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Demografie und gesamtwirtschaftliche Entwicklung

Gerhard Bäcker Ernst Kistler

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Wenn die Beschäftigten in Zukunft stärker belastet werden, dann kommt es auf die wirtschaftliche Entwicklung an, ob diese Belastungen verkraftet werden können. Erhöhen sich Sozialprodukt und Arbeitnehmereinkommen, dann ist dies auch ohne Einkommensverluste möglich.

Familie mit Leiterwagen. Die Verteilungsfrage zwischen den Generationen lässt sich entschärfen, wenn es zu rückläufiger Arbeitslosigkeit, steigenden Erwerbstätigenquoten und Produktions-, Produktivitäts- und Einkommenszuwächsen kommt.

Für die Finanzierung der Sozialleistungen an eine wachsende Anzahl älterer Menschen ist es nicht nur wichtig, wie groß die Zahl der im Erwerbsleben stehenden aktiven Bevölkerung ist, welches Arbeitsvolumen sie auf sich vereinigen und welchen Finanzierungsbeitrag sie über Steuern oder Beiträge leisten. Aus der Relation der Anzahl der Köpfe alleine lässt sich nämlich noch nicht beurteilen, ob höhere Belastungen auch zu verkraften sind. Wichtig für die Zahlungsbereitschaft und Zahlungsfähigkeit im generativen Übertragungsprozess ist gleichermaßen, welche Höhe die individuellen Einkommen haben, die in Zukunft erwirtschaftet werden. Die Einkommensentwicklung entscheidet, ob es gelingt, steigende Beitrags- und/oder Steuerbelastungen auch ohne Realeinkommensverluste zu verkraften.

Zu berücksichtigen sind also die gesamtwirtschaftlichen Trends, nämlich die Zuwachsraten von Beschäftigung, Sozialprodukt, Produktivität und Arbeitseinkommen. Die Verteilungsfrage zwischen den Generationen lässt sich entschärfen, wenn es zu rückläufiger Arbeitslosigkeit, steigenden Erwerbstätigenquoten und Produktions-, Produktivitäts- und Einkommenszuwächsen kommt. Alle vorliegenden ökonomischen Prognosen gehen davon aus, dass auch in Zukunft ein zumindest moderater Zuwachs der Arbeitsproduktivität stattfinden wird. Dies bedeutet, dass mit weniger Input an Arbeitskräften das gleiche, ja sogar ein größeres Sozialprodukt erwirtschaftet werden kann. Vorausgesetzt, dass sich dieser Produktivitätsfortschritt nicht nur bei den Einkommen aus Unternehmertätigkeiten und Vermögen niederschlägt, kann von diesem gewachsenen Kuchen die Rente auch für mehr Rentner finanziert werden, ohne dass die aktive Bevölkerung Einkommenseinbußen gegenüber dem heutigen Niveau hinnehmen muss.

Wenn man sehr vorsichtig annimmt, dass es zwischen 2016 und 2040 (2060) zu einem Wachstum des realen (!) Sozialproduktes von durchschnittlich 1,5 Prozent kommt, dann erhöht sich das Sozialprodukt bis 2040 um etwa 43 Prozent, bis 2060 um etwa 93 Prozent. Bei einem Wachstum von 2 Prozent errechnet sich sogar ein Zuwachs um 61 Prozent bzw. 139 Prozent. Wenn zugleich die Bevölkerungszahl sinkt, erhöht sich das Wachstum pro Kopf noch viel stärker. Wird dieser Zuwachs anteilig auf die Löhne und Gehälter weiter gegeben, errechnet sich eine entsprechende Erhöhung der realen Einkommen pro Kopf der Erwerbstätigen. Aus diesen einfachen Modellberechnungen lässt sich erkennen, dass der durchschnittliche Wohlstand je Bürger in Zukunft deutlich steigen wird. Unter diesen Bedingungen, also aus einem steigenden Wohlstand heraus, müssen die demografischen Belastungen bewältigt werden. Trotz insgesamt steigender Abzüge vom Bruttoeinkommen fallen bei den Erwerbstätigen also immer noch Nettorealeinkommenszuwächse an. Die demografischen Belastungen können aus den Zuwächsen getragen und ohne Konsumverzicht bewältigt werden.

Diese Belastungen ergeben sich im Übrigen nicht nur für die Alterssicherung, sondern auch für die Kranken- und Pflegeversicherung. Aber die Finanzlage dieser beiden Versicherungen wird durch die steigende Zahl der Älteren nur begrenzt beeinflusst, denn die Rentner sind auch Beitragszahler in die Kranken- und Pflegeversicherung. Zugleich ist fragwürdig, ob mit der Verlängerung der Lebenserwartung auch eine entsprechende Verlängerung der Morbiditäts- und Pflegephase verbunden sein wird. Eher das Gegenteil dürfte der Fall sein, dass sich nämlich bei steigender Lebenserwartung die Phase, in der mit erhöhten Risiken zu rechnen ist, in höhere Altersgruppen verschiebt. Wenn die Erhöhung der Lebenserwartung mit einem Zugewinn an gesunden Lebensjahren verbunden ist, würde der Ausgabenanstieg in der Kranken- und Pflegeversicherung jedoch deutlich niedriger ausfallen, als wenn mit einer steigenden Häufigkeit und längeren Dauer von Krankheit und Pflegebedürftigkeit zu rechnen ist.

Die Modellberechnungen dürfen indes nicht den Eindruck erwecken, dass die Zukunft so und nicht anders aussehen wird. Die Unsicherheiten bei den wirtschaftlichen Prognosen – zumal über einen Zeitraum bis zum Jahr 2060 – sind noch einmal größer als bei den demografischen Vorausberechnungen. Es kann auch nicht einfach abgewartet und das Eintreffen günstiger ökonomischer Konstellationen unterstellt werden. Kommt es nämlich nicht dazu, dann müsste die demografische Belastung unter den Bedingungen von hoher Arbeitslosigkeit, Wachstumsschwäche und Einkommensstagnation bewältigt werden. Es bedarf also eines aktiven wirtschafts- und beschäftigungspolitischen Handelns. So lassen sich eine steigende Alterserwerbstätigkeit und die Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt nicht einfach per "Knopfdruck" verordnen. Durch Betriebs-, Arbeitszeit- und Familienpolitik müssen die Voraussetzungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessert werden . Ein längerer Verbleib älterer Arbeitnehmer im Beruf setzt voraus, dass entsprechende Arbeitsplätze angeboten werden und sich Betriebe wie Beschäftigte frühzeitig auf eine verlängerte Lebensarbeitszeit vorbereiten. Mit der Heraufsetzung von Altersgrenzen ist es nicht getan – damit wird lediglich festgelegt, dass eine nicht um Abschläge gekürzte Rente erst später bezogen werden kann. Eine besondere Herausforderung stellt die Aufgabe dar, die große Zahl von Zuwanderern nicht nur "aufzunehmen", sondern auch tatsächlich zu integrieren. Vorausschauende Maßnahmen in allen Teilbereichen der Sozial- und Gesellschaftspolitik sind gefordert, wenn soziale Probleme vermieden werden sollen.

Demografische Belastungen und kapitalmarktabhängige Alterssicherungssysteme

Die Einbindung der demografischen Prozesse in den gesamtwirtschaftlichen Zusammenhang kann aufzeigen, dass durch günstige ökonomische Bedingungen die Belastungen verringert werden können und leichter zu tragen sind. Gleichwohl gilt die zentrale Einsicht: "Belastungen lassen sich nicht wegreformieren – sehr wohl aber anders verteilen" . Das weist darauf hin, dass neben der umlagefinanzierten Rentenversicherung und den ebenfalls umlage-, weil steuerfinanzierten Sondersystemen (Beamtenversorgung, Grundsicherung, Alterssicherung der Landwirte usw.) auch die kapitalfundierten Altersversorgungssysteme (betriebliche Altersversorgung, private Vorsorge) von dem Altersumbruch in der Bevölkerung betroffen sind.

Denn eine steigende Lebenserwartung führt entweder zu höheren Sparleistungen bzw. Versicherungsbeiträgen oder aber zu sinkenden Leistungen. Das gilt gleichgültig ob diese als Voll- oder Teilkapitaldeckung organisiert sind, bzw. ob sie von der Gesetzlichen Rentenversicherung verwaltet werden (was in Deutschland sehr lange der Fall war) oder von privaten Finanzinstitutionen. Zugleich ergibt sich aus der Verschiebung der Anteilsrelationen zwischen Jüngeren und Älteren, dass zu dem Zeitpunkt, an dem die stark besetzten Älteren ihr Kapital auflösen wollen und müssen, die weniger werdenden Jüngeren stärker sparen müssen, um den Kurswert der Anlagen nicht absinken zu lassen. Tun dies die Jüngeren nicht, müssen die Älteren mit geringeren Erträgen rechnen (vgl. Interner Link: Kapitaldeckungsverfahren als Finanzierungsalternative?).

Hintergrund dieses Zusammenhangs ist die so genannte "Mackenroth-These", wonach den Ruheständlern und dem Rest der Bevölkerung für ihre Konsumnachfrage immer nur das Volkseinkommen (bzw. das realwirtschaftliche Dienstleistungs- und Güterangebot) des jeweils laufenden Jahres zur Verfügung steht. Denn auch beim Kapitaldeckungsverfahren muss die kleiner werdende Gruppe der Erwerbstätigen ihren Konsum einschränken, wenn der Konsum der größer werdenden Gruppe der Älteren wächst.

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Gerhard Bäcker, Prof. Dr., geboren 1947 in Wülfrath ist Senior Professor im Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen. Bis zur Emeritierung Inhaber des Lehrstuhls "Soziologie des Sozialstaates" in der Fakultät für Gesellschaftswissenschaften der Universität Duisburg-Essen. Forschungsschwerpunkte: Theorie und Empirie des Wohlfahrtsstaates in Deutschland und im internationalen Vergleich, Ökonomische Grundlagen und Finanzierung des Sozialstaates, Systeme der sozialen Sicherung, insbesondere Alterssicherung, Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik, Lebenslagen- und Armutsforschung.

Ernst Kistler, Prof. Dr., geboren 1952 in Windach/Ammersee ist Direktor des Internationalen Instituts für Empirische Sozialökonomie, INIFES gGmbH in Stadtbergen bei Augsburg. Forschungsschwerpunkte: Sozial- und Arbeitsmarktberichterstattung, Demografie, Sozialpolitik, Armutsforschung.