlich, nur die Mädchen zu "empowern", also in ihrem Selbstbewusstsein zu stärken, oder müssen nicht auch Jungen sensibilisiert werden?

Klockemann: Mädchen wird gesagt: "Sei zu Hause, wenn es dunkel wird, damit dir nichts passiert." Dabei müsste man doch eher den Jungs sagen: "Wenn ihr rausgeht, verhaltet euch bitte nicht blöd." Auch die Jungen müssen sensibilisiert werden. Welches Verhalten ist cool oder eben nicht? […]

Deswegen ist Prävention ebenso wichtig, damit man darüber spricht: "Was sind meine Grenzen?" Und den Mädchen muss bewusst werden, dass auch erwachsene Menschen nicht alles machen dürfen.

Sinah Klockemann ist politische Sprecherin beim Frankfurter Verein für feministische Mädchenarbeit. Sie arbeitet zudem seit zehn Jahren im Mädchentreff.

"Ihr seid nicht schuld, wenn ihr blöd angemacht werdet", Interview von Kathrin Rosendorff mit Sinah Klockemann vom Mädchenhaus Frankfurt über Alltagssexismus, in: Frankfurter Rundschau vom 24. November 2018
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Weltweit Kreise gezogen hat seit 2017 der Hashtag "MeToo", der sexualisierte Gewalt in den Medien skandalisierte. Diese Kampagne stieß auch auf kritische öffentliche Resonanz: Festgestellt wurde, dass zum Teil sehr Unterschiedliches in einen Topf geworfen wird, und es wurde betont, dass die Rechte der Beschuldigten gewahrt werden müssen. Andererseits wird seither über das Thema sexualisierte Gewalt offener gesprochen und Betroffene erfahren mehr Unterstützung. Bei der Entgegennahme des Golden Globe-Preises für ihr Lebenswerk ging die US-amerikanische Talkshow-Moderatorin Oprah Winfrey im Januar 2018 in einer bewegenden Rede auf MeToo ein. Sie sagte, die Zeit für Sexismus, Missbrauch und Benachteiligung sei vorbei, in Zukunft solle niemand mehr sagen müssen: "MeToo" und sprach allen, die ihre Erfahrungen öffentlich machten, und allen, die ihnen zuhörten, ihre Anerkennung aus.

Prostitution

Zu den ersten bürgerlichen Frauenrechtlerinnen, die Mitte des 19. Jahrhunderts das Tabuthema Prostitution öffentlich zur Sprache brachten, gehörte die Schriftstellerin und Frauenpolitikerin Louise Otto-Peters (1819–1895). Sie forderte 1866 das "Recht der Frauen auf Erwerb" und argumentierte, ohne Erwerbsarbeit bliebe Frauen oft nur der Weg in die Prostitution, um ihre Existenzgrundlage zu sichern. Frauenarmut, Angst vor Geschlechtskrankheiten und die staatliche Reglementierung waren die zentralen Probleme, mit denen sich historische Frauenbewegungen auseinandersetzten. Die Ausbreitung von Geschlechtskrankheiten war eine große Gefahr, die der Staat durch Überwachung und gesundheitliche Kontrolle der Prostituierten eindämmen wollte. Dies hatte zur Folge, dass potenziell jede Frau, die sich alleine in der Öffentlichkeit bewegte, auf der Grundlage des § 361 Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich von 1871 festgenommen und zwangsuntersucht werden konnte.

Auch heute ist die Regulierung der Prostitution im Kern Geschlechterpolitik. Der Verkauf sexueller Dienstleistungen war bis 2002 in Deutschland zwar legal, galt aber als sittenwidrig. Dies hatte zum Beispiel zur Folge, dass Prostituierte ihr vereinbartes Entgelt nicht einklagen konnten. Trotzdem unterlagen sie der Einkommens- und Umsatzsteuerpflicht. Mit dem Gesetz zur "Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten" (Prostitutionsgesetz) setzte die rot-grüne Bundesregierung 2002 eine – im europäischen Vergleich – sehr liberale Regelung um und vollzog den Wandel von einem Modell der "Erlaubnis ohne Anerkennung" zu einem Modell der "Erlaubnis mit Anerkennung" (so die Politikwissenschaftlerin Eva-Maria Euchner). Prostitution wurde als reguläre Erwerbstätigkeit eingestuft.

Konservative Parteien protestierten nachdrücklich gegen diese Reform und die Feministin Alice Schwarzer setzte sich mit einer Kampagne für die gänzliche Abschaffung der Prostitution durch die Bestrafung der Kunden ein, so wie es in Schweden der Fall ist. Die anhaltende Diskussion unter der Überschrift, wie Frauen am besten zu schützen sind, führte unter der schwarz-roten Bundesregierung 2017 zu einer neuen Regelung, dem "Gesetz zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen" (Prostituiertenschutzgesetz). Statt einer Anerkennung der Prostitution als Erwerbstätigkeit stehen damit Sicherheitsfragen im Mittelpunkt. Das Gesetz ordnet die Anmeldepflicht für Prostituierte, die Erlaubnispflicht für das Prostitutionsgewerbe, die obligatorische Gesundheitsberatung sowie Kondompflicht und Werbeverbot an.

Im Vorfeld gab es heftige Debatten und bis heute ist das Gesetz umstritten. Die unterschiedlichen Vorstellungen gehen quer durch verschiedene Interessens- und Akteursgruppen und reichen von dem Verständnis der Prostitution als Arbeit bis hin zur Einschätzung der Prostitution als Männergewalt. Diejenigen, die das Gesetz befürworten, führen ins Feld, dass Prostituierte mit den neuen Regelungen mehr Schutz genießen. Die Gegenseite kritisiert, dass die neuen Maßnahmen zu mehr Stigmatisierung und Diskriminierung führen und eine Abwanderung in Grau- und Dunkelzonen drohe, also genau das in höherem Maße bevorstehe, was mit dem Gesetz zuvorderst verhindert werden sollte, nämlich weltweiter Menschenhandel.

Der widersprüchliche Fortschritt neuer Reproduktionstechnologien

In kaum einem anderen für den Wandel der Geschlechterverhältnisse zentralen Feld hat sich durch technologische Innovationen in den vergangenen Jahren so viel verändert wie im Bereich menschlicher Fortpflanzung (Reproduktion). 1978 kam in Nordengland das erste Kind zur Welt, das durch eine Verschmelzung von Ei- und Samenzelle im Reagenzglas gezeugt worden war. Inzwischen ist eine solche "In-vitro Fertilisation (IVF)" ein gängiges Verfahren zur Erfüllung eines Kinderwunsches, wenn auch mit hohen, privat zu tragenden Kosten verbunden. Nach Angaben des Deutschen IVF Registers (D·I·R), einem Zusammenschluss medizinischer Einrichtungen für Assistierte Reproduktion, wurden im Jahre 2016 in Deutschland fast drei Prozent aller lebend geborenen Kinder durch IVF gezeugt.

Einer "In-vitro Fertilisation" gehen in der Regel andere Formen der Kinderwunsch-Behandlung voraus, zum Beispiel Samenübertragungen. Frauen müssen, egal bei welchem Verfahren, fast immer eine begleitende Hormonbehandlung auf sich nehmen. Mit der assistierten Reproduktion sind viele ethische und rechtliche Fragen verbunden. Wie ist das Verhältnis genetischer und sozialer Elternteile zum Kind sowie untereinander? Was passiert mit überzähligen Embryonen, also befruchteten, entwicklungsfähigen Eizellen? Wie wird mit Mehrlingsschwangerschaften umgegangen? Diese Fragen sind im "Embryonenschutzgesetz" geregelt. Verboten sind in Deutschland unter anderem die Embryonenforschung, die Leihmutterschaft und die Eizellspende.

Weitergehende Entwicklungen wie die Herstellung einer künstlichen Gebärmutter, die Frauen von Schwangerschaft und Geburt entlastet und prinzipiell allen gleiche Möglichkeiten eröffnen, Kinder zu bekommen, sind vorstellbar. Was die Feministin Shulamith Firestone 1970 in den USA als Utopie und Grundlage der Frauenbefreiung gefordert hatte, nämlich die Zerschlagung der "Tyrannei der biologischen Familie", ist möglich geworden. Technische Alternativen zur Schwangerschaft könnten die Entscheidung für Kinder stärken, meint heute auch die britische Feministin, Journalistin und Bloggerin Laurie Penny. Außerdem sei es das Mindeste, Schwangerschaft und Mutterschaft als Arbeit zu definieren und entsprechend zu bezahlen. Ist es möglich, Gleichberechtigung im Geschlechterverhältnis durch solche Vorschläge voran zu bringen?

Reproduktionsmedizinische Verfahren tragen nicht automatisch zu mehr Gleichheit im Geschlechterverhältnis bei. Das zeigt unter anderem das Beispiel Leihmutterschaft, bei der eine Frau den Embryo anderer Personen austrägt. In Deutschland sind ärztliche Leistungen bei Leihmutterschaft sowie die Vermittlung von Leihmüttern verboten. Als "Mutter" gilt nach deutschem Recht seit 1997 die Person, die das Kind geboren hat (siehe auch den Abschnitt Regulierung der Kategorie Geschlecht im Kapitel Geschlechterverhältnisse im Recht). Diese Festlegung baut hohe Hürden auf für die Suche nach alternativen Lösungen im Ausland, wo sich ein internationaler Markt für die Vermittlung von Leihmüttern, Eizell- und Samenspenden entwickelt hat.

Diejenigen, die die Leihmutterschaft in Deutschland erlauben wollen, argumentieren, dass Leihmutterschaft gemischt- und gleichgeschlechtlichen Paaren ermöglicht, ihren Kinderwunsch zu erfüllen sowie – im Falle kommerzieller Leihmutterschaft – der Leihmutter und ihrer Familie ein wichtiges Einkommen zu sichern. Die Gegenseite stellt grundsätzliche Fragen in Bezug auf das ungleiche Verhältnis zwischen denjenigen, die den Auftrag erteilen, Vermittlungsinstanzen/Kliniken und Leihmüttern. Sie bezweifelt, dass Gesundheit und Wohlergehen der Leihmutter gesichert ist und das Kindeswohl angemessen vertreten wird. Was es bedeutet, wenn die Fähigkeit, Kinder zu gebären, vermarktet wird, zeigen anschaulich Webseiten, die solche Dienstleistungen anbieten.

Internationale Ungleichheiten

Beim Brand der Textilfabrik Tazreen Fashions in Dhaka am 24. November 2012 kamen 112 Menschen ums Leben, und am 24. April 2013 starben – ebenfalls in Bangladesch – 1135 Personen beim Einsturz des Gebäudes Rana Plaza, in dem Textilfabriken untergebracht waren. In der Berichterstattung über diese Katastrophen wurden erneut die unmenschlichen Arbeitsbedingungen in diesen Fabriken kritisiert, in denen mehrheitlich Frauen und Kinder billig Kleidung für alle großen Marken des (europäischen) Textilmarktes herstellen.

Es waren keineswegs die ersten Katastrophen dieser Art; bereits in den 1970er-Jahren hatten die Internationale Arbeitsorganisation (IAO) und engagierte Journalistinnen und Journalisten bzw. feministische Wissenschaftlerinnen wie etwa die Soziologin Maria Mies auf die Armut und die Produktionsbedingungen in den Weltmarktfabriken des Globalen Südens aufmerksam gemacht, von denen die Bevölkerung des Globalen Nordens profitiere. Mittlerweile sind die Fakten über die Herstellung billiger Konsumgüter unter ungeschützten, unhygienischen, gefährlichen und schlecht bezahlen Arbeitsbedingungen in Asien, Afrika und Lateinamerika den Konsumentinnen und Konsumenten im Globalen Norden zwar weitgehend bekannt, doch beschränkt sich die öffentliche Auseinandersetzung eher auf kurzzeitige Skandalisierungen, sobald ein größeres Unglück geschieht.

Weltweit zeigen sich die internationalen Asymmetrien und Abhängigkeiten des global vernetzten 21. Jahrhunderts auch in den Geschlechterverhältnissen: 70 Prozent der in Armut (Tagesbudget 1 US-Dollar) lebenden Personen sind Frauen, die Mehrheit lebt im Globalen Süden. Die Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit zwischen dem Globalen Süden und dem Globalen Norden wurde bereits 1975 zum erklärten Ziel einer gerechteren Weltordnung erklärt und in diversen "Weltfrauenkonferenzen" thematisiert; die 2010 gegründete Organisation United Nations Entity for Gender Equality and the Empowerment of Women (UN-Women) verleiht dieser Forderung immer wieder Nachdruck.

Allerdings stoßen derlei Organisationen, wie alle anderen, die sich feministisch und globalisierungskritisch engagieren, schnell an ihre Grenzen, da solche Forderungen gegen die Politik einflussreicher Institutionen, darunter der Internationale Währungsfonds, die Weltbank und die Welthandelsorganisation, durchgesetzt werden müssen. Auch scheint der Kampf gegen korrupte, autoritäre und (ultra)konservative Eliten und Regime in vielen Ländern des Globalen Südens gerade in Bezug auf die Gleichstellung von Frauen weiterhin schwierig. Folglich bleiben die globalen Macht- und Einkommensverhältnisse vorerst ungleich verteilt: Im Globalen Norden lebt heute nur ein Viertel der Weltbevölkerung, doch konzentrieren sich hier vier Fünftel des Welteinkommens und 90 Prozent der industriellen Produktionsanlagen.

Eine Reaktion auf Unterernährung, Vertreibung, Kriege, Arbeitslosigkeit und Folgen des Klimawandels im Globalen Süden sind Wanderungsbewegungen. Nach Schätzungen der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sind mindestens 244 Millionen Menschen grenzüberschreitend unterwegs, darunter 50 Millionen Geflüchtete, und innerhalb der großen Flächenländer in Asien, Afrika und Lateinamerika wandern 740 Millionen Menschen vom Land in die Megastädte ab. Seit Anfang des 21. Jahrhunderts wird davon ausgegangen, dass eine Mehrheit dieser (hoch-)mobilen Menschen weiblich ist. Viele Angehörige, darunter auch Kinder und andere Verwandte, die in den Herkunftsländern verbleiben, sind abhängig von ihren Geldüberweisungen in die Heimat. Für Familien sind mit diesen Migrationsbewegungen oft jahrelange Trennungen verbunden; allerdings kann potenziell dadurch auch der Zugang zu Bildung und Konsumgütern verbessert werden.

Feministinnen des Globalen Südens haben mit der Gründung von "Graswurzelbewegungen der Basisfrauen" neue Organisationsformen etabliert, die Forderungen zur Verbesserung der Lebensbedingungen stellen, einschließlich des Zugangs zu sauberem Wasser, Land und Produktionsmitteln. Sie wurden und werden in ihren Forderungen von globalisierungskritischen Feministinnen und internationalen Solidaritätsbewegungen unterstützt.

Allerdings hat dies bislang noch nicht zu einer veränderten Wahrnehmung des Globalen Südens bei der Bevölkerungsmehrheit in westlichen Ländern geführt. Armut, Hunger und prekäre Lebensumstände werden vorrangig mit einem sogenannten Modernisierungsrückstand erklärt. Dabei wird nicht nur übersehen, dass Bodenschätze und die umfangreiche (Aus-) Nutzung landwirtschaftlicher Flächen und Produkte von internationalen Konzernen dominiert werden und vorrangig dem Globalen Norden zugutekommen, sondern auch, dass der kulturelle Reichtum dieser Weltregionen unbekannt bleibt und unterschätzt wird.

So veranschaulicht die berühmte nigerianische Schriftstellerin Chimamanda N. Adichie in ihrem TED TALK die Gefahr der einseitigen Darstellung Afrikas als unterentwickelte Weltregion. Sie erzählt, wie die Ressourcen und die reiche Kultur afrikanischer Länder bereits in der (Schul-)Bildung vernachlässigt werden, da die Lehrmaterialen und Curricula, in denen die Lebenswelten der afrikanischen Schülerinnen und Schüler unbehandelt bleiben, aus dem "Westen" stammen. Die darin transportierte kulturelle Wertschätzung bezieht sich nicht auf die afrikanische (literarische, musikalische, künstlerische) Kulturproduktion, sondern ist auf den Globalen Norden gerichtet.

Adichie weist darauf hin, dass die heutige Situation ohne Rückblick auf die Eroberung und Ausbeutung sowie die damit verbundenen Verwerfungen und Narben, die der Kolonialismus hinterlassen hat, unverständlich bleibt. Dazu gehört etwa die Kenntnis, dass bis zum Ende des 19. Jahrhunderts 84 Prozent der Welt formell unter europäischer Herrschaft standen, dass Nationalstaatsgrenzen von den Kolonialmächten auf dem Reißbrett gezogen wurden und sich infolgedessen viele gewaltförmige Konflikte entwickelten und dass über die Verantwortung für die Plünderung von Menschen, Bodenschätzen und Kulturgütern im Globalen Norden nicht angemessen debattiert wird.

In diesem Zusammenhang etablieren sich heute neue feministische Süd-Süd- und Nord-Süd-Bewegungen, welche die Dekolonisierung von Bildung, Politik, Ökonomie und Kulturbetrieb vorantreiben wollen und die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen skandalisieren. Es geht ihnen darum, Geschlechterungleichheiten nicht nur im nationalen und europäischen Kontext zu thematisieren, sondern dabei auch die internationalen Verknüpfungen zwischen den ärmeren und den wohlhabenderen Teilen der Weltbevölkerung sowie die Privilegien und Machtbeziehungen in Ökonomie, Politik, Kultur sowie in den Verhältnissen zwischen Mensch und Natur kritisch zu beleuchten. Feministische Projekte stecken anspruchsvolle Ziele für das 21. Jahrhundert, denn ihre Forderungen nach Geschlechtergerechtigkeit sind nicht nur bei der Betrachtung von Arbeitsmärkten oder Wirtschaftsbeziehungen wichtig, sondern auch für die Zielsetzungen und Kämpfe der Klimaschutzbewegungen relevant.

Prof. Dr. Helma Lutz ist seit 2007 Professorin für Soziologie mit dem Schwerpunkt Frauen- und Geschlechterforschung an der Goethe Universität Frankfurt am Main und seit 2015 Geschäftsführende Direktorin des dortigen Cornelia Goethe Centrums für Frauenstudien und die Erforschung der Geschlechterverhältnisse. In Lehre und Forschung beschäftigt sie sich mit der Intersektion von Gender, (transnationaler) Migration, Ethnizität, Nationalismus, Rassismus und Staatsbürgerschaft in Europa. In den vergangenen 20 Jahren hat sie sich insbesondere mit Care-Migration aus Osteuropa befasst.

Dr. Marianne Schmidbaur ist wissenschaftliche Geschäftsführerin des Cornelia Goethe Centrums für Frauenstudien und die Erforschung der Geschlechterverhältnisse der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Ihre Forschungsinteressen und Arbeitsschwerpunkte sind Gender Studies, Care, Berufs- und Hochschulforschung und Feministische - Bewegungen. Sie ist Mitglied der Fachgesellschaft Geschlechterstudien/Gender Studies, der Sektion Frauen- und Geschlechterforschung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie und von AtGender, The European Association for Gender Research, Education and Documentation.