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Aktuelle Probleme und künftige Reformvorhaben in den Niederlanden

Thomas Gerlinger

/ 3 Minuten zu lesen

Weiterhin bleibt das prioritäre Ziel der niederländischen Gesundheitspolitik eine effiziente, kostengünstige und qualitativ hochwertige Versorgung für alle Bürgerinnen und Bürger der Niederlanden. Die Kostendämpfung, die Steigerung der Versorgungsqualität, der schnellere Zugang zu notwendigen medizinischen Behandlungen sollten durch die Stärkung des Wettbewerbs in der jüngsten Gesundheitsreform erreicht werden. Erste Analysen der Auswirkungen der Reform zeichnen ein widersprüchliches Bild.

Das "Teddybär Krankenhaus" im "Wilhelmina Kinder Krankenhaus (WKZ)" in Utrecht (© picture alliance / ANP)

Erste Bewertungen der Gesundheitsreform 2006

Die Konsequenzen der Gesundheitsreform des Jahres 2006 wurden erst in Teilen evaluiert. Dennoch zeigen sich einige interessante Entwicklungstendenzen:

  • Mit der Öffnung des Versicherungsmarktes setzte im Jahr 2006 eine rege Wechselbewegung der Versicherten ein. 18 Prozent aller Versicherten wechselten zu einer anderen Versicherung. Dieser Effekt ließ jedoch deutlich nach. Im Jahr 2007 lag die Wechselquote nur noch bei 4,5 Prozent aller Versicherten.

  • Die Einführung der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung verhindert nicht, dass es in den Niederlanden Menschen ohne Krankenversicherung gibt. Die Versicherungen können Versicherte ausschließen, wenn diese ihre Beitragszahlungen nicht leisten. Im Jahr 2007 wurde die Zahl der nicht versicherten Einwohnerinnen und Einwohner auf 247.000 geschätzt; das sind etwa 1,5 Prozent der Bevölkerung. Dies stellt einen Fortschritt gegenüber dem Zustand vor der Reform 2006 dar. Für das Jahr 2003 wurde der Anteil der Nichtversicherten auf sieben Prozent der Bevölkerung geschätzt. Beobachterinnen und Beobachter gehen allerdings davon aus, dass die Zahl der Nichtversicherten erneut steigen wird, wenn die Versicherungen die säumigen Beitragszahlerinnen und -zahler konsequent ausschließen werden.

  • Der verschärfte Wettbewerb zwischen den Versicherungen hat offensichtlich zu Dumpingangeboten bei der Prämiengestaltung geführt. Die Prämien des Jahres 2006 wiesen eine Unterdeckung von etwa zwei Prozent auf. Viele Versicherungen verfügen über ausreichende Rücklagen, mit denen die Verluste ausgeglichen werden können. Künftig zeichnet sich jedoch ein deutlicher Prämienanstieg ab.

  • Im Jahr 2006 war ein leichter Rückgang der Krankenhauspreise zu beobachten.

  • Die Wartezeiten für elektive (planbare) Leistungen wurden deutlich reduziert.

  • Die vorhandenen Informationen über die Versorgungsqualität werden als unzureichend eingeschätzt. Ein Wettbewerb um Qualität ist auf dieser Grundlage schwer möglich.

  • Hinzu kommt, dass nur eine Minderheit der Versicherten ihre Wahlmöglichkeiten an Qualitätsindikatoren ausrichtet. Die große Mehrheit bemüht sich nicht um Informationen über die Versorgungsqualität. Dies deutet darauf hin, dass es primär finanzielle Kriterien sind, die den Wettbewerb im niederländischen Gesundheitsmarkt bestimmen.

Ausblick auf künftige Reformvorhaben

Die Gesundheitsreform 2006 war für die christlich-liberale Regierungskoalition ein erster großer Schritt in Richtung einer stärkeren Wettbewerbsorientierung im Gesundheitswesen. Bis zum Jahr 2012 waren weitere Schritte geplant. Durch den Regierungswechsel im Februar 2007 und den Eintritt der Sozialdemokraten in die Koalition war jedoch unsicher, was die nächsten gesundheitspolitischen Reformschritte sein würden. Die Rücknahme der "No-Claim"-Regelung war ein Hinweis darauf, dass die neue Regierung Korrekturen am Reformprojekt vornehmen würde. Dennoch sind weitere Schritte der Deregulierung des Gesundheitswesens vorgesehen.

Im Mittelpunkt künftiger Reformvorhaben steht der Krankenhaussektor. Die diskutierten Veränderungen laufen darauf hinaus, den einzelnen Krankenhäusern beziehungsweise den Krankenhausketten einen größeren unternehmerischen Gestaltungsspielraum zu eröffnen. Das Finanzierungssystem soll vereinfacht werden, um die Verhandlungen zwischen den Krankenhäusern und den Versicherungen zu fördern. Der Umfang der Verhandlungen soll deutlich ausgeweitet werden. Eine "Entstaatlichung" der Kapazitätsplanung soll den Krankenhäusern eine größere Entscheidungsautonomie gewähren. Angedacht ist auch eine Öffnung des Sektors für profitorientierte Einrichtungen, um verstärkt privates Kapital anzuziehen. Den Häusern soll zudem ermöglicht werden, auf eigenes Risiko an den Finanzmärkten zu agieren, um dadurch Investitionen zu finanzieren.

Daneben bleibt auch die Zusammenführung der ersten und der zweiten Säule der Krankenversicherung ein Thema der niederländischen Gesundheitspolitik. Ein derzeit diskutiertes Modell sieht vor, dass die in der AWBZ öffentlich erhobenen Mittel den privaten Versicherungsunternehmen entsprechend der Zahl ihrer Versicherten zur Verfügung gestellt werden, damit diese die Mittel nutzen, um die Leistungen der Pflegeversicherung für ihre Versicherten einzukaufen. Damit soll ein Übergang von den derzeit bestehenden regionalen Einkaufsmonopolen, die mit den Leistungsanbietern im Rahmen öffentlich bestimmter Budgets Verhandlungen führen, zu einem deregulierten Einkaufsmarkt für Pflegeleistungen vorangetrieben werden. Die Privatversicherungen, die dann die Rolle der Einkäufer wahrnehmen, sollen im Interesse ihrer Versicherten Verträge über kostengünstige und hochwertige Leistungen abschließen.

Quellen / Literatur

Bartholomée, Yvette/Maarse, Hans (2006): Health insurance reform in the Netherlands. In: Eurohealth Vol 12 No 2, S. 7 - 9

Exter, André den (u. a.) (2004): Health Care Systems in Transition. Netherlands. Copenhagen

Hartmann, Anja K. (2002): Zwischen Differenzierung und Integration. Die Entwicklung des Gesundheitssystems in den Niederlanden und der Bundesrepublik. Opladen

Ministerium für Gesundheit, Gemeinwohl und Sport (2006): Das neue Gesundheitssystem in den Niederlanden. Tragfähigkeit, Solidarität, Entscheidung, Qualität, Effizienz. Broschüre des niederländischen Gesundheitsministeriums

NZa (Nederlandse Zorgautoriteit) (2007): Submission by the Dutch Healthcare Authority (NZa) to the EU consultation regarding Community action on health services
Externer Link: http://ec.europa.eu/health/archive/ph_overview/co_operation/mobility/docs/health_services_co201_nl.pdf

Walser, Christina (2006): Nach der Gesundheitsreform in den Niederlanden: Eine neue Krankenversicherung für jeden. In: Soziale Sicherheit 3, S. 87 - 92

Fussnoten

Weitere Inhalte

Prof. Dr. Dr. Thomas Gerlinger ist Professor an der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld, AG 1: Gesundheitssysteme, Gesundheitspolitik und Gesundheitssoziologie.