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Eigene Geräte in der Schule nutzen – BYOD als Konzept für die Lehre der Zukunft

Jürgen Drewes

/ 6 Minuten zu lesen

Arbeiten nach dem Prinzip "Bring your own device" oder "Bring dein eigenes Gerät mit“ – wie funktioniert das? Lehrer und Gastautor Jürgen Drewes mit einem Erfahrungsbericht zu seiner Tablet-Klasse.

Bei dem Konzept Bring Your Own Device (BYOD) werden private mobile Endgeräte in die Netzwerke von (Bildungs-)Institutionen integriert ( Jürgen Drewes / bearbeitet / privat / Externer Link: CC BY-SA 4.0 )

„Bring Your Own Device (BYOD) ist die Bezeichnung dafür, private mobile Endgeräte wie Laptops, Tablets oder Smartphones in die Netzwerke von Unternehmen oder Schulen, Universitäten, Bibliotheken und anderen (Bildungs-)Institutionen zu integrieren.“ Diese Definition aus der Online-Enzyklopädie Wikipedia eröffnet für den schulischen Bereich mehrere Möglichkeiten, die jeweils unterschiedliche Chancen und Risiken enthalten.

Am Bischöflichen Clara-Fey-Gymnasium in Schleiden (Eifel) läuft ein auf zwei Jahre (Jahrgangsstufe 8 und 9) angelegtes Pilotprojekt Tablet-Klasse, dessen Ziel es ist, schuleigene Erfahrungen in möglichst vielen Fächern zu sammeln, um auf deren Grundlage den weiteren Ausbau digitaler Schule zu prüfen. Eine tragende Säule des Konzepts ist BYOD: Alle Schülerinnen und Schüler beziehungsweise deren Eltern haben dem Projekt sowie dem Kauf eines Tablets (2-in-1-Gerät: Display und Tastatur, freie Geräteauswahl) zugestimmt und es erworben (einheitliches Betriebssystem ist Windows 10). Somit besitzen alle Lernenden ein eigenes Tablet, mit dem sowohl in der Schule als auch zu Hause gearbeitet werden kann. Unsere bisherige Erfahrung zeigt, dass das Gerät fast ausschließlich zum schulischen Arbeiten verwendet wird – alles andere (Kommunizieren, Spielen) erfolgt weiterhin über das Handy. Hier unterscheiden die Schülerinnen und Schüler nach eigenen Angaben und auf meine Nachfrage hin zwischen Arbeit und Freizeit. Die Verantwortung fürs Gerät (Pflege, Wartung, Einhaltung der Nutzungsvereinbarung) liegt in Händen der Schülerinnen und Schüler.

Eine weitere Säule des Konzepts stellt die weitgehende wirtschaftliche Unabhängigkeit durch schulinterne Eigenregie dar. Das bedeutet, dass wir bei der Bereitstellung der technischen Rahmenbedingungen im Hause nur soweit wie unbedingt erforderlich (z.B. bei der Verlegung von Kabeln in den Klassenräumen) auf Fremdfirmen angewiesen sind. Ansonsten werden wir durch unsere Netzwerk-AG unterstützt, die die schulinterne Wartung aller Netzwerk-Ressourcen übernimmt und aus zwölf Schülerinnen und Schülern sowie einem Leiter besteht. Ebenso schließen wir über das Betriebssystem und das Office-Paket hinaus keine Verträge mit großen IT-Unternehmen ab. Dies ermöglicht die notwendige Freiheit schulischer Bildung von mächtigen ökonomischen und damit auch zusammenhängenden didaktischen Interessen, etwa dem Einsatz vorgefertigter Lerninhalte, die den vor Ort bestehenden Realitäten nicht gerecht werden können. Die Entscheidung für das meistgenutzte Betriebssystem Windows ermöglicht die reibungslose Kompatibilität mit bestehenden Netzwerk-Ressourcen der Schule (schuleigene Cloud und Server), ebenso mit den heimischen PCs der meisten Schülerinnen und Schüler. WLAN im Klassenraum wird vom Lehrenden durch einen Accesspoint hergestellt.

Wie BYOD die Lehre verändert

BYOD verändert meiner Meinung nach Lernen und Lehren unter anderem in folgenden Bereichen:

  • Binnendifferenzierung realisieren: Digitale Technik ermöglicht, wozu die „analoge Schule“ nie in der Lage war: Im Idealfall arbeiten alle Schülerinnen und Schüler mit ihrem Gerät auf ihrem individuellen Lernweg (Tempo, Qualität, Quantität)

  • Eigenverantwortung stärken: Individuelle Lernwege ermöglichen mehr selbstgesteuertes Lernen

  • Sprachaufnahmegerät, Fotoapparat und Videokamera sind stets griffbereit: Standbilder, Audios und Videos, z.B. von Bewegungsabläufen im Sport-oder von Experimenten im Chemieunterricht, können erstellt werden

  • Arbeiten mit digitalen Schulbüchern, Audios, Videos, Podcasts, Online-Lexika

  • Inhalte kollaborativ orts- und zeitunabhängig produzieren und teilen

  • Projizieren von Texten, Bildern, usw. über den Beamer auf die Leinwand in der Klasse z.B. bei der Besprechung von Hausaufgaben

An einem Beispiel möchte ich veranschaulichen, dass digitale Schule (hier verstanden als Unterricht, der die Arbeit der Schülerinnen und Schüler mit mobilen Endgeräten ins Zentrum stellt) mehr und etwas anderes ist, als die digitale Abbildung analoger Schule.

Wir arbeiten unter anderem auf einem Externer Link: Schulwiki, einer kollaborativen Lernplattform, die für alle jederzeit und von überall aus erreichbar ist. Das bedeutet zum Beispiel, dass die eigenen Hausaufgaben für andere Schülerinnen und Schüler sowie Lehrerinnen und Lehrer jederzeit öffentlich sichtbar sind. Alle können voneinander profitieren, indem sie sich gegenseitig inspirieren. Die Öffentlichkeit nennen die Schülerinnen und Schüler als Grund dafür, dass sie nicht einfach nach dem Prinzip Copy-and-Paste verfahren. Dieses kollaborative Arbeiten und Lernen ist ein besonderes Kennzeichen digitaler Schule mit entsprechenden fachlichen und gruppendynamischen Konsequenzen. Es steht im Kontrast zum Einzelkämpfertum, das besonders an Gymnasien noch immer im Vordergrund steht und mit der Team- und Projektarbeit im anschließenden Beruf und Studium nichts gemeinsam hat. Peer-Feedback der Lernenden untereinander – wobei die Kriterien von mir vorgegeben werden – ermöglicht die Überarbeitung und Verbesserung, zum Beispiel von eigenen Texten. Was früher auf die Präsenzzeiten der Unterrichtsstunde begrenzt war, weitet sich durch den Einsatz digitaler Geräte deutlich aus.

Als Lehrer kann ich ständig Feedback geben, nicht erst in der Unterrichtsstunde und lediglich punktuell. Hier bedarf es einer grundsätzlichen Entscheidung jeder und jedes Lehrenden, wie weit sie oder er Beruf und Privates trennen oder miteinander verbinden möchte. Für mich ist es offensichtlich, dass diese neue Arbeitsweise es mir erlaubt, detailliertere Blicke auf die Arbeiten der Lernenden zu werfen, die letztlich zu einer sachgerechten Bewertung ihrer Leistungen führen – ich beurteile diese Möglichkeit daher positiv. Die Arbeit auf dem Wiki erfordert außerdem, Persönlichkeits- und Urheberrechte sowie Datenschutzrichtlinien zu beachten und geltendes Recht im Internet anzuwenden.

Der Freiraum des Einzelnen in der digitalen Schule, der sich unter anderem in Möglichkeiten der Binnendifferenzierung, individuellen Lernwegen und kreativen Lösungen äußert, erfordert auf der anderen Seite ein deutliches Mehr an Eigenverantwortung. Effiziente Techniken zur Organisation der eigenen Arbeit zu entwickeln, ist für viele Schülerinnen und Schüler eine Herausforderung und wesentliches Ziel digitaler Schule.

Für mich als Lehrer bedeutet das darüber hinaus, den äußeren Rahmen (etwa grundlegende Kenntnisse in Recherchetechniken, Erstellen von Erklärvideos, Zeitvorgaben, Aufgabenstellungen) präzise, eindeutig und konsequent zu setzen.

Anforderungen für Lehrende

Lehrende, die die erweiterten Möglichkeiten digitaler Schule erkennen und ihren Schülerinnen und Schülern zugänglich machen möchten, müssen zunächst selbst umfassende Kenntnisse zur medienpädagogischen Arbeit erwerben. Bestenfalls sind sie täglich im Netz unterwegs, bloggen, beteiligen sich an einschlägigen Diskussionen, vernetzen sich mit Lehrenden, etwa über Social Media, die denselben Weg gehen und teilen ihre Erfahrungen mit ihnen. Sie sind – soweit sie das möchten – mit ihren Schülerinnen und Schülern auch außerhalb der Unterrichtszeiten in Kontakt und stets auf der Suche nach sinnvollen Tools für den Unterricht.

Weiterführende Literatur:

Aßmann, Sandra; Meister, Dorothee M., Pielsticker, Anja (Hg.) (2014): School's out?: Informelle und formelle Medienbildung, München: kopaed.

Blatter, Martin, Hartwagner Fabia (2015): Digitale Lehr- und Lernbegleiter, Bern: hep-Verlag.

Bos, Wilfried; Lorenz, Ramona; Endberg, Manuela; Schaumburg, Heike; Schulz-Zander, Renate; Senkbeil, Martin (Hg.) (2015): Schule digital – der Länderindikator 2015, Münster: Waxmann.

Brüggemann, Marion; Knaus, Thomas; Meister, Dorothee M. (2016): Kommunikationskulturen in digitalen Welten, München: kopaed.

Burow, Olaf-Axel (2014): Digitale Dividende: Ein pädagogisches Update für mehr Lernfreude und Kreativität in der Schule, Weinheim/Basel: Beltz.

Giesecke, Michael (2002): Von den Mythen der Buchkultur zu den Visionen der Informationsgesellschaft: Trendforschungen zur kulturellen Medienökologie, Frankfurt/M.: Suhrkamp.

Hartmann, Werner; Hundertpfund, Alois (2015): Digitale Kompetenz: Was die Schule dazu beitragen kann, Bern: hep-Verlag.

Larbig, Torsten; Spang, André; Bieler, Ines; Henning, Urs (2017): Digitale Medien für Unterricht, Lehrerjob und Schule: Die besten Ideen und Tipps aus dem Twitterchat #EDchatDE. Berlin: Cornelsen.

Mittelstädt, Holger und Rainer (2015): 99 Tipps - Praxis-Ratgeber Schule für die Sekundarstufe I und II: Digitale Medien im Unterricht, Berlin: Cornelsen.

Möbius, Thomas; Steinmetz, Michael; Lang, Verena (2015): Tablets im Deutschunterricht, München: kopaed.

Notari, Michele; Döbeli Honegger, Beat (2013): Der Wiki-Weg des Lernens, Bern: hep-Verlag.

Wampfler, Philippe (2017): Digitaler Deutschunterricht: Neue Medien produktiv einsetzen, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

Jürgen Drewes unterrichtet am Bischöflichen Clara-Fey-Gymnasium in Schleiden in den Fächern Deutsch, Katholische Religion, Sport und Politik. Außerdem arbeitet er als Beauftragter für Religionspädagogik am Katechetischen Institut/Aachen und hat sich zum Medienpädagogen weitergebildet. Seit einem Jahr leitet er eine Tabletklasse.