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Länderbeispiele: Niederlande, Großbritannien, Schweiz und Österreich | Rentenpolitik | bpb.de

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Länderbeispiele: Niederlande, Großbritannien, Schweiz und Österreich

Gerhard Bäcker Ernst Kistler

/ 20 Minuten zu lesen

Bereits anhand eines groben Überblicks über vier ausgewählte europäische Länder lässt sich die enorme Vielfalt und Bandbreite existierender nationaler Alterssicherungssysteme demonstrieren.

Union Jacks in der Regent Street, London. Das britische Alterssicherungssystem ist durch sehr niedrige staatliche Renten gekennzeichnet. (© picture-alliance, robertharding)

Im Folgenden soll ein grober Vergleich der Alterssicherung vierer europäischer Nachbarländer zum System in Deutschland angestellt werden, nämlich Niederlande, Großbritannien, die Schweiz und − etwas ausführlicher: Österreich. Diese (auf den Rechtsstand 2014/2015 bezogene) Auswahl begründet sich aus der Überlegung, dass die genannten Länder in der wissenschaftlichen wie politischen Diskussion häufig als Vorbilder bzw. auch als abschreckende Beispiele benannt werden. Das betrifft vor allem folgende Aspekte:

  • Für die Niederlande sind eine vergleichsweise hohe Grundrente und eine verdienstabhängige Ergänzung der Grundrenten durch die betriebliche Altersvorsorge typisch.

  • Die Schweiz ist charakterisiert durch eine umfassende Volksversicherung mit einem nur schwachen Äquivalenzbezug der Renten sowie durch eine obligatorische berufliche Zusatzversorgung.

  • In Großbritannien hat infolge einer sehr niedrigen Grundrente und der schwachen Verbreitung der verdienstabhängigen Zusatzrente die öffentliche Alterssicherung eine nur geringe Bedeutung. Es dominiert die marktliche Altersvorsorge über betriebliche oder private Systeme.

  • In Österreich ist die gesamte Erwerbsbevölkerung durch die Pensionsversicherung abgesichert, die ein sehr hohes, lebensstandardsicherndes Leistungsniveau aufweist. Die zweite und dritte Säule der Alterssicherung haben eine entsprechend geringe Bedeutung.

Großbritannien: Staatliche Minimalrenten und marktliche Altersvorsorge

Das britische Alterssicherungssystem ist durch sehr niedrige staatliche Renten, sowohl aus dem verdienstunabhängigen Grundrentensystem als auch aus dem verdienstabhängigen Zusatzsystem gekennzeichnet. Die Absicherung über betriebliche Systeme und die private Altersvorsorge hat hingegen ein hohes Gewicht. Dementsprechend bedeutsam sind das Kapitaldeckungsverfahren und die Abhängigkeit der Renten von der Entwicklung auf den Kapitalmärkten.

Die Basisalterssicherung (State Pension/New State Pension) ist Teil der allgemeinen, auf dem Umlageverfahren basierenden Sozialversicherung (National Insurance), bei der alle Erwerbstätigen, deren Einkommen die untere Einkommensgrenze übersteigt, einkommensabhängige Gesamtsozialversicherungsbeiträge leisten müssen. Die Arbeitgeber beteiligen sich etwa zur Hälfte an den Zahlungen. Der Arbeitnehmerbeitragssatz liegt bei 12 Prozent auf den wöchentlichen Einkommensteil zwischen 157 und 866 Britische Pfund (£, GBP) und 2 Prozent auf Einkommen über 866 GBP. Im Falle anerkannter betrieblicher Systeme fallen die Beitragssätze geringer aus. Der Arbeitgeberbeitragssatz liegt bei 13,8 Prozent. Zusätzlich fließen in die National Insurance Steuermittel.

Anspruch auf eine New State Pension besteht, wenn der/die Versicherte mindestens 35 Jahre geleistete Beiträge aufweisen (Rentenbezug nach 2016). Werden die Versicherungsjahre nicht erreicht, errechnen sich Teilrenten. Die Höhe der Grundrente liegt (2018) bei 159,55 GBP in der Woche, umgerechnet in Euro (Wechselkurs von 2018): 180 Euro in der Woche bzw. 750 Euro im Monat. Die Höhe der Grundrente entspricht in etwa 16 Prozent des Durchschnittseinkommens. Für Kinder mit Anspruch auf Kindergeld werden Zulagen gezahlt. Die Leistungen werden gemäß der Preissteigerungsrate erhöht. Zusätzlich werden für Zeiten des Bezugs von Beihilfe für Pflegepersonen (Carer'sAllowance), des Steuerabsetzbetrags für Personen mit niedrigem Erwerbseinkommen (Working TaxCredit), des Gesetzlichen Mutterschaftsgelds oder (Statutory Maternity Pay), Adoptionsgeld (Statutory Adoption Pay) und für Zeiten von Erwerbsunfähigkeit und Arbeitslosigkeit Beiträge angerechnet.

Zusätzlich zur Grundrente besteht ein Anspruch auf eine einkommensproportionale Zusatzrente (Additional State Pension/State Second Pensions), wenn Einkünfte und Beitragszahlungen zwischen einer oberen und unteren Einkommensgrenze vorliegen. Pro Versicherungsjahr werden 1,25 Prozent des Einkommens angerechnet; als Berechnungsgrundlage für die Rentenhöhe dient der Durchschnittsarbeitsverdienst während des Erwerbslebens. Niedrigeinkommensbezieher werden durch höhere Einkommensersatzraten begünstigt, das gilt auch für Personen, die ihre Erwerbstätigkeit wegen Kindererziehung oder Pflege unterbrechen oder reduzieren. Grundrente und Zusatzrente sind umlagefinanziert und unterliegen der Steuerpflicht. Die höchstmöglichen Leistungen aus Grundrente und Zusatzrente zusammen decken etwa 50 Prozent des Durchschnittseinkommens ab.

Die Beschäftigten haben die Möglichkeit, sich von der Pflichtzugehörigkeit zu dem Zusatzsystem befreien zu lassen (Prinzip des contracting out), wenn der Arbeitgeber eine mindestens dem entsprechende betriebliche Altersversorgung sicherstellt oder der Arbeitnehmer selbst eine entsprechende private, vom Arbeitgeber unabhängige Altersvorsorge (personal pension) vornimmt. Mehr als 70 Prozent der Beschäftigten sind von der zweiten staatlichen Säule befreit und über kapitalfundierte Systeme abgesichert. Die betriebliche Altersvorsorge erfolgt freiwillig; durch die Absenkung der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge beim contracting out werden jedoch starke Anreize gesetzt. Darüber hinaus gibt es steuerliche Erleichterungen. Die befreiende kapitalgedeckte betriebliche Altersversorgung kann in der Rentenberechnung sowohl leistungsbezogen (definedbenefit) als auch beitragsbezogen (definedcontribution) sein.

Infolge der niedrigen Grundrente und des Systems des contracting out ist die Bedeutung der staatlichen Altersvorsorge gering. Die Bedeutung der betrieblichen und privaten Vorsorgeeinrichtungen (Pensionsfonds und Lebensversicherungen) ist entsprechend groß. Um den vermehrt aufgetretenen Anlage- und Finanzierungsrisiken zu begegnen, die die Ansprüche vieler ArbeitnehmerInnen entwertet haben, sind die Kontroll- und Anlagevorschriften verschärft worden.

Da die Grundrente unterhalb des Existenzminimums und der "Sozialhilfegrenze" liegt, haben einkommensarme RentnerInnen Anspruch auf eine spezielle bedürftigkeitsgeprüfte Sozialhilfe (PensionsCredit), die kleine Ersparnisse von der Anrechnung freistellt.

Bei der Grundrente wie bei der Zusatzrente liegt die Altersgrenze für den Renteneintritt bei den Männern bei 65 Jahren. Die Altersgrenze für Frauen wird seit 2012 schrittweise von 60 Jahren auf 65 Jahre angehoben. Ab Dezember 2018 wird das gesetzliche Rentenalter von sowohl Männern als auch Frauen nochmals um drei Jahre auf 68 Jahre angehoben.

Schweiz: Volksversicherung mit Basisrente und obligatorische berufliche Vorsorge

Schweizer Flaggen in der Augustiner-Gasse in Zürich (© picture-alliance, imageBROKER)

Die Alterssicherung in der Schweiz beruht auf drei Säulen:

  1. Die Basisrente wird durch die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) und die Invalidensicherung (IV) gewährleistet (1. Säule).


  2. Der sozialen und ökonomischen Statussicherung im Alter dient die berufliche (betriebliche) Vorsorge (2. Säule).


  3. Die Sicherung der darüber hinausgehenden persönlichen Bedürfnisse fällt der steuerlich geförderten privaten Vorsorge zu (3. Säule).

Reichen die Renten aus den drei Säulen nicht aus, um das Existenzminimum zu decken, besteht Anspruch auf bedarfs- und bedürftigkeitsgeprüfte Ergänzungsleistungen des Bundes oder des Kantons.

Bei der ersten Säule, der AHV und IV, handelt es sich um eine umfassende, im Umlageverfahren finanziert Volksversicherung: Versichert sind alle Personen, die in der Schweiz wohnen oder eine Erwerbstätigkeit ausüben. Unerheblich ist die Art der Erwerbstätigkeit (selbstständig/unselbstständig); auch nicht erwerbstätige Einwohner sind versichert. Für Verheiratete ohne Erwerbseinkommen gilt der Beitrag dann als bezahlt, wenn der erwerbstätige Ehepartner auf seinem Einkommen mindestens den doppelten Mindestbeitrag an die AHV entrichtet. ebenso erwerbstätige Jugendliche bis zum 17. und nicht erwerbstätige Jugendliche bis zum 20. Lebensjahr.

Die Versicherten leisten Beiträge vom gesamten Einkommen aus unselbstständiger oder selbstständiger Arbeit. Eine Beitragsbemessungsgrenze gibt es nicht. Wenn kein Erwerbseinkommen vorliegt, dient das Vermögen als Bemessungsgrundlage für die Beiträge (allerdings nur bis zu einem Höchstbeitrag). Bei abhängig Beschäftigten teilen sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber die Beitragslast und entrichten je 5,125 Prozent. Bund und Kantone kommen zusammen für jährlich etwa 20 Prozent der Ausgaben auf.

Die Invalidenversicherung (IV) wird gleichfalls aus den Beiträgen der Versicherten und der Arbeitgeber finanziert (je 0,7 Prozent). Die staatlichen Zuschüsse sind hier aber mit 50 Prozent deutlich höher. Insgesamt errechnet sich für AV und IV ein Gesamtbeitragssatz von etwa 10 Prozent vom Arbeitseinkommen.

Anspruch auf eine Altersrente aus der AHV haben Männer mit 65 und Frauen mit 64 Jahren. Die Renten können mit Abschlägen von 6,8 Prozent pro Jahr auch ein oder zwei Jahre früher in Anspruch genommen werden. Ein vorzeitiger Bezug für einzelne Monate ist nicht möglich. Auf der anderen Seite kann der Rentenbezug um 1 bis höchstens 5 Jahre aufgeschoben werden, je nach Dauer des Aufschubs werden Rentenzuschläge gezahlt.

Die Höhe der Rente aus der AHV hängt von den anrechenbaren Beitragsjahren und dem durchschnittlichen Jahreseinkommen ab. Eine Vollrente erhält, wer ab dem 20. Altersjahr bis zum ordentlichen Rentenalter jedes Jahr lückenlos AHV-Beiträge bezahlt hat. Wurden die Beiträge jedoch nicht ohne Unterbruch einbezahlt oder fehlen sogar ganze Beitragsjahre, bestehen so genannte Beitragslücken. Ein fehlendes Beitragsjahr führt in der Regel zu einer Rentenkürzung um mindestens 2,3 Prozent.

Die Höhe der Rente ist nach unten wie nach oben begrenzt: Die Maximalrenten sind höchstens doppelt so hoch wie die Minimalrenten. Festgelegt sind ein Mindestbetrag von (2016) 1.175 SFr (= 1.004 €/Wechselkurs Anfang 2018) und ein Höchstbetrag von 2.350 SFr = 2.010 €. Ehepaare bekommen höchstens 150 Prozent der Maximalrente. Da die Spannweite zwischen Mindest- und Höchstrente relativ gering ist und es auch keine Beitragsbemessungsgrenze gibt, ist das Äquivalenzprinzip nur schwach ausgeprägt. Die Renten werden in der Regel alle zwei Jahre anhand eines Mischindexes angepasst, der dem Durchschnitt von Lohn- und Preisindex entspricht. Die Durchschnittsrente lag 2015 bei 2.023 SFr.

Als zweite Säule der Alterssicherung dient die obligatorische "berufliche Vorsorge" (BV). Sie soll zusammen mit der ersten Säule die Absicherung des berufsbedingt gewohnten Lebensstandards im Alter garantieren – mit einem Zielniveau von 60 Prozent des durchschnittlichen Bruttoeinkommens. Sie wird privatrechtlich organisierten Pensionskassen, Fonds und Versicherungen durchgeführt. Der Arbeitgeber kann aus verschiedenen Anbietern selbst auswählen. Größere Unternehmen sowie die öffentliche Verwaltung haben in der Regel eine eigene Pensionskasse. Alle Arbeitnehmer eines Unternehmens mit einem jährlichen Gesamteinkommen von mehr als 21.150 SFr.- sind obligatorisch in der Pensionskasse des Arbeitgebers versichert. Dies stellt die Eintrittsschwelle in das Obligatorium der beruflichen Vorsorge dar. Dieser entspricht 3/4 der maximalen AHV-Altersrente. Die Versicherungsobergrenze liegt bei 84.600 SFr.

ArbeitnehmerInnen, deren Jahresverdienst die Eintrittsschwelle unterschreitet oder die nur kurzfristig bzw. befristet beschäftigt sind, sind aus der BV ausgeschlossen; dies betrifft gut ein Fünftel der Erwerbstätigen und hier vor allem die niedrig verdienenden und häufig teilzeitig beschäftigten Frauen.

Das BVG definiert Mindestleistungen für das Alter, im Todesfall und bei Invalidität. Die Vorsorgeeinrichtungen sind aber frei, auch über das vom Gesetz geforderte Minimum hinauszugehen. Es handelt sich dann dabei um überobligatorische Leistungen. Die obligatorische Versicherung beginnt mit Antritt des Arbeitsverhältnisses, frühestens mit Vollendung des 17. Altersjahres. Vorerst, bis zum Erreichen des 24. Altersjahres, decken die Beiträge nur die Risiken Tod und Invalidität ab. Ab dem Alter von 25 Jahren wird zusätzlich für die Altersrente angespart.

Die Altersvorsorge in der zweiten Säule basiert auf einem individuellen Sparprozess, der mit dem Erreichen des Rentenalters endet. Das Reglement der Pensionskasse/Vorsorgeeinrichtung kann vorsehen, dass der Anspruch mit der Beendigung der Erwerbstätigkeit, frühestens aber ab dem vollendeten 58. Altersjahr entsteht. Allerdings sind die Altersleistungen dann reduziert: Das Altersguthaben ist in diesen Fällen nicht vollständig angespart und wird mit einem tieferen Umwandlungssatz in eine Altersrente umgerechnet. Die Höhe der Altersrente ist abhängig vom vorhandenen Altersguthaben bei Rentenbeginn und vom Umwandlungssatz in Prozenten des Altersguthabens.

Die Finanzierung erfolgt durch Beiträge der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer nach dem Kapitaldeckungsverfahren. Der Beitrag der Arbeitgeber muss mindestens gleich hoch sein wie die gesamten Beiträge aller ihrer Arbeitnehmer. Ebenfalls wie in der AHV schulden die Arbeitgeber die gesamten Beiträge, d.h. ihren Anteil und den Anteil der Arbeitnehmer, welcher direkt vom Lohn abgezogen wird. Als Beitragsbemessungsgrundlage dient der zwischen der Obergrenze und der Eintrittsschwelle liegende Teil des Einkommens. Die Beitragssätze liegen je nach Vorsorgeeinrichtung zwischen 12 und 18 Prozent dieser Bemessungsgrundlage. Dabei kann die einzelne Versorgungseinrichtung einheitliche oder nach dem Alter der Versicherten gestaffelte Beiträge vorsehen.

Die individuelle Selbstvorsorge bildet die dritte Säule. Gewählt werden kann zwischen unterschiedlichen Kapitalanlage- und Versicherungsformen, die unter bestimmten Bedingungen steuerlich gefördert werden. Die Einzahlungen in die gebundene Vorsorge der Säule 3a sind voll vom steuerbaren Einkommen abziehbar.

RentnerInnen, deren Rente zusammen mit den übrigen anrechenbaren Einkommen und Vermögen ein Mindestniveau nicht erreicht, haben Anspruch auf die bedarfs- und bedürftigkeitsgeprüfte Ergänzungsleistung des Bundes oder des Kantons. Das Existenzminimum für RentnerInnen (allgemeiner Lebensbedarf, noch ohne Warmmieten) lag 2018 bei 1.608SFr, also deutlich oberhalb der Mindestrente. Auf die Ergänzungsleistung waren Ende 2017 etwa 13 Prozent der AHV-RentnerInnen und 47 Prozent der IV-RentnerInnen angewiesen. Zu berücksichtigen ist dabei, dass die Belastungen für die Krankenversicherungsbeiträge in der Schweiz aufgrund der einkommensunabhängigen Kopfpauschalen für Bezieher niedriger Einkommen sehr hoch sind und dass es keine Pflegeversicherung gibt.

Niederlande: Armutsfeste Grundrente und betriebliche Altersversorgung durch Tarifvertrag

Senioren auf motorisierten Rollstühlen auf dem Wellenbrecher am Strand von Scheveningen / Niederlande. Das Alterssicherungssystem in den Niederlanden ist durch eine Kombination von Grundrente als erster Säule und Erwerbstätigenversicherung auf betrieblicher Basis als zweiter Säule charakterisiert. Hinzu kommt die private Vorsorge. (© picture-alliance, imageBROKER)

Das Alterssicherungssystem in den Niederlanden ist durch eine Kombination von Grundrente als erster Säule und Erwerbstätigenversicherung auf betrieblicher Basis als zweiter Säule charakterisiert. Hinzu kommt die private Vorsorge. Diese Trias wird auch als "Cappuccino-Modell" bezeichnet: Kaffee = Grundrente; Sahnehaube = betriebliche Rente; Kakao = private Vorsorge.

Die Grundrente (AOW: AlgemeneOuderdomswet) greift für alle Einwohner der Niederlande. Die Höhe der Grundrente leitet sich vom gesetzlichen Mindestlohn ab und beträgt für Verheiratete und gleichgestellte unverheiratete Paare je Partner 50 Prozent des Mindestlohns und für Alleinstehende 70 Prozent des Mindestlohns. Für 2018 errechnen sich daraus 1.173 Euro im Monat für Alleinstehende und 808 Euro je Person bei Paaren. Diese Rentenhöhe wird nach 50 Jahren der Wohnsitzdauer in den Niederlanden erreicht. Für jedes fehlende Versicherungsjahr (u.a. infolge einer Abwesenheit im Ausland) erfolgt eine Kürzung der Rente um jeweils 2 Prozent. Die Grundrenten unterliegen der Steuerpflicht und der Beitragspflicht zur Krankenversicherung. Die Finanzierung erfolgt im Umlageverfahren durch Abgaben, die auf alle Einkommen (bis zu einer Bemessungsgrenze) erhoben werden und (2018) bei 17,9 Prozent liegen; für die Hinterbliebenengrundsicherung kommen noch 0,6 Prozent hinzu. Ergänzt wird die Finanzierung durch Zuschüsse aus dem Staatshaushalt.

Das Grundrenteneintrittsalter, das 2018 bei 66 Jahren lag, wird bis zum Jahr 2023 schrittweise auf 67 Jahre angehoben. Ab 2023 wird das AOW-Eintrittsalter an die Lebenserwartung gekoppelt. Möglichkeiten eines vorgezogenen Rentenbezugs gibt es nicht.

Die betriebliche Altersversorgung als zweite Säule bezieht sich auf die Erwerbsbevölkerung. Die Systeme werden überwiegend durch tarifvertragliche Vereinbarungen geregelt. Durch Allgemeinverbindlichkeitserklärungen wird jedoch für die meisten Beschäftigten ein Quasi-Obligatorium erreicht, so dass die abhängig Beschäftigten zu gut 90 Prozent erfasst werden. Die nicht Erfassten arbeiten in Branchen ohne tarifvertragliche Regelungen oder sind selbstständig.

Die Leistungen aus der "zweiten Säule" sind so ausgerichtet, dass zusammen mit der Grundrente ein bestimmter Prozentsatz des zuletzt verdienten Lohnes oder des lebensdurchschnittlichen mittleren Lohnes erreicht werden kann. Es handelt sich also um Leistungszusagen (definedbenefits), bei denen die Grundrente angerechnet wird. Ziel ist ein Niveau von 70 Prozent nach 40 Jahren Beschäftigung. In jedem Jahr der Zugehörigkeit werden üblicherweise 1,75 Prozent der Pension aufgebaut. Erwerbsunterbrechungen führen deshalb dazu, dass das Zielniveau von 70 Prozent meist nicht erreicht werden kann. Eine automatische Rentenanpassung (nach Maßgabe der Einkommens- und/oder Preisentwicklung) gibt es nicht; die Anpassung ist u.a. abhängig von der Zahlungsfähigkeit der Fonds.

Die betrieblichen Altersversorgungssysteme sind kapitalfundiert und beruhen insbesondere auf branchenweiten, berufsgruppenspezifischen oder unternehmenseigenen Pensionsfonds. Die Finanzierung erfolgt (in der Regel) zu zwei Dritteln durch die Arbeitgeber und zu einem Drittel durch die Beschäftigten. Der Abgabensatz schwankt je nach Einzelsystem zwischen 15 und 25 Prozent des Einkommens.

Die dritte Säule, die ebenfalls kapitalfundierte private Vorsorge, hat angesichts der Breitenwirkung der ersten und zweiten Säule keine große Bedeutung. Sie ist aber vor allem für Selbstständige wichtig.

Österreich: Absicherung der gesamten Erwerbsbevölkerung durch die Pensionsversicherung mit einem hohen, lebensstandardsichernden Leistungsniveau

Österreich Fahne vor der Hofburg in Wien. Die Rentenzahlbeträge in Österreich sind deutlich höher als in Deutschland. (© picture-alliance, APA/picturedesk.com)

Die Republik Österreich steht seit Jahren im Zentrum der Debatten um internationale Vergleiche in der Alterssicherung. Daher soll hier der Vergleich zu Österreich etwas ausführlicher erfolgen als mit den anderen drei Ländern. Es gibt dafür aber auch eine Reihe weiterer Argumente:

  • Das österreichische Alterssicherungssystem ist dem deutschen historisch recht ähnlich. Teils schon in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts, vor allem aber in der Zeit um die Jahrhundertwende wurden in unserem Nachbarland jedoch einige Weichenstellungen in andere Richtungen vorgenommen als in Deutschland − bei im Prinzip jeweils langfristig ähnlich guter Wirtschaftsentwicklung und nur etwas zeitversetzten, aber vergleichbaren demografischen Trends.

  • Unbenommen dieser grundlegenden Reformen besteht in vielen Details eine große Ähnlichkeit bei einzelnen Elementen der beiden Alterssicherungssysteme. (Dabei sind aber die Unterschiede in der Terminologie zu beachten: So spricht man in Österreich z.B. auch bei der gesetzlichen Alterssicherung von Arbeitern und Angestellten von Pensionen).

  • Der entscheidende Grund für die in Deutschland auch in den Massenmedien virulente Diskussion um ein "Vorbild Österreich" liegt jedoch darin, dass Pensionsbezieher in der Alpenrepublik im Durchschnitt bzw. in vergleichbar angelegten Fallbeispielen wesentlich höhere Pensionen beziehen als in Deutschland. Die gesetzliche Rente in Österreich ist im Gegensatz zu Deutschland auch weiterhin auf eine Lebensstandardabsicherung orientiert. "Das Leistungsziel der österreichischen gesetzlichen Rentenversicherung lässt sich mit der Formel 80/45/65 zusammenfassen: 80 Prozent Bruttoersatzrate (bezogen auf das durchschnittlich erzielte Lebenseinkommen) bei 45 Versicherungsjahren und Renteneintritt mit 65 Jahren" . Und: Sie erreicht das zumindest seit Jahren und auch gegenwärtig sehr gut.

  • Natürlich stellt sich damit die Frage, wie "nachhaltig" dieser Erfolg ist − und zwar in vor allem den folgenden beiden Perspektiven:

    a) Kann das angesichts der auch in Österreich absehbaren demografischen Entwicklung in mittlerer bis längerer Perspektive funktionieren?
    b) Beeinflusst das zumindest auf den ersten Blick viel "großzügigere" Rentensystem in Österreich heute und künftig die wirtschaftliche Entwicklung des Landes zu sehr in negativem Sinne?

Genau um diese Fragen kreisen in Deutschland die Debatten um das "Vorbild Österreich" . Bevor auf diese bewertenden Fragen eingegangen wird, seien einige Grundzüge der Alterssicherung in Österreich ganz kurz angesprochen und einige zentrale Zahlen zur Lage und Entwicklung der Alterssicherung wiedergegeben .

Kennzeichnend für die Alterssicherung in Österreich ist (im Vergleich zu Deutschland) vor allem:

  • Bereits 1958 beginnend erfolgte eine weitgehende Einbeziehung fast aller Selbstständigen und seit 2005 eine Rechtsangleichung auch im Hinblick auf die meisten Beamten (ohne Länderbeamte). Damit ist (abgesehen von Übergangslösungen für Altfälle) die Alterssicherung in Österreich praktisch eine Volksversicherung, auch wenn es noch organisatorische Unterschiede (d.h. verschiedene "Kassen") gibt. Die Regeln sind bereits oder werden absehbar aber weitestgehend für alle Gruppen angeglichen.

  • Auch in Österreich gibt es die drei "Säulen" der Alterssicherung: Gesetzliche Renten(bzw. -Pensions)versicherung, private und betriebliche Altersvorsorge bzw. als vierte Säule oder Ebene eine Art Mindestsicherung im Sinne einer bedarfsgeprüften "Ausgleichszulage", die jedoch mit z. B. 882,78 Euro im Jahr 2016 für Alleinstehende und 1.323,58 Euro für Verheiratete höher ausfällt als in Deutschland.

  • Zentral ist der Unterschied, dass die Alterssicherung in Österreich weitestgehend auf der ersten Säule mit einer umlagebasierten Finanzierung aufbaut. Hingegen spielen die private und betriebliche Altersvorsorge in Österreich nur eine eher marginale Rolle: Nur 13,9 Prozent der Beschäftigten erwerben Ansprüche in der freiwilligen betrieblichen Altersvorsorge (bei der der Arbeitgeber die Hälfte der Vorsorgebeiträge tragen muss) und nur 18 Prozent Ansprüche in der freiwilligen privaten Altersvorsorge. Im Jahr 2012 wurde die staatliche Förderung der privaten Vorsorge angesichts der internationalen Erfahrungen aus der Finanzkrise sogar drastisch gekürzt.

  • Zwar gibt es in Österreich ebenso wie in Deutschland auch deutliche Bestrebungen und Reformmaßnahmen um ein längeres Arbeiten der Versicherten bis zum Rentenalter zu erreichen. "Die Reformen im Pensionssystem greifen. Das Ziel ist klar: Versicherte sollen länger gesund arbeiten können. Krankheiten sollen verhindert und Kranke sollen rehabilitiert werden. Eine Anhebung des tatsächlichen Pensionsantrittsalters gelingt nur, wenn Versicherte länger in Beschäftigung bleiben können" − "vor allem auch durch ein geändertes Aufnahmeverhalten der Betriebe".

  • Dabei liegt das durchschnittliche Rentenzugangsalter in die Alterspensionen des Jahres 2015 bei 61,5 Jahren (Männer: 63,6; Frauen 60,2 Jahre). Es ist im übrigen bei Selbstständigen kaum höher als bei abhängig Beschäftigten (61,9 versus 61,6 Jahre). Das Regelrentenalter beträgt bei Männern 65 Jahre. Bei Frauen wird es im Zeitraum 2024 bis 2033 schrittweise von 60 auf 65 Jahre angehoben werden.

  • Wie das deutsche, so kennt auch das österreichische Alterssicherungssystem verschiedene Formen und Wege eines flexiblen Altersübergangs − von Zulagen bei längerem Arbeiten bis zu teils abschlagsbewehrten vorzeitigen Pensionseintritten. Regelungen zu langjährigen und besonders langjährigen Versicherungsdauern (sog. "Hacklerregelung") wurden teils zeitlich terminiert, aber teils auch immer wieder verlängert. Sie ermöglichen vorzeitige (abschlagsfreie) Renteneintritte; die Grundtendenz geht aber dahin, eine Steigerung des tatsächlichen Renteneintrittsalters zu erreichen. Dem dienen z.B. auch jüngste Reformen bei den Invaliditätsrenten, wo durch ein "Rehabilitationsgeld" bzw. "Umschulungsgeld" die Arbeits-/Beschäftigungsfähigkeit wieder hergestellt und frühe dauerhafte Invalidität verhindert werden soll. Eine, wenn auch von den Zahlen her nicht sehr bedeutsame, dennoch vom Prinzip her interessante österreichische Besonderheit ist eine "Schwerarbeiterpension" mit einer erleichterten vorzeitigen Möglichkeit des Renteneintritts für Versicherte, die lange − egal in welcher Branche − unter gesundheitlich besonders stark belastenden Arbeitsbedingungen tätig waren.

  • Ein ganz wichtiger Unterschied besteht in der Finanzierung. In beiden Ländern erfolgt die Finanzierung des Umlagesystems aus Beiträgen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber (bis zur Beitragsbemessungsgrenze) und einem Staatszuschuss aus Steuermitteln. In Deutschland sind Arbeitgeber und Arbeitnehmerbeitrag formal gleich hoch. (Unter Einbeziehung der privaten Alterssicherung ist der Arbeitgeberanteil faktisch sogar geringer. In Österreich beträgt der Arbeitgeberanteil 12,55 Prozent und der Arbeitnehmeranteil 10,25 Prozent. Gut ein Viertel (2015: 25,2%) der Gesamtaufwendungen der Pensionsversicherung werden in Österreich aus Bundesmitteln gedeckt (sog. "Ausfallhaftung" des Bundes, was aber auch vieles abdeckt, was in Deutschland als "Versicherungsfremde Leistungen" bezeichnet wird − ebenso wie den Ersatz für den Ausgleichszulagenaufwand).

  • In Österreich erfolgt keine "automatische" Anpassung der Bestandsrenten, sondern eine Orientierung an der Preisentwicklung.

  • Die Wartezeit von 15 Jahren für einen Anspruch auf eine Altersrente ist wesentlich länger als in Deutschland.

  • Die Finanzierung der Krankenversicherungsbeiträge der Rentner erfolgt neben den Beiträgen der Rentner nicht über die Pensionskassen.

Im Ergebnis errechnen sich bezogen auf die Neurenten des Jahres 2015 durchschnittliche Alterspensionen (ohne Zulagen und Zuschüsse) für Männer von 1.514 Euro und für Frauen von 1.009 Euro (Invaliditätspensionen: 1.244 bzw. 829 Euro). Beim Rentenbestand sind es im gleichen Jahr 1.557 Euro für Männer und 944 Euro für Frauen im Fall von Alterspensionen respektive 1.172 Euro bzw. 779 Euro im Fall von Invaliditätsrenten .

Die österreichischen Rentenzahlbeträge sind damit deutlich höher als in Deutschland. Und: In Österreich werden die Renten 14 Mal im Jahr bezahlt, in Deutschland nur 12 mal! Darüber hinaus ist (Zahlen für das Jahr 2012) die Rentenbezugsdauer (Werte für 2012 ) in Österreich bei Männern (22,5 bzw. 20,4 Jahre) wie bei Frauen (27,8 bzw. 24,3 Jahre) länger als in Deutschland. In Österreich muss also im Durchschnitt zur Erreichung einer höheren Rente weniger lang gearbeitet werden als in Deutschland.

Zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit von Rentensystemen legt die OECD (2017) im mehrjährigen Abstand entsprechende Berichte vor. (Ähnliche Berichte zur Analyse in den EU-Ländern gibt es (vgl. zu einigen detaillierten Ländervergleichen Abschnitt 22 x) gibt es auch seitens der European Commission, z.B. 2018. Dort sind auch spezifizierte Vergleiche von modellhaften Versicherungsverläufen, z.B. unter Berücksichtigung von Zeiten der Kindererziehung oder der Arbeitslosigkeit bzw. verschiedener Einkommensniveaus verfügbar).

Für den zentralen Modellfall eines Versicherten mit einer 2016 beginnenden Versicherungsbiografie bis zur nach gegenwärtiger Rechtslage gültigen künftigen Regelaltersgrenze ergibt sich bei einem angenommenen durchschnittlichen Einkommen in Österreich dann eine Nettolohnersatzrate von 91,8 Prozent. Für einen Geringverdiener mit nur hälftigem Erwerbseinkommen über die gut vier Jahrzehnte sind es 92,2 Prozent, bei einem 1,5-fachen Einkommen 90,9 Prozent. Die Vergleichswerte für Deutschland: Bei durchschnittlichem Einkommen: 50,5 Prozent, bei nur hälftigem Einkommen 54,7 und bei einem eineinhalbfachen Einkommen 49,8 Prozent. In diese Berechnungen sind die gesetzlichen Renten, die staatlich geförderte private Altersvorsorge (in Deutschland: Riester-Rente) und die Besteuerung der Alterseinkommen einbezogen. Trotz etwas höherer Steuersätze und Sozialabgaben (für Krankheit, Pflege) bleiben die Werte in Österreich auch auf dieser Ebene besser.

Ist die Alpenrepublik also ein "Rentnerparadies" wie oft behauptet wird? Erkauft Österreich ein großzügiges Rentensystem etwa zu Lasten seiner Wirtschaftskraft und Wettbewerbsfähigkeit? Ist diese Politik gerade angesichts des demografischen Wandels nachhaltig?

Zur ersten Frage bescheinigt die European Commission dem Mitgliedsland Österreich ein "Ja mit Einschränkungen".

Österreich − Ein beschränktes Paradies (für Rentner)

"Insgesamt gesehen muss man Österreich − im Durchschnitt − aus internationaler Perspektive ein relativ großzügiges Alterssicherungssystem attestieren, was auch in dem vergleichsweise hohen theoretischen Lohnersatzniveau bei stabiler Erwerbsbiografie zum Ausdruck kommt. Allerdings sind trotz der relativ hohen Ausgaben für die Alterssicherung die Armutsrisikoquoten immer noch unbefriedigend".

Die Aussage zu der vergleichsweise hohen Lohnersatzrate bezieht sich dabei auf den Vergleich der Rente eines Durchschnittsverdieners nach einer 45-jährigen Erwerbsbiografie mit seinem letzten Arbeitseinkommen vor dem Altersübergang (Nettoersatzquote). Diese liegt nach der Definition und den Zahlen der OECD (vgl. oben Tabelle "Nettoersatzquoten nach Verdienstniveau") in Österreich im Jahr 2016 bei 0,918. Für Deutschland lautet der Vergleichswert 0,505 und für die EU-28 0,58.

Zu beachten ist aber auch die Streuung der Alterseinkommen und das Armutsrisiko. Die 80:20 Relation der Einkommen ab 65-Jähriger ist zwar in Österreich geringer als in Deutschland bzw. in der EU-28 (3,7 versus 4,2 jeweils in Deutschland bzw. europaweit). Die Armutsrisikoquote der ab 65-Jährigen ist dagegen im Jahr 2016 in Österreich mit 13,2 Prozent (vor allem bei Frauen: 15,7%) kaum geringer als in der EU-28 (vgl. Abbildung "Armutsrisikoquoten der älteren Bevölkerung" mit den Querschnittsdaten für das Jahr 2016); bei allerdings seit 2008 deutlich sinkender Tendenz: Seit dem Jahr 2008 ist die Armutsrisikoquote der ab 65-Jährigen in Österreich von 18,9 auf die genannten 13,2 Prozent im Jahr 2016 gesunken und liegt damit aktuell leicht unterhalb der relativ konstanten allgemeinen Armutsrisikoquote (2016: 14,1%). In Deutschland ist sie dagegen in der Gesamtbevölkerung in der Tendenz leicht, bei den ab 65-Jährigen deutlich angestiegen und liegt inzwischen mit 17,6 Prozent über dem Gesamtdurchschnitt von 16,5 Prozent (jeweils Werte für 2016). Das bedeutet: Auch in Österreich gibt es einen recht hohen Anteil Älterer, die nur eingeschränkt von der allgemein guten Alterssicherung profitieren.

Österreich hat im Jahr 2015 nach Angaben der European Commission 29,8 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für die Soziale Sicherung ausgegeben. Im Jahr 2008 waren es 27,6 und 2009 (in der Krise) 29,6 Prozent. In Deutschland liegen die entsprechenden Anteile bei 29,1 Prozent für 2015 und 27,1 bzw. 30,5 Prozent für 2008 bzw. 2009 . Der Anteil der Ausgaben für die Funktion Alter und Hinterbliebene ist in Österreich zwischen den Jahren 2008 und 2015 von 13,0 auf 14,7 Prozent gestiegen und in Deutschland von 11,1 auf 10,9 Prozent ganz leicht zurück gegangen. Dies erklärt viele der oben angesprochenen Unterschiede bezüglich der Lebenslage Älterer in den beiden Ländern. Hat das aber zu einer wirklich schlechteren Wirtschaftsentwicklung in Österreich geführt?

Österreich schneidet im Hinblick auf zentrale ökonomische Kennziffern viel besser ab als der Durchschnitt der 28 EU-Länder oder der Länder des Euroraumes − in manchen Punkten etwas schlechter, in anderen sogar etwas besser als Deutschland. Nimmt man etwa die kaufkraftbereinigte Wirtschaftsleistung pro Kopf der Bevölkerung im Jahr 2014 so ist diese in Österreich um 28 Prozent und in Deutschland um 24 Prozent höher als im europäischen Durchschnitt. Das kaufkraftbereinigte durchschnittliche Nettoäquivalenzeinkommen der erwachsenen Bevölkerung 2014 liegt in Österreich um 15 Prozent über dem deutschen Vergleichswert. Die Beschäftigungsquote der 20- bis 64-Jährigen ist in Österreich (Werte für 2017) mit 75,4 Prozent geringer als der extrem hohe Wert in Deutschland (79,2%), liegt aber deutlich über dem Durchschnitt in EU-28 bzw. EU-19 (72,2 bzw. 71,0%). Die Arbeitslosenquote beträgt in der sehr engen Definition der europäischen Statistik für 2017 in Österreich 5,5 und in Deutschland 3,8 Prozent (EU-28: 7,6%; EU-19: 9,1%) .

Zumindest für die Vergangenheit, für heute und auch für die "absehbare" Zukunft spricht wenig dafür, dass das im Vergleich zu Deutschland signifikant großzügigere Alterssicherungssystem in Österreich der wirtschaftlichen und Arbeitsmarktentwicklung des Landes abträglich gewesen wäre. Eher das Gegenteil dürfte zutreffen: Die stabilisierende Wirkung von Sozialausgaben in Krisenzeiten und die stärkere Binnennachfrage statt der deutschen Fixierung auf Exporterfolge macht den Kern des österreichischen Erfolgsmodells aus. Österreich hat im Gegensatz zu Deutschland später mit Maßnahmen am Arbeitsmarkt und bei den Renten begonnen, die auf die demografischen Veränderungen reagieren. Oder umgekehrt betrachtet: Die Arbeitsmarkt- und Rentenreformen haben in vorauseilendem Sinne bereits in Deutschland Maßnahmen zur Einschränkung des Sozialstaats ergriffen (auch um die Lohnnebenkosten zu senken). Diese wurden aber nicht im Sinne einer "Generationengerechtigkeit" zu Gunsten der nachwachsenden Alterskohorten ergriffen, die allesamt unter diesen Maßnahmen leiden werden.

In beiden Ländern wird in Zukunft der Bedarf an Staatszuschüssen zur Alterssicherung sowie für Gesundheit und Pflege steigen. Diese Steigerung wird aber absehbar − wenn die Generation der "Babyboomer" weitgehend verstorben sein wird − wieder geringer werden, wenn auch auf höherem Niveau als heute. Außerdem ist es eigentlich normal, dass sich eine Veränderung gesellschaftlicher Bedarfslagen auch in den Ausgabeprioritäten der öffentlichen Haushalte niederschlagen bzw. bei den Steuereinnahmen die in einer Gesellschaft erwirtschafteten Ressourcen bzw. Produktivitätszuwächse entsprechend verteilt werden.

Fazit

Das System der Alterssicherung in der Bundesrepublik Deutschland hat sich in Kriegen und Krisen bewährt. Es gibt daher gute Gründe dafür, an den Grundprinzipien (z.B. Arbeitsbezug, Umlagesystem, Äquivalenzprinzip, Lebensstandardsicherung) festzuhalten und dann, wenn sich Reformbedarf zeigt, sich die Rahmenbedingungen ändern etc., zumindest zunächst − systemimmanent − eher "an den kleineren Schrauben zu drehen". In diesem Sinne sollte auch die internationale Komparatistik verwendet werden − um von anderen zu lernen, von Guter Praxis wie von Schwächen und Fehlern. Und: In diesem Sinne sollte das Festhalten an Grundprinzipien aber auch nicht zur Starrheit und Prinzipienreiterei führen. Die aufgezeigten Ländervergleiche könnten so gesehen summarisch dahingehend interpretiert werden,

  • dass eine noch stärkere Orientierung auf eine kapitalmarktabhängige Alterssicherung sich als zweite und dritte Säule für Deutschland angesichts einerseits des negativen Beispiels Vereinigtes Königreich und andererseits des positiven Beispiels Österreich verbietet,

  • dass eine Ausweitung des Versichertenkreises im gesetzlichen Basissystem (erste Säule bzw. Ebene) in Richtung einer Einbeziehung von Beamten und allen Selbstständigen − natürlich mit Übergangsregelungen − sinnvoll wäre und ökonomisch positiv ausfallen kann,

  • dass eine graduelle Veränderung im Hinblick auf das Äquivalenzprinzip durchaus denkbar wäre, also eine Abschaffung oder zumindest deutliche Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze bei gleichzeitiger Begrenzung der Rentenansprüche für hohe Einkommen (vgl. Schweiz),

  • dass höhere Arbeitgeber- als Arbeitnehmerbeiträge durchaus denkbar sind und eine solche Abkehr von der paritätischen Finanzierung der Beiträge nicht zwingend zu einem Verlust der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit führt, wie die Entwicklung in Österreich zeigt.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Oorschot 2008.

  2. Blank u.a. 2016, S. 281.

  3. Vgl. dazu und zum folgenden z.B. Blank u.a. 2016, 2016a; Hülsewig, Hülsewig 2017.

  4. Vgl. mit ausführlicheren Zahlen Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz 2017, 2017a, S. 49 ff.; European Commission 2018, insbesondere Bd. 2, S. 188 ff.

  5. Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz 2017a, S. 63.

  6. Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz 2017, S. 4.

  7. Vgl. Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz 2017a, S. 69.

  8. vgl. European Commission 2018, Bd. 2, S. 54, 196, 276.

  9. Vgl. OECD 2017.

  10. European Commission 2017, Bd. II, S. 193, Ü.d.V.

  11. European Commission 2017, Bd. II, S. 193, Ü.d.V.

  12. European Commission 2018, S. 241.

  13. Vgl. ebenda, S. 196.

  14. Vgl. Mischke 2016, S. 441, 448.

  15. Vgl. European Commission 2018, S. 266 f.

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Gerhard Bäcker, Prof. Dr., geboren 1947 in Wülfrath ist Senior Professor im Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen. Bis zur Emeritierung Inhaber des Lehrstuhls "Soziologie des Sozialstaates" in der Fakultät für Gesellschaftswissenschaften der Universität Duisburg-Essen. Forschungsschwerpunkte: Theorie und Empirie des Wohlfahrtsstaates in Deutschland und im internationalen Vergleich, Ökonomische Grundlagen und Finanzierung des Sozialstaates, Systeme der sozialen Sicherung, insbesondere Alterssicherung, Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik, Lebenslagen- und Armutsforschung.

Ernst Kistler, Prof. Dr., geboren 1952 in Windach/Ammersee ist Direktor des Internationalen Instituts für Empirische Sozialökonomie, INIFES gGmbH in Stadtbergen bei Augsburg. Forschungsschwerpunkte: Sozial- und Arbeitsmarktberichterstattung, Demografie, Sozialpolitik, Armutsforschung.