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Virtuelle Kreuzritter | Rechtsextremismus | bpb.de

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Virtuelle Kreuzritter

Steven Geyer

/ 12 Minuten zu lesen

Das Weblog "Politically Incorrect" ist das Leitmedium der deutschen Islamhasser – aber auch eine gut vernetzte Organisation mit Ortsgruppen in ganz Deutschland, die sich politisch und auf der Straße gegen Muslime und Zuwanderer einsetzen.

Das Bild, das sich den Leipziger Feuerwehrleuten in jener Donnerstagnacht im November 2013 bietet, ist nichts für Zartbesaitete. Auf der umstrittensten Brache der Stadt sind fünf Holzpflöcke in den Boden gerammt, auf jeden ist ein abgetrennter Schweinekopf gespießt. Um sie herum ist literweise Schweineblut verteilt, daneben brennt eine Mülltonne. Die Polizei registriert schnell das Offensichtliche: Die Aktion richtet sich gegen die islamische Ahmadiyya-Gemeinde, die auf dem Gelände im Norden Leipzigs die erste mitteldeutsche Moschee mit Minaretten bauen will. Weniger klar ist die Täterschaft. Die Behörden sprechen von fremdenfeindlichem Hintergrund, die Medien erwähnen die Anti-Moschee-Demos der örtlichen NPD. Doch die Handschrift ist eine andere: Was auf normale Zeitungsleser wie obskurer Vandalismus wirkt, ordnet das Internet-Blog „PI-News“ bereits am Folgetag fachkundig ein. Die Stammautorin "Verena B." erklärt, dass in Leipzig selbst die Pfarrer "auf der Seite der Scharia-Anhänger" stehen - gemeint sind die Muslime. Jedoch seien im Ausland nach Schweinekadaver-Anschlägen "die geplanten Moscheebauten umgehend gestoppt" worden. Aufmerksame Leser der Website wissen das, denn Akte dieses "gewaltfreien Widerstands" (so ein User) werden hier regelmäßig gelobt – und in den Leser-Kommentaren zur Nachahmung empfohlen.

Sven Geyer: Virtuelle Kreuzritter

Videoteaser zum Schwerpunkt Islamfeindlichkeit

Sven Geyer: Virtuelle Kreuzritter

Das Weblog "Politically Incorrect" ist das Leitmedium der deutschen Islamhasser – aber auch eine gut vernetzte Organisation mit Ortsgruppen in ganz Deutschland, die sich politisch und auf der Straße gegen Muslime und Zuwanderer einsetzen.

Die PI-Redaktion hält sich mit Tipps zwar zurück. Aber als SPD-Chef Sigmar Gabriel den Anschlag als "Angriff auf unsere ganze Gesellschaft" verurteilt, beschimpft PI-News ihn als "Islamlobbyisten" von "der Scharia-Partei Deutschlands". Leipzig befürchte "eine Islamisierung des ganzen Stadtteils": "Die Bürger brauchen jede Unterstützung im Kampf gegen die Islamisierung ihrer Heimat." Sonst würden statt Schweine- "bald die Köpfe der Europäer auf den Holzlatten stecken". Wie üblich stellt PI-News zu seiner Berichterstattung über den Fall die E-Mail-Adresse eines Verantwortlichen, hier des Leipziger Oberbürgermeisters Burkhard Jung (SPD). Ein User ergänzt die Kontaktdaten des aus PI-Sicht zu toleranten Pfarrers, dazu die Anmerkung: "der typ wird doch bestochen".

Ideologie und Erfolgsgeschichte

Willkommen in der Welt von "Politically Incorrect", kurz PI. Der Leipziger Fall bringt das Wirken des Leitmediums der deutschen Islamhasser auf den Punkt: Es warnt vor der "Islamisierung", ruft zur Gegenwehr auf, verunglimpft Politiker, verbreitet Verschwörungstheorien über gekaufte Amtsträger und mobilisiert zum Protest per Internet. Was 2004 anfing als privates Weblog des Kölner Sportlehrers Stefan Herre – bis dato nach eigener Aussage passionierter konservativer Leserbriefschreiber –, ist zum virtuellen Hauptquartier der Szene geworden; ja, zur wichtigsten muslimfeindlichen Mobilisierungsplattform in Deutschland, die längst bundes-, europa- und weltweit vernetzt ist und beachtliche Wirkmacht entfaltet.

Die Erfolgsgeschichte beginnt, als Herre nicht mehr nur "Gutmenschen" abkanzelt, die den Irakkrieg ablehnen, sondern auch Autoren eine Plattform zu bieten beginnt, die ihren Hass auf Türken, Multikulti und Islamversteher ausleben. Den ersten Boom erlebt die Seite, als sie 2005 die dänischen Mohammed-Karikaturen zeigt, und erneut während der Debatte um Thilo Sarrazin, den sie bis heute bejubelt. Seither schildert PI die angeblichen Gefahren, die von Islam und Einwanderung ausgehen – und in den Kommentarspalten reagieren die User auf die Stichworte stets mit Hass und Furor. "Atombomben auf Mekka, bitte genau zur Hadsch!", heißt es dann. Oder, als die schwangere Ägypterin Marwa el-Sherbini in Dresden von einem Islamhasser erstochen wird: "Mir tut es überhaupt nicht leid um diese verschleierte Kopftuchschlampe. Und noch dazu ein Moslem im Bauch weniger!" Die Redaktion löscht solche Kommentare nicht, sie heizt sie an – achtet dabei aber nach eigener Aussage auf eine Wortwahl, die keinen juristischen Ärger bringt.

Auf den ersten Blick mag PI-News wie das Freizeitprojekt einer Handvoll rechtspopulistischer Hobbyschreiber wirken, die die Weltlage mal hysterisch, mal sarkastisch kommentieren. Tatsächlich ist die Seite aber mit (nach eigenen Angaben) 40.000 bis 90.000 Besuchern pro Tag eins der meistbesuchten politischen Blogs Deutschlands, das sich zudem politisch und auf der Straße für seine Ziele einsetzt. Der Islam sei keine Religion, sondern eine "Gewalt-Ideologie", ist das Mantra der PI-Mannschaft. Für PI gibt es nur gewaltbereite Muslime mit Allmachtsanspruch und solche, die sich zum Schein moderat geben. Tatsächlich wolle jeder Muslim, ferngesteuert vom Koran, jedem Deutschen an den Kragen: im Kleinen als eingewanderter Krimineller; im Großen per Übernahme der Demokratie durch Multikulti-Verbände, Kollaboration mit allen etablierten Parteien und durch "Geburten-Dschihad", also höhere Geburtenraten. Weil aber "die politische Korrektheit und das Gutmenschentum heute überall die Medien dominieren", so PI, werde diese Gefahr gezielt verschwiegen. Außer auf "Politically Incorrect".

Die Gemeinschaft der Islamhasser habe eine bipolare Weltsicht, wonach Muslime keine Europäer sein können, schreibt Yasemin Shooman, die am Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin über islamfeindliche Strategien im Internet promovierte. "Sie stünden für das ‘Andere‘, das, sofern es nicht wirkungsvoll bekämpft werde, sich unaufhaltsam ausbreiten und das ‘Eigene‘ zerstören werde." Der Kampf gegen den Islam, selbst gegen einzelne Moscheebauten, werde mit dem antifaschistischen Widerstand im Nationalsozialismus gleichgesetzt, "was die sog. Islamkritiker zu Helden im moralischen Sinne aufwerten und sie zugleich vor dem Vorwurf des Rassismus schützen soll".

Doch obwohl die PI-Macher sich als unterdrückte "Islamkritiker" gerieren, ist Islamfeindlichkeit nur ein Aspekt ihrer Ideologie. Die Autoren machen Stimmung gegen Asylbewerber, Flüchtlinge, Sinti und Roma sowie gegen Homosexualität, die EU und alles "Linksversiffte" von Kommunismus bis Klimaschutz, von Sozialdemokratie bis zum "kollektiven Schuldkomplex" der Deutschen. Als etwa der Europäische Gerichtshof 2013 urteilt, ein wegen seiner Homosexualität Verfolgter habe in der EU Anspruch auf Asyl, schreibt ein PI-Autor: "Jeder Moslem mit vier Ehefrauen im Morgenland, jeder verheiratete afrikanische Schnacksler mit 7 ehelichen und 27 unehelichen Kindern, muß an unseren Grenzen nur noch sagen: ’Ich bin schwul’ – und schon darf er rein." Auch nach Wochen ungelöscht kommentiert ein User zornig: "An alle Freunde der parlamentarischen Demokratie: Fuck off!"

„Neue Form des Extremismus“

Lange haben sich die Behörden schwer getan mit der islamfeindlichen Internet-Szene. Immerhin bekennt sich PI nicht nur zum Grundgesetz, sie positioniert sich auch pro-amerikanisch und pro-israelisch, während sie sich von Neonazis und Judenhassern distanziert. Bundesregierung und Bundeskriminalamt stuften die Seite daher lange als nicht rechtsextrem ein, obwohl Wissenschaftler widersprachen.

Es brauchte den Amoklauf des norwegischen Islamhassers Anders Breivik vom Juli 2011, die Recherchen mehrerer deutscher Medien, schließlich eine monatelange Hetzkampagne gegen ein Islamzentrum in München mit diversen Entgleisungen des bekanntesten PI-Autoren und Bayern-Vorsitzenden der Splitterpartei „Die Freiheit“ Michael Stürzenberger sowie der Radikalisierung von PI-News, damit die Behörden sich näher mit der Szene befassten.

Erst seit September 2011 prüfen einige Landesämter für Verfassungsschutz die Inhalte regelmäßigi, erst 2013 erklärte das bayerische als erste Behörde die Münchner PI-Gruppe zum formalen "Beobachtungsobjekt". Zwar fehlten "die für Rechtsextremismus typischen Ideologieelemente wie autoritäres Staatsverständnis, Antisemitismus, Rassismus oder die Ideologie der Volksgemeinschaft", heißt es im Halbjahresbericht des Landesamts. Doch schüre PI "pauschale Ängste vor Muslimen" und spreche Einzelnen Grundrechte wie Menschenwürde, Diskriminierungsverbot und Religionsfreiheit ab. Anders als bei legitimer Auseinandersetzung mit dem Islam liege bei PI "verfassungsschutzrelevante Islamfeindlichkeit als neue Form des politischen Extremismus" vor.

Hinter den Kulissen

Auch strafrechtlich sind die Inhalte von PI immer wieder relevant – weshalb die Macher nach mehreren Anzeigen und Zivilklagen längst anonym und über Server in den USA operieren. Stefan Herre hat seine ursprüngliche Domain "politicallyincorrect.de" aufgegeben und behauptet, sich 2007 als PI-Chef zurückgezogen zu haben.

Interne Dokumente, die dem Autor vorliegen, belegen jedoch, dass Herre auch im Dezember 2013 noch der Herr über "PI-News" ist. Per Mail und Skype-Chat verteilt er Schreibaufträge an einen Stamm meist anonymer, regelmäßiger und unbezahlter Schreiber. Themenideen liefern ihm diverse Google-Alerts ("Islam", "Sarrazin") sowie Leser, die als "Spürnasen" Internet, Presse und Fernsehen nach Vorfällen durchforsten, die das Fehlverhalten von Muslimen dokumentieren sollen. Feste Autoren liefern zudem eigene Themenvorschläge; langjährige PI-Schreiber, denen Herre vertraut, haben Direktzugriff aufs Redaktions- und Moderationsmodul.

Bis Ende 2011 tobt hinter den Kulissen mehrfach der Richtungsstreit, wie konservativ und rechtsaußen PI sein soll. Herre stärkt die radikaleren Autoren – was dazu führt, dass die heute prominentesten PI-Schreiber die Distanz zu Neonazis und Antisemitismus nicht mehr dauerhaft durchhalten. So fordert der Vorsitzende der "Freiheit" in Bayern Michael Stürzenberger auf PI ein Islamverbot und die Abschiebung aller Muslime aus Deutschland. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Volksverhetzung. Während der Debatte um das Beschneidungsgesetz will Stürzenberger auch die Juden ausweisen: Wer sich "an die uralte Vorschrift der Beschneidung klammert", schreibt er, "hat nach meiner festen Überzeugung in unserem Land nichts zu suchen."

Die Spinne im Netz: Vernetzung und Mobilisierung durch "PI"

PI-Chef Herre aber will sich schon früh politisch mehr einmischen als durchs Bloggen allein: Er bejubelt den Aufstieg der vom Verfassungsschutz beobachteten Rechtsaußenpartei „Pro-Köln“ nicht nur auf PI. Bis heute ist er auch in ständigem Kontakt mit ihren Politikern, hilft bei der Organisation ihrer Veranstaltungen und Aufmärsche, der Mobilisierung der Anhänger und stellt Kontakte zu Rechtspopulisten in ganze Europa her. Als sich der Berliner CDU-Politiker René Stadtkewitz 2011 mit seiner Partei wegen einer Einladung des niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders überwirft, hilft Herre ihm bei der Gründung einer neuen Anti-Islam-Partei: "Die Freiheit" bleibt personell und inhaltlich mit PI verzahnt, oft sind PI-Ortsgruppen und "DF"- Kreisverbände identisch. Nach internem Streit und Erfolglosigkeit bei allen Wahlen zerfällt die "Freiheit" seither. Nach dem Achtungserfolg der "Alternative für Deutschland" (AfD) bei der Bundestagswahl verkündet Parteichef Stadtkewitz gar die Einstellung der Wahlkämpfe und ruft die Wähler auf, zur AfD zu wechseln. Schon sind viele Landes- und Kommunalposten der AfD mit Ex-„Freiheits“-Kämpfern besetzt, und auch auf PI ist die AfD die neue Hoffnungsträgerin.

Seine Wirkmacht bezieht PI aber nicht allein aus seinen guten Kontakten. Die Website versteht sich auch als Instrument der Mobilisierung –virtuell wie real. Es genügt, wenn PI auf missliebige Texte oder Online-Abstimmungen hinweist, um Hunderte Protestmails zu generieren, Kommentarspalten zu fluten oder Votings umzudrehen. Die fremdenfeindlichen Aufschreie sollen durch ihre Ballung als Mehrheitsmeinung der Deutschen erscheinen – oder zumindest als Störfeuer.

Die Konsequenzen reichen aber bis ins wahre Leben: Als PI Ende 2013 etwa einem hessischen Kindergarten fälschlicherweise vorwirft, sein Sankt-Martins-Fest auf Druck von Muslimen in Sonne-Mond-und-Sterne-Fest umzutaufen, prasseln so viele Schmäh-Mails und Gewaltandrohungen auf die Kita ein, dass der Laternenumzug unter Polizeischutz stattfinden muss.

Nicht nur diese realen Bedrohungen verstören. Gesellschaftlich gefährlich sei auch, dass die Islamhasser der Öffentlichkeit so ihren Diskurs aufnötigen, sagt die Sozialwissenschaftlerin Naika Foroutan, die an der Berliner Humboldt-Universität muslimische Identität in der Einwanderungsgesellschaft untersucht. "Plötzlich ist es so, dass Volksparteien das Wort Islamisierung in Debatten verwenden, weil es immer wieder von solchen Gruppen eingespeist wird." Foroutan fürchtet eine "gesamtgesellschaftliche Vergiftung".

Tatsächlich tragen auch die vielen großen und kleinen Weblogs dazu bei, dass Kampfbegriffe der (neu-) rechten Szene über Internetforen und Kommentarspalten von Online-Ausgaben klassischer Medien in den Mainstream gelangen. Während PI gegen "Kopftuchschlampen" hetzt, hat Sarrazin – verbal entschärft – das "Kopftuchmädchen" als Feindbild in der Einwanderungsdebatte verankert. Von "Migrantengewalt" sprechen nicht mehr nur Rechtspopulisten, sondern längst auch andere Politiker, vor "Deutschenfeindlichkeit" warnte gar Ex-Familienministerin Schröder. Und während Wissenschaftlerin Shooman von der PI-typischen "Verschwörungsfantasie einer stillen Islamisierung" schrieb, hob der SPIEGEL die vermeintliche Gefahr 2007 gar auf den Titel. Belege blieb er schuldig.

Doch viele PI-Nutzer wollen nicht nur als virtuelle Kreuzritter agieren. In etwa 50 deutschen Städten, aber auch in Österreich, der Schweiz und Tschechien, gibt es "PI-Ortsgruppen", deren Führer eine Verpflichtungserklärung unterzeichnen sollen und deren Aufgabe darin besteht, sich regelmäßig konspirativ zu treffen, um Strategien für die Beeinflussung der Öffentlichkeit zu entwerfen. Mal agieren sie eher als Stammtisch, mal aber auch durch Aktionen wie das Überkleben missliebiger Straßennamen oder Koran-Zerreißen vor Moscheen. Häufigste Aktionsform ist, neben Mini-Demos und Infotischen gegen Islamisierung, gezielt auf Veranstaltungen mit „Islam-Verstehern“ Stimmung zu machen.

Die Berliner PI-Ortsgruppe tat sich derweil –gemeinsam mit befreundeten Anti-Islam-Bloggern – durch eine Online-Plattform hervor: Auf "Nürnberg 2.0" schreiben sie "Anklageschriften" gegen "Linksfaschisten" aus CDU, SPD, Grünen und Linkspartei sowie gegen "Islam-Freunde" in Medien und Zivilgesellschaft. Die "Angeklagten" werden mit Foto, Steckbrief und teils Privatadresse aufgeführt, um sie nach Vorbild der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse verurteilen zu können. Damals, so betont man, wurden "24 Angeklagte zum Tode verurteilt". Der Pranger kommt auch bei rechten Gruppen anderer Couleur gut an: Obwohl die Szenen ansonsten personell streng getrennt sind, rufen zur Mitarbeit an "Nürnberg 2.0" längst auch neonazistische Blogs und Kameradschaften auf.

hat in Leipzig und Ohio Politikwissenschaft und Journalistik studiert und gehört seit 2010 zur DuMont-Redaktionsgemeinschaft. Davor hat er für die Frankfurter Rundschau und für Spiegel Online von Berlin und Washington aus gearbeitet.