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Integration über den gemeinsamen Kampf | Volksgemeinschaft - Ausgrenzungsgemeinschaft | bpb.de

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Integration über den gemeinsamen Kampf

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Die soziale Gemeinschaft der Soldaten war ein entscheidener Faktor für das Funktionieren der Wehrmacht", sagt Prof. Dr. Sönke Neitzel in seinem Beitrag zu Mechanismen der soldatischen Vergemeinschaftung. Die Ausgrenzung von und die Massenverbrechen gegen Juden hätten dabei keine Rolle gespielt.

Sönke Neitzel bei seinem Vortrag "Soldatische Vergemeinschaftung" (© Mirko Tzotschew / Kooperative Berlin)

"Das Beste am Krieg ist die Kameradschaft", mit diesem Zitat beginnt Neitzel seinen Vortrag über die Vergemeinschaftung innerhalb einer speziellen Gruppe der nationalsozialistischen Gesellschaft: den Soldaten. Kameradschaft, so Neitzel, sei ein positiver Wert, auf den sich die Angehörigen der meisten Armeen der Welt einigen könnten.

In der mythischen Überhöhung der Kameradschaft sieht Neitzel kein Alleinstellungsmerkmal der Wehrmacht. Schon früher bildeten sich aus Zwangsgemeinschaften unter militärischem Drill und der gemeinsamen Erfahrung des Kampfes enge soziale Gemeinschaften mit emotionalen Bindungen.

Dennoch habe die soldatische Gemeinschaft im Dritten Reich einen besonderen Stellenwert eingenommen: Sie war Symbol für die Überwindung der Niederlage im Ersten Weltkrieg. Die Kameradschaft sollte dafür sorgen, die vermeintlichen Ursachen für die Niederlage, vor allem die Spaltung innerhalb der Armee, zu beseitigen.

Soziale Anerkennung durch militärische Leitung

Wie in der Volksgemeinschaft im Großen habe es, so Neitzel, auch innerhalb der Gemeinschaft der Soldaten Mechanismen der Inklusion und Exklusion gegeben. Integrierend hätten einerseits die gemeinsame Erfahrung im Kampf und anfängliche militärische Erfolge gewirkt, andererseits aber auch die Binnenstruktur der Wehrmacht: Soldatische Werte und Tugenden seien als sinnvoll anerkannt gewesen und die Wehrmacht als Institution von der Mehrzahl der Soldaten positiv bewertet worden. Dies habe auch, so Neitzel, an der Anerkennung durch die Wehrmacht und die Chance zum Aufstieg durch militärische Leistung gelegen. So seien soziale Unterschiede in der Soldatengemeinschaft weitgehend eingeebnet und auch ausländische Kämpfer in die Gemeinschaft integriert worden.

Exklusion hält Neitzel nicht für zentral bei der Bildung der Soldatengemeinschaft, gleichwohl sei sie vorhanden gewesen. Konkret schildert er Ausgrenzungsmechanismen durch die Praxis der Wehrmachtsjustiz, etwa den Ausschluss wegen "Wehrunwürdigkeit" oder Todesurteile aufgrund von Fahnenflucht.

Ausgrenzung der Juden nicht entscheidend für Kampfgemeinschaft

Die Ausgrenzung von Juden hätten die Soldaten dabei kaum erfahren, da zum Zeitpunkt der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht 1935 nahezu alle Juden bereits aus der Armee ausgeschlossen waren. Auch die Massenverbrechen an Juden hätten nicht im Zentrum der Wahrnehmung von Soldaten gestanden und für die eigene Identitätsstiftung als Kampfgemeinschaft keine Rolle gespielt. Neitzel betont jedoch auch, dass Soldaten nicht alle gleich gewesen seien. Er unterscheidet zwei wesentliche Gruppen: die intrinsisch motivierten Kämpfer, welche Führungsrollen – vor allem bei der Eskalation der Gewalt – übernommen hätten, einerseits und die Mitläufer, welche die große Masse ausmachten und eher passiv blieben, auf der anderen Seite.

In der erfolgreichen Vergemeinschaftung der Soldaten sieht Neitzel den zentralen Grund für das Funktionieren der Wehrmacht und auch dafür, dass sie – trotz riesiger Verluste – auch 1945 noch kämpfte. Dies sei nicht der nationalsozialistischen Propaganda zuzuschreiben, sondern vor allem der Wirkungsmacht der sozialen Soldatengemeinschaft.

Ein Videointerview mit Sönke Neitzel finden Sie Interner Link: hier; eine PDF-Version seines Vortrages Interner Link: hier.

Fussnoten