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Regierungsbildung

Oliver Kannenberg

/ 5 Minuten zu lesen

(© bpb)

Angela Merkel ist seit 2005 Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland. Bei der kommenden Bundestagswahl wird sie nicht mehr für eine weitere Amtszeit antreten. Andere Politikerinnen und Politiker werden sich für das Amt des Regierungsoberhaupts bewerben. Doch wie geht das eigentlich? Wer kann Kanzler oder Kanzlerin werden? Und welche persönlichen Voraussetzungen sind für dieses Amt notwendig?

Wer kann Bundeskanzlerin oder -kanzler werden?

Zunächst einmal gibt es keine wahlrechtlichen Einschränkungen, um Kanzler oder Kanzlerin zu werden. Juristische Einschätzungen gehen davon aus, dass die Kriterien des passiven Wahlrechts als Voraussetzung für die Wählbarkeit herangezogen werden können. Damit können theoretisch alle Deutschen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und nicht explizit vom Wahlrecht ausgeschlossen sind, kandidieren. In der Praxis werden vor der Wahl Kanzlerkandidatinnen oder Kanzlerkandidaten von den Parteien ernannt. Sie werden für die öffentliche Wahrnehmung nominiert, damit die Bürgerinnen und Bürger wissen, welche Partei wen als Kanzlerin oder als Kanzler wählen möchte. Bei der Bundestagswahl 2021 sind das Armin Laschet für die Unionsparteien CDU/CSU, Olaf Scholz für die SPD sowie Annalena Baerbock für Bündnis90/Die Grünen. Einige Parteien, die sich keine realistischen Chancen auf den Wahlsieg ausrechnen, stellen Spitzenkandidatinnen und Spitzenkandidaten auf. Während die AfD mit Alice Weidel und Tino Chrupalla und Die Linke mit Janine Wissler und Dietmar Bartsch jeweils eine Doppelspitze benannt haben, ist bei der FDP der Parteivorsitzende Christian Lindner als alleiniger Spitzenkandidat gewählt worden. Auf diese Personen wird der Wahlkampf zugeschnitten. Sie werden immer wieder in der medialen Berichterstattung auftauchen.

Wie wird das Regierungsoberhaupt gewählt?

Auch Angela Merkel war 2005 erst Kanzlerkandidatin der Unionsparteien und wurde nach der Wahl zur Bundeskanzlerin gewählt. Wie ist ihr das gelungen? Festzuhalten ist, dass nicht die Bürgerinnen und Bürger über die Besetzung des Kanzleramtes entscheiden, sondern die gewählten Abgeordneten im Bundestag, die sich in Fraktionen zusammenschließen. Fraktionen entsprechen weitestgehend den Parteien, lediglich CDU und CSU bilden als Union eine gemeinsame Fraktion. Die Zusammensetzung des Bundestages spielt für die Entscheidung, wer Regierungsoberhaupt wird, demnach eine entscheidende Rolle. Erhält beispielsweise Partei A durch ein sehr gutes Wahlergebnis mehr als die Hälfte der Abgeordnetenmandate, erreicht sie die "absolute Mehrheit". Dies war in Deutschland erst einmal der Fall. In den meisten Fällen erhält keine Partei allein mehr als 50 Prozent der Mandate. Stattdessen schließen sich nach der Wahl so viele Parteien wie nötig zusammen, um mit mehr als 50 Prozent der Abgeordneten eine Koalitionsregierung zu bilden. Dies waren entweder zwei oder, wenn CDU und CSU beteiligt waren, auch drei Parteien. Denkbare Koalitionspartner führen Gespräche darüber, welche politischen Ziele sie in ihrer Regierungszeit umsetzen wollen. Hierfür beschließen sie üblicherweise einen Koalitionsvertrag und vereinbaren darin auch, welche Partei die Kanzlerin oder den Kanzler stellt und wie die Ministerämter besetzt werden.

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Steht die Koalition, erfolgt die Wahl des Regierungsoberhauptes im Deutschen Bundestag. Wie diese abzulaufen hat, ist in Artikel 63 Absatz 1 des Grundgesetzes festgeschrieben: "Der Bundeskanzler wird auf Vorschlag des Bundespräsidenten vom Bundestage ohne Aussprache gewählt." Das Vorschlagsrecht wird vom Bundespräsidenten nicht willkürlich genutzt, sondern in Abstimmung mit den Parteien, die erklärt haben, eine Regierung zu bilden. Wenn Partei A mit Partei B eine Koalition eingeht und erklärt, dass Kirstin die nächste Bundeskanzlerin werden soll, dann würde Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sie vorschlagen und die Abgeordneten der Fraktionen A und B sie (sehr wahrscheinlich) auch wählen. Genau wissen wir nicht, wie die Abgeordneten bei der Wahl des Regierungsoberhaupts abstimmen, denn die Abstimmung findet nicht namentlich, also geheim, statt.

Doch was passiert, wenn die Wahl nicht so reibungslos abläuft wie beschrieben und im ersten Wahlgang kein Vorschlag die absolute Mehrheit der Stimmen erhält? Dann verfällt das Vorschlagsrecht und der Bundestag kann innerhalb von vierzehn Tagen eine Kanzlerkandidatin oder einen Kanzlerkandidaten mit absoluter Mehrheit wählen. Verstreicht diese Frist, findet "unverzüglich" ein neuer Wahlgang statt, indem zum Regierungsoberhaupt gewählt wird, wer die meisten Stimmen auf sich vereinen kann. Das können also auch weniger als 50 Prozent sein. Erreicht derjenige oder diejenige in diesem Wahlgang die absolute Mehrheit, muss der Bundespräsident beziehungsweise die Bundespräsidentin ihn oder sie ernennen. Bei der einfachen Mehrheit hat das Staatsoberhaupt die Wahl. Er oder sie kann entweder die Person zum Bundeskanzler beziehungsweise zur Bundeskanzlerin ernennen oder den Bundestag auflösen und Neuwahlen ausrufen. Bislang ist dies in der deutschen Geschichte jedoch noch nicht passiert. Im Normalfall wird im ersten Wahlgang der Kanzlerkandidat beziehungsweise die Kanzlerkandidatin der regierungstragenden Mehrheitsfraktionen gewählt.
Auch eine sogenannte Minderheitsregierung ist möglich. Das würde zum Beispiel bedeuten, dass eine Partei alle Ministerämter besetzt und sich je nach Themenfeld mit den Abgeordneten der Oppositionsfraktionen eine Mehrheit organisieren muss. Während es in einigen Regionen (zum Beispiel Skandinavien) regelmäßig zu Minderheitsregierungen kommt, gab es diese in Deutschland auf der Bundesebene nur in Übergangsphasen.

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Wer kommt als Ministerin oder Minister in die Bundesregierung?

Nach der Wahl des Regierungsoberhauptes erfolgt die Ernennung der Ministerinnen und Minister durch den Bundespräsidenten oder die Bundespräsidentin. Diesmal hat das Regierungsoberhaupt das Vorschlagsrecht, da es für die Regierung die Verantwortung trägt und Entscheidungshoheit besitzt. Dies wird als Richtlinienkompetenz bezeichnet. Deswegen werden die Ministerinnen und Minister nicht einzeln vom Parlament gewählt, sondern sind als gesamte Regierung ("Kabinett") auf das Vertrauen der regierungstragenden Mehrheit angewiesen. Die Ministerinnen und Minister haben in aller Regel bereits verschiedene Positionen und Ämter in ihrer Partei innegehabt und im Optimalfall bereits fachpolitische Kompetenz in einem oder mehreren Themenfeldern bewiesen. In seltenen Fällen werden auch Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger mit einem Ministerposten bedacht. Dies sind Personen, die sich durch sehr viel Fachkompetenz und Expertise auszeichnen, aber zuvor keine oder nur wenig Politik-Erfahrung gesammelt haben. So zum Beispiel Werner Müller, der 1998 als parteiloser Minister für Wirtschaft und Technologie in das Kabinett Schröder berufen wurde.

Bleibt zu klären, wie die Wählerinnen und Wähler vor der Wahl in Erfahrung bringen können, welche Koalitionen die Parteien nach der Wahl eingehen werden. Mit wem eine Partei koalieren möchte, wird im Vorfeld der Wahl auch von den Medien immer wieder abgefragt. Zudem können im Wahlkampf viele Parteivertreterinnen und Parteivertreter entweder online oder an Wahlkampfständen angesprochen und zu Koalitionsplänen befragt werden. Eine weitere Orientierung liefern die Wahlprogramme, die inzwischen nicht nur in Lang-, sondern meistens auch in Kurzversionen zur Verfügung stehen. Darin stehen die politischen Ziele der Parteien, die sie im Falle der Regierungsbeteiligung umsetzen wollen. Bei Parteien, die ähnliche politische Ziele verfolgen, ist es wahrscheinlicher, dass sie nach der Wahl eine Regierungskoalition bilden. Natürlich geht das nur, wenn sie gemeinsam mehr als 50 Prozent der Mandate erhalten. Denn klar ist auch: Die Parteien können nur eine Regierung bilden, die das Wahlergebnis zulässt.

Fussnoten

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ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Parlamentarismusforschung (IParl) in Berlin. Seine Forschungsschwerpunkte sind u. a. Koalitionsregierungen und -verhandlungen, Parlamentsfraktionen sowie im Rahmen seiner Dissertation die politischen Systeme Südosteuropas.