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Zum Kongress Kino macht Schule Learning by viewing: Lehr- und Lernstoff Film

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Beim Kongress "Kino macht Schule" diskutierten Vertreter der Filmbranche, Politik, Schule und Wissenschaft über den status quo und die Perspektiven zur Vermittlung von Filmkompetenz in deutschen Schulen. Thomas Krüger spricht in einem Interview über die Bemühungen, "Bilder lesen zu lernen".

Am 20. und 21.03.03 diskutierten Vertreter der Filmbranche, Politik, Schule und Wissenschaft über den status quo und die Perspektiven zur Vermittlung von Filmkompetenz in deutschen Schulen. Über 300 akkreditierte Teilnehmer besuchten den von der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb und der Filmförderungsanstalt (FFA) in Berlin veranstalteten Kongress "Kino macht Schule". Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung über die Bemühungen, "Bilder lesen zu lernen":

Was war für die bpb der Anlass, die Motivation, diesen Kongress zu veranstalten?

Die filmschulische Arbeit hat in vielen lokalen Inititativen eine lange Vorgeschichte. Es gibt sehr aktive Lehrerinnen und Lehrer, die aber in vielen Fragen auf sich selbst gestellt sind. Wir möchten mit diesem Kongress eine Plattform für eine Vernetzung schaffen und überlegen, wie die überregionale Arbeit organisiert werden muss, um den sehr unterschiedlichen Bedürfnissen der lokalen Initiativen gerecht zu werden. Es geht um eine Professionalisierung und Qualifizierung der filmschulischen Arbeit, die dringend klare Organisations- und Finanzierungsstrukturen braucht.

Worin besteht das originäre Interesse der bpb an diesem Thema?

In der Bundeszentrale für politischen Bildung gab es schon immer eine sehr intensive Filmarbeit. Früher sogar Produktionszuschüsse für Filme mit politisch relevanten Themen. Seit zwei Jahren konzentriert sich die bpb verstärkt auf die Unterstützung filmschulischer Arbeit. Wir möchten, dass sich die Kinoleinwand als Lernort etabliert. Der Film soll zum Ausgangspunkt eines Lernszenarios werden und damit eine Brücke von der Leinwand in den Klassenraum schlagen.

Welche Unterstützung bieten Sie den Bildungsverantwortlichen bisher?

Es helfen unsere Filmhefte zur Vor- und Nachbereitung des Unterrichts, die wir mit Arbeitsblättern für Schüler und Schülerinnen weiter vervollständigen möchten sowie unser Engagement in Sachen Lehrerfortbildung. Im Internet geben www.kinofester.de und www.fluter.de Pädagoginnen und Pädagogen Anregungen für ihre filmschulische Arbeit.

Müsste eine schulische Erziehung, die an die Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen anknüpfen möchte, das bewegte Bild nicht schon seit Jahren in den Lehrplänen verankert haben?

Film wird in Deutschland im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern zuerst als Unterhaltungsware begriffen. Ein Entertainment, das weniger als Vermittler von kulturellen Werten geachtet wird. Die Schule, als "Hort des geschriebens Wortes" konzentriert sich in der alltäglichen Unterrichtsarbeit auf Literatur, insbesondere die Dramatik. Und so konnte sich die Kultusministerkonferenz bis heute nicht auf die curriculare Verankerung des Themas "Film – seine Geschichte, seine Sprache, seine Wirkung" in Schulen und Universitäten einigen. Noch immer verlassen Pädagogikstudierende die Hochschule, ohne in ihrem Studium auch nur einen medienpädagogischen Leistungsnachweis zu erbringen. Das muss sich ändern: Filmkompetenz sollte integraler Bestandteil jeder pädagogischen Ausbildung an den Universitäten – inklusive Leistungsnachweis werden. Ebenso wichtig sind Lehrerfortbildungen und Qualifizierungen in dem Bereich Filmkompetenz.

Kann man das Kino, den Film, separieren oder haben Pädagogen nicht die Pflicht die Medien in ihrer Komplexität zu lehren?

Natürlich müsste man den gesamten Bereich der Medien in den Unterricht integrieren. Aber der Film bietet durch das Bewegtbild, den Ton und die Musik schon ein sehr verdichtetes Genre und begründet als das populäre Leitmedium unserer Gesellschaft zentrale Orientierungsmuster und Vorstellungen von sozialer Realität. Die schulfilmische Arbeit bietet somit eine Art Platzhalterfunktion für viele andere Komponenten der Medienerziehung.

Inwieweit beeinflusst die Filmkompetenz den Filmkonsum und die -auswahl?

Kompetenzen zu vermitteln, die Kinder und Jugendliche zur erfolgreichen und sinnhaften Bewältigung von Lebenswirklichkeit benötigen, kann nie schaden. Eine gute Medienschule und eine hohe Filmkompetenz sind Garanten für die Stärkung der eigenen Meinung - auch in der Auswahl von Filmen. Bilder lesen lernen - daran hat neben der Schule die Filmwirtschaft und natürlich die Schüler und Schülerinnen selbst ein Interesse. Das Genre Film braucht ein kompetentes Publikum, um den verschieden Spielarten des Films die Zuschauer zu schenken. Insofern partizipiert auch der deutsche und europäische Film an der filmschulischen Arbeit.

Sollte die Kulturtechnik "Bilder lesen zu lernen" ein eigenes, reguläres Schulfach werden?

Da bin ich außerordentlich skeptisch. Schon das Aufrufen des Themas "Film als Schulfach" wird dazu führen, dass man sich über Jahre in Bund-Länder-Kommissionen und Kultusministerkonferenzen damit beschäftigenwird, ob ein solches Schulfach Sinn macht oder nicht. Wenn man dann ein Ergebnis hat, dürfte wieder eine Generation, die sich mit diesem Thema nicht beschäftigt hat, die Schule durchlaufen haben. Ich setze eher auf einen Prozess, der unser Anliegen durch die Praxis Wirklichkeit werden lässt. Die filmschulische Bildung kann Themen bündeln und Fächer zusammenführen. Gelehrt und erlernt wird lediglich die Dechiffrierung der Codes bewegter Bilder und das quer durch die Disziplinen und Fächer. Ein obligatorischer Filmkanon, der von einer kompetenten Kommission aus Filmschaffenden, Filmwissenschaftlern, Filmhistorikerinnen und filminteressierten Pädagogen und Pädagoginnen zusammengestellt wird, sollte dafür als Grundlage dienen.

Da sagt sich viel Arbeit an ...

... verteilt auf vielen Schultern. Es geht um eine gemeinsame Bemühung der Politik, der Filmwirtschaft und der politischen Bildung, die eine breite, öffentliche Wahrnehmung des Themas erreichen möchten, um über die Veränderung der Lehrpläne an Schulen und Universitäten Nachhaltigkeit herzustellen. Auch der Austausch zwischen den bereits vorhandenen Hochschulen für Filmkompetenz, nämlich den Filmhochschulen, und den Universitäten und den Schulen sollte hergestellt und dann zum Pflichtprogramm gemacht werden.

Sicher laufen Sie bei der Filmwirtschaft, den Filmverbänden und den Filmförderungsanstalten offene Türen ein. Verantwortlich für filmschulische Lehr-Lern-Inhalte sind aber die Kultusministerien.

Sicher wird ohne die Kultusministerien alles was wir unternehmen im Grunde nachrangig bleiben. Aber die Kultusministerien zeigen sich zunehmend interessiert an schulfilmischer Erziehung. Ein Argument in unserer Überzeugungsarbeit waren die sehr erfolgreichen Schulfilmwochen "Lernort Kino", die das Kölner Institut für Kino und Filmkultur (IKF) u.a. im Auftrag der bpb im vergangenen Jahr zunächst in fünf Bundesländern realisieren konnte. Insgesamt haben 160.000 Schüler und Schülerinnen sowie über 6.000 Lehrerinnen und Lehrer an den Schulfilmwochen teilgenommen. In Sachsen-Anhalt und Thüringen wurden mit 40.000 Schülerinnen und Schüler insgesamt 7,1 Prozent der Schülerschaft erreicht. Dort haben 64 Filmtheater in 55 Städten an fünf Vormittagen 42 ausgesuchte Filme vorgeführt. 2003 möchten sich weitere Bundesländer erstmalig an dieser Aktion beteiligen. Als Voraussetzung dafür, ein solches Angebot ganzjährig vorzuhalten, sollte in der bevorstehenden Novelle des Filmförderungsgesetzes ein Paragraf entwickelt werden, der für die finanzielle und inhaltliche Gewährleistung einer solchen Maßnahme steht.

Aber um dem Film in jedem Unterrichtskontext - über den fachbegleitenden bzw. unterrichtsergänzenden Einsatz hinaus - einen Platz zu geben, braucht es nicht nur Geld, sondern auch eine enorme Logistik. Wo, wie und wann wird eine Koordinierungsstelle aufgebaut?

In einigen Staaten Europas ist die Filmerziehung bereits fester Bestandteil des nationalen Bildungssystems geworden. Somit sind in Frankreich, Großbritannien und einigen skandinavischen Ländern Strukturen entstanden, die für den Aufbau einer zentralen Stelle in Deutschland analysiert und produktiv gemacht werden sollten. Ich glaube, einer solchen Herausforderung kann man nur in einem breiten Konsenz zwischen der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) und der Kultusministerkonferenz (KMK) und in der Zusammenarbeit mit der FFA, den Filmförderinstitutionen der Länder, der bpb, den Produzenten-, Verleiher- und Kinoverbänden gerecht werden. Diese Koordinierungsstelle könnte dann im Idealfall auch eine zentrale Verleihfunktion übernehmen und die Versorgung mit historischem und aktuellem Material gewährleisten. Wir werden gut fünf Jahre benötigen, um dieses komplexe Arbeitsfeld signifikant in der schulischen Praxis zu verankern.

Zum Abschluss des Kongresses verabschiedeten die Teilnehmer eine Filmkompetenzerklärung.

Uns war wichtig den Blick nach vorn zu richten und diesen Kongress als Aufbruchsignal mit klaren Zielstellungen zu definieren. Wir müssen im Gespräch bleiben: Wenn für jede Form der Erlangung von Bildung das Motto "Learning by doing" gilt, steht am Anfang und am Ende jeder Initiative zur Stärkung der Filmkompetenz "Learning by viewing".

Das Interview führte Frank Salender von MDM-Infomagazin Trailer

Fussnoten