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Politische Bildung in Brandenburger Gefängnissen | Presse | bpb.de

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Politische Bildung in Brandenburger Gefängnissen

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Die bpb und das Potsdamer Justizminiserium haben eine Bildungsoffensive gegen rechstextreme Ideologien bei jugendlichen Strafgefangenen in Brandenburger Gefängnissen initiiert. Darüber sprach Jens Blankennagel von der Berliner Zeitung mit Thomas Krüger, dem Präsidenten der bpb.

Die Bundeszentrale für politische Bildung will gemeinsam mit dem Potsdamer Justizminiserium drei Jahre lang in einer eine Millionen Mark teuren Bildungsoffensive gegen rechstextreme Ideologien bei jugendlichen Strafgefangenen in Brandenburger Gefängnissen vorgehen. "Dort herrscht ein Vakuum, was politische Information und Handlungsorientierung betrifft", sagt der bpb-Präsident Thomas Krüger. Dies solle ein Ende haben.

Muss ein Brandenburger Jugendlicher erst rechtsextrem werden, damit ihm politische Bildung angedeiht?

Ich hoffe nicht. Aber mit unserem Pilotprojekt wagen wir uns erstmals in den geschlossenen Mikrokosmos eines Gefängnisses. Dort konnten bisher rechtsextreme Ideen weitergetragen werden, ohne dass die politische Bildung dagegen aktiv geworden ist.

Warum gehen Sie nach Brandenburg? Gibt es dort mehr rechtsextreme Strafgefangene als anderswo?

Nein, es sind etwa so viele wie in anderen Bundesländern. Wir stießen aber beim Brandenburger Justizministerium auf offene Ohren. Dort wurde in drei Gefängnissen in einem Vorprojekt ein ähnlicher Aufklärungsansatz getestet.

Warum kümmern Sie sich gerade um jugendliche Gefangene von denen es in Brandenburg nur 350 gibt? Benachteiligt das nicht Jugendliche in Freiheit?

Es wird oft gesagt, dass Gefängnisse das eigentliche Rekrutierungsfeld für Neonazis sind. Wir wollen herausfinden, ob das stimmt und wenn ja dagegen ankämpfen.

Wen wollen Sie im Knast erreichen?

Der Bodensatz der Hardcore-Neonazis, also NPD-Mitglieder oder andere organisierte Rechtsextremisten, die zum harten Kern gehören, sind wohl kaum ansprechbar. Sie machen etwa vier Prozent der Gefangenen aus. Deren Umfeld ist unsere Zielgruppe.

Dieses latent neonazistische Umfeld soll 30 Prozent der Gefangenen ausmachen. Wie wollen Sie an die ran?

Wir wollen bei den Mitläufern gegen nicht hinterfragtes rechtsextremes Gedankengut intervenieren und mit Fakten kontern. Zudem wollen wir präventiv verhindern, dass sich Gefangene überhaupt erst an solchen Ideen entzünden und von ihnen infiziert werden. Politische Bildung steht oft in dem Ruf gut gemeint, aber nicht immer gut gemacht zu sein.

Wen setzten Sie in den Gefängnissen ein?

Wir sind alles andere als blauäugig. Unsere Trainer sind praxiserfahren und im Umgang mit rechten Straftätern geschult. Sie haben eine sozialpädagogische Ausbildung und zum Beispiel als Bewährungshelfer gearbeitet.

Wie ist Ihr Umerziehungsprogramm angelegt?

Es geht nicht um Umerziehung, sondern um Vermittlung von Wissen. In Gefängnissen herrscht ein Vakuum, was politische Information und Handlungsorientierung betrifft. Das soll ein Ende haben.

Was heißt das konkret?

Wir wollen den Rechtsextremen einen kritischen Blick auf die Geschichte des Nationalsozialismus und auf rechtsextreme Mythen vermitteln. Wir wollen Parolen und Vorurteile widerlegen. Autoritäten dieser Szene in Frage stellen. Ganz wichtig ist eine Perspektivverschiebung. Die Täter sollen ihre Taten nicht mehr verharmlosen können, sondern sie aus dem Blickwinkel der Opfer sehen lernen.

Und wenn sie frei kommen, landen sie wieder in ihrer alten Szene?

Nein. Sie sollen ihre irrationalen Ansichten verlernen. Sollen trainieren, sich dem Werben und den altbekannten Sprüchen der einstigen Kumpels zu erwehren. Aussteiger sollen ihnen zeigen, dass der Ausstieg eine Perspektive ist.

Ist das Projekt eine Eintagsfliege?

Es hat experimentellen Charakter. Es wird wisschenschaftlich begleitet, und wenn es sich bewährt, auch anderen Ländern angeboten.

Das Gespräch führte Jens Blankennagel.

Anmerkung Swantje Schütz: Das Gespräch wurde am 23.11.01 geführt. Interview erscheint in Berliner Zeitung voraussichtlich in 48. Woche

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