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Brutto- und Nettoeinkommen der privaten Haushalte im Vergleich | Verteilung von Armut + Reichtum | bpb.de

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Brutto- und Nettoeinkommen der privaten Haushalte im Vergleich

Gerhard Bäcker Ernst Kistler

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Wird auf der Ebene der Haushaltseinkommen zwischen Brutto- und Nettogrößen unterschieden, lässt sich zeigen, wie groß die Spanne zwischen brutto und netto ist und wie sie sich im Zeitverlauf entwickelt hat. Zudem stellt sich hier die Frage, ob und in welchem Maße die staatliche Umverteilung zielgerichtet wirkt.

Mutter und Kinder sitzen am Küchentisch. Die Abweichungen zwischen dem Brutto- und dem Nettoeinkommen von Privathaushalten sind aufgrund von Transferleistungen, wie z. B. Kindergeld, bei verschiedenen soziodemografischen Gruppen unterschiedlich stark ausgeprägt. (© picture-alliance/dpa)

Die Abweichungen zwischen dem Brutto- und dem Nettoeinkommen von Privathaushalten sind aufgrund von Transferleistungen, wie z. B. Kindergeld, bei verschiedenen soziodemografischen Gruppen unterschiedlich stark ausgeprägt. Insgesamt liegen die Nettoeinkommen der Haushalte aber merklich niedriger als die Bruttoeinkommen. Die Abbildung "Struktur der Brutto- und Nettoeinkommen privater Haushalte" zeigt für Deutschland insgesamt sowie für West- und Ostdeutschland 2017, wie sich die Bruttoeinkommen der privaten Haushalte zusammensetzen und wie die Abzüge zum Nettoeinkommen führen.

Die bei weitem wichtigste Quelle der Bruttoeinkommen sind in Ost wie West mit über 60 Prozent die Einkommen aus abhängiger Beschäftigung, gefolgt von den Sozialleistungen (Staat und Sozialversicherungen). Diese machen in Ostdeutschland einen noch höheren Anteil an den Bruttoeinkommen aus als in Westdeutschland. Demgegenüber ist der Anteil der Einkommen aus Vermögen in Ostdeutschland geringer als im Westen. Die privaten Übertragungen (z. B. Unterhaltszahlungen, private Zuwendungen zwischen Haushalten, Einnahmen aus Veräußerungen) sind in dieser Rechnung die jeweils kleinste Komponente der Bruttoeinkommen.

Struktur der Brutto- und Nettoeinkommen privater Haushalte 2017 (Interner Link: Grafik zum Download) (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Um vom Brutto- zum Nettoeinkommen zu gelangen, sind die direkten Steuern (nicht die Mehrwert-/Verbrauchssteuern!) und die Sozialversicherungsbeiträge in Abzug zu bringen. Dabei machen in den alten Bundesländern die Steuern den größeren Anteil aus, in den neuen Bundesländern dagegen die Sozialversicherungsbeiträge (Grund ist das höhere Niveau der Bruttoeinkommen im Westen im Zusammenspiel mit der Steuerprogression und der Deckelung der Sozialabgaben durch die Beitragsbemessungsgrenzen). Als Netto verbleiben bei dieser Berechnungsweise in den alten Bundesländern 74,9 Prozent von den durchschnittlichen Bruttoeinkommen der privaten Haushalte. In den neuen Bundesländern sind es 76,2 Prozent. Das sind im Jahr 2017 im Westen 3.510 Euro und im Osten 2.789 Euro. Bei diesen Befunden ist allerdings zu berücksichtigten, dass hier die Einkommen von Selbstständigenhaushalten nicht erfasst werden.

Ersichtlich ist, dass die Sozialtransfers die Einkommensabzüge durch direkte Steuern und Beiträge nicht ausgleichen. Ist das ein Problem, bereichert sich der Staat auf Kosten seiner Bürger? Dies wird zumindest vom Bund der Steuerzahler e.V. mit großem propagandistischem Aufwand behauptet. Laut Internetauftritt des Bundes der Steuerzahler arbeitet der durchschnittliche Steuerzahler bis zum sogenannten "Steuerzahlergedenktag" nur für Steuern und andere Abgaben; erst danach für das was ihm netto übrig bleibt. Für das Jahr 2019 lag dieser symbolische Gedenktag am 15. Juli, 2018 am 18. Juli. Dieser aus wissenschaftlicher Sicht nicht haltbaren Argumentation ist unter anderem entgegen zu halten, dass jeder Bürger in der einen oder anderen Form auch staatliche Leistungen erhält – sei es in monetärer Form (z.B. Kindergeld, Krankengeld), sei es als reale Transfers (z.B. Daseinsvorsorge durch Infrastruktur, Schutz durch die Polizei, die Vorhaltung von Infrastruktur).

Im Betrachtungszeitraum 2004 bis 2017 haben sich die Brutto- und Nettoeinkommen leicht auseinander entwickelt (vgl. Abbildung "Entwicklung der durchschnittlichen Haushaltsbrutto- und -nettoeinkommen, Gesamtdeutschland 2004 bis 2017"). Machten die Nettoeinkommen 2004 noch 79,2 Prozent der Bruttoeinkommen aus, so waren es 2017 75,9 Prozent.

Entwicklung der durchschnittlichen Haushaltsbrutto- und -nettoeinkommen, Gesamtdeutschland 2004–2017 (Interner Link: Grafik zum Download) (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Zwischen 2004 und 2017 errechnet sich ein Anstieg der Haushaltsbruttoeinkommen um 32,8 Prozent, der Nettoeinkommen um 27,5 Prozent. Dabei bleibt unberücksichtigt, dass zugleich das Preisniveau im Verlauf der Jahre angestiegen und dass damit die Kaufkraft der Einkommen entsprechend gesunken ist. Bereinigt man die nominalen Anstiege um die Preisentwicklung, errechnen sich merklich niedrigere reale Zuwachsraten. Eine vergleichbare Entwicklung zeigt sich bei den realen Zuwächsen der Nettoeinkommen der Arbeitnehmer*innen (vgl. "Interner Link: Gesamtwirtschaftliche Einkommensverteilung").

Durchschnittliche Brutto- und Nettoeinkommen privater Haushalte nach sozialer Stellung 2017 (Interner Link: Grafik zum Download) (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Erwartungsgemäß fällt der Unterschied zwischen Brutto- und Nettoeinkommen in der Differenzierung nach der sozialen Stellung bei Haushalten von Arbeitslosen am geringsten aus (sie haben die ohnehin bei weitem niedrigsten Bruttoeinkommen). Ebenfalls erwartungsgemäß ist die Differenz zwischen Brutto und Netto bei den Erwerbstätigenhaushalten (hier: Angestellte und Arbeiter) am größten (vgl. Abbildung "Durchschnittliche Brutto- und Nettoeinkommen privater Haushalte nach sozialer Stellung").

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Gerhard Bäcker, Prof. Dr., geboren 1947 in Wülfrath ist Senior Professor im Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen. Bis zur Emeritierung Inhaber des Lehrstuhls "Soziologie des Sozialstaates" in der Fakultät für Gesellschaftswissenschaften der Universität Duisburg-Essen. Forschungsschwerpunkte: Theorie und Empirie des Wohlfahrtsstaates in Deutschland und im internationalen Vergleich, Ökonomische Grundlagen und Finanzierung des Sozialstaates, Systeme der sozialen Sicherung, insbesondere Alterssicherung, Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik, Lebenslagen- und Armutsforschung.

Ernst Kistler, Prof. Dr., geboren 1952 in Windach/Ammersee ist Direktor des Internationalen Instituts für Empirische Sozialökonomie, INIFES gGmbH in Stadtbergen bei Augsburg. Forschungsschwerpunkte: Sozial- und Arbeitsmarktberichterstattung, Demografie, Sozialpolitik, Armutsforschung.