Trotz aller Fortschritte weist die Datenlage immer noch deutliche Grenzen auf. Die Ränder der Einkommensverteilung und die Vermögensverteilung werden nur unzureichend bis völlig fehlend abgebildet. Extreme Armut und extremer Reichtum werden in den gängigen Datenquellen nicht erfasst. Und gerade die interessantesten Komponenten der Ungleichverteilung bleiben weitgehend im Dunklen (z. B. Betriebsvermögen, Kapitalerträge bei Einkommensteuersätzen oberhalb derer, die der Abgeltungssteuer unterliegen).
Themen wie Einkommen oder Vermögen gelten bei Befragungen als schwierige Themen, als sensible Fragen. Dass ein erheblicher Teil der Interviewten gerade bei diesen Fragestellungen die Antwort verweigert, ist eine alte Erfahrung aller Umfrageinstitute. Speziell gilt dies bei Befragten, die eher arm oder reich sind, also an den Enden des Spektrums. Auch muss, wenn geantwortet wird, gerade bei Personen im untersten und im obersten Einkommensbereich häufiger mit unehrlichen Antworten gerechnet werden (z. B. aus Scham). Ein ähnlicher Vorbehalt ist im Übrigen bei den Steuerdaten der Finanzbehörden anzubringen.
Bezogen auf die Befragungsdaten ist auch einzuwenden, dass dort wo eine Person aus einem Haushalt Angaben zum gesamten Haushaltseinkommen macht, eine potenzielle Fehlerquelle existiert: Weiß z. B. das erwachsene, noch im Haushalt lebende Kind wirklich über alle Einkommenskomponenten der Eltern Bescheid − und auch deren Höhe − und auch umgekehrt? Kleinere Beträge kann man schlicht auch in der Eile eines Interviews vergessen, ebenso wenig kann bei jedem Befragten die Fähigkeit zur korrekten Addition verschiedenster, z. T. über Zeit schwankender Beträge ohne weiteres vorausgesetzt werden.
Seitens der Befragungsinstitute herrscht außerdem eine Unsicherheit darüber, mit welchem Typus von Fragen am besten nach Einkommen bzw. Vermögen gefragt werden sollte: Als offene Frage nach einem Betrag oder mittels einer Listenvorlage unter Verwendung von Einkommensklassen wie z. B. beim Mikrozensus. Im letzteren Fall entstehen − je nach Anzahl der Kategorien − dann weitere Quellen für Ungenauigkeiten, da die Angaben dann interpoliert werden müssen usw.
Am Beispiel des SOEP, einer wirklich aufwändig auf methodische Qualität getrimmten Befragung lässt sich belegen, wie groß die praktischen Probleme bei diesem Thema sind. Obwohl das SOEP Repräsentativität für seine Stichproben und Ergebnisse reklamiert, wurde es notwendig, zur Verbesserung der Datenqualität im Bereich hoher Einkommen eine spezielle Zusatzstichprobe von Hocheinkommensbeziehern zu ziehen. Trotzdem wird von den Verantwortlichen des SOEP darauf hingewiesen, dass die wirklich Superreichen nicht erfasst sind
Das ist zwar eine recht kleine Gruppe, deren Einkommen (und Vermögen) sind aber so groß, dass das mit den Befragungen ausgeleuchtete unvollständige Bild von der Ungleichverteilung als erheblich verzerrt bezeichnet werden muss (vgl. "
Festzuhalten bleibt darüber hinaus, dass die Daten teilweise auch recht lange brauchen, bis sie in der nötigen Differenzierung verfügbar werden. Schwerer wiegt, dass es in der Verteilungsstatistik ganze Bereiche, weiße Flecken sozusagen, gibt, wo Daten ganz fehlen und wo sich die Datenlage sogar gegenüber früher verschlechtert hat. Insbesondere im Bereich der Betriebsvermögen sind alle einschlägigen Datenquellen unvollständig.
Eine Verschlechterung der Datenlage hat sich auch durch die Aussetzung der Vermögensteuer ergeben. Die Vermögensteuerstatistik gibt es logischerweise nicht mehr, die früher wenigstens einige Hinweise zur Vermögensverteilung erbracht hat. Die Einführung der Abgeltungssteuer hat ebenfalls dazu geführt, dass Kapitaleinkommen von Personen bzw. Haushalten mit einem höheren Einkommen (Steuersatz über 25 Prozent) nirgendwo sonst mehr auftauchen.