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Europäisches Parlament (EP) | bpb.de

Europäisches Parlament (EP)

A. Maurer

Das EP ist das einzige direkt gewählte, unmittelbar legitimierte Organ der EU. Es repräsentiert die Bürgerinnen und Bürger der EU-Mitgliedstaaten. Es ist mittlerweile im Gesetzgebungsprozess der EU in fast allen Gebieten gegenüber dem Ministerrat gleichberechtigt. Es ist darüber hinaus an der Ernennung der Europäischen Kommission und des Europäischen Rechnungshofes beteiligt und wählt den Europäischen Bürgerbeauftragten. Neben Gesetzgebungs-, sog. Frage- und Interpellationsrechten verfügt das EP über das Instrument der Haushaltskontrolle sowie das Recht, Untersuchungsausschüsse einzusetzen. Mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon (2009) hat das Parlament neue Kontroll-, Mitentscheidungs- und Zustimmungsrechte gewonnen, so in der »polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen«, in der Agrar-, Fischerei- und Handelspolitik sowie beim Abschluss internationaler Übereinkommen. Dagegen bleiben seine Befugnisse in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik sowie in Bereichen der sog. Offenen Methode der Koordinierung beschränkt. Das EP setzt sich gegenwärtig aus 751 direkt gewählten Abgeordneten zusammen (Stand: 2019). Ausschlaggebend für die Arbeit der Mitglieder des EP (MdEP) sind die politischen Fraktionen. Sie sind national gemischt und nehmen wichtige parlamentarische Rechte wahr (Verteilung von Redezeiten, Berichterstattern, Ausschussvorständen etc.). In der Regel fasst das EP seine Beschlüsse mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Die absolute Mehrheit der Stimmen dagegen ist bei Änderungsanträgen zu den Zusammenarbeits- und Mitentscheidungsverfahren und Beschlüssen im Zustimmungsverfahren erforderlich. Bei anderen wichtigen Entscheidungen (Misstrauensantrag gegen die Kommission, Haushaltsentscheidungen) stimmt das EP nach Quoren ab, die im AEUV genau festgelegt sind. Besonders wichtig für die Arbeit des EP sind die Ausschüsse. Die ständigen Ausschüsse beraten bei Gesetzgebungsvorhaben über die Positionen des EP gegenüber Rat und Kommission. Sie entwickeln aber auch eigene Initiativen und Ideen, mit denen sie auf die europ. Politik einwirken können. Das 2009 gewählte Parlament verfügt über 20 ständige Ausschüsse, 2 Unterausschüsse, die dem Auswärtigen Ausschuss zugeordnet sind, und 2 nicht ständige Ausschüsse zur Wirtschafts- und Finanzkrise und zu den politischen Herausforderungen und den Haushaltsmitteln für eine nachhaltige Europäische Union nach 2013. Das EP ist grundsätzlich befugt, über jede Frage der EU zu beraten, Entschließungen anzunehmen und diese den anderen Unionsorganen vorzulegen. Als Instrumente der parlamentarischen Kontrolle sehen die Verträge folgende Rechte und Pflichten vor:

• Fragerecht des EP gegenüber dem Rat der EU, der Kommission und der Europäischen Zentralbank (EZB).

• Berichts- und Informationspflicht von Kommission, Rat, Europäischem Rat und Mitgliedstaaten gegenüber dem EP.

• Klagerecht des EP vor dem Europäischen Gerichtshof.

• Petitionsrecht der EU-Bürger beim Parlament.

• Möglichkeit indirekter Kontrollen durch Beauftragung des Europäischen Rechnungshofs. Das schärfste Kontrollinstrument des EP ist der Misstrauensantrag gegen die Kommission. Hierzu bedarf es einer Zweidrittelmehrheit aller Stimmen. Neben dem obligatorischen – d. h. verpflichtenden – Konsultationsrecht verfügt das EP über Mitwirkungsrechte in Form des ordentlichen Gesetzgebungs- oder Mitentscheidungsverfahrens, das dem EP stärkste gesetzgeberische Befugnisse verleiht sowie des Zustimmungsverfahrens (Beitritte zur EU, Abschluss von Handels- und internationalen Abkommen sowie für den Fall, dass der Rat schwerwiegende Verletzungen der Unionsgrundsätze durch einen Mitgliedstaat feststellen will). Ferner muss das EP die Ernennung der Kommission bestätigen. Durch den Lissabonner Vertrag ist diese Kommissionsernennung eine echte Wahl, weil der Europäische Rat bei der Benennung des Kommissionspräsidenten die Ergebnisse der Europawahlen und damit die Stärke der unterschiedlichen, politischen Fraktionen zu berücksichtigen hat. Die geringe Wahlbeteiligung (2019 leicht gestiegen) deutet allerdings darauf hin, dass das EP den Bürgerinnen und Bürgern seine Rolle und Leistungen offenbar nicht ausreichend vermitteln kann. Mit dem Ausscheiden Großbritanniens aus der EU am 30.1.2020 wird das EP von 751 auf 705 Sitze verkleinert. 27 der 73 frei werdenden brit. Sitze werden auf 14 EU-Staaten verteilt, weil diese aufgrund der Bevölkerungsentwicklung im EP unterrepräsentiert sind (Frankreich und Spanien erhalten z. B. 5 zusätzliche Sitze, Dänemark, Österreich und Polen je 1 und Deutschland behält mit 96 Sitzen seine bisherige Zahl an Abgeordneten). 46 Sitze bleiben frei für Mitgliedstaaten nach einer möglichen Erweiterung der EU.

Internet

Literatur

  • R. Corbett u. a.: The European Parliament, 8. Aufl., London 2011.

  • A. Héritier u. a.: European Parliament Ascendant. Parliamentary Strategies of Self-Empowerment in the EU, Basingstoke u. a. 2018.

  • A. Maurer/D. Dialer: Handbuch zum Europäischen Parlament, 2. Aufl., Baden-Baden 2020.

aus: Große Hüttmann / Wehling, Das Europalexikon (3.Auflage), Bonn 2020, Verlag J. H. W. Dietz Nachf. GmbH. Autor des Artikels: A. Maurer

Siehe auch:

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