Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Spanien in Europa | APuZ 13/1954 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 13/1954 Stärke der Freien Völker Die Türkei, eine strategische Bastion Spanien in Europa Kurze Geschichte der Weimarer Republik

Spanien in Europa

José Ignacio Escobar Marques de Valdeiglesias

Mit Genehmigung des Verlages veröffentlichen wir den folgenden Artikel von Jose Ignacio Escobar Marques de Valdeiglesias, erschienen in der Zeitschrift „ABENDLAND", Heft 3, München, März 1954:

Die Iberische Halbinsel liegt am äußersten südlichen Punkt Europas, an ihrer Nord-und Westküste begrenzt durch den Atlantisdien Ozean und an ihrer Ostküste durch das Mittelländische Meer. Einerseits liegt vor ihr der direkte Weg nach Süd-und Nordamerika offen; andererseits blickt sie direkt auf Afrika und Vorderasien. Von dem Schwarzen Kontinent ist sie nur durch die vierzehn Kilometer breite Straße von Gibraltar getrennt, und diese enge Straße verbindet den Atlantischen Ozean mit dem Mittelmeer, das wiederum durch den Suezkanal den Verbindungsweg mit Indien bildet. Spanien ist also nicht nur eine Mittelmeermacht, sondern auch die natürliche Beherrscherin eines der wichtigsten Punkte der interozeanischen Wasserwege.. Das universalistische Denken Spaniens, das der wesentlichste Zug seiner geschichtlichen Entschlüsse und Leistungen und auch seiner jetzigen Politik ist, hat sich hauptsächlich aus diesen geographischen Gegebenheiten entwickelt und in der christlichen Zeit durch die tiefe Einwirkung der katholischen Religion ganz entfaltet. Auf den Universalismus von Trajan und Seneca folgte später der Universalismus der Ethymologien des Isidor von Sevilla und wieder später jener der Dynastie von Aragon. Alfons X. von Kastilien verwirklichte in Toledo das, was nachher „der kulturelle Meridian" des Abendlandes genannt wurde. Er war bestrebt, Kaiser des Heiligen Römischen Reiches zu werden, um besser Gott und Rom dienen zu können.

Die Entdeckung und Eroberung Amerikas war ebenfalls eine direkte Folge der universalistischen und religiösen Bestrebungen Spaniens, die Gestalt gewannen in der Politik Karls V. und durch die Orthodoxie der spanischen Kirche, die immer römisch und katholisch war und die schismatischen Bewegungen der gallikanischen, lutheranisehen und anglikanischen Kirchen ablehnte. Kaum hatte Spanien seine nationale Individualität dank der Politik von Königen ausgebildet, die sich selbst „katholisch" nannten, als es sich schon in den Dienst eines übernationalen Gedankens stellte. Das Christentum, das es in sieben Jahrhunderten auf eigenem Boden verteidigt hatte, wird cs von nun ab auch in Europa und in den überseeischen Gebieten schützen. Auf dem Reichstag zu Worms gab Karl V.seine bekannte Erklärung ab, er werde seine Länder, seine Freunde, seinen Leib, sein Blut, sein Leben und seine Seele einsetzen zur Verteidigung der katholischen Religion und der Christenheit. In ihrem Testament hatte seine Großmutter, Isabella von Kastilien, schon eine ähnliche Erklärung abgegeben. 1492 wurde Granada erobert. Einige Jahre später führte Karl V.seinen Krieg gegen die Protestanten, und sein Sohn Philipp II. opferte seine Soldaten und das Staatseinkommen, um die Rebellen in Flandern zu unterdrücken, die Armada gegen England aufzubauen und die Türken zu schlagen.

Menendez Belayo nennt die Spanier ein Volk von Theologen und Soldaten. Nicht um Ehrgeiz zu befrieden, wie die Horden der Cyrus, Alexander oder Napoleon; nicht um einer ungerechten Staatsraison willen; nicht um die Erhöhung eines kaufmännischen Gewinnes, sondern für das alles, was die Positivisten Idealismus nennen, für das Dogma der menschlichen Freiheit und der moralischen Verantwortung, für Gott und für seine Tradition färbte das spanische Volk mit dem Blut von Rittern und Märtyrern die Ufer von Albis, die Dünen von Flandern und die Brandung des englischen Meeres. Man kann gut verstehen, daß die Politiker und Staatswirtschaftler lächeln, wenn sie solches hören. Da sie am Ende des 17. Jahrhunderts Spanien arm sehen, finden sie nicht genug Worte der Mißachtung für ein Land, das weder um Gebietserweiterung kämpfte noch um Kriegsentschädigungen, sondern für eine theologische Überzeugung — die wertloseste Sache der Welt. Als Karl V. die Nachricht des Sieges von Pavia erhält, zieht er sich zurück in seine kleine Kapelle, um Gott für diese Entscheidung zu danken; er verbietet aber jede Freuden-kundgebung, da der Sieg mit Blut von Christen erkämpft wurde. Für den Geist, insbesondere der amerikanischen Eroberungszüge, legen Tausende von Kirchen, die mit den prächtigsten Europas wetteifern können, und nicht zuletzt das Volk der eroberten Länder selbst, das heute noch die Sprache seiner Eroberer spricht und den Glauben an Christus bewahrt hat, ein beredtes Zeugnis ab. Der Genuese Kolumbus betrachtete es als selbstverständlich, die Indianer wirtschaftlich als Sklaven auszubeuten. Andere, die diesem Beispiel folgten, wurden von der Königin Isabella schwerer bestraft, als wenn sie dieses Verbrechen gegen ihre eigenen Landsleute begangen hätten. Unaufhörlich betonte die Königin, daß der Hauptsinn der Kolonisation die Bekehrung der Seelen sei. Die ganze Gesetzgebung für die neu entdeckten Länder beruht auf diesem Prinzip.

Nach dem Aufstieg des modernen Nationalismus blieb Spanien der alten idealistischen Tradition treu. Dies war fast selbstverständlich für ein Volk, dessen politische Einheit repräsentiert wurde durch eine Königin, die ein Angebot von 40 000 Gulden ablchnte, weil es von einem Raub-ritter ausging. Sie unterließ die gesetzlich bestimmte Beschlagnahmung der Güter des Schuldigen, „um zu vermeiden, daß die Leute denken könnten, daß sie aus Habgier gehandelt hätte".

Bei der Beurteilung der spanischen Geschichte und Politik muß man immer mit dieser idealistischen Grundeinstellung rechnen. Auch die spanische Politik gegenüber Europa war stets übernational, wenn es sich um die Verteidigung geistiger Werte oder der Freiheit handelte. Lediglich, nachdem das übrige Europa den auflösenden Doktrinen der Französischen Revolution verfallen war, sonderte Spanien sich hinter den Pyrenäen ab und vergeudete seine Kräfte in inneren Streitigkeiten oder opferte sie in einem hoffnungslosen Kampf für seine letzten kolonialen Besitzungen.

Der spanische Bürgerkrieg

Die internationalen Ereignisse, die der erste Weltkrieg und die sinnlosen Friedensverträge von 1919 heraufbeschworen, verpflichteten auch Spanien zu internationaler Stellungnahme. Es ging hier nicht um Minderheitsfragen, Kriegs-entschädigungen oder territoriale Ansprüche, sondern um Grundsatzfragen mit einem bestimmenden Einfluß auf die sozialökonomische Struktur Spaniens. Die neue kommunistische Partei, die mit ihrer älteren sozialdemokratischen Schwester zu einer ansehnlichen marxistischen Front angewachsen war, hatte offen dem traditionellen Glauben den Kampf angesagt. Nicht nur Spanien, sondern ganz Europa, ja die ganze Welt war zu dieser Zeit schon in zwei große Fronten zerfallen: auf der einen Seite standen die Mächte der Auflösung, auf der anderen die Verteidiger der Christenheit. Aber nur in Spanien führte dieser Gegensatz 1936 zu einem blutigen Bürgerkrieg. Die Tragödie und die Rückwirkung des spanischen Konfliktes im Ausland erweckten wieder den spanischen Wesenszug des Universalismus. Die Führer sowohl des nationalen Spanien wie auch der marxistischen Front waren davon überzeugt, daß es sich nicht um eine innenpolitische Auseinandersetzung handelte, sondern um einen lebenswichtigen Kampf für die Zukunft Europas. Diese Einsicht war entscheidend für den politischen Wiederaufbau nach dem Bürgerkrieg und für die Haltung Spaniens während des zweiten Weltkrieges.

In vielen Ländern wurde Spanien verdächtigt, eine günstige Gelegenheit abzuwarten, um sich irgendwie in den Krieg einzuschalten, wenn nicht als kriegführende Partei, dann wenigstens als aktiver Mitarbeiter, der nur darauf bedacht sei, sich die größtmöglichen Vorteile zu sichern. Die Sympathien der spanischen Bevölkerung für Deutschland haben zu dieser falschen Beurteilung viel beigetragen, und die alliierte Propaganda hat dies zum Anlaß für ihre anti-spanische Hetze genommen. Dem verzerrten Bild von der spanischen Haltung seien hier einige präzise Tatsachen gegenübergestellt, aus denen hervorgeht, daß Spanien, getreu seiner traditionellen Politik, nicht nur keine Vorteile suchte, sondern sich von Anfang des Krieges an ernstlich bemühte, a) jede weitere Ausdehung der Feindseligkeiten zu verhindern; b) die schon begonnenen Feindseligkeiten beizulegen; c) einen Frieden zu bewirken, der kein neues Versailler Diktat sein würde, sondern das Resultat freier Besprechungen zwischen gleichberechtigten Partnern.

Am Silvesterabend 1939 hielt der spanische Staatschef eine Rede, worin er die fünf Punkte erwähnte, die einige Tage vorher Papst Pius XII. als Grundlage für den Frieden vorgeschlagen hatte. In derselben Rede erklärte Franco unter anderem: „Je länger der Konflikt dauert, desto weniger ist seine Fortsetzung gerechtfertigt ... Man kann die Fortsetzung nicht begründen mit dem Mangel an Gleichgewicht, hervorgerufen durch die Kriegspotenz einiger Staaten, wenn ein mächtiger Feind erscheint, den man in Schach halten muß, weil er durch seine Menschenhorden und seine Doktrinen die höchste Bedrohung für die Zivilisation darstellt, die wir zu verteidigen haben." Franco erklärte weiter, daß Spanien, das während drei Jahren gekämpft habe, um die christliche Zivilisation gegen ihre Vernichtung in Westeuropa zu verteidigen, jetzt die Schmerzen der anderen europäischen Völker erlebt und daß es sich der Autorität der katholischen Kirche und den Bestrebungen verschiedener Staaten anschlösse, die das Ende eines Kampfes wünschten, der, wenn er bis zum Schluß durchgefochten würde, der asiatischen Barbarei den Weg nach dem Westen öffnen müßte.

Die Presse verschiedener Länder brachte Zusammenfassungen und Auszüge dieser Rede; die Kommentare aber waren meist ausweichend und in einigen Fällen sogar ungünstig. Die neutralen Staaten, auf die der spanische Staatschef an erster Stelle gerechnet hatte, verhielten sich zurückhaltend; einige zogen es vor, sich in einem neutralistischen Attentismus zu begraben, aus Angst, die krankhafte Empfindlichkeit der kriegführenden Staaten zu verletzen.

Als bald darauf, im Februar 1940, der amerikanische Unterstaatssekretär Sumner Welles eine Informationsreise durch verschiedene europäische Staaten machte, bekam der spanische Botschafter in London, der Herzog von Alba, von seiner Regierung den Auftrag, Sumner Welles dazu zu bewegen, auch Madrid in seinen Reiseplan aufzunehmen. Die spanische Regierung wollte dem amerikanischen Unterstaatssekretär einige konkrete Vorschläge zur Festigung des zukünftigen Friedens unterbreiten. In Form eines Memorandums wurden folgende Grundlagen vorausgesetzt: a) Während der Kriegsdauer müssen die neutralen Staaten versuchen, einen Frieden zu erreichen, durch den keiner der Kriegführenden vernichtet wird. Die Vernichtung eines der Krieg-führenden würde in der Zukunft für die Neutralen ein schlimmeres Übel sein als der Krieg selbst. In solchem Falle würde der Aufbau des Friedens nicht nur sehr schwierig sein, sondern auch der internationale Handel einen völligen Zusammenbruch erleiden. Die Neutralen müssen sich verständigen, um im gegebenen Augenblick eine Gesamtaktion zu entwickeln, die ein Abkommen zwischen den Kriegführenden erleichtert. b) Während der Friedensverhandlungen, auf die die Neutralen sich ab sofort vorbereiten müssen, sollten diese ihren ganzen Einfluß für einen durch alle Kriegführenden freiwillig und ohne Zwang unterzeichneten Vertrag einsetzen. c) Was den Friedensaufbau anbetrifft, soll die Rede des Papstes vom 25. Dezember 1939 die allgemeine Basis für die zukünftige Organisation von Europa und der ganzen Welt bilden.

Mit dem Zweck, die neutralen Staaten auf das oben erwähnte Programm festzulegen, wurde ein Kongreß derselben in San Sebastian vorgeschlagen. Die spanischen Botschafter in London und Rom bekamen Anweisungen, diesen Plan Sumner Welles bekanntzugeben. Leider blieben ihre Bemühungen ohne Erfolg. Sumner Welles reiste wieder nach Amerika ab, ohne ihnen die Gelegenheit gegeben zu haben, ihm die spanischen Ansichten vorzutragen. Zwei Monate später zogen die deutschen Truppen in Holland, Belgien und Frankreich ein. Jede Aussicht auf Friedensverhandlungen wurde dadurch auf längere Zeit vernichtet. Zu einer internationalen Konferenz der Neutralen in San Sebastian gab es jetzt überhaupt keine Möglichkeit mehr. Die Reise von Sumner Welles hatte offenbar nicht den Zweck, herauszuspüren, welche Möglichkeiten für einen Friedensschluß bestünden. Der Gesandte Roosevelts war wohl nur deshalb nach Europa gekommen, um jede Neigung Englands, den Krieg vorzeitig zu beenden, zu ersticken. Roosevelts und Francos Absichten waren so diametral entgegengesetzt, daß ein Besuch von Sumner Welles in Spanien zwecklos gewesen wäre.

Die weitere Entwicklung hatte Spanien in eine sehr schwierige Lage gebracht. Anstatt Friedens-pläne ausarbeiten zu können, mußte es jetzt seine ganze Aufmerksamkeit auf die Auswirkung konzentrieren, die die Besetzung Europas durch Deutschland auf die Iberische Halbinsel haben könnte. Hauptsorge war es, Spanien aus dem Krieg zu halten.

Ein traditionelles Bankett

Bei dem traditionellen Bankett, das jedes Jahr am 6. Januar die ausländischen Vertreter und die Mitglieder der spanischen Regierung zusammenbringt, nahm 1943 General Franco den englischen Botschafter, Sir Samuel Hoare, beiseite und setzte ihm ausführlich auseinander, daß die abendländische Kultur durch den Kommunismus ernstlich bedroht wäre und daß die Vernichtung Europas nur zwei Mächte in der Welt übriglassen würde, nämlich die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion. Dieses lange Gespräch, das Franco unter den scharfblickenden Augen der anderen Botschafter führte, beendete er mit folgender Betrachtung: „Wäre es in den gegebenen Umständen nicht vorteilhafter, einen für England ehrenvollen und vorteilhaften Frieden zu schließen, als bis zu den letzten Konsequenzen auszuharren?“ Zwischen Deutschland und England gab es nie einen unüberbrückbaren Haß; es gab nur einen politischen Antagonismus. Dieser aber hätte sich beheben lassen können, wenn die ebenfalls politischen Umstände es ratsam machten. Dieses aber nahm man in Spanien an, und deshalb glaubte man, zu einer Einigung zu kommen, um zu vermeiden, daß das kommunistische Regime die europäische Zivilisation hinwegfegen und den europäischen Kontinent beherrschen werde. Die europäische Zusammengehörigkeit ist nicht nur eine Phrase, es kann der Augenblick kommen, wo sie, angesichts der Drohung des russichen Kommunismus, eine dringliche Notwendigkeit wird. Man darf nicht außer acht lassen, daß der europäische Kontinent die Stellung, die ihm als dem Urheber der Zivilisation gebührt, behalten muß.

Sie Samuel Hoare versprach dem spanischen Staatschef, über diese Äußerung nachzudenken. Die englische Regierung weigerte sich jedoch, die Wirklichkeit der kommunistischen Gefahr anzuerkennen. Sie war davon überzeugt, daß es ihr gelingen würde, Europa in drei große Macht-sphären aufzuteilen und diese mit amerikanischer Hilfe, von London aus, zu beherrschen. In einem Memorandum vom 19. Februar 1943, kaum drei Wochen nach dem Fall von Stalingrad, erklärte Sir Samuel Hoare, daß nach dem Krieg Großbritannien die größte Militärmacht Europas sein werde. Nicht einmal als Hypothese wurde die Möglichkeit einer bolschewistischen Gefahr ins Auge gefaßt. Er behaupte, daß nie ein Konflikt zwischen dem britischen Reich und der Sowjetunion entstehen könne, daß im Gegenteil sogar das im Kriege geschmiedete Bündnis auch im Frieden weiterbestehen und die politische Stabilität Europas sichern würde. Sie Samuel Hoare bestätigte ausdrücklich, daß diese Ansichten auch die der britischen Regierung wären. Jede Warnung vor der russischen Gefahr wurde als deutsche oder prodeutsche Propaganda bezeichnet.

Trotzdem überreichte der spanische Minister des Auswärtigen, Jordana, Str Samuel Hoare eine Antwort auf sein Memorandum, worin er die Auffassungen der spanischen Regierung noch einmal bestätigte und darauf hinwies, daß eine Vernichtung Deutschlands ein Festsetzen der Russen in Zentraleuropa mit sich brächte, und die Möglichkeit eines russischen Imperiums vom Atlantik bis zum Pazifik heraufbeschwören würde. Wenn Deutschland nicht bestände, müßte man es erfinden, wiederholte Jordana, nach einem Satz von Franco.

Schon während des Notenwechsels mit Sir Samuel Hoare hatte die spanische Regierung die Idee eines Zusammenschlusses der neutralen Staaten wieder ausgenommen. Die ersten Besprechungen fanden mit dem Freistaat Irland und der Argentinischen Republik statt; nachher wurden sie fortgesetzt mit den Vertretern von Schweden und der Schweiz. Die Absicht war, auf der Basis der scho am 31. Dezember 1939 formulierten Punkte und in Zusammenarbeit mit dem Vatikan eine große interkontinentale Friedenspartei aufzurichten. Audi Ungarn, Polen und Rumänien wurden in diese Besprechungen einbezogen; wie die neutralen Staaten, bezeugten auch sie ihr Interesse an dem spanischen Plan. Bemerkenswert ist dabei die spanische Auffassung, daß die Feindschaft des Kommunismus gegen das Christentum ein Problem ist, das man aus dem Rahmen des Krieges zwischen der Achse und den angloamerikanischen Staaten herausnehmen müsse, da diese Feindschaft dem Wesen des Kommunismus angehöre und das wahre Grundproblem der Zukunft sei.

Europa schien aber 1943 noch nicht reif, um diesen Standpunkt zu begreifen. Genau wie 1939 scheuten die neutralen Staaten jede Verantwortung, so daß zum zweitenmal der spanische Plan ohne Auswirkung blieb. Es ist nicht leichtfertig zu behaupten, daß die neutralen Staaten durch ihre passive Haltung einen, wenn auch geringen Teil der moralischen Verantwortung für Teheran, Yalta und Potsdam zu tragen haben. Ein Bündnis dieser Staaten hätte vielleicht verhindern kön-nen, daß über das Schicksal Europas einseitig durch die Vertreter von drei alliierten Mächten entschieden wurde. Aus Angst, den Angelsachsen zu mißfallen, und aus Argwohn gegenüber dem als deutschfreundlich verschrienen Spanien ließen sie ohne Protest die Katastrophe der oben-erwähnten Absprachen über Europa kommen. Die Verantwortlichen bezahlen seit Jahren ihre Kurzsichtigkeit. Das von Spanien vorgeschlagene Bündnis der neutralen Staaten hätte die Angelsachsen vielleicht davon abbringen können, in Zentraleuropa ein gewaltiges Niemandsland zu schaffen, von wo aus die Bolschewisten ihre Schatten heute über ganz Europa werfen.

Der Brief Präsident Roosevelts vom 20. Februar 1943 an den Vertreter des National Counsel of Young Israel, Herrn Zabrousky, war ziemlich schnell in Spanien bekannt. Dieser Brief, der durch Zabrousky Stalin mitgeteilt werden sollte, geht von derselben Verblendung aus, die England hinderte, die bolschewistische Gefahr zu sehen. Er enthält obendrein einen Aufteilungsplan Europas zwischen England und der Sowjetunion.

Nach der Bekanntmachung dieses Briefes und der enttäuschenden Haltung der Neutralen hatte es für Spanien eigentlichkeinen Zweck mehr, noch weitere Friedensversuche zu machen. Das hinderte indessen den spanischen Staatschef nicht, noch verschiedene Male seine Meinung öffentlich bekanntzugeben. Anfang Mai 1943 machte er eine offizielle Reise durch Südspanien und hielt in den wichtigsten Städten einige sehr überlegte Reden. In allen Besprechungen mit dem englischen und amerikanischen Botschafter und in allen offiziellen und privaten Unterhaltungen betonte die spanische Regierung immer den grundlegenden Unterschied zwischen den doktrinären Irrtümern des Dritten Reiches und der Rolle, die Deutschland bei der Verteidigung Europas zu spielen habe. Die spanische Regierung war der Meinung, daß man die nationalsozialistischen Irrtümer beseitigen könne durch bestimmte Verfügungen der Friedensverträge, ohne Deutschland selbst zu vernichten. Man hatte aber allgemein den Eindruck, daß die Angelsachsen — und besonders die Engländer — diese Unterscheidung als unvereinbar mit ihren Vernichtungsplänen betrachteten.

Prinzipiell antikommunistisch

Wenn hier über spanische Sorgen gesprochen wird, so wird dabei nicht nur der Schwierigkeiten des Wiederaufbaues eines Landes nach drei Jahren Bürgerkrieg gedacht, sondern auch seiner delikaten Lage zwischen den kriegführenden Ländern. Die Achse beschuldigte die spanische Regierung einer allzu weitgehenden " Nachgiebigkeit gegenüber den Alliierten, während die Alliierten sic scharf über die spanische Haltung der Sowjetunion gegnüber beschwerten. Diese Beschwerden verwandelten sich in formelle Proteste nach der Landung in Sizilien und dem Sturz von Mussolini. Am 21. Oktober 1943 stattete der Botschafter der Vereinigten Staaten, Mr.dem Carlton Hayes, spanischen Minister des Auswärtigen einen Besuch ab, mit dem Zweck, diesem mitzuteilen, daß es seinem Land sehr unangenehm war, daß die spanische Presse und das Radio, anstatt sich auf die Nazi-Gefahr zu konzentrieren, dauernd Ruß-land angriff. Der amerikanische Botschafter war der Meinung, daß, wie alle anderen Länder, Spanien sich zu einer Zusammenarbeit mit Rußland entschließen müßte. In einem „vertraulichen"

Brief, den er am selben Tage dem Minister des Auswärtigen überreichte, beschwerte er sich unter anderem darüber, daß die spanische Presse die russischen Wehrmachtsberichte nicht veröffentlichte, Acht Tage später überreichte die spanische Regierung ihre Antwort. Sie bestätigte darin ihre prinzipielle antikommunistische Haltung und ihre Überzeugung, daß der Sieg der russischen Aimeen eine fürchterliche Bedrohung für die Christenheit und die ganze europäische Zivilisation sein würde.

Diese zwei Briefe wären die Einleitung einer sehr interessanten Korrespondenz. Der amerikanische Botschafter schrieb u. a.: „Meine Regierung ist nicht mit der Theorie einverstanden, welche öfters durch spanische Beamte vorausgesetzt wird, daß der jetzige Krieg unvermeidlich mit einem Krieg gegen den Kommunismus enden müsse. Meine Regierung sieht eine dauernde Zusammenarbeit der Vereinten Nationen mit Ruß-land — während des Krieges und nach seinem Ende — voraus, und sie ist dabei, alles mögliche zu tun, um bei dem Aufbau der Grundlage dieser Zusammenarbeit mitzuhelfen."

Die Antwort des spanischen Außenministers ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig.

Wie der Krieg auch ausgehe, erklärte er, schon vor dem Krieg und schwerer als dieser selbst lastete auf der Welt ein geistiger Druck von außergewöhnlicher transzendentaler Bedeutung, hervorgerufen durch die revolutionäre Gesinnung einiger von allem Gottesglauben beraubter Massen, die versuchen, ihre ökonomische Lage durch skrupellose Anwendung von Gewalt zu verbessern, wobei sie sich ansehnliche Reichtümer erobern. Der Krieg sei eine vorübergehende Erscheinung, während der revolutionäre Geist der Massen das fundamentale Problem unseres Zeitalters darstelle: „Unter diesen Voraussetzungen werden Sie, Herr Botschafter, mein Erstaunen verstehen, über die Überzeugung, die Sie in Ihrem Brief zum Ausdruck bringen, daß dieser sehr verbreitete und prinzipielle revolutionäre Geist durch die Verbesserung der am meisten notleidenden Klassen bekämpft werden könne, ais ob er keine Million Anhänger in den wirtschaftlich blühendsten Ländern hätte. Ich kann kaum glauben, daß es jemand gibt, der meint, daß diese gigantische Gefahr, welche unsere Gesellschaft bedroht, zu einer kleinen Frage von Lohnanpassung herabgesetzt werden kann. Nein, Herr Botschafter, es handelt sich nicht allein um ein ökonomisches, nicht einmal um ein soziales Problem, selbst wenn man dieses Wort in seiner breitesten Bedeutung auffaßt: Es handelt sich um ein geistiges Problem, um ein schweres Übel, das bis in die tiefste und intimste Schicht des menschlichen Geistes durchdringt . . ."

Der amerikanische Botschafter erwiderte am 27. Dezember 1943, das nationalsozialistische Deutschland und das heidnische Japan seien eine viel größere Bedrohung für die Welt als Rußland, Rußland hätte die Hände mit seinem Wiederaufbau voll und, als Folge des Kriegsleidens, könnte man eine Wiederauflebung der patriotischen und religiösen Gefühle des russischen Volkes erwarten. Rußland würde nach dem Kriege ein wertvolles Friedensinstrument sein und Spanien würde seine guten Beziehungen mit den Vereinigten Staaten aufs Spiel setzen, falls es länger in seiner anti-kommunistischen Politik ausharrte. Obwohl der Sieg der Alliierten damals schon ziemlich sicher war, weigerte sich Spanien, seine prinzipielle Haltung abzuändern. Die darauf einsetzende anti-spanische Hetze erreichte ihren Höhepunkt in der Drei-Mächte-Erklärung vom 4. März 1946, worin James Byrnes, Ernest Bevin und Georges Bidault in Vertretung ihrer Regie-rungen der Welt mitteilten, daß sie vorläufig eine offene Zusammenarbeit mit Spanien als unmöglich betrachteten. Spanien, das sich während des Krieges beharrlich für den Frieden eingesetzt und das, wie Churchill und Roosevelt wiederholt gestanden, jede Möglichkeit, Vorteile aus dem Krieg zu holen, stur abgelehnt hatte, dasselbe Spanien wurde jetzt kurzsichtig aus dem internationalen Leben ausgeschlossen und wirtschaftlich boykottiert. Die Warnung, die Franco in einem für den englischen Premier bestimmten Brief vom Oktober 1944 formulierte, wurde weiter unbeachtet gelassen: „Weil wir an die Aufrichtigkeit des kommunistischen Rußlands nicht glauben können und weil wir die subversive Macht des Kommunismus kennen, sind wir der Meinung, daß die Vernichtung oder Schwächung seiner Nachbarn, seine Ambitionen und seine Macht sehr stärken werden, wodurch eine Ver-ständigung und ein Kontakt der westeuropäischen Länder notwendiger wird." Churchill hatte darauf geantwortet: „Es wäre ein schwerer Irrtum Ihrer Exzellenz, wenn Sie die falsche Idee beibehalten würden, daß die Regierung Seiner Majestät bereit wäre, einen Zusammenschluß von Staaten in Westeuropa oder in einer anderen Gegend in Betracht zu ziehen, wenn dieser auf einer Feindschaft gegen unseren russischen Verbündeten beruhe oder auf der unterstellten Notwendigkeit, sich gegen die Russen zu verteidigen. Die Politik der Regierung Seiner Majestät hält an dem englisch-sowjetischen Vertrag von 1942 mit aller Energie fest und betrachtet innerhalb der Struktur der zukünftigen Weltordnung die englisch-russische Zusammenarbeit als wesentlich, nicht nur für seine Interessen, sondern auch für den zukünftigen Frieden und für die Wohlfahrt von ganz Europa. “

Eine Schwalbe macht noch keinen Frühling

Der weitere Verlauf der internationalen Politik hat die Wünsche, Voraussichten und Illusionen der alliierten Staatsmänner dann offenkundig widerlegt. Am 4. April 1949 wurde der AtlantikPakt unterschrieben. Damit wurde die Idee, die Franco in seinem Brief verteidigt hatte, verwirklicht. Der diplomatische Boykott, in dessen Auswirkung alle Mitglieder der Vereinten Nationen ihre diplomatischen Vertreter aus Madrid zurückgerufen hatten, wurde weiter gehandhabt. Die Unterzeichnung der spanisch-amerikanischen Verträge vom 26. September 1953 war der Abschluß einer äußerst peinlichen Periode. Wenigstens eine der Großmächte hatte endlich eingesehen, daß Spanien sich nicht geirrt hatte. Leider macht eine Schwalbe noch keinen Frühling. Die Führer der europäischen Politik — gleichgültig, ob sie sich in Straßburg, Paris oder Berlin treffen — werden noch immer durch ihre früheren Illusionen gegen alle eingenommen, die während des Krieges nicht blind an ihrer Seite standen.

Absichtlich wurde hier eine lehrreiche Episode aus den Kriegsjahren so ausführlich behandelt. Sie enthält nicht nur'wichtigste Konsequenzen für die heutige Politik, sondern auch einige allgemeine Überzeugungen, deren Anwendung entscheidend für die Zukunft ist. Die Rolle, die Spanien dabei vorbehalten ist, kann man ebenfalls daraus ableiten. Im Gegensatz zu den materialistischen und kleinpolitischen Berechnungen vieler europäischer Staatsmänner ist es die Aufgabe Spaniens, die Zukunft unseres Kontinents von einem idealistischen Standpunkt aus zu betrachten und die heutigen Probleme durch die Handhabung höherer moralischer, sozialer und religiöser Prinzipien lösen zu helfen. In keinem Falle dürfen die menschliche Freiheit und Würde der Illusion des materiellen Fortschritts geopfert werden. Es wird oft behauptet, daß gerade in Spanien diese Freiheit und Würde leere Wörter wären. Nur Unkenntnis der spanischen Geschichte und des spanischen Volkscharakters können solche Äußerungen erklären. Sie können nur durch Leute, die nie die großen spanischen Philosophen des Goldenen Zeitalters oder die Schriften von Donoso Cortes gelesen haben, aufrechterhalten werden. In seinen Kommentaren zu den Reformen Papst Pius'XL warnt dieser große Staatsmann des 19. Jahrhunderts vor jeder Abweichung von der christlichen Lehre, da solche Abweichungen entweder zur Diktatur oder zur Demagogie führen: Die Diktatur führe die Könige zum Fall und die Demagogie die Massen zur völligen Versklavung.

Die Rolle Spaniens

Das alte Europa, das in Griechenland geboren wurde und das nicht nur geistig, sondern auch geographisch eine unverkennbare Einheit war, eingeschlossen zwischen der Nordsee und dem Mittelländischen Meer, dem Dnjepr und dem Atlantischen Ozean, dieses alte Europa besteht nur noch in sehnsüchtigen Erinnerungen. Die interkontinentalen Kriege und die Politik der letzten fünfzig Jahre, die neuen Kriegswaffen und die schnellen Verkehrsmöglichkeiten haben seine natürlichen Grenzen und seine geographische Geschlossenheit vernichtet. Überdies hat die industrielle Entwicklung jüngerer Kontinente und die Emanzipation der kolonialen Gebiete auch den wirtschaftlichen Vorsprung Europas hinfällig gemacht.

Die meisten europäischen Staaten sind wirtschaftlich abhängig von den Vereinigten Staaten; sie sind, in der wirklichen Bedeutung des Wortes, Bettler geworden. Die Möglichkeiten Spaniens, Europa aus dieser unwürdigen Lage befreien zu helfen, sollte man nicht unterschätzen.

Auch in der Wirtschaft spielt das Prestige eine große Rolle, wie uns die Geschichte des britischen Weltreichs lehrte. Mehr als irgendein anderes europäisches Land, ist Spanien darauf angewiesen, unser Ansehen in den amerikanischen Staaten hochzuhalten, die es zivilisierte und mit denen es seit Jahrhunderten einen intensiven Austausch geistiger und materieller Werte unterhält. Die meisten Staaten Mittel-und Südamerikas werden großenteils noch immer von Nachkömmlingen der ersten spanischen Besetzer bewohnt, sie sprechen noch immer die Sprache des alten Mutterlandes. Die unabsehbare Bedeutung dieser Bluts-und Geistesverwandtschaft, die bislang nur Spanien zugute kam, soll jetzt über Spanien ein Faktor auch der europäischen Wiedereihebung werden.

Dazu hat Spanien auch Nordafrika und der arabischen Welt gegenüber eine gewichtige Rolle zu spielen. Sein Protektorat über einen Teil Marokkos hat es durch eine vernünftige Politik in eine freundschaftliche Zusammenarbeit mit der einheimischen Bevölkerung verwandelt. Dies darf niemanden wundern, da die enge Straße von Gibraltar ja nie eine Grenze zwischen Spanien und Nordafrika bildete; sie war nur ein Fluß zwischen zwei Gebieten, die seit den frühesten Jahrhunderten dauernd miteinander in politischem, kulturellem und geschäftlichem Verkehr standen. So ist Spanien auch die natürliche Brücke zwischen Europa und Afrika und der Ausgangspunkt Eurafrikas, das Bindeglied unseres Kontinents und des Schwarzen Kontinents, der uns die Rohstoffe liefern muß, die wir dringend brauchen, um die politische und wirtschaftliche Selbständigkeit Europas wieder herzustellen.

Was schließlich die arabische Welt anbetrifft, der in der nächsten Zukunft eine große politische Rolle zufallen kann, so gibt es kein zweites Land, das besser als Spanien die arabische Seele kennt, weil es seit Jahrhunderten mit den Arabern zusammengelebt und mit ihren besten Vertretern bleibende kulturelle und künstlerische Werke geschaffen hat. Toledo und Cordoba waren die Exponenten einer arabisch-spanischen Kultur, die im Mittelalter ganz Europa befruchtete. Die daraus entstandenen Bindungen zwischen Arabern und Spaniern sind Aktivposten, die die arabisch-spanische Freundschaft dauernd erhalten werden.

Die Möglichkeiten Spaniens für den Aufbau eines neuen Europa sollten hier in großen Zügen gezeichnet werden. Sie rechtfertigen das Vertrauen der Spanier in ihr Vaterland nicht minder als in Europa selbst, das noch lange nicht verausgabt ist und dessen Geist, Erfindungsgabe und Kultur der jetzigen Welt immer noch unentbehrlich sind. Dieses Vertrauen reicht aber nicht so weit, zu glauben, daß die Menschen, die Europa zerstört haben, es wieder aufbauen können, und zwar mit den gleichen Prinzipien. Man könnte, was wir erleben, eine amüsante Komödie nennen, wenn es keine Tragödie wäre. Linser Vertrauen stützt sich daher auf andere Bestrebungen. Strömungen und Gegebenheiten, als die, die an der Oberfläche sichtbar sind. So darf es auch als sicher gelten, daß die überkommene Freundschaft zwischen Deutschland und Spanien eines Tages ihre feste Grundlage in der gemeinsamen christlichen und universalen Welthaltung erweisen wird. Auf dieser christlichen Grundlage wird es auch möglich sein, für alle Nöte des Augenblicks eine Lösung zu finden.

Fussnoten

Weitere Inhalte