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Heuschreckenplage gefährdet Lebensgrundlagen

Redaktion

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Eine schwere Heuschreckenplage breitet sich seit Monaten in Ostafrika, auf der Arabischen Halbinsel und in Südasien aus. In vielen Ländern bedroht sie die Versorgungsgrundlage, Preise für Lebensmittel steigen. Die Corona-Pandemie erschwert die Bekämpfung der Plage.

Wüstenheuschrecken zerstören Ernten, wie hier Ende März 2020 in der Nähe von Oldonyiro, Kenia. Das Land erlebt zurzeit die schlimmste Heuschreckenplage seit 70 Jahren. (© picture-alliance/AP)

Welche Länder sind von der Heuschreckenplage betroffen?

Bereits seit Herbst 2018 haben sich Wüstenheuschrecken auf der Arabischen Halbinsel ausgebreitet. Auslöser waren Wirbelstürme und starke Niederschläge. Gerade feuchte Böden – etwa nach Überschwemmungen – bieten für die Insekten ideale Brutbedingungen.

In Ostafrika sind nach ungewöhnlich starken Regenfällen seit Herbst 2019 besonders Äthiopien, Somalia und Kenia von der Plage betroffen. Die Region erwartet in den kommenden Wochen bereits die nächste Welle von Heuschreckenschwärmen.

Auch in Südasien, besonders in Iran und Pakistan gibt es bereits Schwärme von Wüstenheuschrecken. Anfang Mai 2020 erreichten sie außerdem Indien.

Insgesamt sind bislang 23 Länder von der Plage betroffen. Die Interner Link: Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (Food and Agriculture Organization of the United Nations, FAO) warnt davor, dass die Heuschrecken von Ostafrika weiter nach Zentralafrika in den Tschad, nach Niger und Mali bis zur afrikanischen Atlantikküste vordringen könnten.

Warum wachsen die Schwärme so stark?

Wüstenheuschrecken leben normalerweise vereinzelt. Wenn sie aber so zahlreich vorkommen, dass sie sich gegenseitig berühren, ändern die Heuschrecken ihr Verhalten: Sie werden von "solitären" (also einzeln lebenden) zu "geselligen" Tieren und schließen sich in Schwärmen zusammen, in denen sie gemeinsam auf Nahrungssuche gehen.

Diese Schwärme können mehrere hundert Quadratkilometer groß werden und pro Quadratkilometer zwischen 40 und 80 Millionen Exemplare umfassen. Wenn sie die Vegetation in einem Gebiet aufgefressen haben, ziehen sie weiter. Dabei können Wüstenheuschrecken im Verbund bis zu 150 Kilometer am Tag zurücklegen.

Wüstenheuschrecken treten normalerweise allein auf. Zurzeit schließen sie sich in den betroffenen Ländern aber zu riesigen Schwärmen zusammen. (© picture-alliance/AP)

Welche Folgen hat das für die Landwirtschaft?

Die Insekten greifen in den betroffenen Regionen Äcker und Weiden an. Eine Wüstenheuschrecke frisst am Tag das Äquivalent ihres eigenen Körpergewichts an Pflanzen, also rund zwei Gramm. Ein großer Schwarm nimmt damit so viel Nahrung zu sich wie die Einwohner einer Millionenstadt. Dabei sind die Insekten nicht wählerisch: Sie fressen Grünpflanzen, aber auch Hirse, Reis und Getreide.

Auf diese Weise können komplette Ernten vernichtet werden. Auch das Viehfutter wird knapp, was vielen Landwirten ihre Lebensgrundlagen nimmt. Durch das verknappte Angebot steigen in vielen betroffenen Ländern auch die Lebensmittelpreise.

Die FAO warnt, dass die Heuschreckenplage die Interner Link: Nahrungsmittelsicherheit von etwa 25 Millionen Menschen akut bedroht, insbesondere in Äthiopien, Kenia, Somalia, Südsudan, Uganda und Tansania. In Ostafrika haben schwere Interner Link: Dürren bereits in den vergangenen Jahren die Ernte zerstört – viele Kleinbäuerinnen und Kleinbauern haben keine Reserven.

Wie stehen die Plagen in Zusammenhang mit dem Klimawandel?

Heuschreckenplagen gab es auch in der Vergangenheit. In einem ähnlichen Ausmaß wie in diesem Jahr kamen sie zuletzt in Kenia vor etwa 70 Jahren, in Äthiopien vor etwa 25 Jahren vor.

Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler betonen den Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und einer Zunahme von Wüstenheuschrecken. Denn die tropischen Wirbelstürme und ungewöhnlich starken Regenfälle, die den Heuschrecken so gute Brutbedingungen bieten, entstehen unter anderem durch eine gestiegene Wassertemperatur im Indischen Ozean. Zudem werden Interner Link: Wettermuster durch den Klimawandel unberechenbarer, was die Vorhersage von Insekteninvasionen erschwert.

Wie können die Heuschrecken bekämpft werden?

Viele Regierungen in den betroffenen Ländern haben verspätet auf die Heuschreckenschwärme reagiert. Im Jemen etwa gab es inmitten des Interner Link: andauernden Bürgerkriegs kaum Ressourcen für eine effiziente Bekämpfung der Plage. Mittlerweile versuchen die Länder die Kontrolle zurückzugewinnen und die weitere Ausbreitung der Insekten einzudämmen.

Wüstenheuschrecken können durch den Einsatz von Pestiziden bekämpft werden. Der großflächige Einsatz chemischer Mittel bedroht allerdings auch andere Pflanzen sowie die Gesundheit von Menschen. Deshalb werden auch biologische Methoden erforscht, etwa der Einsatz von Pilzsporen, die die Insekten befallen und töten. Aber auch regelmäßige Kontrollen und eine Überwachung möglicher Brutgebiete sind wichtig, um die Verbreitung langfristig einzudämmen.

Wie erschwert die Corona-Pandemie die Bekämpfung?

Die Heuschreckenplage stellt die betroffenen Länder derzeit vor eine zweifache Herausforderung. Denn die Interner Link: COVID-19-Pandemie setzt die Länder bereits wirtschaftlich enorm unter Druck und erschwert gleichzeitig die Bekämpfung der Insekten. Wegen der Grenzschließungen und der Einschränkung des Internationalen Warenverkehrs etwa gehen den ostafrikanischen Ländern die Pestizide aus. Hubschrauber, die zur Schädlingsbekämpfung eingesetzt werden sollten, können derzeit nicht aus Südafrika geliefert werden. Zudem sorgen Ausgangssperren am frühen Morgen, wenn die Heuschrecken besonders gut bekämpft werden könnten, für Personalmangel.

Wie hilft die Internationale Gemeinschaft?

Die Bundesregierung hat der FAO bereits Ende Februar Soforthilfen in Höhe von 20 Millionen Euro zugesagt. Auch die EU will Unterstützung bei der Bekämpfung der Heuschreckenplage leisten. Am 21. Mai 2020 hat die Weltbank Gruppe Hilfen in Höhe von 500 Millionen US-Dollar zur Unterstützung im Kampf gegen die Heuschrecken zugesichert. Für Ende Juni bis Anfang Juli erwartet die FAO die nächste Welle von Schwärmen.

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