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Info 05.08 Der erste deutsche Integrationsgipfel | Jugendliche zwischen Ausgrenzung und Integration | bpb.de

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Info 05.08 Der erste deutsche Integrationsgipfel

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Der ZEIT-Artikel beschäftigt sich mit den Ergebnissen und dem Ablauf des ersten deutschen Integrationsgipfels.

Hinterher war die Zufriedenheit groß. Der Integrationsgipfel sei ein fast historisches Ereignis gewesen, sagte Kanzlerin Angela Merkel nach dem Treffen [am 14. Juli 2006]. Doch weil ihr dies dann wohl selbst ein wenig hoch gegriffen erschien, fügte sie schnell hinzu, in jedem Fall sei es "sehr bedeutsam" gewesen.

In einem mehrstündigen Gespräch hatten 86 Teilnehmer aus den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Bereichen, darunter ein Drittel Migranten sowie zahlreiche hochrangige Politiker, Erfahrungen und Erkenntnisse zum Thema Integration ausgetauscht. Dabei ging es um drei zentrale Themen: Einwanderung im allgemeinen, Sprachförderung und Arbeitsmarkt.

Teilnehmer beschrieben die Atmosphäre als konstruktiv und angenehm, was sich auch in der großen Zahl der Wortmeldungen widergespiegelt habe. "Ein gelungener Auftakt zu einem intensiven Diskussionsprozess sei es gewesen", sagte die Kanzlerin – und fairer Weise muss man hinzufügen: Mehr war auch nicht beabsichtigt. Gefragt, was sie besonders beeindruckt habe, fiel der Kanzlerin eine kleine Beobachtung am Rande ein. Dass nämlich Theo Zwanziger, der Präsident des Deutschen Fußballbundes, sich am Rande mit Kenan Kolat unterhalten habe, dem Vorsitzenden der Türkischen Gemeinde in Deutschland. Auch das sei eben ein Ziel des ganzen Unternehmens: Unterschiedliche Akteure, die sonst eher selten aufeinanderstoßen, zusammen und ins Gespräch zu bringen.

Dass alle Beteiligten offenbar sehr gewillt waren, das Ereignis zu einem positiven Erlebnis werden zu lassen, zeigt sich auch daran, dass die Themen, die im Vorfeld für Streit gesorgt hatten, während des Gipfels keine nennenswerte Rolle spielten. Obwohl der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber am Freitagmorgen noch einmal Öl in das Feuer der Sanktionsdebatte gegossen hatte, wurde das Thema während des Treffens nur von der Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Renate Künast, kritisch aufgegriffen.

Über Sanktionen sei auch deswegen nicht diskutiert worden, weil von ihnen ohnehin nur ein winziger Teil der mehr als 15 Millionen in Deutschland lebender Menschen mit Migrationshintergrund betroffen wären, sagte Merkel. Diejenigen unter den Unions-Ministerpräsidenten, denen das Thema sonst so am Herzen liegt, hatten sich offenbar zurückgehalten. Stoiber habe ausschließlich über Sprachförderung gesprochen, sagte ein Teilnehmer.

In direkter Gegenwart der Vertreter der Migranten konzentrierten sich die Politiker offenbar auf die Botschaft, die eigentlich von dem Gipfel ausgehen soll: Nämlich dass Einwanderer in Deutschland eine "offene Tür" und ein Zuhause vorfinden sollen, sofern sie ihrerseits hier zuhause sein wollen. Integration sei immer ein zweiseitiger Prozess, betonte Merkel denn auch. Einwanderer veränderten die Gesellschaft zu der sie hinzukämen. Schließlich habe auch das Ruhrgebiet sich im 19. Jahrhundert durch die Einwanderung von Polen verändert. Zugleich biete des Zuwanderungsland aber natürlich einen Kanon an Regeln und Werten, die akzeptiert werden müssten. Während des Gipfels wurde aber auch deutlich, dass diese propagierte Offenheit von den Migranten als solche keinesfalls wahrgenommen wird. Sie habe eine große Freude darüber gespürt, dass der Gipfel überhaupt stattfinde, sagte Merkel, musste aber zugleich selbstkritisch anfügen: "Man selber denkt ja, wir seien schon offen, aber das kommt so nicht an".

Arbeitsminister Franz Müntefering stellte besonders heraus, dass Integration immer über den Arbeitsmarkt gehe. Die Probleme hätten proportional zur Arbeitslosigkeit zugenommen, sagte er. Gerade Einwanderer seien davon betroffen, dass es immer weniger niedrig qualifizierte Jobs gebe. Programme zur Eingliederung von Migranten in den Arbeitsmarkt müssten deswegen überprüft und verbessert werden. Debatten hatte es im Vorfeld auch über die Auswahl der Teilnehmer gegeben. Diese Frage sei während des Gipfels aber ohne Aufgeregtheit behandelt worden, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Fritz Rudolf Körper Zeit online. Es sei angedacht worden, inwieweit mit denen, die nicht dabei waren, die Kommunikation nochmals aufgenommen werden könne.

Im Anschluss werden nun sechs Arbeitsgruppen gebildet, die sich mit Themen wie Sprache, Arbeitsmarkt, Frauen und bürgergesellschaftlichem Engagement befassen werden. Sie sind jeweils einem Bundesministerium zugeordnet. In diesen Gruppen dürfte die Diskussion nicht immer so reibungslos verlaufen, wie während des Gipfels. "Wir werden noch einen schwierigen Diskussionsprozess haben, wenn wir aus den Unverbindlichkeiten herauskommen", räumte Merkel ein.

Und ganz sicher wird spätestens dann auch eine Frage auftauchen, die Arbeitsminister Müntefering am Freitag erst mal noch weit von sich wies, die nach der Finanzierung nämlich. "Diese Frage macht mich wütend", sagte Müntefering. Wer frage, was Integration koste, könne genauso gut fragen, was es koste, wenn es keine Migranten gebe. Zuwanderung sei in erster Linie ein wirtschaftlicher Gewinn.

So richtig diese Position sicher ist: Wenn es tatsächlich zu konkreten Projekten kommen soll, und das haben sich die Teilnehmer des Treffens fest versprochen, wird man auch aus dieser Unverbindlichkeit herauskommen müssen.

Aus: Katharina Schuler: Nun aber mal konkret. ZEIT online, 14.7.2006. Online unter: Externer Link: (27.11.07).

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