An mehreren Stellen dieses Dossiers wird darauf hingewiesen, dass sehr hohe Einkommen in den gängigen umfragebasierten Datengrundlagen zur Analyse der Einkommensverteilung bzw. von Einkommensarmut und -reichtum nicht abgebildet werden. Dadurch sind Aussagen z. B. darüber eigentlich nicht möglich, wie viel Prozent der gesamten Einkommen auf die obersten zehn oder zwanzig Prozent aller Haushalte entfallen. Auch kann man eigentlich nicht feststellen, ob sich z. B. zwischen zwei Jahren die Ungleichheit verändert hat oder und wie sie sich in zwei Regionen, zwischen verschiedenen soziodemografischen Gruppen usw. unterscheidet.
Nur wenn man diese Aussagegrenzen offenlegt und sich ihrer bewusst ist, macht es Sinn, solche Analysen (wie sie auch in diesem Themenspecial dargestellt werden), überhaupt durchzuführen. Es geht nämlich bei den in den Befragungen gar nicht bzw. nur unzureichend abgedeckten Spitzeneinkommen um eine nicht unerheblichen Zahl von Spitzeneinkommen und dabei um sehr große Beträge. Hier liegt, wie auch der fünfte Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung feststellt, eine wichtige Forschungsaufgabe der Zukunft
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) bemüht sich seit Jahren, wenigstens etwas Licht in dieses Dunkel zu bringen. So haben etwa Bach und andere (2011) durch eine kombinierte Auswertung der (leider immer sehr − ca. sechs Jahre − verspätet zugänglichen) Detaildaten der Einkommensteuer und des SOEP (inklusive der so genannten Hocheinkommensbezieher-Zusatzstichprobe) für die Jahre 1992 und 2005 folgendes ermittelt:
Das durchschnittliche reale (preisniveaubereinigte) Bruttoeinkommen der privaten Haushalte ist im Betrachtungszeitraum gerade einmal um 1,1 Prozent angestiegen.
Der Medianwert (das mittlere Bruttoeinkommen) ist sogar um 8,9 Prozent gesunken.
Dagegen sind die Durchschnittseinkommen der obersten 10 Prozent um acht und des obersten Prozents der Einkommensbezieher sogar um 12 Prozent gestiegen.
Das Durchschnittseinkommen der obersten 0,001 Prozent hat sich zwischen 1992 und 2005 sogar mehr als vervierfacht (+325,8 Prozent) und lag 2005 preisbereinigt − in Preisen von 2000 − bei immerhin gut 174 Millionen Euro.
In einer neueren Studie des DIW − nur auf Basis des SOEP inklusive der Hocheinkommensstichprobe − kommen Goebel u. a. (2015) zu dem Ergebnis: "Das durchschnittliche real verfügbare Haushaltseinkommen ist ... von 2000 bis 2012 um fünf Prozent gestiegen. Von dieser Entwicklung profitierten aber nur die oberen Einkommensgruppen. Während die realen Einkommen der obersten zehn Prozent um mehr als 15 Prozent stiegen, stagnierten sie in der Mitte der Einkommensverteilung und waren in den unteren Einkommensgruppen sogar rückläufig". Darüber hinaus schreiben Goebel u. a. (2015, S. 571), dass diese Entwicklung einer zunehmenden Ungleichheit, sich im Zeitraum bis 2005 abgespielt habe; seither verharre die Ungleichheit auf hohem Niveau.
Die reichen Haushalte (definiert mit der sehr skeptisch zu sehenden Reichtumsschwelle von 200 Prozent des Medians) sind, so kann man zusammenfassend festhalten, langfristig etwas mehr geworden. Ihr Einkommen hat überdurchschnittlich zugenommen. Seit ca. 2005/2008 zeigen eine Reihe von Indikatoren an, dass die langfristige Zunahme der Ungleichheit eher stagniert. Allerdings gibt es auch Gegenbeispiele und überhaupt ist es fragwürdig, solche Aussagen zu sehr zu strapazieren, solange wichtige Teile des Einkommensspektrums mit den verwendeten Daten gar nicht abgebildet werden. Hierzu bedarf es weiterer Forschung und besserer Datengrundlagen, wie es auch seitens der Bundesregierung begonnen wird. In diesem Kontext sollten die Wissenschaft und die Politik das Phänomen Reichtum aber dann in erweiterte Untersuchungszusammenhänge stellen. Stichworte sind dafür z. B. Mobilität und Persistenz von Reichtum (und Armut), Herkunft und Legitimation von Reichtum, Folgen einer zunehmenden Ungleichheit auf wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene.
An dieser Stelle ist schließlich eine dritte Studie aus dem DIW anzuführen, die auf einem Vergleich des SOEP mit den Einkommensteuerdaten aufbaut
Kritisch anzumerken bleibt, dass Bartels und Schröder (2016) die Einkommensteuerdaten beinahe schon wie eine gesicherte Referenz behandeln. Sie weisen auch nur in einem Punkt darauf hin, dass auch diese administrativen Daten eventuell den Einkommensanteil des obersten Perzentils bzw. die Einkommenskonzentration unterschätzen: "Es gibt Hinweise darauf, dass der Unternehmenssektor zunehmend Gewinne einbehält, also nicht ausschüttet. Wenn man diese einbehaltenen Gewinne den Spitzenverdienern zurechnen würde, wäre die gemessene Einkommenskonzentration vermutlich noch höher"
Dass die Bezieher sehr hoher Einkommen darüber hinaus mehr Möglichkeiten der legalen bis kriminellen Steuergestaltung und -vermeidung haben, sollte zumindest erwähnt werden