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Arbeitsgruppenphase I: Debatten um Religion in Gesellschaft und Politik | In Gottes Namen?! Streit um Religion in Gesellschaft und Politik | bpb.de

In Gottes Namen?! Streit um Religion in Gesellschaft und Politik 1. Tag der Fachtagung: 28.01.2019 2. Tag der Fachtagung: 29.01.2019 Vortrag: "Deutschland, wie hast du’s mit der Religion?" Vortrag: "Konflikt- und Friedenspotenzial der Religionen" Arbeitsgruppenphase I: Debatten um Religion in Gesellschaft und Politik Podiumsgespräch "Der einzig wahre Glaube? Von gesellschaftlichen Konflikten zum Theaterstück" 3. Tag der Fachtagung: 30.01.2019 Vortrag: "Antisemitismus(kritik) in der Migrationsgesellschaft" Vortrag: "Islamfeindlichkeit in Deutschland und Österreich" Arbeitsgruppenphase II: Welche Rolle spielt Religion? Interaktiver Abschluss Videos der Fachvorträge Videointerviews

Arbeitsgruppenphase I: Debatten um Religion in Gesellschaft und Politik

/ 19 Minuten zu lesen

Langzeitbelichtung: Schemenhafte Figuren auf einem Flur kommen und gehen. (© Peter-Paul Weiler)

Nach den beiden Vorträgen startete die erste Arbeitsgruppenphase unter dem Titel "Debatten um Religion in Gesellschaft und Politik". Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer konnten aus sechs parallelen Angeboten wählen.

1. Religion als Identitätsstifter?

Arbeitsgruppe "Religion als Identitätsstifter?" (© Peter-Paul Weiler)

    • Mirjam Gläser, ufuq.de, Berlin

    • Saba-Nur Cheema, Bildungsstätte Anne Frank, Frankfurt am Main

    • Dr. Vanessa Rau, University of Cambridge

    • Moderation: Magali Dietrich, Universität Hamburg

Den Workshop “Religion als Identitätsstifter” eröffnete die Soziologin Dr. Vanessa Rau mit ihrem Input-Vortrag “Religion - Säkularität - Identität”. Darin erläuterte sie die wissenschaftliche Dimension dieser Konzepte. Sie selbst hat über die Aushandlungsprozesse von Religiosität in einer Gruppe aus israelstammender Berlinerinnen und Berliner promoviert. Frau Dr. Rau hielt fest, dass es keine Definition des Begriffs "Identität“ gebe. Vielmehr beschäftige die Frage, was Identität ausmache, die Philosophie seit der Antike. Identifikationen seien dabei Prozesse, bei denen auch Gruppenzugehörigkeiten und Fremdzuschreibungen eine große Bedeutung zukomme. Multiple Identitätskategorien seien nicht nur möglich, sondern normal. In der Soziologie werde daher gerne auf die Kategorien "Gender-Race-Class", sowie Nation und Religion Bezug genommen. Hinzu kommen die soziale Position des Individuums und die Selbst-Definition.

Eine Definition von "Religion" sei ebenso kompliziert wie jene der Identität. So habe der Anthropologe Talal Asad festgehalten, dass es "keine universale Definition von Religion geben" könne, weil "die Definition selbst das Produkt diskursiver Prozesse ist“. Religionszugehörigkeit und Religiosität lassen sich wiederum differenzieren in verschiedene Subkategorien wie Tradition, familiale Zugehörigkeit, Ethik, Glaube und Spiritualität. Was dies jedoch konkret umfasse, sei Verhandlungssache und werde von der jeweiligen Gruppe oder dem Kontext definiert, so die Referentin. Zuletzt ging Frau Dr. Rau auf den Begriff der Säkularität ein. Der Religionssoziologe José Casanova beschrieb das "saeculum" als "nicht-göttliche Zeit". Der Prozess der Säkularisierung sei dabei eng mit der Entwicklung der Moderne verbunden und sei in einer christlichen Mehrheitsgesellschaft entstanden. Somit ist er klar dem europäischen Kontext zuzuordnen. Eine Möglichkeit, religiöse und säkulare Identitäten zusammen zu denken, ergebe sich in der Biografie, erklärte Frau Dr. Rau. In der Untersuchung von individuellen Biografien könne der jeweiligen Bedeutung von Familie, Tradition und sozio-politischem Kontext nachgegangen werden und die Frage danach gestellt werden, welche Funktion Religiosität oder Säkularität jeweils einnehmen.

An diese wissenschaftlichen Ausführungen knüpfte Mirjam Gläser vom Berliner Verein ufuq.de an. Sie konstatierte, dass muslimische Identitäten öffentlicher als christliche ausgehandelt würden. So sei die muslimische Identität auch medial sehr umkämpft, vor allem wenn zwischen Religionszugehörigkeit, fanatischer Auslegung und sogar Terrorismus nicht unterschieden werde. Dies illustrierte sie mit verschiedenen Titelblättern deutscher Leitmedien, die sich in diskreditierender Weise auf den Islam bezogen hatten. Ein Ziel von ufuq.de sei es, Wissen über den Islam zu vermitteln. Dies könne dabei helfen, den Islam als Ressource zu sehen. Dass einem Großteil muslimischer Jugendlicher in Deutschland Religion sehr wichtig sei, könne damit in Zusammenhang gebracht werden, dass sie in einer Minderheitensituation aufwüchsen, was wiederum den Wunsch nach einem öffentlich sichtbaren Bekenntnis zum Islam befördern könne. Insgesamt spricht der Religionswissenschaftler Michael Blume hinsichtlich islamischer Praxis von einem Wandel von “einer Alltagspraxis hin zu einer Bekenntnisreligion”. Problematisch sei, dass viele Jugendliche in einem Spannungsfeld zwischen den Erwartungen der eigenen Familie und jenen der Mehrheitsgesellschaft leben würden. Dabei wäre es wichtig, Unterschiede und Gemeinsamkeiten wahrzunehmen, Anerkennung zu erfahren und Unsicherheiten und Widersprüche auszuhalten. Auch Musliminnen und Muslime hätten nicht nur eine religiöse Identität, sie würden aber zu häufig auf diese reduziert. Religiöse Themen sollten häufiger in lebensweltliche Fragen "übersetzt werden", um dahinterstehende Aspekte behandeln zu können.

Die Politologin und Leiterin der Bildungsabteilung der Bildungsstätte Anne Frank, Saba-Nur Cheema, problematisierte ein weit verbreitetes, kulturalisierendes Verständnis von Religion, welches Vorstellungen von Religionen und Intensität von Religiosität an die Herkunft aus bestimmten Regionen knüpft. Dies könne in der Bildungsarbeit aber auch als Ansatz dienen, um über Fremdzuschreibungen zu sprechen. Generell seien Religionen aber in der politischen Bildung irrelevant, Religiosität jedoch nicht. Die "christliche Brille" der Mehrheitsgesellschaft schaue stark vergleichend auf andere Religionen und verkenne dabei zu häufig Unterschiede bei muslimischen und jüdischen Identitäten. Ein Unterschied zum Christentum sei beispielsweise, dass jüdische Identitäten nicht zwangsläufig mit der religiösen übereinstimmen. Auch würden dabei Atheistinnen und Atheisten aus dem Blick geraten. Diese gesellschaftliche Fremdzuschreibung habe auch Auswirkungen auf das Selbstbild des Individuums. Gesellschaftliche Fremdzuschreibungen haben Einfluss auf das Selbstbild der eigenen Identität, deshalb gelte es sich bewusst zu machen, dass es nicht eine religiöse Identität, sondern religiöse Identitäten gebe. Entsprechend bestehen auch innerhalb einer konfessionellen Gruppe unterschiedliche Glaubenspraxen und Identitäten. Lebensweltliche Fragen von Jugendlichen sollten ernst genommen werden, auch dabei könne Religion eine bedeutende Rolle zukommen.

2. Fremdkörper Religion. Atheismus und Religiosität in Deutschland

Elke Seiler im Gespräch (© Peter-Paul Weiler)

  • Yvonne Jaeckel, Universität Leipzig

  • Elke Seiler, Zentrum für Europäische und Orientalische Kultur, Leipzig

  • Moderation: Dr. Björn Mastiaux, Soziologe, Düsseldorf

Nach einer Begrüßung durch den Moderator Dr. Björn Mastiaux und einer Vorstellungsrunde der Teilnehmerinnen und Teilnehmer übernahm Yvonne Jaeckel den thematischen Einstieg mit Informationen zu Religiosität und Nicht-Religiosität in Deutschland. Anknüpfend an den Vortrag von Professor Pollak "Deutschland, wie hast du’s mit der Religion?“ stellte sie dar, wo in Deutschland an was geglaubt wird. Für Westdeutschland sprach sie dabei von einer konfessionellen Dreiteilung: Etwa 30% der Bevölkerung seien katholisch, 30% evangelisch und 30% konfessionslos. In Ostdeutschland existiere ein deutlich größerer Anteil an Konfessionslosen. Insgesamt steige in ganz Deutschland die Anzahl der Menschen ohne eine feste Religionszugehörigkeit. Es handele sich nicht um ein rein ostdeutsches Phänomen. Religion werde maßgeblich über Sozialisation weitergegeben. Mit steigendem Verlust der Bedeutung religiöser Alltagspraxis nehme entsprechend auch die religiöse Sozialisation ab. Eine große Herausforderung in der wissenschaftlichen Arbeit sei die statistische Erfassung von religiöser Pluralisierung. Oft bestehe eine Diskrepanz zwischen der Konfession, die offiziell angegeben wird und der Selbstbeschreibung der eigenen Glaubensüberzeugung. Eine eindeutige Zuordnung sei daher nicht möglich. Auch innerhalb einzelner Glaubensgruppen könne es zu ganz unterschiedlichen Gottesvorstellungen kommen. Ebenso schwierig sei die Abbildung der Konfessionslosen, es fehlen hierzu zuverlässige Daten. Auf Basis des Religionsmonitors werde innerhalb der Gruppe der Konfessionslosen eine Verteilung von 29% Atheisten, 21% Spirituellen, 11% individuell Religiösen und 39% Areligiösen ausgemacht. Frau Jaeckel betont in diesem Kontext, dass die Konfessionslosen als eine plurale Gruppe und nicht als Einheit verstanden werden sollten. Mit dieser Aussage griff sie auf, was bereits im Anschluss an Professor Pollacks Vortrag geäußert wurde.

Unterschiedliche Wahrnehmungsmuster der Pluralisierung von religiösen und kirchlichen Lebensstilen könnten entweder als interessant und als Bereicherung wahrgenommen werden oder aber Verunsicherung und ein Gefühl von Bedrohung auslösen, so Frau Jaeckel. Solch unterschiedliche Reaktionen führten zu einer stärkeren Polarisierung. Im Anschluss an den ersten Input wurde im Plenum nochmals die eingangs genannte prozentuale Verteilung der Konfessionen besprochen. Die im Vortrag angeführte konfessionelle Dreiteilung klammere 10% der Bevölkerung aus. Diese 10% seien auf andere Religionen, z.B. Islam und Judentum, zu verteilen. Auch diese Erhebung sei jedoch schwierig und die prozentualen Angaben folglich nicht zwingend korrekt. Außerdem wurde angemerkt, dass das Spektrum der Konfessionslosen um einiges vielseitiger sei, als die statistisch erfassten Daten dies vermuten lassen. Auch der Begriff "Atheismus“ sei insgesamt sehr kontrovers, habe viele Bedeutungen und müsse folglich immer konkretisiert werden. Andere Begriffe, z.B. "Säkularisierung“ oder "Religion“ seien oftmals ebenso unzureichend definiert. Alleine die unterschiedlichen biografischen Hintergründe der Teilnehmenden zeige, dass das jeweilige Begriffsverständnis nicht eindeutig ist.

Frau Seiler thematisierte in ihrem Impulsreferat die Areligiosität im Alltag und bezog sich dabei auch auf eigene Erfahrungen aus der Arbeit für das Zentrum für Europäische und Orientalische Kultur (ZEOK) in Sachsen. Hier liege der Anteil der Konfessionslosen mit 70% deutlich höher als in anderen Teilen Deutschlands. Dies mache Konflikte besonders sichtbar. Es lasse sich eine Spannung zwischen zwei Positionen feststellen: einerseits Desinteresse an Religion und geerbte Konfessionslosigkeit, andererseits ein tradiertes Selbstverständnis von religiös geprägten Strukturen. Daraus resultieren neue Aushandlungsprozesse im politisch-öffentlichen und pädagogisch-schulischen Raum. Folglich müsse die Frage diskutiert werden, wie viel Religiosität den Alltag bestimmen dürfe und wie insbesondere pädagogische Einrichtungen Rücksicht auf religiöse Bedürfnisse nehmen sollen oder müssen. Das bestehende Spannungsfeld führe zu Vorurteilen und diese haben im In-Group und Out-Group-Denken eine ganz eigene Dynamik: Es finde eine positive Selbstzuschreibung und eine negative Wahrnehmung der anderen Gruppe statt. Frau Seiler sieht daher Handlungsbedarf in der Präventionsarbeit. Die Dialogfähigkeit der Schülerinnen und Schüler müsse gestärkt sowie Respekt gegenüber und Gleichberechtigung von verschiedenen Lebensstilen vermittelt werden. Außerdem sollen auch nicht-religiöse Menschen mit einer Erweiterung des "interreligiösen Dialogs“ zu einem "mehr als interreligiösen“ Dialog einbezogen werden. Gemeinsam sei den Bestrebungen verschiedener Einrichtungen, dass sie die reine Vermittlung von Faktenwissen vermeiden und den Fokus auf Empathiefähigkeit setzen. Dafür setze man bei geteilten Alltags- und Lebenserfahrungen an.

3. Unterschiedliche Konfessionen, gleiche Rechte?

Viola Röser, Dr. Dalinc Dereköy und Prof. Dr. Dr. Matthias Rohe (© Peter-Paul Weiler)

  • Prof. Dr. Dr. Mathias Rohe, Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen

  • Dr. Dalinc Dereköy, Kreis der Düsseldorfer Muslime, Düsseldorf

  • Michael Szentei-Heise, Jüdische Gemeinde Düsseldorf

  • Moderation: Viola Röser, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn

"Rechtlich ist Deutschland sehr gut aufgestellt für religiösen Pluralismus, faktisch ist es für einige Akteure einfacher als für andere.“ Mit diesen Worten leitete Professor Rohe von der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg in die Arbeitsgruppenphase ein. In seiner thematischen Einführung legte er die europäischen Modelle zur Regelung des Verhältnisses zwischen Staat und Religion(en) dar. Durch bestimmte historische Gegebenheiten, die in jedem Land unterschiedlich seien, entwickelten sich verschiedene Regelungssysteme, so der Referent. Das in Deutschland staatsprägende Christentum sei aufgrund seiner historischen Bedeutung als Staatsreligion anerkannt. Doch die deutsche Gesellschaft ist nunmehr geprägt von religiöser Pluralität. Infolge starker konfessioneller Auseinandersetzungen vor rund 500 Jahren wurden zahlreiche Protestanten aus Frankreich vertrieben und kamen nach Deutschland. Seit ca. 100 Jahren lassen sich in Deutschland starke Säkularisierungsprozesse beobachten, auch im Recht. Vor etwa 50 Jahren kamen viele Musliminnen und Muslime zunächst als Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter nach Deutschland. Um das Verhältnis zwischen Staat und Religion zu regeln, gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Professor Rohe erörterte drei Modelle:

  1. Staatskirchensysteme mono-/multireligiös/-konfessionell
    Ein Beispiel dafür ist die "Anglican High Church“ in England, die Trauungen durchführen kann, die auch zivilrechtlich registriert werden.

  2. Laizismus (Bsp. Frankreich)
    Dieses Modell schreibt eine strikte Trennung von Staat und Religion vor. Historisch entwickelte es sich durch die Wahrnehmung der römisch-katholische Kirche als Bedrohung für den staatlichen Machtanspruch. Als klassisches Beispiel für dieses Modell gilt Frankreich, wo es weder einen Religionsunterricht noch theologische Fakultäten gibt (mit Ausnahme der Möglichkeit zur Imam-Ausbildung in Straßburg). Moscheen sind in Frankreich vielfach sogenannte Centre Culturel. Kulturzentren werden staatlich gefördert, Religionsgemeinschaften nicht.

  3. Religionsoffene Säkularität (Bsp. Deutschland)
    Generell trennt die religionsoffene Säkularität Religion und die Ausübung staatlicher Macht, nicht aber Religion und Politik im Allgemeinen. Der Staat mischt sich nicht in die Organisation oder in Inhalte religiöser Gemeinschaften ein, jedoch bietet dieses Modell vielfältige Kooperationsmöglichkeiten von Religion und Staat.

Das Recht in Deutschland fordert die Gleichbehandlung aller Religionen. Dennoch sind Privilegien des Christentums deutlich wahrnehmbar. Diese seien historisch gewachsen. Die entsprechenden Gesetze könnten nicht einfach für ungültig erklärt werden, es werde jedoch an Änderungen gearbeitet, um alle Religionen tatsächlich gleich zu behandeln. Die Religionsfreiheit sei sowohl ein individuelles als auch ein kollektives Recht. Individuell, weil religiöses Leben in Deutschland auch im öffentlichen Leben stattfinden dürfe. Kollektiv, weil es keine abstrakte Anerkennung von Religionen gäbe. Beispielsweise werde "das Christentum“ oder "der Islam“ nicht staatlich anerkannt. Die religiösen Organisationen wie christliche Kirchen oder muslimische Moscheen aber schon. Staatliche Anerkennung könne sich nur auf Einzelorganisationen beziehen. Für die Anerkennung von Körperschaftsrechten ist neben Mitgliederzahl und Struktur auch die Rechtstreue relevant. Dabei ist die konkrete Haltung der Organisation wichtig, nicht ihre Schriften. Beispielsweise würden Zeugen Jehovas nicht wählen, kämen aber ihrer staatsbürgerlichen Pflicht als Wahlhelfer nach. Staatliche Finanzierungshilfen (z. B. die Kirchensteuer) erhalten die Kirchen in Deutschland durch ihren Körperschaftstatus. Moscheen sind hingegen oftmals auf die Finanzierung aus dem Ausland angewiesen. Dafür werden sie stark kritisiert. Da jedoch auch die Kirchen in Deutschland Kirchen in Osteuropa fördern, wäre ein Finanzierungsverbot von Religionsgemeinschaften aus dem Ausland nicht verhältnismäßig.

Unterschiedliche Konfessionen, gleiche Rechte?

Dr. Dalinc Dereköy erörterte die Grundsätze, Ziele und Arbeit des Kreises der Düsseldorfer Muslime (KDDM). Der 2012 konstituierte KDDM ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Mittlerweile gehören dem KDDM 31 Vereinigungen an. Er repräsentiert rund die Hälfte der ca. 40.000 Düsseldorfer Musliminnen und Muslime und bekennt sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung Deutschlands. Der KDDM legt Wert auf Toleranz und Solidarität der Menschen untereinander und gegenüber Menschen anderen Glaubens. Mit dem KDDM möchten Düsseldorfer Musliminnen und Muslime ebenso wie muslimische Vereinigungen einen Beitrag zum kulturellen Austausch und zum Dialog mit sämtlichen Bevölkerungsschichten auf lokaler Ebene leisten. Dazu kommen die Delegierten aus den Düsseldorfer Moscheen und den islamischen Vereinen in regelmäßigen Abständen zusammen. Hierbei werden allerlei Themen besprochen, die Musliminnen und Muslime in Düsseldorf tangieren. Die Delegierten fungieren dabei als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren und tragen die Ergebnisse in die Gemeinden. Menschen können unterschiedlicher Meinung sein, aber "lasst uns im Gespräch bleiben, lasst und Empathie füreinander pflegen“, so der Appell des Referenten.

Michael Szentei-Heise von der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf berichtete über die Entwicklungen seiner Gemeinde seit dem Zweiten Weltkrieg. Nach dessen Ende seien lediglich 55 Überlebende zum ersten Gottesdienst erschienen. Durch die Zuwanderung von Juden aus Russland vergrößerte sich die Gemeinde jedoch wieder. Heute ist sie mit ca. 7000 Mitgliedern die drittgrößte in Deutschland. Durch Besitz des Körperschaftsstatus können jüdische Gemeinden, ähnlich wie christliche Kirchen, Steuern erheben.

4. Laizismus für Deutschland?

Laizismus für Deutschland?

  • Prof. Dr. Thomas Großbölting, Westfälische Wilhelms-Universität, Münster

  • Moderation: Ruth Grune, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn

In dieser Arbeitsgruppenphase skizzierte Professor Großbölting zunächst die historische Entwicklung der Religionszugehörigkeit in Deutschland (vor allem nach dem zweiten Weltkrieg). Anschließend zeigte er anhand von Deutschland und Frankreich auf, welche unterschiedlichen Modelle zwischen Staat und Religionsgemeinschaften bestehen können. Abschließend waren die Teilnehmenden dazu angeregt, sich in Kleingruppen darüber auszutauschen, welche Konsequenzen eine Einführung des Laizismus für Deutschland haben könnte.

In seinem ersten Input blickte Professor Großbölting auf die Religionszugehörigkeiten in der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1950. Damals zeigte sich folgendes Bild: In Deutschland im Jahr 1950 war die Bevölkerung etwa zu gleichen Teilen evangelisch (ca. 50 %) und römisch-katholisch (ca. 45 %) geprägt. Lediglich 3,6 % der Bevölkerung gehörten einer sonstigen Glaubensgemeinschaft an oder waren konfessionslos. Betrachtet man die Religionszugehörigkeit in Deutschland für das Jahr 2016, so zeigt sich ein anderes Bild. Im Jahr 2016 waren ca. 36 % konfessionslos, 28,5 % katholisch und 26,5 % evangelisch, etwa 4,9 % muslimisch und 3,9 % der Bevölkerung gehörten sonstigen Glaubensrichtungen an. Dieser Bruch sei aus zwei Gründen exzeptionell. Zum einen habe sich innerhalb von zwei Generationen die Religionszugehörigkeit fundamental gewandelt. Zum anderen würden diese Entwicklungen in Deutschland dem allgemeinen Welttrend widersprechen. So stehe der Trend zu mehr Säkularismus in Deutschland und anderen westeuropäischen Ländern im Gegensatz zu den allermeisten Regionen der Welt, in denen Religionszugehörigkeiten weiter steigen würden. Um diesen fundamentalen Bruch genauer nachvollziehen zu können, sei es, so Professor Großbölting, sinnvoll, historische Einschnitte zu untersuchen, anhand derer sich das deutsche Spezifikum einer "hinkenden Trennung“ von Kirche und Staat erklären lasse.

Das Fundament der "hinkenden Trennung“ von Kirche und Staat in Deutschland liege in der rechtlichen Stellung der Kirchen und Glaubensgemeinschaften begründet. So wurde den Kirchen und Glaubensgemeinschaften in der fast deckungsgleichen Übernahme der Weimarer Kirchenartikel in das Grundgesetz der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zugesprochen. Darauf beruhe schließlich die enge Zusammenarbeit zwischen den zwei großen christlichen Konfessionskirchen und dem Staat. Der bedeutende Einfluss der christlichen Kirchen in staatlichen Bereichen habe sich in den 1950er und 1960er besonders gezeigt. Die Kirchen nahmen in dieser Zeit bestimmenden Einfluss auf die Gesetzgebung, beteiligten sich am Rundfunk und gründeten zahlreiche katholische und evangelische Krankenhäuser und Schulen. Professor Großbölting machte deutlich, dass es sich besonders zu dieser Zeit, um eine Win-win-Situation für Staat und Kirche gehandelt habe. So konnte die sich bildende Bundesrepublik, angesichts der überwiegend christlich geprägten Bevölkerung, auf das moralische Fundament des Christentums zurückgreifen. Problematisch hingegen gestalte sich die enge Verbindung zwischen den christlichen Kirchen und dem Staat heute, vor allem aus zwei Gründen: Einerseits ist die Gesellschaft mittlerweile zu einem sehr hohen Anteil konfessionslos. Andererseits trete mit einem höheren Anteil islamischer Religionszugehörigkeiten in der Bevölkerung die Herausforderung der verfassungsmäßigen Gleichberechtigung und Gleichbehandlung der Religionen stärker in den Fokus als zuvor.

In einem zweiten Input ging Professor Großbölting genauer auf den Begriff des Laizismus ein und veranschaulichte diesen anhand der historischen Entwicklung des Laizismus in Frankreich. Zunächst stellte der Referent fest, dass es einen Laizismus in Reinform auch in Frankreich nicht gebe. Auch hier suche der Staat die gezielte Auseinandersetzung mit den Glaubensgemeinschaften und Kirchen. Die Kontroversität des Begriffs "Laizismus“ zeige sich exemplarisch an der momentanen Instrumentalisierung der laïcité durch den Front National, um sich vom Islam abzugrenzen: Die Angst vor dem Verlust nationaler Werte und des gesellschaftlichen Zusammenhalts werde hier mit der Diskussion des Verhältnisses zwischen Staat und Religion verbunden. Historisch betrachtet, komme dem Laizismus eine gänzlich andere Rolle zu. Zur Zeit der französischen Revolution strebte man den Laizismus vor allem deshalb an, um die französische Monarchie zu beenden. Um eine Herrschaft des Volkes zu ermöglichen, war ein Bruch mit der eng mit der Monarchie verbundenen katholischen Kirche notwendig. Für den heutigen Laizismus in Frankreich sei vor allem das Trennungsgesetz von 1905 prägend. Dadurch wurde beispielweise die Streichung der staatlichen Kirchenfinanzierung bestimmt, ein Religionsunterricht an öffentlichen Schulen verboten und die Kirchen und Glaubensgemeinschaften zu privatrechtlichen Vereinen erklärt. Anschließend thematisierte Professor Großbölting das Verhältnis zwischen Kirche und Staat in Deutschland, welches eine grundlegend andere Entwicklung genommen habe. Im Reichsdeputationshauptschluss aus dem Jahr 1806 sei die enge Verbindung von geistlicher und fürstlicher Macht zwar aufgehoben worden, gleichwohl aber eine starke Bindung der Kirchen an den Staat forciert worden. Grundlegend andere Voraussetzungen in Deutschland seien schon deshalb gegeben, da es in Deutschland zwei bestimmende Konfessionen gibt, deren Machtgleichgewicht einen bestimmenden Einfluss auf die Entwicklung des Verhältnisses von Kirchen und Staat nehmen konnte. Außerdem habe es in Deutschland keine vergleichbare antikirchliche Bewegung gegeben. In Deutschland habe der Laizismus nie wirkliches politisches Gewicht erlangen können.

5. Medienberichterstattung von "Wir sind Papst“ bis "IS-Bräute“

Theodor Dierkes referiert zu seiner Arbeit beim Westdeutschen Rundfunk (© Peter-Paul Weiler)

  • Dr. Anna Neumaier, Ruhr-Universität Bochum

  • Theodor Dierkes, Westdeutscher Rundfunk, Köln

  • Moderation: Miriam Vogel, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn

Nach der Begrüßung und Vorstellung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer formulierte die Moderatorin Miriam Vogel die Leitfrage für die Inputs und Diskussionen der Arbeitsgruppe: Welche Rolle spielen Medien vor allem in der Berichterstattung über das Konfliktpotenzial von Religionen? Einerseits, so die Moderatorin, scheinen sich die Menschen weniger für Religion zu interessieren, gleichzeitig jedoch seien die medialen Debatten über Religion und Religiosität emotional sehr aufgeladen. Dr. Anna Neumaier von der Ruhr-Universität in Bochum bot einen allgemeinen Überblick über die Darstellung von Religion in den Medien. Dabei legte sie den Fokus auf Darstellungen in Fernsehen und Printmedien. Über welche Religionen wird eigentlich berichtet? Aufgrund welchen Anlasses wird berichtet und wie sieht diese Berichterstattung konkret aus? Zur Beantwortung dieser Fragen bezog sich die Referentin auf eine Studie aus der Schweiz, die jedoch recht gut auf Deutschland übertragbar sei. Demnach wird vor allem über das Christentum und über den Islam berichtet. Anlass zur Berichterstattung bieten vor allem (politische) Konflikte. Der religiöse Alltag oder religiöse Praktiken scheinen in den Medien kaum relevant zu sein. Außerdem sei festzustellen, dass die Berichte über das Christentum differenzierter und positiver sind. Quantitativ nehmen sie jedoch ab. Christliche Themen, über die berichtet wird, sind zum einen der Katholizismus, der sich recht gut durch Bilddarstellungen des Papstes abbilden lässt, historische Hintergründe unter Bezugnahme auf die Person Jesus und biblische Erzählungen und letztlich auch die Gegenwartsdiagnostik: Was glaubt Deutschland heute? Elemente für die Berichterstattung über den Protestantismus finden weniger Beachtung. Dies erklärte die Referentin unter anderem durch das Fehlen eines Papstes, dessen Bilddarstellungen sie als "schnelle Schüsse ins Gehirn“ charakterisierte. Konträr zur Berichterstattung über das Christentum, sind Darstellungen des Islam deutlich undifferenzierter, negativer und quantitativ zunehmend. Die Themen, die besprochen werden, stehen meist in einem Zusammenhang mit Politik, Konflikt und Terror. Über das Judentum wird nur wenig berichtet. Thematisiert werden dann vor allem der Nahost-Konflikt oder Antisemitische Vorfälle sowie Berichterstattungen über den Holocaust. Hinduismus und Buddhismus finden beinahe gar keine mediale Beachtung. Auch lassen sich Unterschiede in der Darstellungen religiöser Bewegungen jenseits der Konfessionen erkennen. So werden Neureligiöse Bewegungen häufig negativ dargestellt. Spirituelle Bewegungen hingegen erfahren eine vorwiegend positive Berichterstattung, die mit wellbeing, Lifestyle und Selbstoptimierung assoziiert wird.

Anschließend legte die Referentin ihren Fokus auf die Darstellung des Islam in den Medien. Das negative Image der Religion, so Dr. Neumaier, stünde in Diskrepanz zu den kaum vorhandenen Problemen im Zusammenleben der Menschen. Dennoch greife ein gewisser Mechanismus: Die mediale Berichterstattung, inklusive ihrer Bilder, rufe negative Assoziationen hervor. Dabei werde nicht nur unmittelbar in Reaktion auf Konflikte oder Terroranschläge berichtet, sondern stets auch mithilfe von Narrativen und Bildsprache, die negative Sujets befördern. Beispiele hierfür seien Haremsbilder, die ein Beleg für angeblich rückständige Geschlechterverhältnisse und unterdrückte Frauen sein sollen.

Theodor Dierkes vom Westdeutschen Rundfunk (WDR) ergänzte die Perspektive auf die mediale Berichterstattung in Bezug auf Religion um seine Kenntnisse und Erfahrungen durch die Arbeit für das Radio. Die Geschichte des WDR, so der Referent, ließe sich als eine Emanzipationsgeschichte von der Kirche betrachten. Nach der Niederlage im Zweiten Weltkrieg wurde 1945 nach einer geeigneten Person für eine weihnachtliche Ansprache gesucht. Die Wahl fiel letztlich auf den damaligen Bischof von Köln, Josef Kardinal Frings. Obwohl die britische Besatzungsmacht dieser Entscheidung zunächst skeptisch gegenüber stand, war es Kardinal Frings erlaubt, über das Radio eine Predigt an die Menschen zu richten. Als erste Gottesdienstübertragung überhaupt setzte dieses Ereignis Impulse für kirchliche Sendungen. Die Briten konstituierten Rundfunkgesetze, in denen sie die Kirchen privilegierten und ihnen das Recht zur Produktion von Verkündigungssendungen einräumten. Die Inhalte dieser Sendungen wurden mit den Kirchen abgestimmt. Erst in den 1960er Jahren wuchs der Einfluss von Redakteuren auf diese Sendungen. Heute erhalten Vertreter der Kirche noch Informationen über die Inhalte einer WDR-Verkündigungssendung, ein Mitspracherecht sei jedoch nicht länger vorhanden, so Herr Dierkes. Das Gesetz des Westdeutschen Rundfunks werde ständig novelliert. Es beinhaltet jedoch stets einen Paragraphen, welcher beispielsweise den Kirchen oder auch den jüdischen Kultusgemeinden Sendezeit einräumt. Für den Inhalt einer Sendung sei diejenige Institution verantwortlich, der die Sendezeit gewährt wurde. Ein ausführliches Religionsdossier auf der Homepage des WDR gibt ausführliche Informationen über diverse Glaubensrichtungen. Dabei schließt dieses Dossier Informationen über das Alltagsleben der Religionsgemeinschaften ein.

6. Politische und gesellschaftliche Debatten innerhalb der Religionsgemeinschaften

Samy Charchira im Vortrag (© Peter-Paul Weiler)

  • Inga Beinke, Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben, Köln

  • Samy Charchira, Universität Osnabrück

  • Moderation: Reinhard Fischer, Berliner Landeszentrale für politische Bildung, Berlin

Die Arbeitsgruppe "Politische und gesellschaftliche Debatten innerhalb der Religionsgemeinschaften“ wurde nach einer kurzen Vorstellungsrunde mit vier Statements eingeleitet, zu denen sich die Teilnehmenden positionieren sollten. Bei dieser Übung wurde deutlich, dass die Meinungen zur Rolle von Religion in Politik und Gesellschaft äußerst ambivalent sind. Lediglich die Statements "Religionsgemeinschaften sollten sich aus der Tagespolitik heraushalten“ und "Religionsgemeinschaften sollten extremistische Personen aus den eigenen Reihen ausschließen“ erfuhren einstimmige Zustimmungen oder Ablehnungen. Der Übung folgte ein Vortrag von Inga Beinke, Politikwissenschaftlerin und Referatsleiterin im Bundesamt für Familien und zivilgesellschaftliche Aufgaben. In ihrer Profession als Politikwissenschaftlerin habe sie sich lange mit den Themen Politik und Religion auseinandergesetzt und habe sich den politischen und gesellschaftlichen Debatten innerhalb der christlichen Religionsgemeinschaften gewidmet, so die Referentin. Sie sprach in dieser Hinsicht von einer partnerschaftlichen Kooperation zwischen Politik und Religion, die als demokratieförderlich gelten könne. Teilweise würden Politiker sogar fordern, dass sich die Kirche in politische Angelegenheiten einmischt. Auch in der Zivilgesellschaft sei die Beteiligung der Kirche am politischen Geschehen anerkannt, sogar von nicht-religiösen Menschen. Dies liege daran, dass mit ihr keine eigennützigen Interessen assoziiert werden. Innerhalb der Kirchengemeinden und christlichen Religionsgemeinschaften werden die aktuellen Themen der Politik stets diskutiert. Die Analyse der Websites und Facebook-Auftritte evangelischer und katholischer Kirchen würden dies deutlich zeigen. Zentrale Themen seien insbesondere Flucht, Migration, der Holocaust, Extremismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Diese Themen spiegeln sich auch in den 2018 umgesetzten Initiativen wider. Dem Thema Homosexualität stehe die Kirche aber zu großen Teilen negativ gegenüber und auch sogenannte "Homoheiler“ - Menschen, die Homosexualität als Krankheit wahrnehmen und diese durch sprituelle Rituale und Gebete zu einer anderen sexuellen Orientierung bewegen möchten - seien nach wie vor im Einsatz. Im Allgemeinen sei zu erkennen, dass stark religiöse Menschen in Deutschland eher dazu neigen, kulturelle Vielfalt in ihren verschiedenen Facetten abzulehnen. Auch neigen religiöse Menschen eher dazu, sich gegen Homosexualität zu positionieren, wobei es bei Katholiken eher der Fall sei als bei Protestanten. In Bezug auf die Thematik des Rassismus habe die Kirche deutlich Stellung bezogen und spreche sich klar dagegen aus, während Kirchenmitglieder rassistische Stereotype vermehrt vertreten. Gleiches gelte auch für den Antisemitismus. Eine Haltung seitens der Kirche zum Rechtspopulismus habe sich nur schleichend ergeben. Eine Distanzierung sei zu erkennen, allerdings werde der Umgang mit dem Rechtspopulismus innerhalb der Kirchen sehr diskursiv betrachtet, aber (noch) nicht umfassend ausdiskutiert. Es sei festzuhalten, dass sehr unterschiedliche Themen wie Sterbehilfe, Umweltschutz und der Klimawandel innerhalb der christlichen Religionsgemeinschaften zur Sprache kommen, aber vor allem die große Frage im Raum stünde, wie sich Christinnen und Christen in Deutschland den "richtigen“ Umgang mit Rechtspopulismus, Rassismus, Extremismus, Islam und Sexualität vorstellen. Hervorgehoben wurde dabei, dass es keine explizite Debattenkultur innerhalb der christlichen Gemeinschaften gebe, sondern einzelne Debatten immer milieu- und themenabhängig geführt werden. Zudem spiele das Selbstverständnis der Kirche eine wichtige Rolle im Umgang mit politischen und gesellschaftlichen Fragen. Die Evangelische Kirche in Deutschland beziehe zu einigen politischen Themen eine deutliche Stellung und verkörpere dabei Selbstbewusstsein.

Samy Charchira vom Institut für Islamische Theologie in Osnabrück und dem Präventionsprogramm Wegweiser in Düsseldorf knüpfte an die Ausführungen von Inga Beinke an und warf einen Blick auf die Debatten innerhalb der muslimischen Religionsgemeinschaften in Deutschland. Er ordnete die Diskursthemen muslimischer Gemeinden verschiedenen Handlungsfeldern zu. Thematisiert werden beispielsweise eine mögliche Moscheesteuer, sowie die Anerkennung von Institutionen wie Kindergärten, welche diesbezüglich nach wie vor mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Zusätzlich sei der Mangel an Ressourcen und finanziellen Mitteln ein Problem muslimischer Gemeinschaften. Die Förderung durch öffentliche Gelder finde kaum bzw. gar nicht statt. Außerdem würden Moscheegemeinden in Bezug auf eigene Initiativen in der Präventionsarbeit äußerst zögerlich agieren, da sie infolge ihrer Bemühungen nicht selten in den Fokus von Gesellschaft und Politik geraten. Die bestehenden überwachenden Strukturen schränken die Handlungsfreiheit muslimischer Gemeinschaften ein und führen zu einem Gefühl von Angst und Entmündigung sowie zu einem enormen Misstrauen gegenüber Politik, Medien, Verwaltung und Sicherheitsbehörden. Der Referent kritisierte, dass sich gesamtgesellschaftliche Themen wie Menschenrechte, Gleichberechtigung, Genderthemen innerhalb der muslimischen Gemeinden kaum entfalten könnten, da sie mit den alltäglichen Problematiken derart überlastet seien, dass es keinen Raum für ebenjene Debatten gebe. Um dem entgegenzuwirken, müssten die Zugangsbarrieren für muslimische Gemeinden abgebaut und ihre Ressourcen aufgestockt werden. Nur dann könnte eine gesellschaftliche Teilhabe gewährleistet.

Fussnoten