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Umlage- versus Kapitaldeckungsverfahren | Rentenpolitik | bpb.de

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Umlage- versus Kapitaldeckungsverfahren

Gerhard Bäcker Ernst Kistler

/ 3 Minuten zu lesen

Im durchaus ideologisch geführten Streit zwischen Verfechtern des Umlage- versus Kapitaldeckungsverfahren wird oft übersehen, dass in der Realität abgestufte Mischformen und ein Nebeneinander bei den Finanzierungsformen der Alterssicherung existieren.

Bankschließfach mit Goldbarren und -münze. Im Streit zwischen Verfechtern des Umlage- versus Kapitaldeckungsverfahren wird oft übersehen, dass in der Realität abgestufte Mischformen und ein Nebeneinander bei den Finanzierungsformen der Alterssicherung existieren.

dealtypisch betrachtet bedeutet eine Alterssicherung über ein Kapitaldeckungsverfahren, dass Versicherte während der Phase ihrer Erwerbstätigkeit einen Kapitalstock aufbauen, der sich durch produktive Anlage (Zinserträge) vermehren soll und aus dem dann im Alter die Ansprüche auf Rentenzahlungen geleistet werden. Im Prinzip kann ein solches versicherungswirtschaftliches Alterssicherungssystem sowohl privat als auch staatlich organisiert sein.

Ein privates, d. h. nicht obligatorisches und nicht über staatliche oder parastaatliche Institutionen abgewickeltes System, das auf privatrechtlicher Grundlage beruht, muss dagegen immer kapitalgedeckt sein. Da der Abschluss einer Privatversicherung freiwillig ist, das einzelne Versicherungsunternehmen also die Zahl der Versicherten und das Prämienaufkommen nicht längerfristig garantieren kann, muss nach einem kapitalfundierten Verfahren gearbeitet werden, um die Leistungsansprüche später auch einlösen zu können.

Hingegen kann ein Umlageverfahren nur staatlich organisiert werden und muss auf Pflichtigkeit basieren. Langfristig angelegte, aber nach dem Umlageverfahren finanzierte Versicherungszweige, und hier insbesondere die Rentenversicherung, sind auf eine Versicherungspflicht zwingend angewiesen, um die Einnahmen- und Ausgabenentwicklung einigermaßen kalkulieren zu können. Eine Umlagefinanzierung der Alterssicherung funktioniert nicht, wenn ungewiss bliebe, wie groß der Kreis der Personen ist, die Versicherungsmitglieder sind und Beiträge zahlen.

Allerdings muss im Kapitaldeckungsverfahren der angesammelte Kapitalstock bei versicherungsmäßiger Organisation nicht unbedingt den gesamten zu einem bestimmten Zeitpunkt bereits aufgelaufenen Rentenansprüchen entsprechen (vgl. Kasten). Er kann auch nur die Ansprüche für einen bestimmten Zeitraum abdecken. In diesem Sinne spricht man von einem Abschnittsdeckungsverfahren (in der Annahme, dass weitere Beitragseinnahmen zu erwarten sind, was dem Grundgedanken des Umlageverfahrens verwandt ist).

Eine völlige Kapitaldeckung ist eine Extremform

Bei den Verfahren zur Finanzierung geht es vor allem darum, in welchem Zeitraum (und für welche Personengesamtheit) ein Ausgleich von Einnahmen und Ausgaben angestrebt wird.

Hier ist zwischen dem Umlageverfahren (bei dem im Prinzip in der Regel für ein Kalenderjahr ein Ausgleich von Einnahmen und Ausgaben erstrebt wird) und kapitalfundierten Verfahren zu unterscheiden, bei denen vor der Auszahlung von Leistungen eine vorherige Akkumulation von Vermögen erfolgt.

Deren Ausmaß kann allerdings höchst unterschiedlich bemessen sein, z. B. im Extremfall zur Abdeckung aller bereits angesammelter Rentenansprüche ausreichen, für den Fall, dass keine neuen Beitragszahler mehr in dieser Einrichtung vorhanden sein würden.

Quelle: Schmähl (2001), S. 419.


Im Umlageverfahren werden die laufenden Zahlungen an die Rentenbezieher dagegen aus den laufenden Einnahmen durch die Beiträge der Versicherten (und Steuerzuschüssen) beglichen. Ein Kapitalstock existiert nicht bzw. allenfalls in einem kleinen Rahmen um kurzfristige Schwankungen zwischen Einnahmen und Ausgaben ausgleichen zu können. Die Rechtsbeziehung beruht dabei nicht auf einem Versicherungsvertrag, sondern auf einer politischen Entscheidung, die diese revolvierende Umverteilung zwischen den Generationen garantiert. Man spricht daher von einem Generationenvertrag, der Ausdruck einer politischen Norm ist, aber nicht bedeutet, dass zwischen den Generationen ein privatrechtliches Vertragsverhältnis besteht.

Im Gegensatz zu dieser idealtypischen Bipolarität zeigen sich in der Realität vielfältige Mischformen und auch historisch Übergänge vom einen zum anderen System. Auch ist zu beachten, dass die idealtypische Unterscheidung keine automatische Gleichsetzung in dem Sinne erlaubt, dass das versicherungsförmige Kapitaldeckungsverfahren keinerlei Umverteilungselemente erlaube, während das Umlageverfahren automatisch mit einer solidarischen Umverteilungskomponente verbunden sei.

Im Kapitaldeckungsverfahren kann z. B. durch eine staatliche Subventionierung, etwa über Steuervorteile oder direkte Zahlungen aus dem steuerfinanzierten Staatshaushalt eine Sozialkomponente eingebaut sein. Im Umlageverfahren muss nicht unbedingt eine Abweichung vom Äquivalenzprinzip gegeben sein. In der Realität ist jedoch international eine häufigere bzw. stärkere Verbreitung von Sozial-/Umverteilungskomponenten in Systemen festzustellen, die auf dem Umlageverfahren beruhen. Zu erklären ist dies auch dadurch, dass in privaten und freiwilligen Systemen, die eine starke Umverteilung aufweisen würden, damit gerechnet werden muss, dass die "Benachteiligten" das System verlassen.

Hinzuweisen ist weiterhin darauf, dass in der Realität auch in einem Land zu einem bestimmten Zeitpunkt Umlageverfahren und Kapitaldeckungsverfahren durchaus nebeneinander existieren können. So ist die Gesetzliche Rentenversicherung in Deutschland heute auf dem Umlageverfahren aufgebaut, die zweite und dritte Ebene der Alterssicherung aber, die betriebliche und private Vorsorge, auf Basis des Kapitaldeckungsverfahrens.

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Gerhard Bäcker, Prof. Dr., geboren 1947 in Wülfrath ist Senior Professor im Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen. Bis zur Emeritierung Inhaber des Lehrstuhls "Soziologie des Sozialstaates" in der Fakultät für Gesellschaftswissenschaften der Universität Duisburg-Essen. Forschungsschwerpunkte: Theorie und Empirie des Wohlfahrtsstaates in Deutschland und im internationalen Vergleich, Ökonomische Grundlagen und Finanzierung des Sozialstaates, Systeme der sozialen Sicherung, insbesondere Alterssicherung, Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik, Lebenslagen- und Armutsforschung.

Ernst Kistler, Prof. Dr., geboren 1952 in Windach/Ammersee ist Direktor des Internationalen Instituts für Empirische Sozialökonomie, INIFES gGmbH in Stadtbergen bei Augsburg. Forschungsschwerpunkte: Sozial- und Arbeitsmarktberichterstattung, Demografie, Sozialpolitik, Armutsforschung.