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"Im besten Fall schauen junge Menschen TikTok und merken nicht, dass sie etwas lernen"

Niko Kappe Leonie Meyer

/ 5 Minuten zu lesen

Niko Kappe ist TikToker und Lehrer. Im Gespräch erzählt er, warum beides gut zusammenpasst und wie ihm seine Arbeit als Content Creator auch hilft, seine Schülerinnen und Schüler besser zu verstehen.

Niko Kappe macht auf TikTok Inhalte von Spaß bis zu (politischer) Bildung. (© TikTok/Niko Kappe (Screenshot))

Wen erreichst du mit deinem TikTok-Kanal?

Niko Kappe: Bei TikTok ist es so, dass man gar nicht unbedingt seine eigene Zielgruppe erreicht, sondern Menschen, die das Thema des jeweiligen Videos interessiert. Das hat zwar den Vorteil, dass man schneller als bei anderen Plattformen neue Follower dazugewinnen und eine hohe Reichweite erzielen kann, aber auch den Nachteil, dass die eigene Community manche Videos gar nicht sieht. Jedes einzelne Video muss neu und gut sein, damit es wieder Reichweite erzielt. Wer meine Videos sieht, kann ich also gar nicht genau sagen. Ich würde schätzen die meisten meiner Followerinnen und Follower sind zwischen 10 und 15 Jahren.

Welche (Bildungs-)Themen funktionieren auf TikTok gut und welche gar nicht?

Niko Kappe: Das kommt auf die Zielgruppe an und welche Themen gerade aktuell sind. Als es vor zwei Jahren darum ging, dass TikTok in den USA verboten werden sollte, war das in allen Altersgruppen ein großes Thema. Solche Themen werden dann von vielen bearbeitet, allerdings nicht immer sachlich. Da entstehen schnell Fake News. Diese aufzulösen ist auch ein Teil meines Kanals.

Das Thema TikTok-Verbot habe ich damals auch als Aufhänger genutzt, um das Wahlsystem der USA zu erklären. Man kann sich ein populäres Thema schnappen und da noch andere wichtige politische Themen dranhängen, die vielleicht sonst untergehen würden.

Niko Kappe: Bildungsinhalte auf TikTok – Funktioniert das?

Gibt es Bildungsthemen, bei denen du sagst: "Das funktioniert auf TikTok gar nicht"?

Niko Kappe: Es gibt natürlich ein paar Communitys, die bestimmte Themen nicht gut finden. Ich habe mal ein Video über den Türkei-Kurdistan-Konflikt gemacht. Dieses Video wurde schnell von TikTok gesperrt, weil es massenhaft gemeldet worden ist.

Bei Themen, die politisch und gesellschaftlich kontrovers diskutiert werden, muss man bei TikTok also ein bisschen aufpassen, je nachdem wie groß so eine Community ist. Es kann aber auch Vorteile haben, solche Videos zu machen, denn dadurch entstehen Diskussionen und dadurch wächst dann wieder die Reichweite. Aber man muss sich natürlich auch trauen, solche Themen anzusprechen.

Unabhängig von den algorithmischen Gegebenheiten – Gibt es auch Themen, die du nicht behandeln willst, weil dir die Kürze der Zeit nicht ausreicht?

Niko Kappe: Es ist natürlich schwierig, etwa den Israel-Palästina-Konflikt in 60 Sekunden zu erklären. Aber man kann auch einzelne Segmente rausnehmen und erklären. Daraus entstehen wieder Fragen und es gibt bei TikTok die Möglichkeit, aus Fragen der Community neue Videos zu machen. Deswegen würde ich kein Thema von vornherein ausschließen.

Wenn man auf deinen Kanal geht, dann sieht man sowohl politische Aufklärungsvideos als auch Spaßcontent. Welche Rolle spielt der für deinen Kanal?

Niko Kappe: Sich einfach nur hinzustellen und ein Thema runterzurattern wie in einem Vortrag oder Referat, das funktioniert auf TikTok nicht. Das heißt also, ich mache TikTok-Videos und die haben auch politische Inhalte. Im besten Fall ist es so, dass die jungen Menschen sich ein Video auf TikTok anschauen und vielleicht gar nicht auf den ersten Blick merken, dass sie dabei etwas lernen. TikTok ist immer noch eine Freizeitapp und soll ja auch Spaß machen.

Wieso hast du dich für TikTok entschieden und nicht für eine Plattform wie YouTube, wo längere Videos möglich sind?

Niko Kappe: Generell ist es ja so, dass niemand zu mir kommt und sagt "erzähl uns was", sondern ich muss hingehen, wo junge Menschen sind. Und das ist momentan einfach TikTok. Dazu kommt, dass bei YouTube und Instagram technisch mehr von Creatoren erwartet wird. Ich filme und schneide meine TikToks mit dem Handy, habe ein Ringlicht, einen Greenscreen, das war‘s. Aber das würde für YouTube und Instagram nicht ausreichen – das wäre nicht perfekt genug. Das ist das Schöne bei TikTok: da zählen hauptsächlich die Inhalte.

Du arbeitest ja nicht nur als TikToker, sondern auch als Lehrer. Wie unterscheidet sich deine Art Themen zu erklären online und im Klassenraum?

Niko Kappe: Bei TikTok habe ich nicht den gleichen Anspruch an mich wie in der Schule. Auf TikTok möchte ich eher Anstöße geben, sich mit etwas zu beschäftigen – das muss nicht so tief gehen. In der Schule ist das anders, dort muss ich natürlich schauen, ob in meinem Unterricht wirklich etwas gelernt wird.

Niko Kappe: So unterscheidet sich mein Erklärstil in der Schule und auf TikTok

Inwiefern sind TikTok und soziale Medien auch in deinem Unterricht ein Thema?

Niko Kappe: Ich selbst unterrichte an einer Berliner Grundschule. In den unteren Klassen ist das noch nicht so ein großes Thema, aber ab Klasse vier dann auf jeden Fall.

Es ist wichtig zu verstehen, dass das Internet nicht losgelöst ist von allem anderen, es ist keine eigene Welt. Wenn wir Kindern und Jugendlichen beibringen, sich generell kritisch mit Themen auseinanderzusetzen, dann funktioniert das auch online.

Thematisierst du Kritik an TikTok in deinem Unterricht und auf deinem TikTok-Account?

Niko Kappe: Wir haben uns in der sechsten Klasse in den letzten Jahren auch mal mit Social Media auseinandergesetzt. Und da ist es natürlich als Lehrer auch die Aufgabe, kritische Punkte zu nennen oder Verbesserungsvorschläge erarbeiten zu lassen.

Auch auf TikTok äußere ich mich kritisch zur Plattform. Einfach, weil ich mir nicht von TikTok vorschreiben lassen möchte, welche Themen ich behandle oder nicht. Wie TikTok das selber findet, kann ich natürlich schlecht rausfinden. Manche Videos gehen dann nicht so viral wie andere, woran das liegt, kann man nur mutmaßen.

Du warst selbst auch schon Teil des Förderprogramms #LernenMitTikTok.

Niko Kappe: Genau, TikTok hat Creatorinnen und Creatoren gesucht, die Bildungsinhalte machen, und teilweise neu auf die Plattform gebracht und hat deren Videos unter diesem Hashtag ausgespielt. Ganz zu Anfang von Corona, bei den ersten Schulschließungen habe ich dann den ersten TikTok-Livestream gemacht, dabei ging es um die Frage "Wie erkenne ich Fake News"?

Welches Feedback bekommst du von anderen Lehrkräften zu deinen Videos?

Niko Kappe: Bisher war das Feedback immer positiv und es wird von Kolleginnen und Kollegen auch als Vorteil gesehen, dass man jemanden hat, der sich mit Social Media auskennt. Meine Schülerinnen und Schüler sind im Durchschnitt zehn, elf Jahre alt, aber ich kenne deren Lebenswelt durch TikTok sehr gut. Ich kenne jeden Trend, jeden Spruch, den die reißen. Manche Memes kenne ich besser als die Schülerinnen und Schüler. Und ich glaube, das ist als Lehrer auch ein großer Vorteil, wenn man da mehr drinsteckt.

Das Interview führte Leonie Meyer.

Weitere Inhalte

Niko Kappe ist Content Creator und Lehrer an einer Grundschule. Während seines Lehramtsstudiums hat er unter anderem beim Berliner Tagesspiegel und RTL gearbeitet. Vor Beginn der Corona-Pandemie hat er als @nikothec begonnen, politische Kurzvideos bei Externer Link: TikTok hochzuladen.

Leonie Meyer ist Redakteurin für werkstatt.bpb.de. Daneben studierte sie an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn im Master Politikwissenschaft. Ihr thematischer Schwerpunkt liegt auf den Wechselwirkungen von Sozialen Netzwerken und Politik bzw. politisch-historischer Bildung.