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Indien: Die Menschen in den Slums sind nicht illegal | bpb.de

Indien: Die Menschen in den Slums sind nicht illegal Renu Khosla, Centre for Urban and Regional Excellence in Neu-Delhi

Die drängendsten Probleme in indischen Großstädten seien die Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung, so Renu Khosla, Direktorin des Centre for Urban and Regional Excellence in Neu Delhi.

Inhalt

Indien hat derzeit fünf Megastädte und sie alle wachsen sehr schnell. Sie werden tatsächlich zum Zentrum des Wirtschaftswachstums. Folglich gibt es viel Migration in die Städte, was zur Belastung der städtischen Dienste wird. Die Ressourcen werden knapp. Also sind Wasserversorgung und sanitäre Anlagen zu einem der Hauptprobleme für die Stadtentwickler geworden. Delhi hat ungefähr 1.200 Elendsviertel und illegale Siedlungen.

Als wir anfingen, mit den Menschen zu sprechen, stellten wir fest, dass deren Prioritäten anders liegen als wir angenommen hatten. Wir dachten, dass zum Beispiel Bildung eines ihrer wesentlichen Anliegen wäre, aber nein. Die Leute in den Elendsvierteln fragen sich, woher sie frisches Wasser bekommen, wissen Sie, offene Defäkation ist ein Problem, weil die Gemeinschaftstoiletten nicht gut instand gehalten werden. Also haben wir diese Maßnahmen ergriffen, Maßnahmen zur besseren Teilhabe, wir nennen sie PLA1-Maßnahmen, durch die wir an der Basis, vor Ort arbeiten können und dort Gemeindekarten erstellen. Vor Ort erstellen wir Listen über die verfügbaren Ressourcen, integrieren die Informationen der dort lebenden Menschen über vorhandene sanitäre Anlagen und über die Probleme, die sie mit den Anlagen haben.

Zu Beginn unserer Arbeit mit dem GIS, dem Informationssystem, haben wir eigentlich nur versucht, die Gemeindemitglieder in die Lage zu versetzen, ihre Bedürfnisse zu äußern, mit den Behörden zu sprechen und die von uns erstellten Karten zu nutzen, um den Beamten aufzuzeigen, wo die Probleme liegen. Durch die Verbindung dieses Informationswerkzeuges mit den Karten der Stadt haben die Städteplaner die Möglichkeit, bei ihren Entscheidungen die Prioritäten der Menschen vor Ort zu bedenken.

In Bombay hat die Regierung die politische Entscheidung getroffen, die illegalen Elendsviertel dort aufzurüsten, wo sie entstanden sind, oder im gleichen Gebiet, im Umkreis von zwei oder drei 3 Kilometern; wohingegen in Delhi beschlossen wurde, die Menschen umzusiedeln und sie mit einer vernünftigen Unterkunft und sanitärer Grundversorgung auszustatten, aber eben zwischen 30 und 40 Kilometer weit weg von ihrem eigentlichen Zuhause. Heute sehen wir, dass die Armut in Bombay gesunken ist, wohingegen wir die Armut der Menschen in Delhi, die umgesiedelt wurden, noch vergrößert haben, weil wir sie aus ihrem gewohnten Umfeld herausgeholt haben.

Migration gibt es auf der ganzen Welt und wir können dieses Phänomen nicht aufhalten. Um also die daraus entstehenden Probleme auch um unser selbst Willen zu reduzieren, sollten wir meiner Meinung nach ein Umfeld schaffen, das es diesen Menschen ermöglicht, eine Existenz zu gründen, aus der Armut herauszukommen und zu produktiveren Bürgern dieser Stadt zu werden. Es handelt sich nicht um illegale Menschen, sondern um legale Menschen, die in illegalen Gebieten leben, und das ist alles. Das macht die Menschen nicht illegal, sie leben nur in illegalen Siedlungen, weil die Regierung sozialen Wohnungsbau bisher nicht als ernstzunehmendes Thema betrachtet hat. Sie haben sich bisher nicht dazu entschlossen, Wohnungen am Rande der Stadt zu bauen, sodass die Migranten, wenn sie in die Stadt kommen eine Unterkunft mit sanitärer Grundversorgung haben.

Dr. Renu Khosla ist Direktorin des Centre for Urban and Regional Excellence in Neu Delhi. Die lokale Nichtregierungsorganisation arbeitet direkt mit den Menschen in den Slums zusammen.

Das Interview wurde in englischer Sprache geführt.

Mehr Informationen

  • Kamera: Jörg Pfeiffer

  • Schnitt: Jörg Pfeiffer

  • Redaktion: Sonja Ernst

  • Produktion: 05.2007

  • Spieldauer: 4 Min.

  • hrsg. von: Bundeszentrale für politische Bildung

  • Verfügbar bis: 31.12.2035

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