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Nur eine Staatsinsolvenz ist moralisch vertretbar | Europäische Wirtschaftspolitik | bpb.de

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Nur eine Staatsinsolvenz ist moralisch vertretbar

Malte Fischer

/ 5 Minuten zu lesen

Für Malte Fischer gibt es nur eine vertretbare Lösung für die Schuldenprobleme der Krisenländer: Die Staatspleite. Sie zwinge Gläubiger, auf Forderungen zu verzichten – und belaste so die wahren Profiteure der Staatsverschuldung. Eine Vermögensteuer sei dagegen aus vielerlei Gründen abzulehnen.

Malte Fischer (© Privat)

Die Finanzkrise hat die Etats vieler Länder in die roten Zahlen getrieben. Die Regierungen haben sich verschuldet, um die Konjunktur zu stützen und die Banken vor dem Bankrott zu bewahren. In den Ländern der Eurozone ist der Schuldenstand insgesamt von rund 66 Prozent der Wirtschaftsleistung im Jahr 2007 auf fast 93 Prozent im Jahr 2013 gestiegen. In allen größeren Ländern der Währungsunion liegt die Schuldenquote mittlerweile über der Marke von 60 Prozent, die im Interner Link: Maastrichter Vertrag als Obergrenze vereinbart wurde. Die Schulden von Griechenland, Portugal, Italien und Irland sind höher als die jeweilige Wirtschaftsleistung eines ganzen Jahres. Viele Studien zeigen, dass hohe Staatsschulden das Wirtschaftswachstum abwürgen. Was tun? Im Herbst 2013 erregte der Interner Link: Internationale Währungsfonds (IWF) Aufsehen, als er die Möglichkeit ins Spiel brachte, eine einmalige Steuer auf das Vermögen der Bürger und Unternehmen zu erheben, um damit die Staatsschulden zu tilgen.

Anfang 2014 brachte die Deutsche Bundesbank einen ähnlichen Vorschlag in die Diskussion ein. Die Einführung einer Vermögensteuer, so schrieben die Ökonomen des Instituts, "entspräche dem Prinzip der nationalen Eigenverantwortung, nach dem zunächst die eigenen Steuerzahler für Verbindlichkeiten ihres Staates einstehen, bevor die Solidarität anderer Staaten gefordert ist". Sanierten die Staaten ihre Haushalte durch eine Vermögensteuer, so seien sie nicht mehr auf die Finanzhilfen anderer Länder angewiesen, die damit ohnehin gegen das Beistandsverbot der Europäischen Verträge verstoßen.

Einige Politiker und Ökonomen argumentieren zudem, eine Vermögensteuer trage zu einer gerechteren Einkommens- und Vermögensverteilung bei. Denn diese belaste in erster Linie die Reichen, die überdurchschnittlich von den staatlichen Rettungsmaßnahmen zugunsten des Finanzsektors profitiert hätten.

"Das Problem beginnt schon damit, dass es außerordentlich schwierig ist, im Einzelfall alles richtig zu erfassen und zu bewerten."

Die Studie der Interner Link: Europäischen Zentralbank (EZB), auf deren Daten die abgebildete Grafik beruht, zeigt zudem, dass gerade in den Krisenstaaten Besitztum vorhanden wäre. Zwischen den Euroländern variieren die Vermögen der Bürgerinnen und Bürger stark. So beläuft sich das Netto-Vermögen in Spanien im Schnitt auf knapp 183 000 Euro je Haushalt, in Griechenland erreicht es rund 102 000 Euro, in Italien etwa 173 000. Die Bürger Luxemburgs kommen gar auf ein Netto-Vermögen von knapp 400 000 Euro, die Deutschen hingegen auf vergleichsweise bescheidene 51 000 Euro je Haushalt.

Auch wenn also erkleckliches Vermögen vorhanden ist, ist es eine schlechte Idee, dieses zu besteuern, um so die Staatsschulden zu tilgen. Das Problem beginnt schon damit, dass es außerordentlich schwierig ist, im Einzelfall alles richtig zu erfassen und zu bewerten.

Schulden und Vermögen (bpb) Lizenz: cc by-nc-sa/4.0/deed.de

Viele Bürgerinnen und Bürger besitzen Vermögen in Form von Sachwerten wie Häusern, Grundstücken, Schmuck, Kunstgegenständen, teuren Möbeln oder exklusiven Autos. Deren Marktwerte zu bestimmen, ist aufwendig und dürfte mit erheblichen Rechtsstreitigkeiten zwischen Fiskus und Steuerzahlern verbunden sein. Schon die Kosten für die Ermittlung und Erhebung der Steuer könnten so höher ausfallen als ihre Erträge.

Dazu kommt, dass der Wert von Finanzvermögen wie Aktien und Anleihen erheblich schwankt. Das erschwert die Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage. In den vergangenen Jahren hat die extrem lockere Geldpolitik der Notenbanken Preisblasen an den Finanzmärkten erzeugt. Besteuert der Staat den Aktien- und Anleihebesitz der Bürgerinnen und Bürger, besteht die Gefahr, dass er Scheingewinne abschöpft. Platzt nämlich die Kursblase, lösen sich die Vermögen in Luft auf. Nicht auszuschließen ist, dass staatliche Zentralbanken sogar durch die Erhebung von Vermögensteuern Anreize erhalten, die Kurse an den Finanzmärkten durch eine lockere Geldpolitik bewusst in die Höhe zu treiben, um den Regierungen zu höheren Steuereinnahmen zu verhelfen.

"Eine Vermögensteuer ist auch aus moralischen Erwägungen abzulehnen."

Vermögen wie Gemälde, nicht vermietete Grundstücke, Antiquitäten oder Schmuck wirft zudem keine regelmäßigen Erträge ab. Reichen die Einkünfte derjenigen, die solche Vermögensgegenstände besitzen, nicht aus, um die Vermögensteuer zu begleichen, müssen sie Teile ihres Besitzes verkaufen, um die Steuerschuld zu tilgen. Dadurch schmilzt die Vermögenssubstanz, die Bürgerinnen und Bürger werden schleichend enteignet. Die Vermögensteuer zerstört so das Privateigentum, das wichtigste Element einer freiheitlichen und marktwirtschaftlichen Gesellschaftsordnung.

Darüber hinaus würde sie die Anreize zur Kapitalbildung schmälern. Untersuchungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigen, dass die Deutschen ihre Vermögen vor allem durch eigene Leistungen aufgebaut haben. Erbschaften machen nur knapp 16 Prozent des Vermögens des reichsten Zehntels der Gesellschaft aus. In der restlichen Bevölkerung liegt der Anteil des ererbten Vermögens am Gesamtvermögen nur bei 14 Prozent. Eine Vermögensteuer bestraft daher in erster Linie diejenigen, die mit eigener Arbeit Vermögen aufgebaut haben. Das schmälert die Bereitschaft, Kapital zu bilden und schreckt Investoren ab. Der Kapitalstock, der das Wachstum der Wirtschaft bestimmt, fällt niedriger aus, als es ohne die Steuer der Fall wäre. Der Wohlstand aller Bürger sinkt.

Eine Vermögensteuer ist auch aus moralischen Erwägungen abzulehnen. Staatsschulden sind im Kern Verträge zwischen Regierungen und Kreditgebern zulasten künftiger Generationen. Letztere werden vom Staat über Steuern zur Kasse gebeten, um die Zinsansprüche der Gläubiger zu bedienen. So büßen sie für eine Erblast, die ihnen ihre Eltern und Großeltern durch ihr ungezügeltes Leben auf Pump hinterlassen haben. Wer dem Staat Geld leiht, setzt darauf, dass er später mit Geldern ausbezahlt wird, die der Staat seinen Bürgerinnen und Bürgern zuvor durch Steuern abgenommen hat. Er macht sich zum Mittäter staatlicher Konfiskation.

Aus moralischer Sicht gibt es daher nur eine vertretbare Lösung für die Schuldenprobleme der Krisenländer: Die Staatsinsolvenz. Sie zwingt die Gläubiger, auf einen Teil ihrer Forderungen zu verzichten – und belastet so die wahren Profiteure der Staatsverschuldung.

Sabine Reiner (© ver.di)

Standpunkt Sabine Reiner:

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Malte Fischer, Jahrgang 1963, ist Wirtschaftswissenschaftler. Seit 2010 ist er Chefvolkswirt des Magazins WirtschaftsWoche.