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Das Internet als Lobby-Instrument

Ulrich Müller

/ 11 Minuten zu lesen

Oft wird dem Internet zugeschrieben, dass es für mehr Transparenz im Lobbyismus sorge. Doch auch alte PR-Strategien werden in das Netz-Zeitalter übertragen. Und neue Akteure wie die großen Internet-Plattformen stellen uns vor neue Machtfragen.

Mitglieder des Edinburgher Mietvereins bei einem Protest vor dem Stadtratsgebäude am 22.01.2018 (© picture-alliance, PA Wire/empics)

Mit dem Begriff "Digital Public Affairs" wird seit mehreren Jahren der stärkere Einsatz des Internets und sozialer Medien in der Lobbyarbeit bezeichnet. Erstens werden über digitale Kanäle die eigenen politischen Botschaften verbreitet. Zweitens werden insbesondere die Sozialen Medien auch für direkte Kontakte zu Politikerinnen und Politikern genutzt. Ausgangspunkt ist, dass das Internet für die politische Fachöffentlichkeit eine wichtige Informationsquelle ist. Deshalb sollen die eigenen Anliegen online sichtbar sein, z.B. bei Recherchen in Suchmaschinen oder in Social Media-Newsfeeds von Abgeordneten. Denn diese bedienen ihre Social-Media-Kanäle häufig selbst oder gemeinsam mit ihrem Team.

Einer der Vorreiter in Sachen Digital Public Affairs in Deutschland war 2010 E-Plus (heute Telefónica) mit "UdL digital" (UdL für Unter den Linden, die zentrale Allee im Berliner Regierungsviertel) – dazu kommen die Handelsgruppe Metro, Microsoft, TUI oder Union Investment. Metro kommuniziert seit 2015 über eine spezielle Webseite die eigenen politischen Anliegen und liefert zugleich Informationen über die eigene Lobbyarbeit. So findet man dort die Personen, die für Metro Lobbyarbeit machen, deren Mitgliedschaften in Verbänden, Positionspapiere und Informationen über ausgewählte Lobby-Instrumente von Metro (z.B. die Veranstaltungsreihe Mittwochsgesellschaft oder das persönliche Gespräch). Über Twitter, Facebook und YouTube berichtet Metro über eigene politische Veranstaltungen und wirbt für die eigenen Positionen. Mit solchen Maßnahmen zielt Digital Public Affairs darauf, über Internet und soziale Medien die eigenen Anliegen in die politische Szene und Fachöffentlichkeit zu tragen.

Digital Public Affairs sollen auch dazu beitragen, ein innovatives und transparentes Image zu vermitteln und die Lobbyarbeit dialogorientierter zu gestalten. So beteiligt sich Metro in Online-Beiträgen an der Debatte um mehr Transparenz des Lobbyismus. Allerdings steuern die Unternehmen selbst, was sie offenlegen und was nicht. In den "Digital Public Affairs"-Meldungen von Metro findet sich z.B. kein Hinweis auf Lobbyaktivitäten gegenüber der Ministerialbürokratie, obwohl davon auszugehen ist, dass die Lobbyarbeit der Unternehmensgruppe auch diese Ebene adressiert.

Digital Public Affairs können verpflichtende Transparenzregeln für Lobbyisten wie ein Lobbyregister oder Offenlegungspflichten für Parteispenden also nicht ersetzen. Zudem kann das Internet durchaus für irreführende oder verdeckte PR-Strategien genutzt werden. Ein Beispiel dafür ist das sogenannte Astroturfing. Mit dem englischen Begriff für Kunstrasen bezeichnet man Initiativen, die wie Graswurzelbewegungen aussehen sollen – also wie unabhängige Meinungsäußerungen von Privatpersonen zu politischen Fragen. In Wahrheit aber sind sie künstlich, also professionell gesteuert, und versuchen, Politik und Öffentlichkeit gezielt zu beeinflussen.

Astroturfing und die Deutschen Bahn

Während des Tarifkampfs mit den Lokführern 2007 und der Debatte um die Bahnprivatisierung (inklusive des Schienennetzes) gab die Bahn einer Recherche des Vereins Lobbycontrol zufolge 1,3 Millionen Euro für sogenannte verdeckte PR aus. Während die Bahn für eine Privatisierung warb, positionierte sich ein Bündnis aus Attac, Umweltverbänden, Gewerkschaften und Initiativen ("Bahn für alle") dagegen. Sie befürchteten, dass die Privatisierung ökologisch sowie für die Beschäftigten nachteilig sei. Um Einfluss auf die öffentliche Debatte zu nehmen, beauftragte die Bahn die Lobby-Agentur European Public Policy Advisers GmbH (EPPA), die wiederum den Verein Berlinpolis einspannte.

Die offiziell unabhängige Denkfabrik griff über Medien (Meinungsbeiträge, Umfragen) und Online-Foren in die Debatte ein. Als zentrale Plattform diente die Webseite , die Berlinpolis einrichtete. In den Online-Foren, etwa von tagesschau.de oder stern.de, tauchten Kommentare von "zukunftmobil" auf, die sich auf Berlinpolis-Umfragen bezogen oder die Webseite verlinkten. In diesem Fall wurde eine alte PR-Strategie auf einen neuen Kanal, das Internet, übertragen: die eigenen Botschaften zusätzlich durch (vermeintlich unabhängige) Dritte in die Öffentlichkeit zu tragen. Dies soll für mehr Glaubwürdigkeit sorgen. Auch andere, weiter entwickelte Ansätze zur politischen Nutzung des Internets werfen Fragen auf.

Internetplattformen instrumentalisieren Nutzer/-innen

Für Konzerne wie Facebook, Google oder die Fahrdienst-Plattform Uber sind die Sozialen Medien und andere Internet-Anwendungen nicht nur ein Kommunikationskanal ihrer Lobbyarbeit. Sie sind selbst Teil der Internet-Infrastruktur, sie kontrollieren, was in Apps, Newsfeeds und Suchergebnissen angezeigt wird und besitzen riesige Datenmengen, die sie aus den Aktivitäten ihrer Nutzer/-innen gewinnen. Damit verfügen sie über direkte Kontakte zu Millionen von Menschen, kennen deren Angewohnheiten und können diese Ressourcen auch politisch nutzen.

Facebook: Aktionsaufruf in der Timeline

Ein Beispiel dafür ist die Auseinandersetzung um das Projekt "Free Basics" von Facebook (zunächst "internet.org" genannt) in Indien. Der Konzern versprach 2015 Millionen Inderinnnen und Indern damit einen kostenlosen und uneingeschränkten freien Internet-Zugang. Tatsächlich sollten die Menschen allerdings nur Zugriff auf eine von Facebook kontrollierte Plattform erhalten, die 38 ausgewählte Internet-Anbieter, darunter u.a. Facebook und Wikipedia, bereitstellte. Kritiker/-innen warfen dem Unternehmen vor, dass es durch die bevorzugte Einbindung einiger weniger Anbieter die Netzneutralität verletze.

Als Reaktion darauf spielte Facebook den bisherigen Nutzerinnen und Nutzern der Plattform in Indien einen Aktionsaufruf in ihren Newsfeed, der sie aufforderte, ihre Unterstützung für Facebooks internet.org-Projekt gegenüber den indischen Parlamentariern auszudrücken. Trotz großer PR-Kampagne seitens Facebook verbot die indische Aufsichtsbehörde Anfang 2016 Telekom-Firmen Ausnahmeregelungen für den kostenfreien Zugang zu einzelnen Netzangeboten zu gewähren. Damit war internet.org in Indien gescheitert. Bereits einige Jahre zuvor hatten unter anderem Google und Wikipedia im Protest gegen den Stop Online Piracy Act (SOPA) in den USA ihre stark besuchten Startseiten für Aktionsaufrufe genutzt. In diesem Fall erfolgreich: Das umstrittene Gesetz zum Schutz von Urheberrechten im Internet wurde 2012 nach den starken Protesten auf Eis gelegt.

Die Graswurzel-Strategien von Airbnb und Uber

Plattformen der sogenannten Sharing-Economy wie Airbnb (Übernachtungen) oder Uber (Fahrdienste) zeichnen oft ein Bild von sich als innovative Startups, die von traditionellen Interessengruppen wie dem Hotel- oder Taxigewerbe ausgebremst werden. In Wirklichkeit ist die Lage komplizierter: Oft umgehen Plattformen wie Airbnb und Uber bestehende Vorschriften. Sie können so potentiell unfaire Vorteile erlangen, etwa wenn die Anbieter auf ihren Plattformen nicht die Steuern für gewerbliche Anbieter zahlen oder deren Sicherheitsvorschriften nicht einhalten müssen.

Airbnb und Uber gerieten deshalb mit ihrer weltweiten Expansion in zahlreiche Konflikte mit den Behörden, oft auf kommunaler Ebene und sahen sich mit Abwehrversuchen der bisherigen Anbieter konfrontiert, die dabei auch auf ihre etablierten politischen Kontakte und Lobby-Arbeit setzen. In diesen Auseinandersetzungen entwickelten Airbnb und Uber politische Lobbying-Strategien, in denen ihre Position als Netzwerk-Plattformen ein integraler Bestandteil war.

"Homesharer" engagieren sich für Interessen von Airbnb

Airbnb verkündete 2015, dass es bis Ende 2016 hundert "Homesharing Clubs" aufbauen wolle. Vorausgegangen war ein Referendum in San Francisco über einen Vorschlag für striktere Homesharing-Regeln, die u.a. die Vermietung von Wohnungen auf 75 Tage im Jahr begrenzt hätten. Airbnb hatte seine Nutzer/-innen in den Wochen vor der Abstimmung mobilisiert, um für die Ablehnung der Neuregelung zu werben (etwa durch Tür-zu-Tür-Besuche). Am Ende wurde der Vorschlag mit 55% der Stimmen abgelehnt. Mit den Homesharing Clubs wollte Airbnb diese erfolgreiche Strategie global ausweiten. In den letzten Jahren hat die Plattform rund um den Globus sogenannte Community Organizer angestellt, die Homesharing Clubs initiieren und die politische Mobilisierung der Nutzer/-innen unterstützen.

Auch in Deutschland schalteten sich von Airbnb aufgebaute Homesharing Clubs in politische Auseinandersetzungen ein, zum Beispiel als die Berliner Landesregierung mit einem Zweckentfremdungsgesetz die Vermietung von privaten Mietwohnungen als Ferienwohnungen erschweren wollte. Gegen das Gesetz und die Gleichbehandlung der zeitweisen Vermietung eigener Wohnungen wehrte sich die Gruppe homesharing.berlin. Die Initiative bezeichnete sich selbst als unabhängig. Recherchen der taz zeigten aber, dass Airbnb das Gründungstreffen der Initiative organisiert, finanziert und die Referenten gestellt hatte – ebenso wie die Videos auf der Website der Initiative. Zumindest in der Anfangsphase lässt sich das Engagement des Homesharing Clubs nicht als unabhängig bezeichnen, auch wenn sie mittlerweile keine finanzielle Hilfe mehr annehmen. Es war Teil einer globalen PR-Strategie von Airbnb, die eigenen ökonomischen Interessen gegenüber staatlichen Stellen mit Hilfe der eigenen Nutzer/-innen durchzusetzen. Auch wenn die Plattform weiterhin versucht, die Gastgeber/-innen für die eigene Lobbyarbeit zu aktivieren, hat Airbnb in den letzten Jahren vor allem seine konventionelle Lobbyarbeit auf europäischer Ebene ausgebaut. Das Ziel: Die Einschränkungen auf der lokalen Ebene sollen als Verstoß gegen die europäischen Binnenmarkt-Regeln wahrgenommen werden.

Uber politisiert seine App und identifiziert Behörden-Mitarbeiter

Die Fahrdienst-Plattform Uber ist in den vergangenen Jahren schnell gewachsen und inzwischen in über 65 Ländern aktiv. 2016 wurde nach eigener Aussage die Zahl von 40 Mio. vermittelten Fahrten pro Monat überschritten. Immer wieder geriet das Unternehmen in Konflikt mit lokalen Behörden. Uber mobilisierte dabei seine Fahrer/-innen und Nutzer/-innen, indem unter anderem spezielle Features in die App eingespielt wurden.

Im Konflikt mit dem New Yorker Bürgermeister Bill de Blasio über eine temporäre Begrenzung neuer Fahrzeuglizenzen schaltete Uber für die New Yorker Nutzer/-innen der App den "De Blasio"-Modus frei. Dieser zeigte eine leere Karte New Yorks ohne zu buchende Autos. Das sollte zeigen wie Uber in New York aussehen werde, wenn de Blasios Vorschlag umgesetzt werde. Die Nutzer/-innen sollten daraufhin den Bürgermeister und den Stadtrat kontaktieren und gegen den Plan protestieren. Am Ende lenkten Bürgermeister und Stadtrat ein.

Uber ging in seinem Kampf gegen lokale Behörden noch weiter. Mit einer geheimen Software namens Greyball identifizierte das Unternehmen u.a. Nutzer/-innen der eigenen App, die in staatlichen Behörden arbeiteten. Diese bekamen eine andere Version der App angezeigt, in der entweder keine verfügbaren Autos angezeigt wurden oder zusätzliche Geister-Autos. Uber wollte damit verhindern, dass die Behörden bzw. deren Ermittler Uber-Fahrer in Städten erwischten, in denen Uber ohne explizite Betriebserlaubnis arbeitete.

Zur Identifizierung nutzte Uber laut New York Times verschiedene Methoden: ein Ansatz war, die Umgebung von Behörden digital zu markieren und zu verfolgen, wer die App dort häufig öffnete. Außerdem wertete Uber Kreditkarten-Daten und Social-Media-Profile der Nutzer/-innen aus. Nach der Enthüllung kündigte Uber an, die Anwendung der Software gegen lokale Behörden zu stoppen.

Internet und NGOs

Auch für Nichtregierungsorganisationen und soziale Bewegungen spielt das Internet von Anfang an eine große Rolle. Ein frühes Beispiel war 2001 die "Online-Demonstration" im Rahmen der Deportation.class-Kampagne gegen Abschiebungen parallel zur Lufthansa-Aktionärsversammlung. Für zwei Stunden sollte die Homepage der Lufthansa blockiert werden. Heute werden Online-Aktionen von vielen Organisationen genutzt, häufig in Form von Online-Unterschriftenaktionen. Dazu haben sich eigene Online-Plattformen wie Campact oder Change gegründet. Außerdem nutzen NGOs und Initiativen Soziale Medien, um ihre Anliegen zu verbreiten, aber auch um mit Entscheidungsträgern in Kontakt zu kommen. Das Internet ist zudem wichtig für die Vernetzung und Mobilisierung von Aktivist/-innen von der lokalen bis zur globalen Ebene. In der Regel wird dies durch andere Formen von Organisation, Kommunikation und Protest ergänzt.

Machtfragen der Internet-Gesellschaft

Greyball und die anderen Beispiele zeigen die neuen Einflussmöglichkeiten der Internetplattformen. Insgesamt wirft die Nutzung des Internets als Lobbyinstrument durch Unternehmen wie Airbnb, Facebook oder Uber eine Reihe neuer Fragen auf. In welchen Fällen ist das Engagement von Nutzer/-innen als eigenständiges bürgerschaftliches Engagement zu sehen oder eher als verlängerte Lobbyarbeit der Unternehmen? Wenn wie im Fall der Deutschen Bahn eine Initiative pro Bahnprivatisierung nur als virtueller Teil einer verdeckten Kampagne auftaucht, ist das klar Astroturfing. Bei Airbnb ist das nicht so einfach. Die Nutzer/-innen und ihr Engagement sind real und die Clubs sind nicht nur Inszenierungen von Airbnb. Auf der anderen Seite stimmt es in vielen Fällen nicht, wenn Airbnb und die Homesharing Clubs behaupten, die Clubs seien von Airbnb unabhängig. Airbnb hat eine große Infrastruktur für die Clubs eingerichtet, unterstützt diese finanziell und setzt den damit einhergehenden Einfluss als Lobbyinstrument ein.

Ein zweiter Punkt ist das Machtgefälle zwischen den Internet-Plattformen und ihren Nutzer/-innen. Die Unternehmen brauchen zwar die Nutzer/-innen, um Gewinn zu erzielen – aber nicht alle immer und überall. Sie können aus strategischen Gründen auf Kunden verzichten, etwa in bestimmten Städten oder (theoretisch) auf bestimmte Gruppen. Das zeigt sich auch, wenn diese für Lobbyzwecke aktiviert werden. Ein Beispiel dafür liefert das Referendum in Austin (Texas) über die striktere Regulierung von Fahrdiensten wie Uber und Lyft, der zweiten großen Fahrdienst-Plattform in den USA. Beide Unternehmen setzten auch dort auf eine Mobilisierung von Fahrer/-innen und Kunden. Aber sie verloren die Abstimmung im Mai 2016 – möglicherweise, weil ihre Kampagne mit Anrufen und automatisierten Textnachrichten als zu aufdringlich wahrgenommen wurde. Nach der Niederlage stellten Uber und Lyft ihre Dienste in Austin ein. Die neuen Regeln würden es für sie wirtschaftlich unattraktiv machen. Diese Entscheidung lief den Interessen der Fahrer vor Ort zuwider, die sich eher an die neuen Vorgaben angepasst hätten. Das Vorgehen macht die Unterschiede zwischen den Fahrer/-innen und den Internet-Plattformen deutlich: Die Nutzer/-innen werden für die politische Einflussnahme mobilisiert, haben aber keinen Einfluss auf die Entscheidungen oder Positionen des Unternehmens.

Die dritte grundsätzliche Frage betrifft die Macht der Internet-Plattformen gegenüber Politik oder anderen gesellschaftlichen Interessen. Das Internet und die Sozialen Medien werden oft als Chance für Protestbewegungen gesehen. Zu einem umfassenden Bild auf die damit einhergehenden Veränderungen für Partizipation und Öffentlichkeit gehört aber, dass diese Instrumente auch von Unternehmen genutzt werden. Die Strategien der Internet-Plattformen werfen neue Fragen hinsichtlich der Macht-Asymmetrien auf. Grundsätzlich sind an gesellschaftlichen Debatten viele Akteure beteiligt. Lobbyismus wird nicht nur von Unternehmen und Verbänden betrieben, sondern auch von Gewerkschaften oder Nichtregierungsorganisationen. Die Unternehmensseite verfügt in der Regel dabei über mehr finanzielle Ressourcen. Die Vorteile der zivilgesellschaftlichen Akteure sind häufig Glaubwürdigkeit und Mobilisierung.

Unternehmen wie Airbnb, Facebook, Google oder Uber verfügen nun über eine Kombination von finanziellen Ressourcen und einer großen Zahl von Nutzer/-innen bzw. –daten. Dadurch bieten sich ihnen besonders große Einfluss-Potentiale. Dazu kommen Fragen hinsichtlich der ökonomischen Macht der Internet-Plattformen, da diese aufgrund von Netzwerk-Effekten eine Tendenz zum Oligopol oder sogar Monopol haben. Netzwerk-Effekt bezeichnet das Phänomen, dass der Nutzen einer Internet-Plattform mit der Zahl der bereits bestehenden Nutzer/-innen steigt. Der Nutzen eines Messenger-Dienstes etwa ist umso größer, je mehr Menschen darüber erreichbar sind. Diese positive Rückkopplung lässt dominante Anbieter weiterwachsen. Deshalb bedarf es einer größeren öffentlichen Debatte über die Machtstellung und die zukünftigen Machtpotentiale von Internet-Plattformen. Das wird anhand von Airbnb und Uber, aber auch Facebook und Google deutlich. Politik und Öffentlichkeit müssen besser verstehen, wie Nutzer/-innen in die Lobbyarbeit der Internet-Plattformen einbezogen werden. Das Verhältnis der Nutzer/-innen zu den Plattformen ist dabei nicht spannungsfrei. Die Interessen überlappen sich teilweise gegenüber der Politik, aber es gibt auch Konflikte und Versuche, sich als eigenständige Interessenvertretung gegenüber den Plattformen zu organisieren. Angesichts dieser Gemengelage ist es wichtig, dass Plattformen und von ihnen angestoßene Initiativen wie die Homesharing Clubs von Airbnb ihre Verbindungen – und auch Abgrenzungen – offen und nachvollziehbar kommunizieren.

Weitere Inhalte

Ulrich Müller ist Politikwissenschaftler und arbeitet bei Lobbycontrol e.V. im Bereich Recherche und Analysen. Dort hat er u.a. untersucht, wie sich Unternehmenslobbys zunehmend der Strategien der Graswurzelbewegungen bedienen.