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Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Grundsteuer

Redaktion

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Das Bundesverfassungsgericht hat am 10. April die Grundsteuer in ihrer bisherigen Form für grundgesetzwidrig erklärt. Keine zwei Jahre bleiben dem Gesetzgeber, um ein neues Gesetz zu beschließen. Dabei stehen besonders zwei Modelle im Fokus.

Bis Ende 2019 soll die gesetzliche Basis für die Grundsteuer neu geregelt werden. (© dpa)

Die Interner Link: Grundsteuer ist ein Thema, das fast alle Menschen in der Bundesrepublik betrifft. Doch bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10. April war sie vielen Deutschen wohl nur am Rande bekannt. Das könnte sich in den nächsten Jahren ändern, denn die Richter ordneten eine grundlegende Reform der Steuer an. Die Debatte um diese für die Kommunen immens wichtige Einnahmequelle hat bereits begonnen.

Grundsätzlich gilt: Wer Immobilieneigentum besitzt, muss die darauf anfallende Grundsteuer jährlich abführen. Wer zur Miete wohnt, kommt indirekt dafür auf – denn Eigentümer legen die Grundsteuer als Teil der Betriebskosten oft auf die Mieter um, sofern dies im Mietvertrag so geregelt wurde. Änderungen an der Grundsteuer könnten also zu steigenden Mieten führen. Und auch für Eigenheimbesitzer könnte sich die Steuerlast erheblich verändern.

Grundlage für die Steuer sind bisher die so genannten Interner Link: Einheitswerte, die auf jahrzehntealten Zahlen aus zwei Hauptfeststellungsverfahren basierten. Eigentümer aus Westdeutschland waren deswegen vor das Bundesverfassungsgericht gezogen. Sie sahen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes (Artikel 3, Absatz 1) verletzt.

Bisheriges Modell verfassungswidrig

Die Richter erklärten die Grundsteuer in ihrer jetzigen Form für verfassungswidrig. Dabei kritisierten sie das Bemessungsverfahren für die Grundsteuer. "Das Aussetzen der im Recht der Einheitsbewertung ursprünglich vorgesehenen periodischen Hauptfeststellung seit dem Jahr 1964 führt bei der Grundsteuer zwangsläufig in zunehmendem Umfang zu Ungleichbehandlungen durch Wertverzerrungen", heißt es in dem Externer Link: Urteil.

Entscheidend sei dabei nicht die Tatsache an sich, dass es seit 54 Jahren kein Verfahren mehr zur Feststellung von Immobilienwerten gab. Davon alleine werde der Gleichheitsgrundsatz nicht verletzt. Wichtig aber seien die Unterschiede, die sich dabei in der Wertentwicklung von Immobilien ergeben haben. Obwohl immer noch für alle Eigentümer in Westdeutschland die gleiche Bemessungsgrundlage von 1964 gilt, haben sich seitdem die Werte von Immobilien unterschiedlich entwickelt.

Verzerrungen durch neue Entwicklungen am Immobilienmarkt

Dabei bezog sich das Bundesverfassungsgericht auch explizit auf lokale Entwicklungen: Wenn etwa neue Wohnungen mit besserer Ausstattung gebaut werden, sinkt im Verhältnis dazu der Wert von älteren, schlechter ausgestatteten Wohnungen. Als ein Beispiel nannten die Richter die verbauten Isolierverglasungen. Was vor 54 Jahren als höherklassig galt, sei heute allenfalls durchschnittlicher Standard. Auch die seit 1964 veränderten Verhältnisse in der Verkehrsanbindung und in der Wertentwicklung von Wohnlagen könnten durch das alte Verfahren nicht berücksichtigt werden.

In ihrer jetzigen Form verstoße die Grundsteuer seit Anfang 2002 gegen den Gleichheitsgrundsatz. Bundestag und Bundesrat müssen nun bis zum 31. Dezember 2019 eine Neufassung der Grundsteuer beschließen. Das Bundesverfassungsgericht sieht darin eine ausreichende Frist und verweist auf bereits vorliegende Reformvorschläge. Nach der Verabschiedung eines neuen Gesetzes bleiben fünf Jahre Zeit, um die neue Besteuerung umzusetzen. Spätestens also zum 31. Dezember 2024 müssen die Finanzämter eine reformierte Grundsteuer erheben.

Grund für die ungewöhnliche Fristenregelung sei der zu erwartende Verwaltungsaufwand, der mit einer Neuregelung der Grundsteuer einhergehe. Betroffen sind 35 Millionen Grundstücke samt möglicher Bebauung.

Veraltete Bemessungsgrundlagen

Die Grundsteuer ist eine Interner Link: Realsteuer. Deren Höhe bemisst sich nicht am Einkommen oder der sonstigen Leistungsfähigkeit des Eigentümers, sondern an einem Sachwert – bei der Grundsteuer dem Wert der jeweiligen Immobilie. Hierzu greifen die Finanzämter auf Daten aus den "Hauptfeststellungen der Einheitswerte" für Immobilien zurück. Das Problem dabei ist, dass diese Zahlen letztmalig in den Jahren 1964 (im Westen) und 1935 (im Osten) erhoben wurden. Zwar versuchen Finanzämter und Kommunen, den Veränderungen durch die Mitberechnung verschiedener weiterer Faktoren gerecht zu werden, doch gibt es erhebliche Zweifel, ob das ausreichend ist, damit die Steuer dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes (Artikel 3, Absatz 1) entspricht.

Bereits im Jahr 2014 hatte der Bundesfinanzhof die Ansicht geäußert, dass die Grundsteuer in ihrer jetzigen Form zumindest für die Zeit ab 2009 verfassungswidrig sei. Die Einheitswerte seien Jahrzehnte nach ihrer Erhebung nicht mehr realitätsgerecht.

Die bisherige Berechnung der Grundsteuer

Die Erhebung der Grundsteuer ist äußerst kompliziert. Ausgangspunkt für die Berechnung sind die Werte der bisher letzten Hauptfeststellung für die Immobilienwerte in Deutschland.

Solche Hauptfeststellungen gab es bisher, aufgrund des dafür nötigen Aufwandes, erst zweimal. Als das einheitliche Grundsteuerrecht im Jahr 1936 eingeführt wurde, wurden die Werte für das Gebiet des gesamten Deutschen Reiches für den 1. Januar 1935 ermittelt. Grundsätzlich sollte die Hauptfeststellung daraufhin alle sechs Jahre erneut erfolgen, der Zweite Weltkrieg verhinderte dies jedoch. In der DDR wurde ein solches Hauptfeststellungsverfahren nicht mehr durchgeführt, in der Bundesrepublik nur noch einmal: im Jahr 1964.

Als Basis zur Steuerberechnung für die westdeutschen Bundesländer dient daher weiterhin der Immobilienwert von 1964, in Ostdeutschland liegen im Wesentlichen die Zahlen von 1935 zugrunde. Aus ihnen wird der sogenannte Einheitswert oder Ersatzwirtschaftswert berechnet. Dieser Wert wird nun mit der sogenannten Steuermesszahl multipliziert. Diese ergibt sich aus dem Grundsteuergesetz und liegt im Westen zwischen 2,6 und 6,0 Promille, im Osten zwischen 5,0 und 10,0 Promille, je nach Eigentumsart. Die Unterschiede zwischen alten und neuen Bundesländern ergeben sich aus den unterschiedlichen Terminen für die Hauptfeststellung.

Beispiel: Wird für eine Eigentumswohnung in Westdeutschland ein Einheitswert von 100.000 Euro berechnet, muss dieser Betrag mit der Steuermesszahl von 0,035 multipliziert werden. Daraus ergäbe sich ein jährlicher Grundsteuerbetrag von 350 Euro. Weil die letzte Hauptfeststellung jedoch bereits 54 bzw. 83 Jahre zurückliegt, multiplizieren die Gemeinden diesen Betrag mit einem sogenannten Steuerhebesatz, der sich von Kommune zu Kommune unterscheidet. So soll unter anderem den veränderten Immobilienpreisen in den jeweiligen Kommunen Rechnung getragen werden. Die Stadt Frankfurt am Main etwa hat im Jahr 2015 einen Steuerhebesatz von 500 Prozent angelegt. Eine Eigentumswohnung mit einem Einheitswert von 100.000 Euro würde bei einer Steuermesszahl von 0,035 und einem daraus resultierenden Grundsteuerbetrag von 350 Euro bei Frankfurter Finanzämtern also tatsächlich mit 1.750 Euro besteuert.

Die Grundsteuer ist für die Kommunen eine sichere Einnahmequelle

Die gesamten Einnahmen aus der Grundsteuer fließen an die Kommune. Es wird grundsätzlich unterschieden zwischen den Grundsteuern A und B. Erstere betrifft land- und forstwirtschaftlich genutzte Grundstücke und macht bundesweit knapp 400 Millionen Euro jährlich aus. Grundsteuer B bezieht sich auf Grundstücke, die baulich genutzt werden. Hier kamen im Jahr 2016 insgesamt 13,3 Milliarden Euro zusammen.

Für die Stadtkämmerer ist die Grundsteuer eine sichere Einnahmequelle. Da Immobilien tendenziell über die Jahre an Wert gewinnen, bleiben die Einnahmen zumindest konstant. Deshalb ist die Grundsteuer wichtig für die Planung der kommunalen Haushalte.

Große Unterschiede bei den Hebesätzen

Der Steuerhebesatz unterscheidet sich von Kommune zu Kommune innerhalb der Bundesländer bisweilen erheblich. Nauheim im hessischen Landkreis Groß-Gerau legte im Jahr 2015 einen Steuerhebesatz von 960 Prozent für die Grundsteuer B zugrunde, während Eschborn im benachbarten Main-Taunus-Kreis nur 140 Prozent verlangte.

Über die Höhe des Hebesatzes und damit über die tatsächliche Höhe der Steuerbelastung entscheiden die Kommunen eigenverantwortlich. Neben der Gewerbesteuer ist die Grundsteuer damit die Einnahme, deren Höhe die Kommunen bei angespannter Haushaltslage selbst bestimmen können.

Konkurrierende Reformmodelle

Unabhängig von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist bereits seit geraumer Zeit eine Debatte um die Reform der Grundsteuer im Gange. Grundsätzlich stehen sich hier zwei konkurrierende Modelle gegenüber: das Kostenwertmodell und das Bodenwertmodell.

Beim Kostenwertmodell werden die tatsächlichen Baukosten zugrunde gelegt. Der Marktpreis des Grundstücks spielt dabei keine Rolle, stattdessen werden die Kosten zum Zeitpunkt des Baus als Bemessungsgrundlage berechnet. Die Länder Hessen und Niedersachsen hatten bereits im Jahr 2016 eine Initiative in den Bundesrat eingebracht, die eine Grundsteuerreform auf Basis des Kostenwerts zum Ziel hatte. Insgesamt 14 von 16 Bundesländern präferieren das Kostenwertmodell. Befürworter glauben, dass dieses Modell weniger bürokratischen Aufwand verursachen würde. Kritiker befürchten, dass dadurch die Grundsteuer um ein Vielfaches steigen könnte. Außerdem widersprechen die Kritiker der Darstellung, dass dadurch weniger Verwaltungsaufwand entstünde.

Beim Bodenwertmodell dagegen zählt nur der reine Grundstückswert zu Marktpreisen. Ein solches Konzept wurde unter anderem vom arbeitgeber- und wirtschaftsnahen Kölner Institut der deutschen Wirtschaft (IW) vorgeschlagen. Zu den Befürwortern zählen der Eigentümerverband "Haus & Grund", der Naturschutzbund sowie der Deutsche Mieterbund. Bei diesem Ansatz wären jene Immobilienbesitzer im Nachteil, die ihr baureifes Grundstück nicht zum Bau und zur Vermietung nutzen. Unterstützer des Bodenwertmodells sagen, dass man auf diese Weise Immobilienspekulanten entgegenwirken kann, die Baugrund unbebaut lassen, weil sie auf eine Wertsteigerung hoffen. Das IW ist außerdem davon überzeugt, dass den Kommunen auf diese Weise weiterhin etwa zwölf Milliarden Euro jährlich zufließen würden.

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