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Zwischen Inszenierung und Information: Medien, Demokratie, Bildung Eröffnungsrede

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Den Medien kommen in unserer Gesellschaft wichtige Aufgaben und Verantwortungen zu: Sie fordern und formen unsere Demokratie ständig neu. Sie berichten, deuten, inszenieren, instrumentalisieren und prägen unser Weltbild.

Sehr geehrter Herr Bundestagspräsident,
sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete des Deutschen Bundestages und der Landesparlamente,
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrter Herr Professor Hedtke,
meine sehr verehrten Damen und Herren,

ich begrüße Sie recht herzlich zum Bundeskongress für Politische Bildung, der bereits zum zehnten Mal von der Bundeszentrale für politische Bildung gemeinsam mit der Deutschen Vereinigung für Politische Bildung durchgeführt wird. Auch der diesjährige Bundeskongress bietet ein höchst anspruchsvolles Programm, an dem namenhafte Vertreterinnen und Vertreter aus den Bereichen Journalismus, Wissenschaft, Politik sowie politische Bildung teilnehmen. Ich danke Ihnen allen, die Sie hierher nach Mainz gekommen sind, um von heute bis Samstag miteinander zu diskutieren, sich über das Wechselspiel von Medien, Demokratie und Bildung auszutauschen und nach Umgangsweisen für dieses brisante und gerade wieder einmal hoch aktuelle politische Thema zu suchen.

Etwa siebeneinhalb Stunden verbringt der statistische Durchschnitts-Deutsche jeden Tag mit Medien – diese mal mehr, mal weniger aktiv nutzend: morgens mit Radio und Tageszeitung, dann im Auto oder bei der Arbeit mit dem Radio, nachmittags mit einer CD oder im Internet und abends vor dem Fernseher. Ereignisse, die durch die Medien vermittelt werden, verdrängen mehr und mehr selbst gemachte Erfahrungen. Den Medien kommen so in unserer Gesellschaft wichtige Aufgaben und Verantwortungen zu: Sie fordern und formen unsere Demokratie ständig neu. Sie prägen unser Weltbild und unser Bild von der Welt. Sie berichten, deuten, inszenieren, instrumentalisieren. So legt es der Titel des Kongresses nahe.

Die Allgegenwärtigkeit der Medien in der modernen Gesellschaft stößt nicht immer auf ungeteilte Freude. Den amerikanischen Medienkritiker Neil Postman veranlasste das permanente mediale Bombardement zu dem Stoßzeufzer: "Was als ein Strom nützlicher Informationen begann, hat sich inzwischen in eine Sturzflut verwandelt." Aber täuschen wir uns nicht: Das Lamento über die angebliche Allmacht der Medien ist keine Erfindung unserer Tage. Seit dem Beginn der Moderne sinnieren kluge Köpfe über den Einfluss der neuen Medien auf den Menschen. Damals wie heute bedurfte es der Entwicklung von Medienkompetenz, um die vielfältigen Informationen zu entschlüsseln und zu deuten. Und doch stößt auch unser aufgeklärter, durchaus medienkritischer Umgang mit Zeitung, Fernsehen, Internet immer wieder an Grenzen. Der sogenannte Karikaturenstreit hat uns in den letzten Wochen die Macht der Bilder vor Augen geführt, aber auch die Macht derer, die sich solcher medialer Ereignisse bedienen, um ihr eigenes Spiel zu spielen. Wer lässt sich wie instrumentalisieren? Wo liegen die Grenzen einer kritischen Berichterstattung? Müssen Empfindlichkeiten respektiert, Tabus gewahrt werden, damit nicht bei Nichtbeachtung Botschaften angezündet, Menschen verprügelt oder sogar getötet werden?

Heute und morgen werden praxiserfahrene Expertinnen und Experten über die verschiedensten Aspekte des Mediengeschehens sprechen. Es wird gehen um die Inszenierung von Politik, um "Agenda-Setting", um das Verhältnis von journalistischen und politischen Akteurinnen und Akteuren. Man braucht sich gegenseitig, das ist keine Frage, doch wo beginnt die gegenseitige Instrumentalisierung? Angesichts der Flut an Informationen fragt sich wohl jeder, wieso manches zur Nachricht wird, anderes unter den Tisch fällt, wieso es für manche Informationen offensichtlich Konjunktur gibt. Wer heizt die Konjunkturkurven an? Wer hat die Deutungshoheit von Ereignissen? Und ist das alles wirklich noch notwendig für das Funktionieren unserer Demokratie?

Der frühere Bundespräsident Richard von Weizsäcker hat sein Unbehagen über manche Auswüchse der modernen Medien einmal in den Wunsch gekleidet, es möge doch unter den Medien eine Art Verschwörung geben, menschlich ermutigend zu sein. Nicht immer haben wir den Eindruck, unsere moderne Medienlandschaft würde diesem Wunsch entsprechen. Die klassische Berichterstattung steht unter verstärktem Konkurrenzdruck. Nachrichten müssen sich gegen das Infotainment behaupten, nicht selten ersetzen Talkshows die eigene oft mühsame Auseinandersetzung mit schwierigen Themen. Wirtschaftliche Aspekte spielen auch im Mediensektor eine immer wichtigere Rolle. Auf der einen Seite ein erbittert ausgetragener Konkurrenzkampf, auf der anderen Seite Tendenzen zur Medienkonzentration, zur Monopolisierung der öffentlichen Meinung. Mit den Folgen dieser Entwicklung muss man verantwortlich umgehen – doch was heißt das eigentlich? Sind wir nicht alle auch mindestens ein Stück weit für das verantwortlich, was uns Tag für Tag aus den Medien entgegenschallt? Welche Rolle spielen wir alle als Rezipienten der Medien?

Es wird bei diesem Kongress auch um die Visualisierung von Informationen, also um Bilder und Filme gehen. Der "Emotionalisierung" von Ereignissen steht der Anspruch der Medien gegenüber, zur Reflektion und kritischen Auseinandersetzung anzuregen. Nicht selten haben wir den Eindruck, dass uns eine bestimmte Sicht der Dinge "verkauft" werden soll. Das bewirkt Unbehagen, schürt die Sorge vor Manipulation. Werden die Bürgerinnen und Bürger unterschätzt, glauben die Medienmacher, dass sie zwischen sorgfältiger Recherche und sensationsheischender Präsentation nicht recht unterscheiden können? Gefragt ist hier ganz offensichtlich Medienkompetenz, ein kritischer Umgang mit den Medien. Gerade in der politischen Bildung arbeiten wir seit vielen Jahren daran, tragfähige Konzepte für eine verantwortungsvolle Medienpädagogik zu vermitteln. Nach dem Erfolg müssen wir uns immer wieder neu befragen lassen.

Die Bundeszentrale für politische Bildung hat diese stets neue Herausforderung in den inzwischen mehr als 50 Jahren ihres erfolgreichen Wirkens immer wieder angenommen. Um ihnen nur einige Schlaglichter aus den letzten Jahren zu nennen, die diese Innovationsbereitschaft auch im Bereich der staatlichen politischen Bildung illustrieren können: der Newsletter Euro Topics, der Einsatz neuer Medien für das Selbststudium, die Internetseite Hanisauland, die bei Kindern Lust auf Politik macht oder Fluter, das Internetmedium für junge Erwachsene sind nur einige wenige Produkte, die ich in dem Zusammenhang aus der Arbeit meines Hauses erwähnen möchte.

Von den neuen Informationstechniken geht, das steht wohl außer Frage, eine große Faszination aus. Bereits Kinder und Jugendliche googeln sich durchs Internet, laden sich fertige Schularbeiten herunter, führen virtuelle politische Debatten in Chatrooms. Auch für die Erwachsenen hat die schnelle Zugriffsmöglichkeit auf dringend benötigte Informationen einen großen Reiz. Doch wer trifft die Auswahl für die Informationen, die uns angeboten werden? Das Feld des Internets ist keineswegs bestellt, der Kampf um Einfluss, um die Zugriffszahlen von Nutzerinnen und Nutzern ist ebenso entbrannt, wie um die Frage, wer im weltweiten Netz die Wissenshoheit hat.

Das Bildungssystem muss sich daher nachhaltig mit den neuen Medien auseinandersetzen. Der geübte Umgang mit ihnen ist längst zu einer elementaren Kulturtechnik geworden wie Lesen, Schreiben und Rechnen. Vertrautheit mit den Medien und ein souveräner Umgang mit ihren Inhalten sind Grundvoraussetzungen für eine erfolgreiche Lebensgestaltung, weit über das berufliche Fortkommen hinaus. Der Lernende wird immer mehr Subjekt im Prozess seines selbst bestimmten Lernens sein.

Für die politische Bildung heißt das: Das Verhältnis zwischen Bürgern und Staat ändert sich. Die Einflussmöglichkeiten des Einzelnen in politischen Entscheidungsprozessen werden direkter und sichtbarer, allerdings auch die Versuchung, über die Medien Einfluss auf seine politische Einstellung zu nehmen. Die Emanzipation des Bürgers gegenüber dem Staat wird fortschreiten. Die politische Bildung wird ihren Platz in einer dieserart selbstbewusst agierenden Gesellschaft immer wieder neu finden und behaupten müssen. Sie muss Handwerkszeug bereitstellen, damit die Bürgerinnen und Bürger ihre Einflussmöglichkeiten auch selbstbestimmt wahrnehmen können. Bessere Information, stärkere Mitsprache und mehr Demokratie – diesem Dreiklang sind die Medien, ist auch die politische Bildung verpflichtet.

Dass diese Herausforderungen nicht auf Deutschland beschränkt sind, bedarf kaum der Erwähnung. So konnten wir für die Abschlussveranstaltung wir den früheren Ministerpräsidenten und Außenminister der Republik Ungarn Gyula Horn gewinnen, einen wahrhaft großen Europäer, der über Chancen und Probleme der Informationsgesellschaft für die jungen europäischen Demokratien sprechen wird. Ich lade Sie ganz herzlich zu diesem Vortrag im Staatstheater in Mainz ein.

Erlauben Sie mir nun noch einige organisatorische Details mitzuteilen: Nach der Festrede des Bundestagspräsidenten Dr. Lammert gibt es eine 15-minütige Pause. Im Anschluss an die Podiumsdiskussion lade ich Sie alle sehr herzlich zu einem Empfang der Bundeszentrale für politische Bildung in das Foyer der Phönix-Halle ein. Über die Rückfahrmöglichkeiten gibt es draußen am Stand der bpb die notwendigen Informationen. Morgen und übermorgen werden in der Volkshochschule sowie im Rheinland-Pfälzischen Landtag die Sektionen stattfinden. Einzelheiten über die Räumlichkeiten finden Sie in Ihren Teilnehmermappen.

Ich freue mich besonders, dass unter uns auch eine Reihe junger Journalistinnen und Journalisten ist, die diesen Kongress aktiv begleiten. Einige von ihnen haben an einem Wettbewerb zu unserer Veranstaltung teilgenommen. Sie werden Interviews führen, eigene Eindrücke sammeln und dann morgen Abend ihre Beobachtungen in einer Kongress-Zeitung zusammenführen, die Ihnen allen am Samstag zur Verfügung gestellt wird. Parallel dazu nehmen junge Journalisten des Offenen Kanals die heutige Veranstaltung auf und werden ihr Programm dann am 13. und 20. März im Offenen Kanal Ludwigshafen senden. Zudem begleiten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Online-Redaktion meines Hauses den Kongress und werden dazu Interviews führen. Bitte unterstützen Sie durch Ihre Kooperation dieses sehr willkommene Engagement.

Meine Damen und Herren, nun wünsche ich uns allen einen gelingenden Kongress.

– Es gilt das gesprochene Wort –

Fussnoten