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Demokratie | ABDELKRATIE | bpb.de

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Demokratie

Grit Straßenberger

/ 6 Minuten zu lesen

Hier findest Du Hintergrundinfos zum ABDELKRATIE-Video "Demokratie".

DEMOKRATIE – Wer entscheidet, wie es läuft?

Video-Reihe "Abdelkratie"

DEMOKRATIE – Wer entscheidet, wie es läuft?

Nach Artikel 20, Absatz 1 des Grundgesetzes ist die Bundesrepublik Deutschland eine Demokratie. In dieser Staatsform übt das Volk die Herrschaftsgewalt aus. Was heißt das eigentlich und warum ist das so wichtig? In diesem Video bekommt Ihr eine Antwort!

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Die Demokratie ist die schwatzhafteste aller Regierungsformen. Alle können über alles, was alle angeht, überall reden und auch streiten. Dieses demokratische Streitgespräch über das, was alle angeht, findet vor allem in der Öffentlichkeit statt: auf dem Marktplatz oder in anderen öffentlichen Foren, wie dem Parlament, den Massenmedien und den sozialen Netzwerken. In der Gestalt der Öffentlichkeit liegt einer der größten Unterschiede zwischen der alten Demokratie im antiken Griechenland und der modernen Demokratie.

In der griechischen Demokratie traf sich die Bürgerschaft auf dem öffentlichen Marktplatz, der das Zentrum des antiken Stadtstaates bildete. Hier beriet sich das Volk und traf auch alle wesentlichen Entscheidungen. Die Volksversammlung war das höchste, in seinen Befugnissen weder von der geltenden Verfassung noch von anderen politischen Institutionen eingeschränkte Gremium. Die antike Demokratie, wie sie vor über 2500 Jahren in Athen praktiziert wurde, gilt bis heute als Urbild der Demokratie, weil das Volk hier direkt, also nicht vermittelt über Repräsentanten, die politische Herrschaft ausübte.

Das hat nicht jedem gefallen, war aber auch später, als die Staaten und die stimmberechtigte Bürgerschaft größer wurden, nicht mehr praktikabel. Die Demokratie in Athen war eine kleinräumige politische Organisationsform, die für große moderne Flächenstaaten, wie etwa die Bundesrepublik Deutschland, nicht taugt. Es gibt keinen Marktplatz, der groß genug wäre, damit sich das Volk hier versammeln könnte. Doch nicht nur die Größe machte die direkte Demokratie unmöglich, es gab auch andere Vorbehalte gegenüber der "Herrschaft des Volkes". Besonders der demokratische Grundsatz, dass die Mehrheit entscheidet, bildete immer wieder den Stein des Anstoßes. Denn die Mehrheit konnte sich irren, ja sie konnte sogar die Demokratie selbst abschaffen.

Die Demokratie als bestmögliche Regierungsform

Bereits zur Zeit ihrer Entstehung im antiken Griechenland hatte die Demokratie nicht nur Freunde und Unterstützer, sondern auch berühmte Gegner. Die griechischen Philosophen Platon und Aristoteles sahen in der Demokratie die Herrschaft der armen, ungebildeten und für aufhetzende Politik empfänglichen Masse und setzten sie mit "Pöbelherrschaft" gleich. Dieses negative Urteil über die Demokratie hielt sich über Jahrhunderte hinweg. Erst im 18. Jahrhundert setzte sich im Zuge der Amerikanischen und Französischen Revolution eine positive Deutung durch. Dabei grenzten sich die "Verfassungsväter" der US-amerikanischen Demokratie vehement von der direkten Volksherrschaft ab. Sie hielten die direkte Demokratie weder für wünschenswert noch für praktikabel.

Die erste moderne Demokratie, wie sie 1789 mit Inkrafttreten der US-Verfassung gegründet wurde, beruht auf drei Prinzipien: dem Prinzip der Volkssouveränität, wonach jede staatliche Machtausübung durch das Volk legitimiert sein muss, dem auf freien und gleichen Wahlen beruhenden Prinzip politischer Repräsentation und dem Prinzip der Gewaltenteilung als Mittel der Machtkontrolle. An der Spitze dieser "repräsentativen Demokratie", die auch als "präsidentielle Demokratie" bezeichnet wird, steht ein direkt vom Volk gewählter und mit erheblichen Vollmachten ausgestatteter Präsident (Exekutive), dessen Macht durch eine aus zwei Kammern bestehende parlamentarische Repräsentativversammlung (Legislative) und eine von Mehrheitsentscheidungen unabhängige Gerichtsbarkeit (Judikative) beschränkt wird.

(© bpb)

Dieses ausgeklügelte System von checks and balances sollte auch für ein "Volk von Teufeln" taugen. Denn die US-amerikanischen Verfassungsväter gingen keineswegs davon aus, dass der Mensch einfach von Natur aus gut ist und in der Demokratie nur vernünftige Entscheidungen getroffen werden. Vielmehr sollten gute politische Institutionen dafür sorgen, dass weder die Interessen mächtiger Einzelner, etwa sehr reicher Menschen, zu stark werden, noch die Demokratie zu einer "Tyrannei der Mehrheit" werden kann. Die repräsentative Demokratie, wie sie erstmals in der bis heute gültigen Verfassungsordnung der USA eingerichtet wurde, gründet auf dem Grundsatz, dass bei Wahlen und Abstimmungen die Mehrheit entscheidet. Sie ist aber keine reine Mehrheitsherrschaft. Die repräsentative Demokratie wird durch die Verfassung und die darin festgelegten Prinzipien begrenzt.

Die Demokratie in Deutschland

Die Demokratie setzte sich im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts auch in anderen Teilen der Welt mehr und mehr durch. Diese "Wellen der Demokratisierung" waren jedoch immer wieder von Gegenbewegungen und Zerfallsprozessen begleitet – so auch in Deutschland, wo sie erst nach dem Ersten Weltkrieg (1914-1918) und zunächst auch nur für kurze Zeit eingeführt wurde.

Die Geschichte Deutschlands bietet ein eindrückliches Beispiel dafür, dass sich Demokratien selbst abschaffen können: Die 1919 gegründete "Weimarer Republik" wurde 1933 von den demokratisch gewählten Feinden der Demokratie abgeschafft und ein totalitäres Terrorregime installiert. Dieses nationalsozialistische Regime zerstörte alle politischen und privaten Freiheiten und kostete in einem beispiellosen Vernichtungskrieg Millionen von Menschen das Leben: auf den Schlachtfeldern und in den Konzentrationslagern, die die Nationalsozialisten einrichteten, um die "Feinde" des deutschen Volkes zu vernichten. Das sollte nie wieder möglich sein.

Das 1949 in Kraft getretene "Grundgesetz" bezeichnet die Bundesrepublik Deutschland als "demokratischen und sozialen Bundesstaat", in dem "alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht" und in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung (Legislative), der vollziehenden Gewalt (Exekutive) und der Rechtsprechung (Judikative) ausgeübt wird. Zu den Prinzipien dieser "freiheitlichen demokratischen Grundordnung", die auch durch Mehrheitsentscheidungen nicht geändert werden dürfen, gehören die "unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechte". Diese auch als Grundrechte bezeichneten Freiheitsrechte "binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht", wie es im ersten Artikel des Grundgesetzes unmissverständlich heißt, denn: "Die Würde des Menschen ist unantastbar."

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Das politische System in Deutschland ist eine parlamentarische Demokratie, die auch als "Kanzlerdemokratie" bezeichnet wird, weil die Regierungschefin hier eine herausgehobene Stellung innehat. Deutschland ist jedoch keine präsidentielle Demokratie wie die USA oder Frankreich, wo der Präsident direkt vom Volk gewählt wird. Die Kanzlerin wird durch die in Parteien organisierten und alle vier Jahre gewählten Bundestagsabgeordneten bestimmt, wobei zumeist die stärkste im Parlament (Bundestag) vertretene Partei den Regierungschef stellt. Mit dem politischen System der USA vergleichbar – und anders als etwa in Frankreich – ist die föderale Struktur Deutschlands. Das heißt, dass die Bundesländer, wie etwa Bayern, Niedersachsen oder Thüringen und die sogenannten Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg viele Dinge selbst regeln können. Über den Bundesrat üben sie auch einen großen Einfluss auf die Politik der Bundesregierung aus.

Die Versprechen der Demokratie und ihre Gefährdungen

Im Unterschied zu autokratischen Regimen, in denen Einzelne, eine Partei oder das Militär die politische Macht unkontrolliert ausüben, in ihren Entscheidungen also weder durch die Verfassung noch durch konkurrierende Machtgruppen oder eine kritische Öffentlichkeit beschränkt werden, ist die Demokratie eine beratungsintensive und darin sehr voraussetzungsvolle Regierungsform. Sie bedarf nämlich nicht nur eines guten politischen Institutionensystems der Gewaltentrennung und Gewaltenverschränkung, sondern auch einer sozialen und ökologischen Wirtschaftsordnung sowie einer pluralistischen Kultur gesellschaftlicher Konfliktaustragung.

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Zur politischen Kultur einer lebendigen Demokratie gehört der Einfluss von sozial, ethnisch und religiös sehr unterschiedlich geprägten Verbänden, Vereinen und zivilgesellschaftlichen Initiativen, die ihren je spezifischen Anliegen politische Geltung verschaffen wollen. Am Ende dieses konfliktreichen Prozesses gesellschaftlicher Interessenvermittlung werden die politischen Entscheidungen zwar nach dem Mehrheitsprinzip gefällt und die unterlegene Minderheit muss die Mehrheitsentscheidung anerkennen. Aber sie hat die Chance, bei künftigen Wahlen und Abstimmungen ihrerseits Mehrheiten zu finden. Die Demokratie ist damit auch eine "Lebensform". Demokratische Werte und Tugenden, wie Freiheitsliebe, Gemeinsinn und Toleranz, aber auch die Fähigkeit, Meinungsunterschiede auszuhalten und politisch begründete Urteile zu treffen, müssen in der Praxis bürgerschaftlicher Teilhabe ausgebildet werden.

Gemessen an dem demokratischen Ideal, die politische Teilhabe aller zu ermöglichen und zugleich ein Maximum an Sicherheit und Wohlstand für alle zu gewährleisten, ist der repräsentativen Demokratie ein dreifaches Problem eingeschrieben: Der politische Beratungs- und Entscheidungsprozess ist umständlich und dauert lange; das über Mehrheitsentscheidungen getroffene Ergebnis ist eine Kompromisslösung, mit der nie alle einverstanden sind; und trotz der Ergänzung repräsentativer Verfahren durch Institutionen lokaler Selbstverwaltung und direktdemokratische Elemente wie Volksentscheide ist die moderne Demokratie eine vermittelte Regierungsform. Die politischen Entscheidungen werden nicht direkt vom Volk getroffen, sondern durch gewählte Repräsentanten.

Die Demokratie ist das möglicherweise nie ganz einzulösende Versprechen auf "Gleich-Freiheit". Aber es lohnt sich, das Wagnis einzugehen und zu versuchen, diese große Utopie zu verwirklichen. Dabei muss immer wieder der gefährlichen Versuchung widerstanden werden, komplexe Probleme auf einfache Lösungen zu reduzieren. Die populistische Politik der einfachen Lösungen bewirkt keine Demokratisierung der Demokratie, sondern befördert autoritäre Führungsstrukturen. Ein kluges Volk misstraut einfachen Lösungen und wählt den komplizierten und anspruchsvollen Weg demokratischer Konfliktaustragung.

ist seit 2015 Professorin für Politikwissenschaft an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Politische Theorie und Ideengeschichte, Demokratietheorie, Zivilgesellschaftsforschung, Führungs- und Elitentheorie, performative Konzeptionen des Politischen.