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Kapitalmarktfundierung und Demografie | Rentenpolitik | bpb.de

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Kapitalmarktfundierung und Demografie

Gerhard Bäcker Ernst Kistler

/ 3 Minuten zu lesen

Das Argument, dass das Kapitaldeckungsverfahren dem Umlageverfahren angesichts des demografischen Wandels in jedem Fall überlegen sei, stimmt so nicht. Es ist voraussetzungsreich und blendet Risiken aus.

Kind wirft Münzen in ein Sparschwein. Eine Gesellschaft und Volkswirtschaft insgesamt kann spätere Ausgaben nicht durch "Sparen" vorfinanzieren und damit die Belastungen zeitlich verschieben. (© picture-alliance/dpa, Themendienst)

Das Problem zusätzlicher Finanzierungsbelastungen durch die demografische Entwicklung (steigende Lebenserwartung und längere Bezugsdauer von Renten zum einen, dauerhaft niedrige Geburtenraten und ein ungünstiger werdendes Verhältnis zwischen der Bevölkerung im Rentenalter und im erwerbsfähigen Alter) (vgl. Interner Link: Demografischer Wandel und Rentenfinanzierung) gilt auch – entgegen weit verbreiteter Vorstellungen – für kapitalgedeckte Systeme, gleichgültig ob diese als Voll- oder Teilkapitaldeckung und ob sie von der Gesetzlichen Rentenversicherung verwaltet werden oder von privaten Finanzinstitutionen.

Dieser Tatbestand lässt sich anhand der so genannten "Mackenroth-These" verdeutlichen: Danach steht den Ruheständlern und dem Rest der Bevölkerung für ihre Konsumnachfrage immer nur das Volkseinkommen (bzw. das realwirtschaftliche Dienstleistungs- und Güterangebot) des jeweils laufenden Jahres zur Verfügung steht (vgl. Kasten).

Das "Mackenroth-Theorem"

Nun gilt der einfache und klare Satz, dass aller Sozialaufwand immer aus dem Volkseinkommen der laufenden Periode gedeckt werden muss.

Es gibt keine andere Quelle und hat nie eine andere Quelle gegeben, aus der Sozialaufwand fließen könnte, es gibt keine Ansammlung von Fonds, keine Übertragung von Einkommensteilen von Periode zu Periode, kein "Sparen" im privatwirtschaftlichen Sinne.

Quelle: Mackenroth 1952, Zit. nach Lampert, Althammer (2004), S. 242.

Dieser ökonomische Tatbestand, dass die Sozialeinkommen nur aus dem laufenden Sozialprodukt finanziert werden können, lässt sich nicht umgehen. Das für den Einzelnen naheliegende Verhalten, durch Sparen bzw. durch den Abschluss von Lebensversicherungen vorzusorgen, um im Alter oder in "schlechten Zeiten" dann von den Erträgen des Vermögens bzw. von der Abschmelzung des Vermögens zu leben, ist aus gesamtwirtschaftlicher Sicht, d. h. für alle BürgerInnen, nicht möglich. Eine Gesellschaft und Volkswirtschaft insgesamt kann spätere Ausgaben nicht durch "Sparen" vorfinanzieren und damit die Belastungen zeitlich verschieben.

Denn wie sich nur jemand verschulden kann, wenn er einen Gläubiger findet, kann auch nur der Geld anlegen und ein Vermögen bilden, der einen Schuldner bzw. Investor findet. Da jedem Schuldner ein Gläubiger gegenübersteht, rechnen sich innerhalb einer Gesamtwirtschaft Schulden und Guthaben gegeneinander auf. Umgekehrt gilt, dass Vermögen nur aufgelöst und in Konsum umgewandelt werden kann, wenn sich ein Anleger findet, der bereit ist zu sparen und auf Konsum zu verzichten.

Für die Finanzierung der Alterssicherung folgt daraus, dass auch bei einem kapitalgedeckten System die Zahlung von Renten nur möglich ist, wenn die nachfolgende Generation zugunsten der Älteren auf Konsum verzichtet. Denn wenn das angesparte und in Aktien, Immobilien, Wertpapieren angelegte Kapital veräußert werden soll, müssen sich Käufer für diese Anlagen finden. Im Wesentlichen wird dies die Generation sein, die sich selbst gerade in der Erwerbsphase befindet und nun ihrerseits Geld für die eigene Alterssicherung anlegen möchte. Nicht nur das Umlageverfahren basiert also auf dem Miteinander der Generationen, sondern auch das Kapitaldeckungsverfahren.

Vereinfacht und beispielhaft formuliert bedeutet dies:

Wenn die zahlreicher werdenden Älteren in einem kapitalfundierten System in großer Zahl ihre Alterssicherungsvermögen auflösen, werden die weniger werdenden Jungen die Fondsanteile, Aktien oder Immobilien nur noch in geringerem Maß nachfragen. Der Wert verfällt.

Und wenn die Lebenserwartung steigt und sich die Bezugsdauer von Renten entsprechend verlängert, dann müssen auch kapitalfundierte Systeme reagieren: Entweder sinkt bei gegebenem Kapitalbestand der monatliche Auszahlungsbetrag, oder aber die Beiträge steigen und der Kapitalbestand wird erhöht, um den gleichen monatlichen Auszahlungsbetrag zu erreichen.

Auch die von manchen Befürwortern der Kapitaldeckung als Lösung angesehene Strategie einer Anlage in anderen Ländern mit weniger demografischen Problemen funktioniert nicht unbedingt. Denn die "reichen" Länder haben fast alle ähnliche Probleme mit einer alternden Gesellschaft. In den (Entwicklungs-)Ländern mit einer wachsenden und mehrheitlich jungen Bevölkerung sind aber die Risiken einer Kapitalanlage (politische und Wechselkursrisiken) außerordentlich hoch.

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Gerhard Bäcker, Prof. Dr., geboren 1947 in Wülfrath ist Senior Professor im Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen. Bis zur Emeritierung Inhaber des Lehrstuhls "Soziologie des Sozialstaates" in der Fakultät für Gesellschaftswissenschaften der Universität Duisburg-Essen. Forschungsschwerpunkte: Theorie und Empirie des Wohlfahrtsstaates in Deutschland und im internationalen Vergleich, Ökonomische Grundlagen und Finanzierung des Sozialstaates, Systeme der sozialen Sicherung, insbesondere Alterssicherung, Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik, Lebenslagen- und Armutsforschung.

Ernst Kistler, Prof. Dr., geboren 1952 in Windach/Ammersee ist Direktor des Internationalen Instituts für Empirische Sozialökonomie, INIFES gGmbH in Stadtbergen bei Augsburg. Forschungsschwerpunkte: Sozial- und Arbeitsmarktberichterstattung, Demografie, Sozialpolitik, Armutsforschung.