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Editorial | Vereinte Nationen | bpb.de

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Editorial

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Christine Hesse

Immer wieder sind sie Thema in den Fernseh- und Zeitungsnachrichten, zeitweilig sogar in den Schlagzeilen: die Vereinten Nationen, kurz VN.

Ein kleiner Ausschnitt aus den Meldungen des Frühjahrs 2011 macht dies deutlich: Da wird der zu Ende gegangene VN-Weltklimagipfel in Cancun kommentiert, mit Ausblick auf die Folgekonferenz in Durban. VN-Mitarbeiter sterben bei einem islamistischen Anschlag im nordafghanischen Mazari- Sharif. Ein VN-Expertenausschuss veröffentlicht seinen Untersuchungsbericht zu schweren Menschenrechtsverstößen im zwei Jahre zurückliegenden Bürgerkrieg in Sri Lanka. Die VN verlängern das Mandat für einen Blauhelmeinsatz im umkämpften Südsudan. Das VN-Kriegsverbrechertribunal für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag fällt das Urteil im Prozess gegen einen früheren serbischen Nationalistenführer. Die VN leisten Nothilfe für Bürgerkriegsflüchtlinge an der tunesisch-libyschen Grenze und für Bootsflüchtlinge, die aus Afrika kommend in Europa gestrandet sind. Die VN tragen zur Katastrophenhilfe nach dem Erdbeben in Japan bei, und sie protestieren gegen die iranische Atompolitik. Sie verhängen Sanktionen und Waffenembargos gegen den libyschen Machthaber Gaddafi und autorisieren schließlich Luftangriffe, um die dortige Zivilbevölkerung vor ihrer eigenen Regierung zu schützen. In der Elfenbeinküste beteiligen sie sich sogar selbst an Militäraktionen, um einen demokratisch legitimierten Machtwechsel zu ermöglichen und einen Bürgerkrieg zu beenden. Eine beeindruckende Präsenz.

Wer ist diese scheinbar allgegenwärtige Institution, und woraus schöpft sie die Legitimation für ihr Handeln? Hinter dem Begriff Vereinte Nationen steht die Weltgemeinschaft und der erklärte Wille ihrer derzeit 192 Mitgliedstaaten, gravierende internationale Probleme gemeinsam, annähernd gleichberechtigt und möglichst einvernehmlich zu lösen. So bilden die Vereinten Nationen ein Weltforum von einzigartiger Legitimität.

Doch die Frage, ob und wie gut die Vereinten Nationen mit ihrer komplexen Organisationsstruktur ihrem breiten Aufgabenspektrum von der Friedenssicherung über humanitäre Hilfe bis zum Engagement für Menschenrechte, Entwicklung und Umwelt gerecht werden, wird durchaus kontrovers beantwortet. Kritisiert wird häufig eine Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit, zwischen feierlichen Absichtserklärungen und ihrer unzureichenden Umsetzung. Nicht ganz ohne Grund. Denn aus dem Zwang zu weitgehender Einigkeit, aus strukturellen Anachronismen und organisatorischer Unübersichtlichkeit resultieren häufig Entscheidungsschwäche und mangelnde Effizienz.

Zwar besteht einhellig der Wunsch nach Reformen. Deren konsequente Ausgestaltung scheitert jedoch bislang nicht zuletzt an staatlichen Egoismen und an Interessengegensätzen von Staatengruppen. Das beeinträchtigt die Handlungsfähigkeit der Vereinten Nationen und schadet ihrem Ansehen. Sie können nur so effizient sein, wie ihre Mitgliedsländer es zulassen.

Was die Vereinten Nationen in den vergangenen 65 Jahren dennoch geleistet haben, welche Ideen und Strukturen ihnen zugrunde liegen, wie sie in ihren Haupttätigkeitsfeldern agieren, welchen Problemen sie dabei begegnen und auf welche Herausforderungen sie sich einstellen müssen, ist Gegenstand dieser Heftausgabe.

Dabei wird eines klar: An der fortbestehenden Notwendigkeit der Vereinten Nationen kann nicht der geringste Zweifel bestehen. Genauso unabweisbar ist die Notwendigkeit struktureller Reformen, denn nur so wird die Weltgemeinschaft künftig in der Lage sein, die anstehenden Probleme von globaler Tragweite zu lösen.

Christine Hesse