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Die Regulierung des Gesundheitswesens in der Schweiz | Gesundheitspolitik | bpb.de

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Die Regulierung des Gesundheitswesens in der Schweiz

Thomas Gerlinger Renate Reiter

/ 3 Minuten zu lesen

Proben in einem medizinischen Labor im Kanton Zürich. (© Picture-Alliance/KEYSTONE)

Bund und Kantone

Für die Regulierung des Gesundheitswesens ist der Staat von außerordentlich großer Bedeutung. Die Kompetenzverteilung zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden ist insgesamt recht unübersichtlich und in manchen Fällen auch widersprüchlich.

Die wichtigste Kompetenz des Bundes besteht in der Rahmengesetzgebung auf dem Gebiet der Krankenversicherung, die dem in der Verfassung vorgeschriebenen Ablauf folgt. Des Weiteren sind auf Bundesebene eine Reihe exekutiver Kompetenzen angesiedelt, die vom Bundesrat, vom Eidgenössischen Departement des Innern (EDI) und vom Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) wahrgenommen werden. Der Bund verfügt über folgende wichtige Kompetenzen:

  • Zulassung von Krankenversicherungsträgern und Aufsicht über die Krankenversicherung (Bundesrat, Bundesamt für Sozialversicherung)

  • Aufsicht über die Kantone bei der Implementierung der eidgenössischen Gesetze

  • Definition des Leistungskatalogs der Krankenversicherung (Bundesrat)

  • Genehmigung der zwischen den Krankenversicherern und Leistungserbringern ausgehandelten gesamtschweizerischen Tarife

  • Bestimmungen zur Finanzierung der Krankenversicherung (Selbstbehalte, wählbare Franchisestufen, Höchstrabatte) (Bundesrat)

  • Ausbildung und Zulassung der akademischen Gesundheitsberufe (Bundesrat)

Die Kantone sind für die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung verantwortlich und in dieser Eigenschaft die gesundheitspolitischen Hauptakteure. Nicht ganz zu Unrecht wird gelegentlich davon gesprochen, dass es in der Schweiz 26 unterschiedliche Gesundheitssysteme gebe (Hoffmeyer 1993, S. 17). Auch als Finanzierungsträger haben die Kantone ein beachtliches Gewicht, tragen sie doch mehr als 55 Prozent der staatlichen Gesundheitsausgaben. Sie nehmen bei der Regulierung des Gesundheitswesens unter anderem folgende Aufgaben wahr:

  • die Umsetzung des Krankenversicherungsgesetzes

  • die Krankenhausplanung sowie die Beteiligung an der Krankenhausfinanzierung

  • die Genehmigung der für den jeweiligen Kanton abgeschlossenen Tarifverträge zwischen Leistungserbringern und Versicherern einschließlich der Schlichtung von Meinungsverschiedenheiten durch Schiedsinstanzen

  • die Regelung von Patientenrechten

  • die Ausbildung und Zulassung der nicht akademischen Gesundheitsberufe

Zentralisierungs- und Vereinheitlichungstendenzen

In den letzten Jahren hat sich eine Tendenz zur Zentralisierung von Regulierungskompetenzen und zur bundesweiten Vereinheitlichung von Rahmenbedingungen in der Gesundheitspolitik bemerkbar gemacht. Wichtigster Ausdruck dieser Tendenzen ist die erwähnte Verabschiedung des Krankenversicherungsgesetzes und – darin zum Teil eingeschlossen – folgende Neuerungen:

  • die Einführung einer eidgenössischen Versicherungspflicht

  • die Definition eines bundeseinheitlichen Leistungskatalogs

  • die Festsetzung einheitlicher Rahmenbedingungen zur Prämiensubventionierung für sozial Schwache

  • die Erweiterung der Aufsichtsrechte des Bundesamts für Sozialversicherung

  • die Schaffung einer neuen Institution ("Swissmedic") für die nunmehr landesweit einheitliche Zulassung von Arzneimitteln

Die häufig unklare und manchmal widersprüchliche Arbeitsteilung zwischen Bund und Kantonen sowie die mit der gesundheitspolitischen Machtstellung der Kantone verbundene Fragmentierung des Gesundheitssystems wird in der Schweiz zunehmend kritisch betrachtet und häufig als ineffizient angesehen (Achtermann/Berset 2006). In der Vergangenheit sollte die interkantonale Zusammenarbeit sowie die Zusammenarbeit zwischen Kantonen und Bund durch die Schweizerische Sanitätsdirektorenkonferenz (SDK) – das politische Koordinationsorgan der zuständigen Mitglieder der 26 Kantonsregierungen – gefördert werden. Jedoch waren die Ergebnisse unbefriedigend. Im Jahr 2003 haben Bund und Kantone daher das Projekt "Nationale Gesundheitspolitik Schweiz" auf den Weg gebracht, mit dem eine bessere Abstimmung zwischen Bund und Kantonen sowie zwischen den politisch Verantwortlichen und den Akteuren im Gesundheitswesen hergestellt werden soll. Trotz dieser Entwicklungen ist die Stellung der Kantone und damit die Fragmentierung des schweizerischen Gesundheitswesens aber nach wie vor sehr stark ausgeprägt.

Wettbewerb und Managed Care

Das schweizerische Gesundheitssystem orientiert sich am Leitbild des regulierten Wettbewerbs. Ausgaben- und Qualitätsprobleme sollen mithilfe von Managed-Care-Konzepten gelöst werden. Kernelemente des regulierten Wettbewerbs sind:

  • die freie Wahl des Krankenversicherers;

  • die Entwicklung besonderer Versorgungsformen (Health Maintenance Organizations, Arztnetze und Hausarztmodelle) und die Möglichkeit zum Abschluss entsprechender Verträge zwischen Krankenversicherern und Leistungsanbietern;

  • finanzielle Anreize vor allem für die Versicherten, sich im Rahmen solcher Modelle versorgen zu lassen.

Ausgaben-, Qualitäts- und damit Effizienzprobleme sollen also durch marktförmige Steuerungsmechanismen und wirtschaftliche Anreize für die Akteure auf der Mikroebene (Krankenversicherer, Leistungsanbieter, Versicherte, Patientinnen und Patienten) gelöst werden. Der Staat erlässt dafür in der Gesamtschweiz und in den Kantonen entsprechende Rahmenvorschriften.

Quellen / Literatur

Achtermann, Wally/Berset, Christel (2006): Gesundheitspolitiken in der Schweiz – Potential für eine nationale Gesundheitspolitik, Bd. 1: Analyse und Perspektiven. Bern

Bundesamt für Statistik (2007): Kosten und Finanzierung des Gesundheitswesens 2005. Neuchâtel

Bundesamt für Gesundheit (2007): Prämienübersicht 2008. Bern

Hoffmeyer, Ullrich (Hrsg.) (1993): Gesundheitsreform in der Schweiz. Auszug aus einem internationalen Vergleich. Zürich

Klingenberger, David (2002): Health Maintenance Organizations in der Schweiz – Darstellung und Kritik – (IDZ-Information Nr. 1/2002). Köln

Kocher, Gerhard/Oggier, Willy (Hrsg.) (2007): Gesundheitswesen Schweiz 2007 - 2009. Eine aktuelle Übersicht. Bern

Obinger, Herbert (1998): Politische Institutionen und Sozialpolitik in der Schweiz. Der Einfluß von Nebenregierungen auf Struktur und Entwicklungsdynamik des schweizerischen Sozialstaates. Frankfurt am Main

Rosenbrock, Rolf/Gerlinger, Thomas (2006): Gesundheitspolitik. Eine systematische Einführung, 2., vollst. überarb. u. erw. Aufl. Bern

Wirthner, Adrian/Ulrich, Volker (2003): Managed Care. In: Zenger, Christoph A./Jung, Tarzis (Hrsg.): Management im Gesundheitswesen und in der Gesundheitspolitik. Kontext – Normen – Perspektiven, Bern u. a., S. 255 - 267

Fussnoten

Weitere Inhalte

Prof. Dr. Dr. Thomas Gerlinger ist Professor an der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld, AG 1: Gesundheitssysteme, Gesundheitspolitik und Gesundheitssoziologie.

Dr. Renate Reiter, Institut für Politikwissenschaft der FernUniversität in Hagen