Erste Bewertungen der Gesundheitsreform 2006
Die Konsequenzen der Gesundheitsreform des Jahres 2006 wurden erst in Teilen evaluiert. Dennoch zeigen sich einige interessante Entwicklungstendenzen:
Mit der Öffnung des Versicherungsmarktes setzte im Jahr 2006 eine rege Wechselbewegung der Versicherten ein. 18 Prozent aller Versicherten wechselten zu einer anderen Versicherung. Dieser Effekt ließ jedoch deutlich nach. Im Jahr 2007 lag die Wechselquote nur noch bei 4,5 Prozent aller Versicherten.
Die Einführung der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung verhindert nicht, dass es in den Niederlanden Menschen ohne Krankenversicherung gibt. Die Versicherungen können Versicherte ausschließen, wenn diese ihre Beitragszahlungen nicht leisten. Im Jahr 2007 wurde die Zahl der nicht versicherten Einwohnerinnen und Einwohner auf 247.000 geschätzt; das sind etwa 1,5 Prozent der Bevölkerung. Dies stellt einen Fortschritt gegenüber dem Zustand vor der Reform 2006 dar. Für das Jahr 2003 wurde der Anteil der Nichtversicherten auf sieben Prozent der Bevölkerung geschätzt. Beobachterinnen und Beobachter gehen allerdings davon aus, dass die Zahl der Nichtversicherten erneut steigen wird, wenn die Versicherungen die säumigen Beitragszahlerinnen und -zahler konsequent ausschließen werden.
Der verschärfte Wettbewerb zwischen den Versicherungen hat offensichtlich zu Dumpingangeboten bei der Prämiengestaltung geführt. Die Prämien des Jahres 2006 wiesen eine Unterdeckung von etwa zwei Prozent auf. Viele Versicherungen verfügen über ausreichende Rücklagen, mit denen die Verluste ausgeglichen werden können. Künftig zeichnet sich jedoch ein deutlicher Prämienanstieg ab.
Im Jahr 2006 war ein leichter Rückgang der Krankenhauspreise zu beobachten.
Die Wartezeiten für elektive (planbare) Leistungen wurden deutlich reduziert.
Die vorhandenen Informationen über die Versorgungsqualität werden als unzureichend eingeschätzt. Ein Wettbewerb um Qualität ist auf dieser Grundlage schwer möglich.
Hinzu kommt, dass nur eine Minderheit der Versicherten ihre Wahlmöglichkeiten an Qualitätsindikatoren ausrichtet. Die große Mehrheit bemüht sich nicht um Informationen über die Versorgungsqualität. Dies deutet darauf hin, dass es primär finanzielle Kriterien sind, die den Wettbewerb im niederländischen Gesundheitsmarkt bestimmen.
Ausblick auf künftige Reformvorhaben
Die Gesundheitsreform 2006 war für die christlich-liberale Regierungskoalition ein erster großer Schritt in Richtung einer stärkeren Wettbewerbsorientierung im Gesundheitswesen. Bis zum Jahr 2012 waren weitere Schritte geplant. Durch den Regierungswechsel im Februar 2007 und den Eintritt der Sozialdemokraten in die Koalition war jedoch unsicher, was die nächsten gesundheitspolitischen Reformschritte sein würden. Die Rücknahme der "No-Claim"-Regelung war ein Hinweis darauf, dass die neue Regierung Korrekturen am Reformprojekt vornehmen würde. Dennoch sind weitere Schritte der Deregulierung des Gesundheitswesens vorgesehen.
Im Mittelpunkt künftiger Reformvorhaben steht der Krankenhaussektor. Die diskutierten Veränderungen laufen darauf hinaus, den einzelnen Krankenhäusern beziehungsweise den Krankenhausketten einen größeren unternehmerischen Gestaltungsspielraum zu eröffnen. Das Finanzierungssystem soll vereinfacht werden, um die Verhandlungen zwischen den Krankenhäusern und den Versicherungen zu fördern. Der Umfang der Verhandlungen soll deutlich ausgeweitet werden. Eine "Entstaatlichung" der Kapazitätsplanung soll den Krankenhäusern eine größere Entscheidungsautonomie gewähren. Angedacht ist auch eine Öffnung des Sektors für profitorientierte Einrichtungen, um verstärkt privates Kapital anzuziehen. Den Häusern soll zudem ermöglicht werden, auf eigenes Risiko an den Finanzmärkten zu agieren, um dadurch Investitionen zu finanzieren.
Daneben bleibt auch die Zusammenführung der ersten und der zweiten Säule der Krankenversicherung ein Thema der niederländischen Gesundheitspolitik. Ein derzeit diskutiertes Modell sieht vor, dass die in der AWBZ öffentlich erhobenen Mittel den privaten Versicherungsunternehmen entsprechend der Zahl ihrer Versicherten zur Verfügung gestellt werden, damit diese die Mittel nutzen, um die Leistungen der Pflegeversicherung für ihre Versicherten einzukaufen. Damit soll ein Übergang von den derzeit bestehenden regionalen Einkaufsmonopolen, die mit den Leistungsanbietern im Rahmen öffentlich bestimmter Budgets Verhandlungen führen, zu einem deregulierten Einkaufsmarkt für Pflegeleistungen vorangetrieben werden. Die Privatversicherungen, die dann die Rolle der Einkäufer wahrnehmen, sollen im Interesse ihrer Versicherten Verträge über kostengünstige und hochwertige Leistungen abschließen.