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Obligatorische betriebliche bzw. private Vorsorge? | Rentenpolitik | bpb.de

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Obligatorische betriebliche bzw. private Vorsorge?

Gerhard Bäcker Ernst Kistler

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Trotz der Förderung der privaten wie betrieblichen Altersversorgung bleibt deren Verbreitungsgrad unzureichend. Sollte die betriebliche und/oder private Altersversorgung deshalb zur Pflicht gemacht und zentral organisiert werden?

Bulle und Bär vor der Frankfurter Wertpapierbörse. Die beiden Skulpturen symbolisieren das auf und ab auf den Kapitalmärkten. Die Kursrisiken bei den Aktien bedrohen auch die Rücklagen der betrieblichen Altersversorgung. (© picture-alliance, Geisler-Fotopress)

Schon seit Jahren wird darüber diskutiert, die betriebliche bzw. private Altersversorgung für alle Arbeitnehmer verpflichtend zu machen. Durch ein solches Obligatorium könnten die (im Niveau abgesenkten) gesetzlichen Renten verlässlicher aufgestockt werden. Das Ziel der Lebensstandardsicherung würde dann nicht durch eine Stärkung der Rentenversicherung erreicht, sondern durch eine Verallgemeinerung und Stärkung der kapitalfundierten Altersversorgung.

Aber selbst eine obligatorische Betriebsrente würde nicht zu einer flächendeckenden Absicherung führen. Denn Personen, die wegen Krankheit, Kindererziehung, Pflege oder Arbeitslosigkeit zwischenzeitlich nicht berufstätig sind, bleiben im Alter unversorgt oder unterversorgt. Die betriebliche Altersversorgung bindet die Absicherung im Alter allein an die Erwerbsbeteiligung; für Phasen der Nicht-Erwerbstätigkeit sieht sie − im Unterschied zur Gesetzlichen Rentenversicherung − keinen sozialen Ausgleich vor. Schwierig ist es auch, neben dem Alter auch die Risiken Erwerbsminderung und Tod (Hinterbliebenenrenten) in der betrieblichen Altersversorgung abzudecken. Dies ist zwar durchaus möglich, wäre aber wohl mit deutlichen Abstrichen beim Leistungsniveau der Altersrenten verbunden. Und ungelöst ist, wie eine ausreichend hohe betriebliche Rente bei Erwerbsminderung gewährleistet werden soll, wenn die Erwerbsminderung bereits in jüngeren Jahren eintritt und keine Möglichkeiten bestanden hat, ausreichend lange betrieblich vorzusorgen.

Die Liste der Probleme reicht aber noch weiter: Wie kann bei kurzfristigen Beschäftigungsverhältnissen, einem Betriebswechsel auch über die Branchen hinweg sowie einem Wechsel zwischen Erwerbstätigkeit, Arbeitslosigkeit, Nicht-Erwerbstätigkeit und selbstständiger Beschäftigung die Unverfallbarkeit der betrieblichen Ansprüche und deren Übertragbarkeit (Portabilität) sichergestellt werden? Die Gesetzliche Rentenversicherung bewältigt diese Probleme aufgrund ihrer betriebs- und branchenübergreifenden, gesamtwirtschaftlichen Organisation ohne Schwierigkeiten, bei der betrieblichen Altersversorgung wäre das nicht oder nur begrenzt lösbar.

Offen bleibt schließlich, mit welcher Rentenhöhe und Rentenanpassung auf der Basis der Kapiteldeckung gerechnet werden kann. Die Erfahrungen seit Beginn der Finanzkrise haben gezeigt, dass die Unsicherheiten und Risiken auf den Finanzmärkten gestiegen sind. Die Kursrisiken bei den Aktien bedrohen die Rücklagen der betrieblichen Altersversorgung und die seit einigen Jahren von allen Zentralbanken betriebene Politik der Niedrigzinsen reduziert die Renditen immer stärker.

Diese Unsicherheiten weisen darauf hin, dass es bei kapitalgedeckten und damit kapitalmarktabhängigen Altersvorsorgeleistungen systemisch überhaupt nicht möglich ist, ein definiertes Sicherungsziel (mit einer Maßgröße) vorzugeben. Ob und in welchem Maße es im Drei-Säulen-System zur Lebensstandardsicherung kommt bzw. kommen kann, lässt sich angesichts der unwägbaren Entwicklung auf den internationalen Kapitalmärkten und der Verschiedenartigkeit der Anlagen- und Altersvorsorgeformen nicht feststellen.

Die Idee einer verpflichtenden privaten Vorsorge hat durch das Konzept einer sog. "Deutschland-Rente", das gegen Ende 2015 von Ministern der schwarz-grünen Koalition in Hessen vorgestellt worden ist, Auftrieb erhalten . Gedacht ist daran, dass alle Arbeitnehmer Teile ihres Einkommens in einen zentral verwalteten staatlichen Vorsorgefonds einzahlen sollen, der ein leicht verständliches und kostengünstiges Standardprodukt anbietet. Lediglich diejenigen, die dem ausdrücklich widersprechen, sind davon befreit, dass der Arbeitgeber diesen Lohnanteil überweist (opt-out Regelung). Damit besteht kein unabdingbarer Zwang, wohl aber die Erwartung, dass nur wenige die Ausstiegsoption nutzen.

Faktisch käme es dadurch zu einer höheren Belastung der Arbeitnehmer analog zu einem Beitragssatzanstieg bei der Rentenversicherung − allerdings ohne Beteiligung der Arbeitgeber. Die Gelder würden auch nicht in die umlagefinanzierte Rentenversicherung fließen, sondern auf dem Kapitalmarkt angelegt werden. Wie oben beschrieben, bleibt es damit aber ungewiss, wie hoch die Renten einmal sein würden, die sich aus diesem "Deutschlandfond" speisen.

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Gerhard Bäcker, Prof. Dr., geboren 1947 in Wülfrath ist Senior Professor im Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen. Bis zur Emeritierung Inhaber des Lehrstuhls "Soziologie des Sozialstaates" in der Fakultät für Gesellschaftswissenschaften der Universität Duisburg-Essen. Forschungsschwerpunkte: Theorie und Empirie des Wohlfahrtsstaates in Deutschland und im internationalen Vergleich, Ökonomische Grundlagen und Finanzierung des Sozialstaates, Systeme der sozialen Sicherung, insbesondere Alterssicherung, Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik, Lebenslagen- und Armutsforschung.

Ernst Kistler, Prof. Dr., geboren 1952 in Windach/Ammersee ist Direktor des Internationalen Instituts für Empirische Sozialökonomie, INIFES gGmbH in Stadtbergen bei Augsburg. Forschungsschwerpunkte: Sozial- und Arbeitsmarktberichterstattung, Demografie, Sozialpolitik, Armutsforschung.