Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Eröffnungsrede von Thomas Krüger zum Internationalen Symposium "Was heißt denn hier Zigeuner? Bild und Selbstbild von Europas größter Minderheit" der bpb und der Allianz Kulturstiftung, Berlin, 10.11.2011 | Presse | bpb.de

Presse Pressemitteilungen Pressetexte 2024 Archiv Reden Archiv Pressekits Fotos | Logos | Banner Logos Virtuelle Hintergründe Thomas Krüger Jahresrückblicke Jahresberichte Auszeichnungen Pressekontakt

Eröffnungsrede von Thomas Krüger zum Internationalen Symposium "Was heißt denn hier Zigeuner? Bild und Selbstbild von Europas größter Minderheit" der bpb und der Allianz Kulturstiftung, Berlin, 10.11.2011

/ 3 Minuten zu lesen

Eröffnungsrede von Thomas Krüger zum Internationalen Symposium "Was heißt denn hier Zigeuner? Bild und Selbstbild von Europas größter Minderheit" der bpb und der Allianz Kulturstiftung, Berlin, 10.11.2011

Sehr geehrte Herta Müller,
sehr geehrter Herr Ischinger,
sehr geehrter Minister Balog,
sehr geehrter Herr Kjaerum,
sehr geehrter Herr Romani Rose,
verehrte Gäste,

im Namen der Bundeszentrale für politische Bildung begrüße ich Sie ganz herzlich zu diesem Symposium, das wir heute gemeinsam mit der Allianz Kulturstiftung im Rahmen der Reihe "Reden über Europa" eröffnen. Ich danke Ihnen, lieber Herr Ischinger und insbesondere Michael Thoss für die Initiative und die Idee zu dieser Veranstaltung, die wir sehr gern mit organisiert haben. Die große Nachfrage zeigt: unser Thema trifft einen Nerv des öffentlichen Interesses. Jürgen Habermas ruft in diesen Tagen zu Recht dazu auf, die "Würde der Demokratie" (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 5.11.2011) in einem von der Schuldenkrise und von den "Märkten" zerrissenen Europa zu retten: Dies verweist nicht nur auf die Frage, wie wir Europa als demokratisches und supranationales Projekt neu erfinden und wieder gewinnen können. Die Kernfrage lautet: Was macht die Europäische Union eigentlich aus? In welcher Gesellschaft wollen wir leben?

Mit den Worten Navid Kermanis, der vor zwei Wochen an dieser Stelle gesprochen hat, möchte ich sagen: "Europa ist mehr als ein Friedensprojekt (so zentral und wichtig dies auch ist), es ist wesentlich ein "Freiheitsprojekt", das sich auf die menschenrechtlichen, universalen, transnationalen Werte und Orientierungen der Aufklärung beruft und auch zu Recht berufen kann."

Unser Symposium setzt sich zum Ziel, an diesen Anspruch Europas an sich selbst zu erinnern. Die Ausgrenzung der europäischen Romvölker, die in der deutschen Sprache abwertend "Zigeuner" genannt werden, steht im Mittelpunkt des Symposiums. Alle Zahlen und Daten der Europäischen Kommission, des Europarates aber auch der Bundesregierung, nicht zuletzt aber auch die Untersuchungen und Einschätzungen der Selbstorganisationen zeigen, dass Angehörige der Romvölker in ganz Europa massiv unter Ausgrenzung, Bildungssegregation und zunehmend auch gewaltsamer Verfolgung leiden.

Auch Deutschland ist von diesen Diskriminierungen nicht ausgenommen; mehr als drei Viertel der nationalen Minderheit, so eine Studie des Zentralrats der Deutschen Sinti und Roma, haben Diskriminierungserfahrungen gemacht. Die ungelöste Abschiebungsproblematik von jungen und alten Roma aus dem ehemaligen Jugoslawien gibt Anlass zu Kritik. Immer noch müssen wir das Schicksal der über 500.000 ermordeten Sinti und Roma als "vergessenen Holocaust" bezeichnen, immer noch prägt die fatale Mischung aus Faszination und Verachtung das Bild des "Zigeuners" in unserem Land.

Als Bundeszentrale für politische Bildung engagieren wir uns gemeinsam mit anderen Initiativen gegen den nach wie vor weit verbreiteten Antiziganismus. "Europa erfindet die Zigeuner", so lautet das neue Buch von Klaus Michael Bogdal, das sich mit der langen Geschichte der Ausgrenzung der europäischen Romvölker beschäftigt. Wir haben das Buch in unsere Schriftenreihe aufgenommen und werden es morgen gemeinsam mit dem Suhrkamp Verlag hier vorstellen. Gemeinsam mit dem Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma und der Landeszentrale für politische Bildung in Bayern werden wir im April 2012 in Nürnberg eine nationale Fachkonferenz über Geschichte und Gegenwart deutscher Sinti und Roma veranstalten, deren Ergebnisse wir weiter verbreiten werden.

Ich hoffe, dass wir hier im Allianz Forum eine große Allianz gegen Antiziganismus und Ausgrenzung aufbauen können. Ich wünsche Ihnen und uns einen spannenden und lehrreichen Eröffnungsabend und lade Sie alle herzlich ein, auch morgen hier im Allianz Forum weiter zu diskutieren.

- Es gilt das gesprochene Wort -

Fussnoten