Arbeitsmarktverflechtungen und Sozialversicherungsabkommen
Aus der Begrenzung nationaler Sozialversicherungen erwachsen allerdings erhebliche Probleme bei der sozialen Absicherung jener Personen, die während ihres Erwerbslebens bzw. zu einem bestimmten Zeitpunkt grenzüberschreitend beschäftigt sind. Die internationalen Verflechtungen, auch auf dem Arbeitsmarkt, erhalten eine immer größere Bedeutung. Die Zahl der Arbeitnehmer, die zwischenzeitlich oder auch längerfristig in einem anderen Land (innerhalb der EU oder über die EU hinaus) als in ihrem Heimatland arbeiten und leben, nimmt zu.
Dies ist kein neues Phänomen, das erste Abkommen über die Rentenversicherung von im Deutschen Reich beschäftigten Italienern wurde 1912 geschlossen. Die grenzüberschreitende Arbeitsaufnahme prägt in großer Zahl schon seit Mitte/Ende der 1950er Jahre in Form der Anwerbung der sog. "Gastarbeiter" die Situation auf dem Arbeitsmarkt nicht nur in der Bundesrepublik sondern auch in den anderen westeuropäischen Ländern. Diese Verflechtungen auf dem Arbeitsmarkt betreffen vor allem Arbeitsmigranten, Saisonarbeitnehmer, Werkvertragsarbeitnehmer und auch Personen, deren Wohnsitz im Inland liegt, die aber im nahegelegen Ausland arbeiten, die also als sog. "Grenzgänger" zwischen dem Land, in dem sie leben, und dem Land, in dem sie arbeiten, pendeln.
Die Arbeitsmigration (hierbei ist zu unterscheiden, zwischen jenen Migranten, die in ihr Heimatland nach kurzer oder längerer Frist zurückkehren und jenen, die dauerhaft im Aufnahmeland bleiben) wie auch das Grenzgängerwesen sind durch die europäische Integration und durch die Grundfreiheiten des europäischen Binnenmarktes wesentlich erleichtert und gefördert worden. Denn die Personenfreizügigkeit, die Arbeitnehmerfreizügigkeit, die Niederlassungsfreiheit und die Dienstleistungsfreiheit ermöglichen es, dass jeder Bürger der EU seinen Wohnsitz und Arbeitsort frei wählen kann.
Die Probleme, die aus dieser zwischenstaatlichen Mobilität für die soziale Absicherung erwachsen, beziehen sich insbesondere auf die Fragen, in welchem Land soziale Ansprüche und Leistungen erworben werden, aber auch Beiträge und Steuern gezahlt werden müssen, und ob die Ansprüche und Leistungen bei einer Rückkehr in das Heimatland oder bei einem Wechsel in ein drittes Land auch "mitgenommen" werden können, also "exportiert" werden.
Um dieses Problem zu lösen, haben die Staaten untereinander (bilaterale) Abkommen geschlossen. Die Abkommen über soziale Sicherheit sollen auf der Grundlage der Gegenseitigkeit (Gleichbehandlung der beiderseitigen Staatsangehörigen) und der Personengleichstellung (Behandlung des ausländischen Beschäftigten wie eigene Staatsangehörige) den sozialen Schutz der betreffenden Beschäftigten und ihrer Familienangehörigen sichern, wenn sie in einem anderen Staat arbeiten und/oder sich dort vorübergehend oder gewöhnlich aufhalten.
So werden bei einer Beschäftigung in zwei Staaten (Beispiel: Ein deutscher Staatsangehöriger arbeitet nur für wenige Jahre in Deutschland und ist im Anschluss daran bis zum Erreichen des Rentenalters in Belgien beschäftigt) die Versicherungszeiten in der Rentenversicherung aus beiden Staaten zusammengerechnet (Grundsatz der Totalisierung). So ist sichergestellt, dass sowohl die belgischen als auch die deutschen Wartezeiten für den Erwerb und die Aufrechterhaltung einer Altersrente oder einer Erwerbsminderungsrente erreicht werden. Zudem ist garantiert, dass die deutsche Rentenzahlung nach Belgien "exportiert" wird, wenn die betreffende Person im Alter ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort in Belgien hat. In diesem Fall werden eine deutsche und eine belgische Rente bezahlt. Die Höhe der Renten bemisst sich dabei allerdings nur nach den Versicherungszeiten und Berechnungsregelungen des jeweiligen Landes.
Der Anspruch auf Leistungsexport gilt jedoch nur für beitragsfundierte Sozialversicherungsansprüche. Bedürftigkeitsgeprüfte und steuerfinanzierte Leistungen, wie etwa die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderungen, werden nicht an Personen gezahlt, die ihren Aufenthaltsort im Ausland haben. Wiederum anders ist die soziale Sicherung bei der Arbeitnehmerentsendung geregelt: Werden Beschäftigte im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit nur für eine vorübergehende Zeit vom Inland ins Ausland entsandt, weil beispielsweise eine polnische Firma einen Bauauftrag in Deutschland erledigt, haben die Sozialversicherungsregelungen Polens weiter Bestand.
Rentenzahlungen an Deutsche und Ausländer im Inland und ins Ausland
Eine wichtige Unterscheidung im vorliegenden Zusammenhang betrifft die so genannten Vertrags- und Nichtvertragsrenten
Die Tabelle zeigt die Zahl der entsprechenden Renten im Rentenbestand des Jahres 2017.