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"Die 100 ist eine magische Zahl, jedoch kein Spendengrund." Im Interview: Dr. Martin Dodenhoeft, Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V.

/ 5 Minuten zu lesen

Dr. Martin Dodenhoeft ist seit 1988 beim Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. tätig, aktuell als Leiter Kommunikation und Marketing. Seit 2014 ist er zudem Vorsitzender des Deutschen Fundraising Verbandes. In diesem Jahr erinnert der Volksbund an das Ende des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren. 2019 wird der Verein 100 Jahre alt.

Mehr unter Externer Link: www.volksbund.de und Externer Link: www.100-jahre-erster-weltkrieg.eu.

Dr. Martin Dodenhoeft

Akquisos: Herr Dr. Dodenhoeft, das Ende des Ersten Weltkriegs jährt sich nun zum 100. Mal. Wie wirkt sich das auf das Fundraising des Volksbundes aus?

M. Dodenhoeft: Verhältnismäßig wenig. Wir haben kaum Fundraising-Maßnahmen, die wirklich präzise darauf ausgerichtet sind. Historische Rückblicke sind für Spender nicht so wahnsinnig interessant. Es ist ein Anlass für die Menschen, über vieles nachzudenken. Aber es ist kein Spendengrund, solange dies nicht mit unserer Arbeit verknüpft ist. Vor vier Jahren, als sich der Beginn des Weltkrieges zum 100. Mal jährte, gab es viel Aufmerksamkeit in den Medien, mehr als aktuell für 2018 absehbar. Das hätte ein Vorteil für uns sein können, aber die Diskussionen gingen an unserer Arbeit vorbei.

Akquisos: Inwiefern?

In kompetent besetzten Fernsehrunden wurde viel über den Krieg diskutiert, nicht zuletzt über die Frage, wer ihn angefangen hat. Es gab dazu eine Reihe guter neuer Publikationen. Aber die Menschen – die Kriegstoten und die heutigen Nachfahren, für die die Erhaltung ihrer Gräber wichtig ist – kamen nicht vor. Der Sprung von der historischen Diskussion zu unserer Arbeit ist schwierig, wenn die Menschen im öffentlichen Diskurs ausgeblendet werden. Wir müssen den Spendern zeigen, dass es eine menschliche Relevanz hat. Niemand von uns ist geschichtslos. Wir müssen Dinge, die uns erinnern, die uns geprägt haben und die uns eine Botschaft mitgeben, erhalten. Und sei es als Stachel im Fleisch der Gesellschaft. Die politische Konnotation – wie die Kriegsschuldfrage – erschwert dagegen das Fundraising.

Akquisos: Würden Sie sich dennoch mehr Öffentlichkeit für Ihr Thema wünschen?

Selbstverständlich. PR ist für das Fundraising wichtig, legt eine gute Basis, ist damit zu verschränken. Nur wenige kommen ja ganz von selbst auf uns. Insbesondere von der Bundesregierung – in deren Auftrag wir ja seit 1954 handeln – hätte ich mir 2014 mehr Unterstützung gewünscht. Die hat sich aber, vor allem im Vergleich zum Ausland, sehr zurückgehalten. Dadurch wurde eine Chance vertan, mehr gesellschaftliche Aufmerksamkeit zu bekommen. Aber das ist auch eine Lehre: Am Ende muss das Fundraising selbst sehen, wie wir mit unseren eigenen Mitteln eine Öffentlichkeit schaffen. Auf andere zu hoffen bringt einen nicht voran.

Akquisos: Wie begehen Sie das eigene Vereinsjubiläum aus Fundraisingsicht?

Wir erwarten eine etwas gesteigerte Aufmerksamkeit. Die werden wir nutzen. Tun wir nichts, verstreicht die Gelegenheit. Aber im Prinzip gilt auch hier: Die Menschen spenden nicht, weil der Verein 100 Jahre besteht, sondern weil er auch nach 100 Jahren etwas zu bieten hat. Das gilt es zu verdeutlichen. Dafür ist es an sich egal, ob der Verein 100, 99 oder 86 Jahre besteht. Die 100 ist aber eine magische Zahl, und Menschen mögen das. Nicht viele Spendenorganisationen haben bis jetzt dieses Alter erreicht. Es ist Anlass, mit einer größeren Kampagne unsere Sichtbarkeit zu erhöhen. Es wird also eine Plakataktion geben, begleitet von etlichen Direktmarketingaktionen auf zentraler und dezentraler Ebene, von Veranstaltungen, Ausstellungen, Konzerten und noch anderem. Die eigentliche Kernbotschaft ist aber nicht unser Geburtstag, sondern dass auch nach 100 Jahren – nein, erst recht! – noch die Notwendigkeit zur Friedensarbeit besteht. Wir haben einen langen Weg hinter uns mit einem schwierigen Thema. Aber unser Auftrag ist noch nicht erfüllt.

Akquisos: Wie schaffen Sie diese Relevanz?

Da werden die Möglichkeiten des Fundraisings gern überschätzt. Relevanz muss erst einmal da sein, um überhaupt angesprochen werden zu können. Unser Thema ist wichtig, aber doch mindestens zum Teil sehr sperrig. Wir versuchen es in unsere Zeit zu heben. Aber gehen Sie mal nach draußen und bitten um Spenden für eine "Europäische Gedenkkultur". Da verstehen die Allermeisten erst einmal nicht, was das soll und was es mit ihnen zu tun hat. Die meisten Menschen spenden, weil sie einen persönlichen Sinn erkennen, weil sie helfen wollen, weil sie Empathie empfinden. Sie sind in unserem Fall persönlich (als Angehörige oder durch eigenes Erleben) oder ethisch-moralisch ("Wir können die Toten nicht da liegen lassen!") bewegt. Diejenigen, die sich dem Thema wirklich historisch nähern und die Zusammenhänge durchdringen, sind dünn gesät und schwer zu finden. Wenn wir sie aber finden, sind es gute Spender!

Einen Erfolg kann man nur begrenzt planen, es sind einfach zu viele Faktoren im Spiel. Manchmal kommt er aber auch unverhofft. Ich denke da an eine Interner Link: Freianzeigenkampagne vor etlichen Jahren: Wir wollten unsere Friedensarbeit in den Vordergrund stellen, aber es fanden sich keine prominenten Botschafter oder Botschafterinnen. Also befragten wir aus lauter Verzweiflung die Zeitungsleser und -leserinnen mit einer interaktiven Freianzeige. In dieser Anzeige stand "Ich will Frieden, weil ________". Innerhalb eines Jahres bekamen wir 10 000 Rücksendungen von Menschen im Alter von 6 bis 99 quer durch alle Schichten, die den Satz für uns vervollständigten. Das hatte einen Nerv getroffen! Das Resultat bestand in 200 Millionen Kontakten, und das für sehr wenig Geld. So etwas Ähnliches hoffen wir wiederholen zu können.

Akquisos: Planen Sie auch eine größere Feier?

Es wird neben unseren Fundraisingaktionen – Print wie Online – und zahlreichen regionalen Aktivitäten etwas geben, aber medial dürfte sich das kaum niederschlagen. Das liegt an unserem Thema. Es gilt bei unseren Fernsehintendanten nicht als galafähig. Und dann stellt sich ohnehin die Frage: Was gibt es da zu feiern? Es ist eher ein Anlass zum Gedenken und Nachdenken. Warum bedarf es 100 Jahre nach Ende des Ersten Weltkrieges immer noch unserer Arbeit für Verständigung, Versöhnung und Frieden? Wer sich aber diese Frage stellt, der ist schon halb auf dem Weg zu uns. Fehlt nur noch, dass wir seine oder ihre Bereitschaft auch erkennen und zum richtigen Zeitpunkt abrufen.

Akquisos: Vielen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg bei der Erfüllung Ihres Auftrages!

Fussnoten