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Die deutsche Opposition gegen Hitler zwischen Polen- und Frankreichfeldzug | APuZ 27/1954 | bpb.de

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APuZ 27/1954 Die deutsche Opposition gegen Hitler zwischen Polen- und Frankreichfeldzug

Die deutsche Opposition gegen Hitler zwischen Polen- und Frankreichfeldzug

Erich Kosthorst

„Wenn auch die Gewalt der äußeren Ereignisse unser Leben in Bruchstücke schlägt wie die Bomben unsere Häuser, so soll doch möglichst noch sichtbar bleiben, wie das Ganze geplant und gedacht war, und mindestens wird immer noch zu erkennen sein, aus welchem Material hier gebaut wurde oder gebaut werden sollte . .

Dietrich Bonhoeffer, an seine Eltern, am 20. Februar 1944

Fortsetzung

Die Situation im November Die militärische und zivile Opposition

Abbildung 1

Unmittelbare Vorbereitungen zum Staatsstreich Nachdem Reichenau schon am 25. Oktober Hitler eine Verschiebung der Offensive vorgeschlagen hatte 1), erhoben Brauchitsch und Halder zwei Tage später gegen den 12. November als Angriffstag erneut Einspruch

Da Hitler an diesem Termin festhielt und den 5. November als das Datum seiner endgültigen Entscheidung bestimmt hatte, rückte die Staatsstreichplanung, die ja auf Hitlers Befehl zum Angriff abgestimmt sein mußte, mit Novemberbeginn in eine dramatische Phase. Die Spannung wuchs in dem Manne, dem nach Lage der Dinge die größte Last der Verantwortung zukam, Halder, bis zum Zerreißen. Sie war um so größer, weil, wie wir sahen, ein — auch in solchem Falle — erlösender Entschluß zum Losschlagen keineswegs gefaßt war und die ganze seelische und körperliche Kraft dieses Mannes von zwei sich ausschließenden Dingen zugleich beansprucht war: von der militärischen Vorbereitung der Operationen, die ihn bis tief in die Nächte hinein beschäftigte, und von der Vorbereitung dessen, was diese Operationen verhindern sollte und ihn mit schweren Zweifeln quälte. In einer solchen Situation hatte sich noch kein Offizier in der Stellung des preußischen und deutschen Chefs des Generalstabes befunden!

Zwar war der ursprüngliche, große Plan des Staatsstreichs unter unmittelbarer, aktiver Beteiligung der Heeresgruppenchefs und des Befehlshabers des Ersatzheeres als undurchführbar erkannt, aber deswegen der Gedanke einer Aktion keineswegs aufgegeben worden. Wenn auch auf die Mitwirkung der Heeresgruppenbefehlshaber nicht zu rechnen war, so würden sie sicher nicht ihre Armeen in Marsch setzen, um einen vom Chef des Generalstabes gefangengesetzten Hitler zu befreien.

Für einen solchen ersten Stoß, für eine Verhaftung Hitlers und seiner Paladine, für die Zernierung Berlins standen die Panzerdivisionen hinter der Elbe stets bereit, nur ließ ein begrenztes Unternehmen dieser Art den Gedanken der ultima ratio noch stärker hervortreten. Jede Verschiebung des Angriffstermins mußte so den Fall der ultima ratio hinauszögern und ihn schließlich, im Laufe von mehr als einem Dutzend solcher Verschiebungen, gänzlich unterhöhlen.

Für das spannungsgeladene erste Novemberdrittel kann Gisevius mit Einschränkung als brauchbare Quelle gelten. Zwar stimmen seine Daten nicht genau, aber sein Bericht über die Ereignisse selbst hat sich im allgemeinen als sachlich richtig bestätigt

Am 2. und 3. November führten Brauchitsch und Halder an der Front im Westen Besprechungen im Bereich der Heeresgruppen B und A mit den Armeestäben der 6. (amVormittag des 2. November), 2. (am Nachmittag des 2. November), 12. (am Vormittag des 3. November) und 16. Armee (am Nachmittag des 3. November) durch. Diese Besprechungen, deren einzelne Punkte in den, wahrscheinlich in amerikanischer Hand befindlichen, „vorbereiteten Besprechungsplänen für ObdH und in den Protokollen Op., Org., Gen. -Qu. niedergelegt" 4) sind, waren rein militärischer Natur. Die von den Armeeführern vorgetragenc Bereitschaftslage lieferte aber erneut das erwartete detaillierte Material, das der Oberbefehlshaber für einen letzten großen Versuch brauchte, Hitler von seiner Offensive abzubringen. So gehört diese Reise in den Zusammenhang des Widerstandes mit den Mitteln des Ressorts.

Im Halder-Tagebuch vom 3. November sind folgende Punkte aus den Besprechungen als „bemerkenswert" festgehalten:

„ 1.) Ein Angriff mit weitgestecktem Ziel kann z. Zt. noch nicht geführt werden. a) P e r s o n e 11 ist zwar im allgemeinen die Ergänzung da, aber nicht zusammengeschweißt. Offiziersbesetzung teilweise schwach. b) Ausbildungsstand der Westdivisionen derart, daß sogar aktive Truppe unter Einsatz zur Abwehr gelitten hat, der Ost-div.derart, daß völlig anders geartete Aufgabe im Westen eine geschlossene Ausbildungs-und Vorbereitungszeit von mindestens 14 Tagen notwendig macht. Diese 14 Tage müssen vor Beginn der Versammlungsbewegung fortlaufend zur Verfügung stehen.

c) Material: Divn. müssen zum Teil ihre Ergänzung aus Heimat-depots selbst heranholen. (Dauer 10 Tage). Viele Schäden können nicht ergänzt werden. z. B. Achsenbrüche, Pak, Kraftwagen fürNach-schubdienst, also Mängel in der Substanz. Ersatzteile für MG 34 und Kraftfahrzeuge, Pferde-Ergänzung kommt nicht mehr rechtzeitig ran. Munitionsbereitstellung, Verpflegung, Betriebsstoff, also laufender Verbrauch im allgemeinen gedeckt.

d) Einzelne Divn. fallen zunächst ganz aus, z. B. 2. und 3. Gebirg, 34. und 72. fehlen noch ein Drittel.

2 .) Der vom OKW befohlene Angriff wird von keiner hohen Kommandostelle als erfolgversprechend angesehen. Ein für die Landkriegführung entscheidender Erfolg kann nicht erwartet werden.

3 .) Verhalten des Feindes wird im allgemeinen so beurteilt wie beim OKH. Es liegt nahe, daß jede Heeresgruppe das Maximum der feindlichen Gegenmaßnahmen vor ihrer Front erwartet. Die Annahme der Heeresgruppe A, daß aus der Maginotfront schon sehr bald ein starker Gegenangriff mit weitgesteckten Zielen (rechter Flügel an der Mosel)

zu erwarten sei, teile ich nicht.

Während Brauchitsch sich, starkgemacht durch das Ergebnis der Front-fahrt, auf die erbetene und entscheidungsuchende Unterredung mit Hitler vorbereitete ließ Halder, ohne Wissen des Oberbefehlshabers, die Oppositionsgruppen sich bereitmachen für die zu erwartende kritische Entwicklung der nächsten Tage, die vielleicht den Staatsstreich aus sich gebären würde.

Das ist der Staatsstreich! glaubten die benachrichtigten Widerstandsgruppen; das ist vielleicht der Staatsstreich, wußte Halder, der das Äußerste, dessen Gelingen so zweifelhaft schien, auch jetzt noch vermeiden wollte, wenn es irgend zu vermeiden war

An einem der ersten Novembertage waren Oster, Dohnanyi und Gisevius zu Thomas gefahren und hatten mit diesem die Situation im Hinblick auf die am 12. November bevorstehende Offensive durchgesprochen mit der Absicht, durch Thomas die sehr schwierig gewordene Verbindung mit Halder erneut zu festigen Für Thomas war es am leichtesten, unter dienstlichen Vorwänden zum Generalstabschef vorzudringen. Er erklärte sich bereit, eine von Dohnanyi unter Mitwirkung von Gisevius auszuarbeitende Denkschrift vorzubringen, die mit politischen Argumenten eine Verhinderung der Westoffensive forderte, und wollte außerdem selbst noch die Gegengründe gegen die Offensive, die sein Amt ihm in die Hand gab, vortragen.

Sie lasen zuletzt: Einleitung und Problemstellung Die Oppositionsgruppen bei Ausbrudi des Krieges 1. Die Beamten des Auswärtigen Dienstes 2. Die Politiker 3. Die militärischen Führer Die militärische Opposition — Vorbereitungen zum Staatsstreich 1. Der EntschlußHitlers zur Offensive und die Stellung der militärischen Führung 2. Die Entwicklung zur aktiven Opposition 3. Die Unterredung zwischen Brauchitsch und Halder vom 14. Oktober. Die Konsequenzen von Brauchitsch 4. Die Heeresgruppenführer von Leeb, von Rundstedt und von Bock 5. Halder a) Die bisherige Haltung Halders b) Halders Konsequenzen aus dem Gespräch mit Brauchitsch c) Der Auftrag an Großkurth zur Staatsstreichplanung d) Klärung der Voraussetzungen für den endgültigen Entschluß Die zivile Opposition. Diplomatische Vorbereitungen 1. Vorbemerkung 2. Hassell und Goerdeler. Einleitende Gespräche 3. Die Denkschrift Etzdorfs und Kordts 4. Die Sondierungen Theo Kordts 5, Die Position Weizsäckers 6. Die Convell-Evans-Botschaft 7. Der Attentatsplan Erich Kordts 8. Die Haltung Englands und Amerikas Aufmarsdikarte zum Westfeldzug in dieser Ausgabe:

Die Situation im November. Die militärische und zivile Opposition 1. Unmittelbare Vorbereitungen zum Staatsstreich 2. Der 5. November und seine Folgen 3. Das belgisch-holländische Vermittlungsangebot und seine Vorgeschichte 4. Das Attentat im Bürgerbräukeller. Wiederholte Verlegung des Angriffsbeginns 5. Rundstedt. Witzleben 6. Hitlers Rede am 23. November 7. Die Situation am Monatsende Die Situation im Dezember Die Situation im Januar 1. Die politisch-militärische Lage 2. Die Verfassungspläne der Opposition 3. Die Mission Bischof Berggravs Die deutsche Opposition bis zum Beginn der Westoffensive 1. Der X-Bericht 2. Goerdeler und Halder Schlußwort Organisationsskizze des OKH Organisationsskizze des Amtes Ausland /Abwehr Anhang Dokumente 1. Denkschrift des Generalobersten von Leeb vom 11. 10. 1939 (11 Blatt)

2. Brief des Generalobersten von Leeb vom 31. 10. 1939 (3 Blatt)

3. Denkschrift des Generalobersten von Rundstedt vom 31. 10. 1939 (5 Blatt)

4. a) Affidavit von Lord Vansittart vom 12. Aug. 1948 (4 Blatt)

b) Affidavit von Lord Vansittart vom 31. Aug. 1948 (3 Blatt)

5. Affidavit von Lord Halifax vom 30. September 1948 (Zu einem Brief von Theo Kordt vom 29. Juli 1947 und der Antwort von Halifax vom 9. August 1947)

(3 Blatt)

6. Memorandum Weizsäckers an Ribbentrop vom 12. Oktober 1939 mit handschriftlichem Zusatz vom 26. Oktober 1939 (3 Blatt) Quellen-und Literaturverzeichnis Die in der Denkschrift nach Gisevius verwerteten ersten Informationen von Dr. J. Müller über die Friedensbereitschaft der Gegenseite können nicht sehr fundiert gewesen sein, da als terminus post quem der verantwortlichen Einschaltung des Papstes der 1. November anzusehen ist

Bemerkenswert ist, daß auch Oster und Dohnanyi ebenso wie Thomas die Haltung der jüngeren Offiziere als sehr unsicher bezeichnen: „Der Polenfeldzug hat sie berauscht. Ihr Vertrauen in Hitlers Führung wurde durch diese ersten Siege und das Ausbleiben aller Bedrohungen im Westen ungemein gestärkt. Jetzt dürsten sie nach neuen Taten. Hier liegt ein Unsicherheitsfaktor, den wir nicht übersehen dürfen Das ist eine der wenigen Stellen, wo Halders Bedenken in diesem Punkte voll bestätigt werden, und zwar von einer Seite, die sich im allgemeinen am wenigsten irgendwelchen Bedenken unterwarf.

Nach Rückkehr der Heeresführung aus dem Westen konnte Thomas am 4. November um 15. 30 Uhr zu Halder vordringen. „Thomas (Keitel nicht verständigt)“, das ist der einzige Hinweis im dienstlichen Tagebuch Halders auf den ungewöhnlichen Charakter dieser Besprechung, Sonst hat Halder aus dem Vortrag von Thomas nur ein Konzentrat von dessen Argumenten über die neg 30 Uhr zu Halder vordringen. „Thomas (Keitel nicht verständigt)“, das ist der einzige Hinweis im dienstlichen Tagebuch Halders auf den ungewöhnlichen Charakter dieser Besprechung, Sonst hat Halder aus dem Vortrag von Thomas nur ein Konzentrat von dessen Argumenten über die negativen Auswirkungen der Neutralitätsverletzung auf Amerika, Schweden (Erz), Rumänien (Treibstoffe, Lebensmittel) und Jugoslawien (Kupfer) festgehalten. Ein besetztes Belgien brauche 50% Zuschuß und die eroberte flandrische Küste bliebe ein ständiger Kriegsschauplatz, der eine nicht durchzuhaltende Großversorgung notwendig mache 11).

Diese Unterredung zwischen Thomas und Halder am 4. November — nicht am 2. November, wie Gisevius schreibt — ist ein fester Punkt, von dem aus auch die übrigen von Gisevius gegebenen Datierungen aus den Angeln gehoben werden können. Da eine zeitlich präzise Neugruppierung der Ereignisse um den Festpunkt jenes Gespräches herum nur hypothetischen Charakter hätte und auch nur im Interesse einer forcierten Dramatisierung, wie sie Gisevius liebt, notwendig wäre, seien die unhaltbaren Datierungen von Gisevius gänzlich aufgegeben. Es genügt zu wissen, daß die im folgenden zu berichtenden Geschehnisse entweder dicht vor oder dicht nach dem 4. November liegen.

Oster, den Halder schon aus seiner Tätigkeit als Chef des Stabes beim Generalkommando Münster kannte, wurde ins Hauptquartier nach Zossen bestellt und von Halder angewiesen, seine Vorbereitungen von 1938 zu rekonstruieren und auf einen der jetzigen Situation angemessenen Stand zu bringen. Anschließend wurde Oster von Stülpnagel noch in Einzelheiten der Zossener Pläne eingeweiht, so daß eine Koordinierung gesichert war 12).

Dann begab sich Wagner mit Genehmigung Halders zu Schacht, richtete ihm Grüße des Generalstabschefs aus und bat ihn unter Hinweis auf die Gespräche des Vorjahres, sich bereit zu halten. Wagner hatte diese Unterredung durch einleitende Erörterungen über Währungspobleme bei der Besetzung Belgiens getarnt 13). Er hatte diese Vorwarnung an Schacht von sich aus bei Halder angeregt; das muß festgehalten werden, um eine einigermaßen adäquate Vorstellung von der Opposition im Hauptquartier zu geben: die einzelnen Oppositionellen ergriffen also durchaus auch von sich her die Initiative, gaben sich gegenseitig Anregungen, vermittelten sich gegenseitig Impulse und trugen gemeinsam die Entwicklung vorwärts. Besonders Stülpnagel handelte als enger Vertrauter Halders durchaus frei — allerdings in der Intention Halders. So ermächtigte Stülpnagel jetzt Grosskurth, Beck und Goerdeler zu alarmieren. Die letzte Entscheidung hielt jedoch Halder in seinen Händen. 2. Der 5. November und seine Folgen.

Am 5. November begab sich Brauchitsch gegen Mittag in Begleitung Halders in die Reichskanzlei, um Hitler die Argumente gegen die für den 12. November geplante Offensive noch einmal zusammengefaßt und mit allem Nachdruck vorzutragen. Die Unterredung begann, da Halder im Vorzimmer zurückbleiben mußte, unter vier Augen; nach einer halben Stunde wurde Keitel von Hitler zugezogen. Auf dessen späterem Bericht an den Chef der Abteilung Landesverteidigung beruht Greiners Darstellung 14).

AIs Brauchitsch, der mit Hilfe eines handgeschriebenen Memorandums sprach, darauf hinwies, „daß die eigene Infanterie während des Feldzuges gegen Polen nicht den gleichen Angriffsgeist gezeigt habe wie die des ersten Weltkrieges, ja, daß Fälle von Disziplinlosigkeiten vorgekommen seien ähnlich wie 1918" 15), bekam Hitler einen Wutanfall, riß dem Oberbefehlshaber des Heeres das Konzept aus der Hand und verlangte sofort Belege, Nennung der Verbände, Meldung über das gegen diese Erscheinungen veranlaßte und die Zahl der daraufhin ausgesprochenen Todesurteile Als Brauchitsch diese Angaben nicht sofort machen konnte, beendete Hitler brüsk die Unterredung — Brauchitsch war entlassen.

Noch vor dem Abschluß der Unterredung hatte Hitler die Drohung ausgestoßen, er kenne den Geist von Zossen und werde ihn vernichten. Auf dem gemeinsamen Heimweg erzählte Brauchitsch, noch immer in großer Erregung, Halder das Vorgefallene und die von Hitler ausgesprochene Drohung.

Ganz im Gegensatz zu Brauchitsch, der dieser Drohung keinen konkreten Inhalt gab und auch nicht geben konnte, weil er von dem vorbereiteten Staatsstreich nichts wußte, wurde nun Halder in größten Schrecken versetzt. Ihm war schon, als er während der „Unterredung“

Hitler-Brauchitsch im Vorzimmer zurückgeblieben war, eine merkwürdige Zurückhaltung vor allem bei Schmundt, Hitlers militärischem Adjutanten, aufgefallen. Als er nun von der kompakten Drohung Hitlers hörte, glaubte er die Staatsstreichplanung verraten und gab sofort nach der Rückkehr ins Zossener Hauptquartier den Befehl zur Vernichtung sämtlicher Unterlagen

Daß ein solcher Verdacht Halders nicht unbegründet war, zeigt auch ein von E. Kordt berichteter Vorgang: Ende Oktober hatten einige im OKH diensttuende Luftwaffenverbindungsoffiziere über Göring Hitler von der Oppositionsstimmung in Zossen unterrichtet, und dieser hatte daraufhin erklärt, „er werde im richtigen Augenblick brutal zugreifen und ein für alle Mal die Schädlinge in der Armee ausmerzen“

So wurden in Eile alle Unterlagen der Staatsstreichplanung vernichtet, der Gedanke des Staatsstreichs erlitt einen schweren Stoß.

Noch am gleichen Tage wurde von Warlimont aus dem OKW das Stichwort für den Angriffsbeginn am 12. November an Heusinger von der Operationsabteilung des OKH durchgegeben Daraufhin befahl das OKH den Anmarsch in die Bereitstellungsräume.

Es vergingen 24 Stunden — Hitler unternahm nichts, um seine Drohung wahrzumachen. In der Oppositionsgruppe verstärkte sich die Hoffnung, daß er die Drohung nur auf Grund eines gänzlich unbestimmten Verdachtes hinausgeschleudert hatte. General Fellgiebel, der von Halder häufig zu politischen Erkundungszwecken benutzt wurde, weil er als absolut loyal und unverdächtig galt, bestätigte, daß Hitler von irgendeiner Seite mißtrauisch gemacht war, aber nichts Konkretes wußte Auch Brauchitsch fing sich wieder und erklärte, daß die verhängnisvolle Offensive nach wie vor verhindert werden müsse. „Aber wie? Vielsagend hat Brauchitsch bei dieser Frage Halders in Gegenwart eines dritten Zeugen die Achsel gezuckt: , Ich tue nichts, aber ich werde mich auch nicht dagegen wehren, wenn es ein anderer tut In der Atmosphäre dieser aufregenden Tage, unter dem Zwang der bereits rollenden Bewegungen im Westen, suchte Halder angestrengt nach einem Ausweg. Wenn nicht schnellstens gehandelt wurde, war es zu spät. Und wenn gegen den lebenden Tyrannen eine umfassende Aktion nicht zustande gebracht werden konnte, mußte dann nicht ein Attentat gewagt werden? Obwohl Halder persönlich schwere Bedenken dagegen hatte — er betrachtete den politischen Mord als unheilvollen Beginn für eine neue politische Entwicklung —, wußte er im Drang dieser Stunden keinen anderen Weg und ließ durch Oberstleutnant Grosskurth eine solche Möglichkeit mit der Abwehr besprechen.

Canaris lehnte kategorisch ab, Oster schwieg unbegreiflicherweise über den Attentatsplan von Erich Kordt, zu dem er den Sprengstoff besorgen wollte.

Am 7. November machte Beck Brauchitsch den Vorschlag, daß er, Beck, wenn Brauchitsch den Staatsstreich nur für seine eigene Person ablehne, bereit sei, den Oberbefehl zu übernehmen und die Aktion zu starten — unter der Voraussetzung, „daß sich die drei Heeresgruppenkommandeure nicht widersetzen und Hitler zu Hilfe eilen" Dieser an sich schon problematische Vorschlag — Halder bezeichnet ihn mit Recht als eine Utopie, weil in solch außergewöhnlicher Situation kaum jemand auf das Kommando eines längst aus dem Amte geschiedenen Mannes gehört hätte, wie es der 20. Juli bewies — traf dazu in eine für seine Annahme denkbar ungünstige Situation: a) gab das OKW um 13. 00 Uhr den Befehl zum Anhalten der motorisierten Bewegung mit der ergänzenden Mitteilung Jodls um 16. 00 Uhr, daß mit Wiederanlauf keinesfalls vor dem 9. November abends zu rechnen sei b) traf am Abend eine Botschaft des Königs der Belgier und der Königin der Niederlande ein, in der beide gemeinsam ihre guten Dienste zur Friedensvermittlung anboten. 3. Das belgisch-holländische Vermittlungsangebot und seine Vorgeschichte.

„In einer für die ganze Welt schicksalschweren Stunde, bevor der Krieg in Westeuropa in seiner ganzen Gewalt beginnt, haben wir die Überzeugung, daß es unsere Pflicht ist, unsere Stimmen abermals zu erheben. . . . Als Souveräne zweier neutraler Staaten, die mit allen ihren Nachbarn gute Beziehungen pflegen, sind wir bereit, ihnen (den kriegführenden Staaten) unsere guten Dienste anzubieten. Falls es ihnen genehm wäre, sind wir gewillt, ihnen mit allen zu unserer Verfügung stehenden Mitteln, wie es ihnen beliebt uns anheimzustellen und in der Gesinnung freundschaftlichen Verständnisses die Vermittlung von Beiträgen für eine zu erreichende Übereinstimmung zu erleichtern .. .“

Erich Kordt brachte dieses Vermittlungsangebot noch am 7. November in die Reichskanzlei zu Hitler, der sich im Aufbruch nach München zu seiner traditionellen Rede im Bürgerbräukeller befand. „ , Wir müssen jetzt sagte er (Hitler) etwas ungehalten, , man fort', soll den Holländern und Belgiern sagen, daß ich auf Reisen sei und daß man mich nicht habe erreichen können. Man braucht auf diese Anzapfung nicht gleich zu antworten.'“

Das belgisch-holländische Vermittlungsangebot hatte eine Vorgeschichte, die zum deutschen Widerstand im weiteren Sinne gehört und darum hier erörtert werden muß

Ende Oktober hatte Goerdeler den deutschen Botschafter in Brüssel, Bülow-Schwante, besucht und ihm dabei Informationen Weizsäckers übermittelt, die dem Botschafter freie Hand für einen Versuch gaben, ein Friedensgespräch trotz aller Enttäuschungen, die man bisher erlebt hatte, zustandezubringen. Eine ähnliche Aufforderung erging an Bülow von Warlimont, dem Chef der Abteilung Landesverteidigung im OKW, durch dessen vertrauten Freund, Oberstleutnant von Pappenheim, dem Militärattache der Botschaft in Brüssel

Bülow-Schwante lud daraufhin den Grafen Capelle, Sekretär des belgischen Königs, zu sich zum Abendessen ein und erörterte mit ihm die militärisch-politische Lage: „Was wird aus unserem gemeinschaftlichen Sorgenkind Belgien, wenn nun einmal die Kampfhandlungen begonnen haben?“ Da die Belgier durch den deutschen Aufmarsch ohnehin schon in große Unruhe versetzt waren, mußte ihnen durch ein solches vom deutschen Botschafter herbeigeführtes Gespräch der Ernst der Lage nur um so deutlicher werden.

Capelle berichtete dem König unverzüglich über die Unterredung. Leopold, wie sein Sekretär tief bewegt, ließ den deutschen Botschafter noch am folgenden Morgen zu einem vertraulichen Gespräch bitten, zu dem dieser durch eine kleine rückwärtige Parkpforte in den Palast geleitet wurde.

Bei seinen Darlegungen ging Bülow-Schwante von der Auffassung aus, daß ein Friedensgespräch nach der Hitlerrede am 6. Oktober nur deswegen nicht zustande gekommen sei, weil Hitler und Ribbentrop, die beide die diplomatischen Usancen nicht beherrschten, nicht vorher auf Wegen über Dritte Fühler zu den Gegnern ausgestreckt hätten. Darum hätten die Engländer diese Rede nicht als Zeichen wirklicher Bereitschaft zum Frieden gewertet und sie als pure Propaganda angesehen.

Es ist nicht klar festzustellen, ob die hier geäußerte Ansicht Bülow-Schwantes nur ein diplomatisches Manöver war; als ernstgemeinte Lagebeurteilung ist sie für einen Diplomaten in solcher Position kaum denkbar.

Auf die Frage des Königs, was zu tun sei, regte Bülow-Schwante einen Brief an den englischen König, Leopolds Vetter, an, in dem seine Gedankengänge als „aus einer vertraulichen, gut orientierten Quelle“ stammend übermittelt werden könnten.

Vor der Unterredung mit dem Grafen Capelle war Bülow-Schwante noch nach Den Haag zum Grafen Zech, dem dortigen Deutschen Botschafter, gefahren, hatte diesen von seinem Plan unterrichtet und ihn um ähnliche Schritte bei der holländischen Regierung gebeten. Ob solche Schritte tatsächlich erfolgt sind, ist nicht bekannt.

Es ist ferner nicht bekannt, ob der angeregte Brief an den englischen König geschrieben wurde, aber dafür kann die kurz nach der Unterredung zwischen dem König von Belgien und dem deutschen Botschafter erfolgte Reise des Königs nach Den Haag und das gemeinsame belgisch-holländische Angebot der guten Dienste als die unmittelbare Konsequenz der Intervention Bülow-Schwantes gelten. Daß außerdem der deutsche Aufmarsch im Westen ein Stimulans für diese Aktion war, ist eine Binsenwahrheit, auf deren Entdeckung Dr. Kempner im Kreuzverhör kaum besonders stolz zu sein braucht. Auch wenn der Vorschlag zu dem Vermittlungsversuch im Gespräch der beiden Souveräne direkt von der holländischen Königin ausgegangen sein sollte, wäre damit die Wirkung Bülow-Schwantes keineswegs als Spekulation erwiesen

Das Angebot der guten Dienste, das für ein paar Tage in der Öffentlichkeit verwirrende Hoffnungen erweckte, blieb eine Episode. Die vorhergehende negative Antwort der Engländer und Franzosen gab Hitler am 11. November willkommene Gelegenheit, die Verantwortung für seine eigene Ablehnung vor der deutschen Öffentlichkeit dem Gegner aufzubürden: „Ich muß daher zu meinem Bedauern feststellen, daß England und Frankreich es mir unmöglich gemacht haben, auf die Anregung des Telegramms vom 7. November einzugehen“ 4. Das Attentat im Bürgerbräukeller.

Wiederholte Verlegung des Angriffsbeginns.

Neue Verwirrung in die Reihen der Opposition brachte der mißglückte Bombenanschlag auf Hitler im Münchener Bürgerbräukeller am 8. November. Hatte irgendeine unbekannte Widerstandsgruppe von sich aus zugegriffen? War die SS im Spiel? In London glaubte man zunächst, daß der Attentatsversuch von der mit England in Verbindung stehenden deutschen Opposition gemacht sei

Die Hintergründe dieses Attentates sind bis heute noch nicht völlig aufgeklärt. Soviel darf jedoch als gesichert gelten, daß die eigentliche Opposition mit ihnen nichts zu tun hat. So kann in diesem Zusammenhang auf ihre weitere Erörterung verzichtet werden

Die nach dem Attentat einsetzende Fahndung nach der Herkunft des im Bürgerbräukeller benutzten Spengstoffs machte es selbst Oster unmöglich, unauffällig eine Bombe für Erich Kordt zu erhalten. So kam dieser am 11. November vergeblich in Osters Wohnung — sein Attentatsplan kam nicht zur Ausführung.

Inzwischen hatte Hitler den Angriffstermin verschoben, der A-Tag sollte nunmehr der 19. November sein „Wir haben auch noch Zeit“, sagte Oster zu Kordt, als dieser die Absicht äußerte, daß Attentat mit einer Pistole zu versuchen

Der Hauptgrund, der Hitler — auch in der Folgezeit — zum Aufschieben der Offensive veranlaßte, lag in ungünstigen Wettervoraussagen. Vor allem die Luftwaffe brauchte für eine wirksame Unterstützung der Operationen eine Gutwetterperiode von mehreren Tagen, aber auch die Panzer konnten an Nebeltagen nicht eingesetzt werden. Täglich hielt ein höherer meteorologischer Beamter der Luftwaffe bei Hitler Vortrag; Meldungen über die örtliche Wetter-und Wegelage aus dem Westen wurden später sogar durch besondere Abgesandte aus dem OKW nachgeprüft.

Es gab aber auch noch andere Gründe, die weniger sichtbar, datum aber nicht weniger wirksam waren. Hitler hat die Argumentation von Brauchitsch in jener abgebrochenen Unterredung vom 5. November durchaus ernst genommen, wie der Bericht Keitels zeigt Daß er den Befehl für den Angriff zunächst noch nicht zurücknahm, wird von Greiner mit Recht als Ressentiment-und Trotz-Handlung gedeutet

Ein weiterer Grund für das Zurückstellen der Offensive lag schließlich darin, daß Hitler sich in jenen entscheidenden Tagen erneut mit dem Gedanken des Panzervorstoßes auf Sedan beschäftigte, um schließlich am 10. November eine Verstärkung des in dieser Richtung vorgesehenen Stoßkeils anzuordnen 5. Rundstedt • Witzleben.

Während die Ungewißheit der Situation mit dem Hin und Her von Befehl zum Angriff und seiner Zurücknahme, mit dem ungeklärten Attentat im Bürgerbräukeller und der verschärften SS-Überwachung, die Auspizien für einen Staatsstreich keineswegs verbesserte, fielen im Westen konkrete negative Entscheidungen gegen eine Aktion. Wir hatten von der durch Leeb angeregten Besprechung der drei Heeresgruppenbefehlshaber am 10. November bereits gesprochen. In welchem Maße Rundstedts Ablehnung jeglicher Aktivität vollständig war, zeigt ein uns erhaltenes Dokument über eine Konferenz Rundstedts mit seinen höheren Kommandeuren am 11. November, also einen Tag nach der Koblenzer Besprechung mit Leeb und v. Bock:

„Ich habe die Herren Oberbefehlshaber, Kom. Gen. und Div. Kdre.der HGre, ehe sie an die dem Heer gestellte Angriffsaufgabe herangehen, noch einmal zusammengerufen, um mit ihnen die wichtigsten operativen, taktischen und die Truppe betreffenden Gesichtspunkte zu besprechen.

1. Sie wissen alle, daß unser Heer vor wenigen Jahren noch 7 Div. zählte und daß der schnelle Aufbau zur heutigen Größe zwangsläufig noch Lücken und Mängel gelassen hat, die zu Bedenken führen mußten, ob das Heer der ihm gestellten Aufgabe voll gewachsen sein würde.

Die Zeit dieser Erwägungen und Bedenken ist nun abgeschlossen. Dem Heer ist seine Aufgabe gestellt und es wird sie erfüllen! Was uns noch fehlt, werden wir zu ersetzen haben durch um so größere Kühnheit der Führung...“

Auch Witzleben, der Befehlshaber der 1. Armee, zu dem Oster und Gisevius gefahren waren, um ihn zu einem letzten Einwirkungsversuch auf Brauchitsch und Halder zu bewegen, sah kaum noch Chancen für den Staatsstreich. Der einzige Weg, den er selbst noch sah, die Verweigerung des Angriffs durch die drei Heeresgruppenkommandeure, sollte sich ein paar Tage später als ungangbar erweisen. Im übrigen hielt auch Witz-leben die Einstellung der jüngeren Offiziere für gefährlich; sie seien, wie er nach Gisevius sagt, „von Hitler . besoffen'", und, fährt Gisevius fort, „es läßt sich schwer abschätzen, wer auf den einfachen Soldaten, das . Volk', größeren Einfluß haben wird, der putschistische General oder ein die Nazischlagworte nadiplappernder Truppenoffizier.“ Schließlich erklärte sich Witzleben nach vielem Zureden bereit, bei Einwilligung des Heeresgruppenkommandos nach Zossen zu fahren

Wenn selbst Witzleben, dieser erbitterte und stets zur Aktion bereite Gegner Hitlers — darüber gibt es in der ganzen Literatur keinen Zweifel —, wenn selbst dieser dem Staatsstreich in der gegebenen Situation bedenklich gegenüberstand, dann mußte die Situtation schon hoffnungslos sein. 6. Hitlers Rede am 23. November.

Der Angriff wurde weiterhin vertagt, am 13. November schrieb Jodl in sein Tagebuch: „A nicht vor dem 22. 11.“, am 20. November notierte er: „A nicht vor dem 3. 12“. Währenddessen wurde der Operationsplan neuerlich verändert, bis er schließlich die Form erhielt, in der er im Mai 1904 dann realisiert wurde Die militärische Opposition sah keine Möglichkeit mehr zum Eingreifen. So ging der November, der in der Geschichte der letzten 150 Jahre manchen revolutionären Akt sah, vorüber, ohne daß der entscheidende Schlag gegen Hitler erfolgt war. Daß Hitler am 23. November seine berühmt-berüchtigte Rede mit ihren massiven Angriffen auf die Spitzen des Heeres halten konnte, ohne daß nachher noch etwas gegen ihn geschah, läßt sie wie einen äußeren Abschluß der Herbst-Phase des deutschen Widerstandes erscheinen. Zwar setzte nicht Hitler diesen Abschluß — den hatte der militärische Wiederstandskreis im Innenraum selbst entschieden —, aber er markierte ihn mit dieser Rede wenigstens äußerlich.

Das war nicht die Ansprache eines großen Heerführers vor der entscheidungsuchenden Schlacht, wie wir sie aus der Geschichte kennen, es war die Rede eines Tyrannen, der die Widerstände der Generale gegen seine Offensive seit Wochen fühlte, ja, mit der ihm nachgesagten raubtierhaften Witterung für persönliche Bedrohung möglicherweise sogar eine Gefahr für sich selbst gespürt hatte, — und der jetzt diejenigen, die seinen Feldzug zu führen hatten, erneut in seinen Bann zu nehmen und für den Angriff hochzureißen versuchte.

Zweifellos hatte er einigen Erfolg; das besprochene Tagebuch des späteren Generalobersten Hoth kann als extremes Beispiel dafür gelten. „Es scheint, daß Hitler drei Stunden lang vor den Generalen (Donnerstag, den 25. 11.) mit wilder advokatorischer Suada gesprochen und auf die harmlosen Soldaten Eindrude gemacht hat, während die klügern den Eindruck eines tobsüchtigen Dschingis-Khan hatten", berichtete Goerdeler Ende November an Hassell

Halder, der von Fellgiebel schon wegen des zu erwartenden „scharfen Tobak“ vorgewarnt war und sich auch in seiner inneren Gegnerschaft keineswegs überwältigen ließ, hat im OKW-Prozeß die Rede Hitlers aus der Erinnerung nach drei Gedankenkreisen skizziert Der uns erhaltene, ungesicherte Text der Rede selbst ist als Dokument 789-PS im Band XXVI, Seite 327— 36, des amtlichen Textes der deutschen Ausgabe des „Prozesses gegen die Hauptkriegsverbrecher" veröffentlicht worden.

Der Vergleich zwischen Halders Skizzierung und dem erhaltenen Text zeigt, daß Halder die Rede in wesentlichen Punkten richtig im Gedächtnis hatte, wenn auch nicht alle Gedankenbildungen von ihm rekapituliert wurden. Nur der von Halder wiedergegebene 3. Gedankenkreis stimmt in den von ihm genannten Redewendungen nicht mit dem Text überein. Halders mehrfach erwiesenes gutes Gedächtnis macht es jedoch wahrscheinlich, daß die von ihm berichteten Wendungen tatsächlich von Hitler gebraucht wurden.

Halder sprach im Prozeß von einer unverhohlenen Kampfansage gegen die Führerschaft des Heeres. „Ich habe einige Redewendungen noch in Erinnerung. Er warf den Generalen des Heeres damals vor, sie seien die Überreste einer längst überholten Gedankenrichtung, die ihre Unfähigkeit bereits im ersten Weltkrieg bewiesen habe. Wir hätten in Polen gezeigt, daß wir den Geist der Zeit noch nicht begriffen hätten mit unseren Begriffen von Ritterlichkeit. Er spielte darauf an, daß er die Widerstände im Heere kenne und drohte einmal am Anfang, einmal am Ende der Ansprache mit der Vernichtung aller derjenigen, die ihm Widerstand leisten würden. Er führte aus, das deutsche Volk stünde hinter ihm und der Gedanke einer Revolution würde diejenigen zuschanden machen, die mit solchen Gedanken spielten.“

Daß im übrigen die Rede Hitlers eine scharfe Replik auf den Vortrag Brauchitsch’s vom 5. November war, geht sowohl aus dem erhaltenen Text als auch aus den Ausführungen Halders hervor. Während der Ober-befehlshaber der Marine ausdrücklich gelobt wurde, wurde vom Ober-befehlshaber des Heeres gesagt: „Wenn, wie 1914, Oberbefehlshaber schon Nervenzusammenbrüche hatten, was sollte man dann vom einfachen Musketier verlangen" Sätze wie diese stehen auch im überlieferten Text: „Aufs tiefste gekränkt, als ich Urteil hörte, daß die deutsche Armee wertmäßig nicht genüge. Infanterie habe in Polen nicht das geleistet, was man erwarten mußte. Indisziplin .. . Ich kann es nicht vertragen, wenn man sagt, die Armee ist nicht in Ordnung. Alles liegt in der Hand des militärischen Führers. Mit dem deutschen Soldaten kann ich alles machen, wenn er gut geführt wird." „Revolution von innen ist unmöglich.“ ... „Ich werde vor nichts zurückschrecken und jeden vernichten, der gegen mich ist.“ Und der Schlußsatz: „Nach außen keine Kapitulation, nach innen keine Revolution."

Kaum ins Hauptquartier zurückgekehrt, wurde Brauchitsch wieder zu Hitler zitiert und ihm unter vier Augen erneut der Widerstand des OKH vorgehalten. Hitler drohte dabei noch einmal mit der Vernichtung „des Geistes von Zossen“, den er kenne, so berichtete Brauchitsch Halder auf der Rückfahrt 7. Die Situation am Monatsende.

Die politische Oppositionsgruppe wehrte sich noch eine Zeitlang gegen die Einsicht, daß auf dem Wege zum Staatsstreich der Kulminationspunkt überschritten war; aber sie mußte allmählich erkennen, daß der militärische Widerstandskreis nicht handeln würde. Obwohl sie über die Gründe nicht hinlänglich unterrichtet war und manches Ressentiment und vorschnelle Urteil über die Generalität in den Quellen zu finden ist, tauchte hinter den Argumenten der politischen Oppositionsgruppe manchmal jetzt auch der Zweifel auf, ob die Situation wirklich reif sei.

Auch Goerdeler hatte Ende November kaum noch Hoffnung auf eine Aktion. „Man solle trotz allem die Massage der Generale noch nicht aufgeben“, meinte er. am 29. November zu Hassell während dieser drei Wochen später dem Industriellen Reusch zugab, „daß zunächst einmal bis Mitte Januar Ruhe eintreten müsse“

Goerdelers Zuversicht war im allgemeinen nur schwer zu erschüttern. Wenn jetzt sogar er die Dinge so pessimistisch sah, so war das die Folge eines Gespräches, das Thomas in seinem und im Auftrage von Beck, Popitz und Oster mit Halder am 27. Nov. gehabt hatte

In diesem Gespräch hatte Thomas die militärischen und wirtschaftspolitischen Gründen gegen die Offensive zusammengefaßt und die Verhinderung des Angriffs, notfalls mit Gewalt, gefordert. Brauchitsch, dem Halder die Argumentation dann vortrug, lehnte seine Beteiligung an einem gewaltsamen Umsturz mit folgenden Gründen endgültig ab

„ 1. Ludendorff habe 1918 auch eine Verzweiflungsaktion gemacht, ohne daß das sein Bild in der Geschichte getrübt habe.

Man traut seinen Ohren nicht. Was schert uns das Bild eines. Generals in der Geschichte! Außerdem ist es getrübt worden, und vor allem: die Sache ist schief gegangen!

2. Es sei kein großer Mann da. (Thomas: „man habe keine Persönlichkeit, die man für Hitler herausstellen könne.“) ganz abgesehen von der inneren Zerstörung und Demoralisation, der endlich ein Ziel gesetzt werden muß, und von den maßlosen Schweinereien in Polen, die den deutschen Namen mit Schande bedecken und für die die Armee m i t verantwortlich bleibt. Keitel glaubt allerdings, gerade wenn wir in Belgien und Holland einmarschierten, würde Italien mit uns gehen; Pariani, der abgesagt worden ist, habe ihm so etwas geschrieben. Ich bin anderer Ansicht. Ganz besonders, nachdem die Russen jetzt unter unserer Billigung Finnland, das wir einst von ihnen befreien halfen, überfallen haben. Vor der Welt stehen wir jetzt in dieser Bruderschaft als Räuberbanden en gros da.

3. Man müßte Hitler doch diese letzte (sic!) Chance lassen, das deut-

sche Volk aus der Helotenknechtschaft des englischen Kapitalismus zu erlösen. (Thomas: „das Volk brauche eine Idee wie die des NS; Englands Kampf gehe nicht nur gegen das Regime, sondern gegen das ganze deutsche Volk. 55)

Man sieht, wie die Propaganda auf die ahnungslosen Deutschen gewirkt hat. Sie wollen jetzt „Realpolitiker“ sein, weil sie zu sehr „Gefühlspolitiker" waren

Man sieht, wie die Propaganda auf die ahnungslosen Deutschen gewirkt hat. Sie wollen jetzt „Realpolitiker“ sein, weil sie zu sehr „Gefühlspolitiker" waren. Genau wie der Offizier, der 1918 ausschied, Kaufmann wurde, und nun glaubte, er müsse betrügen, nachdem er vorher keine Stecknadel entwendet hat; so meinen wir jetzt, Realpolitik bedeute, sich über alle Bindungen und Grundsätze hinwegsetzen und merken nicht, daß wir uns damit selbst unsere eigenen Grundlagen zerstören.

4. Wenn man die Nase am Feind habe, könne man nicht rebellieren. (Thomas: „das deutsche Heer mache keinen Staatsstreich.

Aber nicht die Armee steht im Zeitalter des totalen Krieges am Feinde, sondern das ganze Volk, und es handelt sich darum, ob dieses zugrunde gehen soll oder nicht.

5. Die Stimmung sei noch nicht reif.

(Übrigens interessant, daß die Führer des Heeres immer s o argumentieren.) Darin ist etwas Wahres. Aber kann man darauf warten, wenn es um das Ganze geht?

Natürlich wäre es theoretisch besser, noch etwas zu warten, aber praktisch kann man es nicht.

6. Man sei der jungen Offiziere nicht sicher. (Thomas: „und endlich sei das jüngere Offizierkorps nicht zuverlässig".)

Das mag zum Teil zutreffen. Aber, wenn die Generale einig sind und mit der richtigen Parole operieren, so gehorchen Heer und Volk.“

Es erübrigt sich, die kommentierenden Bemerkungen Hassells im einzelnen zu interpretieren, sie bezeichnen präzise den tiefen Graben, der die eigentliche Opposition gegen Hitler vom Widerstand aus dem Ressort trennt, den Brauchitsch bisher vertrat. Es ist dabei auch unerheblich, ob Brauchitsch in seinen Argumenten nur einen opportunistischen Standpunkt einnahm, der oberhalb einer tieferen Überzeugung lag. Indem er solche Argumente nach außen hin aussprach, traten sie in den Raum geschichtlicher Wirksamkeit. Für die eigentliche Opposition gegen Ende des Herbstes 1939 aber, als deren Vertreter hier Hassell spricht, gewinnen wir ein Bekenntnis von großer Eindringlichkeit, und auch von dieser Stelle aus bestätigen sich die eingangs gemachten Feststellungen über eine Motivation, die, weit entfernt, in Erfolgschancen stecken zu bleiben, aus der tiefsten sittlichen Schicht heraufwächst.

Die Bemerkung zu Punkt 6 „Wenn die Generale einig sind . . ., so gehorchen Heer und Volk“, setzt allerdings eine Prämisse, über deren hypothetischen Charakter sich Hassell nicht genügend klar ist. Diese theoretische Prämisse substituiert sich hier unvermerkt als Realfaktor. Man könnte im Sinne Hassells auch sagen: Die Generale brauchen „nur“ einig zu sein, dann ... Faktisch war es aber so, daß — wie Halder und Stülpnagel sich zu ihrer Enttäuschung hatten überzeugen müssen — die entscheidenden Generale nicht zu dieser handlungsbereiten Einigkeit zu bringen waren. Die theoretische Hypothese, die Hassell aufstellte, war praktisch nicht auflösbar; die Generale waren nicht in die gemeinsame Kampffront zu bringen. Seitdem trat auch Halder, wie Thomas sich überzeugen mußte, auf der Stelle

So hatte der Wille zur Aktion in den Spätherbstwochen 1939 einen schweren Schlag erhalten, ohne daß sich die politische Oppositionsgruppe der gefällten negativen Entscheidung voll bewußt wurde. In der gegebenen Situation — das zeigte sich gerade auch im Dezember — waren die ins Stocken geratenen Dinge nicht wieder in Bewegung zu bringen. Man brauchte ein neues Movens von solch starker Antriebskraft, daß die militärische Oppositionsgruppe im OKH die sich bisher verweigernden Generale doch noch in eine Aktionsfront zu bringen vermochte.

Ein solches Movens konnte nur noch außenpolitischer Art sein. Die Erklärung in Chamberlains Radioansprache vom 27. Nov., das Kriegsziel sei, die deutsche Macht und den deutschen Geist zu schlagen 5#), war nicht dazu angetan, einen neuen Impuls zu geben. Die neuerlichen Gespräche von Conwell-Evans mit Theo Kordt in Bern vom 18. Dezember hatten einen nicht genügend verbindlichen Charakter und kamen auch nicht über allgemeine Erörterungen hinaus. Die deutsche Opposition brauchte autorisierte Erklärungen darüber, wie der Frieden aussehen würde, den der Gegner im Falle des Umsturzes zu gewähren gewillt war. Zwar hätte das die Konzeption des Staatsstreiches mit intakt bleibender deutscher Wehrmacht nicht aufheben können, aber man hätte nicht mehr so ausschließlich auf das Gewicht einer ungebrochenen Wehrmacht in der Waagschale der Politik achten müssen und ein größeres Risiko in Kauf nehmen können.

Hassell hat sich Ende November mit Goerdeler über diese Notwendigkeit unterhalten und in sein Tagebuch notiert: „ 2. Wie man, ohne die taktische Stellung Deutschlands zu verschlechtern, den Generalen eine gewisse Sicherheit verschaffen kann, daß man jetzt noch einen anständigen Frieden bekäme, nach dem Durchmarsch aber nicht mehr“

Soviel ließ sich schon aus dem zweiten Besuch von Conwell-Evans am 18. Dezember in Bern entnehmen, daß den Engländern an einer deutschen Umwälzung lag, bevor man sich in einem totalen Krieg engagiert hatte

Zur Realisierung solcher Gespräche über die Gestaltung eines künftigen Friedens ohne Hitler begann Hassell über seinen italienischen Schwiegersohn, Detalmo Pirzio Biroli, Fühler nach England auszustrecken und Oster und Dohnany forcierten ihre Bemühungen über den Vatikan. Naturgemäß mußten sich diese Sondierungen über einen längeren Zeitraum erstrecken: sie kamen erst im Februar zu einigen Ergebnissen.

Die Situation im Dezember

Der Generalsfab des Heeres während des Krieges Der Chef des Generalsfabes des Heeres (Halder )

Unter den gegebenen Umständen kam die deutsche Opposition im Dezember nicht über ein gegenseitiges Fühlunghalten hinaus. Erst Ende des Monats wurde ein neuer Anlauf gemacht, der seine Impulse bekam: 1. vom Terror der SS in Polen, der mehr und mehr bekannt wurde, überall Empörung auslöste und den Gegensatz zum Heer schärfer akzentuierte. (Auch der Frauenerlaß Himmlers gehört hierher.)

2. durch die außenpolitische Situation, bezeichnet durch die russische Aggression Finnlands und die gerade dadurch stärker werdende Abkühlung der italienisch-deutschen Freundschaft. Die Mitte des Monats beginnenden, von Raeder und Rosenberg angeregten Erwägungen Hitlers, Norwegen zu besetzen 1), haben auf die Opposition noch keine erkennbare Wirkung.

Zu 2. Eine Zeitlang mochte es so aussehen, als ob die Alliierten in eine schwierige Lage wegen der russischen Aggression kämen, in deren Konsequenzen Rußland schließlich ganz auf die Seite Deutschlands gedrängt werden, oder sogar eine gemeinsame Front mit Deutschland gegen Ruß-land notwendig werden konnte. Die Briefe Chamberlains zeigen jedoch, daß er von vornherein eine ganz nüchterne Interessenpolitik vertrat, ohne sich von den Gefühlen der öffentlichen Meinung für Finnland beeindrucken zu lassen. Er schrieb am 3. Dezember 2):

„The Situation is complicated by Stalin’s latest Performance, which seems to have provoked far more Indignation than Hitler’s attack on Poland, though it is no worse morally, and in its developments is likely to be much less brutal.... I am as indignant as anyone at the Russians’ behaviour, but I am bound to say that I don't think the Allied cause is likely to süsser thereby." Und am 1. Januar heißt es in seinem Brief an Sir Francis Lindley zu der Ansicht eines Norwegers, mit dem sich Chamberlain zu seiner Information unterhalten hatte „I don't agree with him if he thinks that we should make peace with Germany in Order to resist Russia. I still regard Germany as Public Enemy No. 1, and I cannot take Russia very seriously as an aggressive force, though no doubt formidable if attacked in her own country.“

Bis in den Dezember hinein glaubte Chamberlain übrigens nicht an eine deutsche Offensive im Westen, weder durch einen Angriff auf die Maginot-Linie noch durch ihre Umgehung über Belgien-Holland

Die Folge der Aggression Rußlands war in Italien eine wachsende Antipathie gegen das mit den Bolschewisten freundschaftlich verbundene Deutschland. So konnte Ciano, der sonst seine Gegnerschaft zu Deutschland im Zaum halten mußte, seine aufsehenerregende Rede vor der faschistischen Kammer am 16. Dezember halten. Sie mutete vor allem in England wie die Aufkündigung des „Stahlpaktes" an. Der englische Botschafter sprach noch am selben Abend Ciano seine Anerkennung aus; in England hoffte man zeitweise sogar, Italien jetzt ganz von Deutschland trennen zu können In Deutschland wurde diese Rede möglichst wenig verbreitet.

Die deutsche Opposition begrüßte dieseAbkühlung des deutsch-italienischen Verhältnisses wegen der darin enthaltenen psychologischen Möglichkeiten. Beck, Goerdeler, Popitz, Hassell und die Abwehrgruppe hielten die Lage jetzt für so verändert, daß sie mit aller Energie die Vorbereitungen zum Staatsstreich Wiederaufnahmen. „Popitz schildert die Lage etwa wie folgt: In der hohen Generalität habe man Brauchitsch abgeschrieben. Der Gedanke sei jetzt der, daß man einige Divisionen „auf dem Wege vom Westen nach Osten" in Berlin haltmachen lasse. Dann solle Witzleben in Berlin auftreten und die SS ausheben. Beck werde auf Grund dieser Aktion nach Zossen fahren und aus Brauchitsch’s schwacher Hand den Oberbefehl übernehmen. Hitler solle mit ärztlichem Gutachten für regierungsunfähig erklärt und verwahrt werden. Dann Aufruf an das Volk mit der Parole: Vereitelung weiterer Greuel der SS., Wiederherstellung von Anstand und christlicher Sittlichkeit, Fortführung des Krieges, aber Friedensbereitschaft auf vernünftiger Basis. Problem: Ob mit oder ohne Göring. Über eins sei man einig, daß dieser auf alle Fälle erst nach erfolgter Aktion, wenn überhaupt, vor die Frage gestellt werden könne, ob er mitmachen wolle. Vorteile und Nachteile der Hineinnahme Görings liegen auf der Hand.“

Oster und Goerdeler waren schon in den Westen gefahren, um Witz-leben für den neuen Plan zu gewinnen, dessen militärische Durchführung dieser dann mit Beck in Berlin durchsprechen sollte. Mit Popitz erörterte Hassell indes die Grundlagen eines neuen Regierungsprogramms unter der leitenden Idee christlicher Sittlichkeit, die Notwendigkeit einer Reichsreform und den Aufbau des Staates auf örtlicher und körperschaftlicher Selbstverwaltung, was Hassell „Filtriersystem" nannte

Goerdeler wollte zunächst eine außenpolitische Fundierung des Plans über den König von Belgien erreichen, den er um die Herbeiführung einer „vertraulich-autoritativen Stellungnahme von Paris und London“ zu bitten gedachte. Popitz und Hassell rieten von diesem Wege ab

Witzleben fuhr um die Jahreswende nach Berlin, konnte aber im OKH die notwendige Truppenbewegung nicht erreichen. Die von Halder hinter der Elbe bisher zurückgehaltenen Panzerdivisionen waren kurz vorher kereits in den Westen gerollt und den Marsch einiger Divisionen von Westen nach Osten — gleich unter welchem Vorwand — mußte Halder In einer Situation, wo noch jeden Tag mit dem Angriffsbefehl gerechnet werden mußte, als utopisch zurückweisen. Unauffällig war ein solcher Transport jetzt nicht mehr durchzuführen

Nun führte Beck, der diesen neuen Aktionsversuch nicht wieder im Anlauf in sich zusammenbrechen lassen wollte, eine persönliche Unterredung mit Halder herbei, um diesen mit sich fortzureißen Beck hatte um Neujahr seine Gedanken Stülpnagel skizziert und Halder einen Brief geschrieben, nach welchem er ihn im OKH aufsuchen wollte. Halder, der bei der Überwachung des OKH sehr vorsichtig sein mußte, wies diesen Vorschlag entschieden zurück und schlug durch Oberst Heistermann-Ziehlberg, der in Lichterfelde neben Beck wohnte und mit ihm freund-nachbarlichen Verkehr pflegte, einen anderen Weg vor: Halder hatte von Zeit zu Zeit dem Oberbefehlshaber des Heeres in dessen Villa in Dahlem, wo dieser sich damals mehrere Wochen infolge einer Erkrankung aufhalten mußte, Bericht zu erstatten. Vor einem solchen Besuch wollte er sich mit Beck auf den Straßen von Dahlem treffen.

Die Unterredung zwischen Beck und Halder fand diesem Vorschlag entsprechend an einem kalten Wintermorgen Anfang Januar auf den damals menschenleeren Straßen von Dahlem statt (ein bis zwei Stunden vor dem Vortrag Halders bei Brauchitsch). Zeller legt dieses Gespräch nach Schlabrendorff auf den 16. Januar Man muß es wohl ein gutes Stück früher ansetzen, weil es am 16. Januar in der Luft hängen würde. Auch in Halders Erinnerung liegt es Anfang Januar. Die Unterredung wurde von Beck in ihrem ganzen Verlauf schriftlich festgehalten. Das Schriftstück geriet später in die Hände des SD und wurde Halder nach dem 20. Juli als Belastungsmaterial vorgelegt.

Beck trug Halder seine Gedanken zur Lage mit den nach seiner Meinung unverzüglich zu ziehenden Schlußfolgerungen noch einmal vor, indem er das Gewicht seiner Argumentation vor allem auf militärische Begründungen legte. Der Krieg müsse unverzüglich beendet werden, weil Frankreich auf keinen Fall in der geplanten kurzen Zeit niederzuringen sei und die deutsche Mannesblüte sich erneut verbluten würde. Da sich zwischen Beck und Halder jede Diskussion über die Notwendigkeit einer Beseitigung des Regimes erübrigte, legte Beck dann sofort seinen Plan über die Aktion in Berlin dar. Für Halder war ein solcher Plan nun insofern nichts Neues, als er selbst ja im Oktober Großkurth den Auftrag zu einer ähnlichen Planung gegeben hatte.

Als Halder dann die Frage einwarf, wie ein Staatsstreich unter den gegebenen Umständen denn auf das deutsche Volk wirken würde, wurde Beck ungeduldig und attakierte, ohne im einzelnen auf diese Frage einzugehen, Halder mit dem argumentum ad hominem: er sei doch ein alter Reiter und wisse, daß man bei Hindernissen sein Herz vorauswerfen müsse.

Das war ein Vorwurf mangelnden Wagemutes. Halder antwortete darauf: er sei von frühauf ein so erbitterter Gegner Hitlers, daß er diesen Vorwurf nicht zu akzeptieren brauche. Er müsse als derjenige, der von seiner Stellung her die gesamte Verantwortung zu tragen habe, alle Konsequenzen eines von militärischer Seite geführten Schlages gegen Hitler in Rechnung ziehen. Er sei jederzeit bereit, einen Stoßtrupp zu bilden, um in die hitlerische Front die erste Bresche zu schlagen; dafür sei er sich auch seiner Mitarbeiter im OKH sicher. Den Widerstand Brauchitsch’s nehme er nicht so ernst, daß er sich nicht zutraue, ihn jederzeit mitzureißen. Dieses Stoßtruppunternehmen, denn um ein solches handele es sich zunächst, habe aber nur dann einen Sinn, wenn eine breite deutsche Front dahinter stünde, die bereit und gewillt sei, den ersten Erfolg auszunutzen und ihn weiterzutreiben. Diese Bereitschaft bestünde aber zur Zeit noch nicht — Halder hatte damals gerade wieder Sondierungen im Ruhrgebiet vorgenommen —, und ohne eine größere Breite würde ein solches Unternehmen nur ein Putsch wie es der von Kapp war. Für einen Putsch mit den zur Zeit bestehenden geringen Chancen breiterer Aufnahme könne er aber den Namen des Oberbefehlshabers des deutschen Heeres nicht riskieren.

Mit dieser Unterredung war die Neujahrsphase im Widerstand gegen Hitler noch im Anlauf stecken geblieben. Das Hauptargument der militärischen Oppositionsgruppe im OKH gegen die Aktion war: das deutsche Volk ist für einen Staatsstreich noch nicht reif, solange Hitler der Mann des ungebrochenen Erfolges ist. Wir müssen die ersten Rückschläge abwarten.

In der Beurteilung mangelnder Reife stimmten die Politiker der Opposition den Militärs weitgehend zu, nur waren ihre Konsequenzen daraus andere. Sie wollten die äußere Befreiung auch gegen eine Mehrheit e r z w i n g e n aus der Überzeugung, daß nur dann eine innere Befreiung möglich sein würde. Wir hatten über diese Differenz der Auffassungen schon gesprochen, wir müssen sie auch hier wieder konstatieren. Auch die bereits skizzierten, hinter dieser Diskrepanz stehenden Fragen stellen sich erneut. Eine befriedigende Antwort hätte allein das Gelingen oder Scheitern des versuchten Staatsstreichs geben können. Die Feststellung der mit Enttäuschungen beladenen Tagebücher und Memoiren, die Soldaten hätten eben nicht den alles überwindenden Mut gehabt, erscheint als Antwort zu einfach. Der Gesichtspunkt der Reife mußte tatsächlich ein um so größeres Gewicht gewinnen, als eine Mitwirkung der Heeresgruppenführer und des Befehlshabers des Ersatzheeres nicht zu erreichen gewesen war. Je mehr das Gespenst eines Bürgerkrieges drohte, um so quälender mußten die Zweifel an der Verantwortbarkeit eines Staatsstreiches werden. Dabei ist festzustellen, daß die entscheidenden militärischen Oppositionellen sich keineswegs hinter der Trennung von militärischer und politischer Verantwortung verschanzten. Daß auch mensciliche Unzulänglichkeit im Spiel war, ist im Raume menschlichen Handelns nicht überraschend, aber sie auf die einfache Formel mangelnden Mutes zu bringen, ist falsch.

Die Situation im Januar

Der deutsche militärische Geheimdienst bis 1944 Die Skizze wurde aus Hagen, Walter „Die geheime Niebelungen-Verlag, übernommen. Front", Linz 1950,

Die politische und militärische Lage.

Am 8. Januar wurde Hitler durch den Botschafter Attolico ein Brief Mussolinis überreicht, in dem der'„Duce", aus dem Kielwasser des „Führers“ ausscherend, sich sehr betont von der hitlerschen Politik distanzierte. Daß dieser eigene Kurs “ nur eine Episode blieb, konnte damals niemand wissen; nur Ciano, Hasser Deutschlands und ohnmächtiger Frondeur, aber manchmal von einer überraschenden Hellsichtigkeit, meinte: „ ... es (das Dokument) wird nichts ausrichten. Hitler hört auf die Ratschläge von Mussolini nur dann, wenn sie genau mit seinen Ideen überein Januar wurde Hitler durch den Botschafter Attolico ein Brief Mussolinis überreicht, in dem der'„Duce", aus dem Kielwasser des „Führers“ ausscherend, sich sehr betont von der hitlerschen Politik distanzierte. Daß dieser eigene Kurs “ nur eine Episode blieb, konnte damals niemand wissen; nur Ciano, Hasser Deutschlands und ohnmächtiger Frondeur, aber manchmal von einer überraschenden Hellsichtigkeit, meinte: „ ... es (das Dokument) wird nichts ausrichten. Hitler hört auf die Ratschläge von Mussolini nur dann, wenn sie genau mit seinen Ideen übereinstimmen“ 1).

Die Opposition war von diesem Brief ebenso beeindruckt wie von der Notlandung deutscher Luftwaffenoffiziere bei Mecheln in Belgien. Hassell widmete dieser Sache eine ganze Seite seines Tagebuches 2).

Schnell wurden Hoffnungen wach. „Die Folge scheint ein Wutausbruch von Hitler gewesen zu sein (Mein feiger Freund') und ein , nun gerade'. Ob nicht im tiefsten Innern die Wirkung eine andere war, ist eine andere Frage.“ 3)

Die Skizzierung des Mussolini-Briefes bei Hassell ist in den Grundzügen richtig, von diplomatischer Hilfe bei deutschen Friedensversuchen ist im Briefe jedoch nicht die Rede, wie auch nicht so detailliert von einem Mißerfolg der Offensive gesprochen wird, „selbst wenn sie bis Paris ginge".

Es ist nicht ausgeschlossen, daß der Brief Mussolinis im Hintergrund eine — wenn auch nicht allzu bedeutende — Rolle für Hitlers Entschluß gespielt hat, die Offensive nun endlich doch bis zum Frühjahr zu verschieben, nachdem die Ankündigung einer längeren Gutwetterperiode vom 15. Januar ab widerrufen war 4).

Mussolini schrieb u. a. an Hitler, daß er die deutsche Polenpolitik mißbillige 5). „Un popolo ehe e stato ignominiosamente tradito dalla (miserabile) classe dirigente (politico-militare), ma ehe — come voi stesso avete riconosciuto nel vostro discorso di Danzica — si e battuto con corraggio, merita il trattamento dei vinti non quello degli chiavi.“

Er machte dann Hitler den Vorschlag, ein ausschließlich „polnisches Polen" mit eigener Souveränität zu schaffen, um so den Demokratien die Rechtfertigung für eine Weiterführung des Krieges zu nehmen. Er sei zwar überzeugt, daß ein von Italien unterstütztes Deutschland nicht zur Kapitulation gezwungen werden könne, er sei sich aber nicht sicher, ob die Alliierten auf die Knie gezwungen werden könnten „senza sacrifici sproporzionati agli obiettivi. Gli Stati Uniti non permetterebbero una totale disfatta delle domocrazie. . . . Vale la pena — ora ehe (voi) avete realizzato la sicurezza dei vostri confini orientali e creato il grande Reich di 90 milioni di abitanti — di rischiare tutto — compreso il regime — e di sacrificare il fiore delle generazioni tedesche per anticipare la caduta di un frutto ehe dovrä fatalmente cadere e dovrä essere raccolto da noi ehe rappresentiamo le forze nuove d'Europa?"

Eine deutsch-russische Freundschaft sei grundsätzlich nicht möglich, und Hitler könne nicht unablässig die Prinzipien seiner Revolution taktischen Erfordernissen des Augenblicks aufopfern. Jeder weitere Schritt auf diesem Wege würde in Italien katastrophale Folgen haben. Die Lösung der deutschen Raumfrage liege in Rußland und nirgendwo sonst.

Es ist nicht erkennbar, ob und in welcher Weise Hitler auf diesen Brief Mussolinis reagierte. Die Änderungen im Westaufmarsch hatten — primär — andere Gründe.

Wir haben diese Veränderungen zu registrieren, weil die Staatsstreich-pläne stets eng mit den militärischen Vorbereitungen zur Offensive zusammenhingen. Am 14. Januar befahl Hitler, nun auch die Besetzung der sogenannten Festung Holland vorzubereiten, und am 16. Januar wurde von ihm die Art der Bereitstellung im Westen grundlegend geändert. Die Panzer und motorisierten Verbände ließ er unmittelbar hinter die erste Angriffswelle westlich des Rheins legen, um dafür die Infanteriedivisionen zweiter und dritter Linie ostwärts des Rheins zurückzuführen 6). Der Sinn dieser Neuerung war wohl, die Drohung eines täglich möglichen Angriffs aufrechtzuerhalten, um nach längerem Zuwarten doch noch überraschen zu können. Schließlich teilte Hitler am 20. Januar den Ober-befehlshabern von Heer-und Luftwaffe mit, daß er die Offensive wahrscheinlich nicht mehr vor dem März beginnen werde 7). 2. Verfassungspläne der Opposition.

Nach dem vergeblichen Anlauf um die Jahreswende und Anfang Januar sah die aktive Opposition den ganzen Monat hindurch keinen neuen Ansatzpunkt mehr. Auch Goerdelers Unterredung mit Reichenau, der eine Zeitlang durch seine offene Ablehnung der Offensive von sich reden gemacht hatte und auf den man darum wegen seiner latenten politischen Energien einige Hoffnungen setzte, war absolut negativ verlaufen 8). So nutzte die Opposition jetzt die durch Verlegung der Offensive auf unbestimmte Zeit erlangte Atempause unter anderem zur gründlicheren Vorbereitung einer besseren politischen Zukunft.

Das von Hassell verfaßte, in Beratungen mit Beck, Goerdeler und Popitz erarbeitete und geklärte „Programm“ ist erhalten und den Tage-büchern Hassells beigefügt worden Zusammen mit dem „Vorläufigen Staatsgrundgesetz“, das in einer letzten Fassung aus dem Herbst 1943, von Popitz formuliert, vorliegt und mit den „Richtlinien zur Handhabung des Gesetzes über den Belagerungszustand“ in seinen wesentlichen Gedanken schon 1940 konzipiert wurde gibt uns das „Programm“ einen guten Einblick in die politische Vorstellungs-und Willens-welt der zentralen politischen Oppositionsgruppe. Man blieb keineswegs in der Negation stecken, sondern plante weit vorausschauend an Hand einer Konzeption, die sich an der deutschen Geschichte, auch der der jüngsten Vergangenheit, geklärt hatte und die zugleich ganz auf die vordringlichsten praktischen Aufgaben ausgerichtet war. Die Wiederherstellung der Demokratie war ein Fernziel, ein zweiter oder auch dritter Schritt, den man erst dann ins Auge fassen wollte, wenn mit dem ersten Schritt ein fester Stand gewonnen war. Vorerst sollte ein vom Staatsoberhaupt auf Vorschlag der Reichsregierung ernannter Staatsrat das Volk in seiner Gesamtheit vertreten, „bis die Festigung der allgemeinen Lebensverhältnisse des deutschen Volkes die Bildung einer Volksvertretung auf breiter Grundlage gestattet." (Art. 10, Ziffer 2 des Staats-grundgesetzes)

Bis dahin war die Staatsgewalt in die Hände des Staatsoberhauptes gelegt, der als Reichsverweser nicht nur das Reich nach außen hin völkerrechtlich vertreten und den Oberbefehl über die Wehrmacht führen sollte, sondern auch das Recht zur Ernennung und Entlassung des Reichskanzlers und auf dessen Vorschlag der übrigen Minister hatte. Ihm und der Reichsregierung sollte der Staatsrat in beratender Funktion zur Seite stehen. (Art. 4—10) Im „Programm“ hieß es unter Punkt 8:

„Die höchste Gewalt im deutschen Reich liegt, bis es möglich sein wird, ein normales Verfassungsleben wieder aufzubauen, in den Händen einer Regentschaft, die aus dem Reichsverweser und 2 Mitgliedern besteht. Diese Regentschaft ernennt die Minister;“ unter Punkt 9. f; „Um den Staatsaufbau vorzubereiten, setzt die Regentschaft einen Verfassungsrat ein, der unter dem Vorsitz des Ministers des Innern Vorschläge ausarbeitet. Diese Vorschläge müssen von dem Grundsatz ausgehen, den deutschen Einheitsstaat nach politischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten unter besonderer Rücksicht auf die historische Überlieferung zu gliedern und für das politische Leben des Reiches eine Mitarbeit des Volkes und eine Kontrolle des Staatslebens auf der Grundlage der örtlichen und körperschaftlichen Selbstverwaltung sicherzustellen."

Der Artikel 2 des Grundgesetzes führte diesen Gedanken näher aus:

„Das Reich gliedert sich in Länder, die sowohl Verwaltungsbezirke des Reiches wie Gebietskörperschaften mit Selbstverwaltung sind.“ (Ziffer 3)

Dazu sollte eine Neugliederung der Länder vorgenommen werden, die Popitz in einer nicht erhaltenen Anlage skizziert hatte und die für Hassell zu stark von zentralistischer Planung und zu wenig „vom politischen Empfinden her" gedacht war Preußen sollte seine reichsbildende Mission durch Verzicht auf den staatlichen Zusammenhang seiner Provinzen vollenden. (Ziffer 2)

„An der Spitze des Landes als Verwaltungsbezirk des Reiches steht der Statthalter; er übt zugleich als Kommissar der Reichsregierung die Aufsicht des Staates über das Land als Gebietskörperschaft aus. Oberste Selbstverwaltungsbehörde des Landes ist der Landeshauptmann. Dem Statthalter und dem Landeshauptmann steht zur Beratung je in ihrem Aufgabenkreis ein Landesrat zur Seite." (Ziffer 5) Nach unten hin sollte weiter gegliedert werden in: Regierungsbezirke als Verwaltungsbezirke des Reiches und darunter Land-und Stadtkreise, die Verwaltungsbezirke und Gebietskörperschaften mit Selbstverwaltung sein sollten. (Ziffer 6)

Den Staatsangehörigen zum echten Staatsbürger durch Mitverantwortung zu machen, die Selbstentfremdung des Menschen an diesem Punkte aufzuheben, war ein Anliegen Hassells seit der „Staatspolitischen Arbeitsgemeinschaft“, die er im Januar 1919 ins Leben gerufen hatte

Wie sehr er sich dabei in der Nachfolge des Freiherrn v. Stein wußte, zeigen explizit seine schon erwähnten Tagebucheintragungen vom 11. und Oktober 1939 mit dem Hinweis auf seinen damals gerade in den „Weißen Blättern" Guttenbergs erschienenen Aufsatz über den »Organischen Staatsgedanken des Freiherr v. Stein“.

Goerdeler, der den Wert der Selbstverwaltung ebenso hoch einschätzte wie Hassell glaubte damals, gleich nach dem Staatsstreich ein Plebiszit durchführen zu sollen, was den lebhaften Widerspruch von Hassell und Popitz hervorrief Eine Zeitlang spielte man auch mit dem Gedanken der Wiederherstellung einer monarchischen Spitze. „Was vorschwebte, war sichtlich das englische Beispiel einer monarchischen Präsidentschaft innerhalb eines parlamentarischen Systems." 3. Die Mission Bischof Berggravs.

In die Januarwochen, als die deutsche Opposition die vorstehenden Grundlinien einer zukünftigen politischen Ordnung ausarbeitete und als in den Verhandlungen Osters und Dohnanyis mit den Engländern auf dem Wege über den Vatikan sich allmählich konkrete Ergebnisse abzuzeichnen begannen, fällt auch die Mission des Primas der Norwegischen Kirche, des Bischofs von Oslo, Eivind Berggrav

Diesmal ging die Initiative von der englischen Kirche aus, die dabei in engem Kontakt zum Foreign Office, speziell zu Halifax, handelte.

Berggrav, der bald nach Kriegsausbruch eine Rede vor Osloer Studenten über die Möglichkeiten eines Friedens gehalten und dabei auch von der Bedingung der Wiederherstellung der Tscheche! und Polens gesprochen hatte, wurde daraufhin im Dezember von den Erzbischöfen von Canterbury und York nach London eingeladen. Sein Wille, für den Frieden zu wirken, war nach seiner Aussage besonders auch durch Weizsäcker ermutigt worden. Weizsäcker, dem er seit dessen Osloer Zeit nahestand, hatte ihn durch einen Mittelsmann erreicht.

In London hatte er mit den genannten Bischöfen und auch mit Lord Halifax und dessen Beratern mehrere Unterredungen. Ihr Ergebnis war der Beschluß zu einer Kirchenkonferenz mit Kirchenführern Englands, Frankreichs und der skandinavischen Länder Anfang Januar in Zilven (Holland) mit dem Ziel, gerechte Friedensziele zu proklamieren.

Die Erklärung, auf die man sich in Zilven einigte, und die Bischof Berggrav anschließend nach Berlin zu Weizsäcker brachte, enthielt folgende Sätze „ . . . The British Christians (der Führer der britischen Delegation war der Erzbischof von York, W. Temple) spoke for themsel-

ves alone, and not for any Church or other Organisation; but they belived that they represented a large body of opinion among Christians in their country. . . . They regard as vital to the establishment of true peace a spirit of trustworthiness and of mutual trust among the nations. — They believe that it would be right to enter into negotiation if the foliowing points were secured:

(a) That the Czech and Slovak and the Polish peoples be recognized as independent and sovereign — and that practical guarantees for this be forthcoming; the nature of such guarantees cannot be defined in advance, because they may greatly depend upon the conditions existing at the time.

(b) That the definitive peace be negotiated in a congress including at least the European nations, the Czechs, Slovaks, and Poles being full Partners in the congress.

They are agreed that all have share in the sin of the world which now expresses itself in this war; also that errors made by their country and its Allies in 1919 and the foliowing years have contributed to the evil state of Europe, though in saying this they also affirm that their Government and that of France entered into the present war in obedience to a moral Obligation by which they regard themselves as still bound.“

Das Schriftstück mit den Friedenszielen sollte, weil auf einer Kirchenkonferenz formuliert, auch auf dem Kirchenweg in deutsche Hände kommen. Aber Bischof Häckel vom Auswärtigen Kirchenamt in Berlin wagte das Dokument nicht aus den Händen Berggravs entgegenzunehmen, daß es ja so Berggrav sich entschloß, Weizsäcker, den er gut kannte, zu übergeben.

Weizsäcker zögerte nicht, das Schriftstück anzunehmen und hatte dann mit Berggrav am 14. und 16. Januar zwei Unterredungen, in denen er zur Fortsetzung der Friedensbemühungen mahnte, „in spite of his personal feeling of the Situation as a desperate one“ In seiner mündlichen Aussage vor dem Gericht fügte Berggrav hinzu

„Er erwähnte Frieden, der zu einer Beseitigung Hitlers führen würde.“

Einen ausgezeichneten Einblick in die Atmosphäre dieser Unterredungen gibt ein am 15. Januar von Berggrav an seine Frau geschriebener Brief

„Es war gut, mit Weizsäcker zu sprechen; er war vornehm und intelligent wie immer. Was auf mich den tiefsten Eindruck machte, war, wie gebeugt, wie hoffnungslos Weizsäcker war. Genau wie Halifax rief er impulsiv: , Ach, wenn wir doch nur diesen Krieig zu Ende bringen könnten!'

Wir nahmen alles durch, doch alles ist festgefahren. , Die andern können sich gar nicht vorstellen, was Diktatur bedeutet'sagte er, . nämlich daß ein einziger Mann von sich aus alles regiert.'Das Ganze kam ihm hoffnungslos vor, er wußte keinen Weg heraus. , Was wir auch versuchen mögen, wir sind festgefahren. Das Elend kommt davon, daß es die Regierung (der Führer) ist, die aus ihren eigenen Interessen heraus regiert, nicht in Übereinstimmung mit den Interessen des Volkes. Sie können heute aus der ganzen Schar der deutschen Soldaten herausnehmen, wen Sie wollen, gleichgültig, wen Sie treffen, alle wollen sie sofort Frieden schließen. Und trotzdem müssen wir dies durchmachen!'“

Am 27. Januar war Berggrav wieder in London, berichtete Halifax zwischen zwei Sitzungen und teilte ihm — unter vertraulicher Preisgabe des Namens — Weizsäckers Botschaft mit

„Es muß fortgesetzt für den Frieden gearbeitet werden. Steter Tropfen höhlt den Stein. Es ist nicht gesagt, daß etwas vergebens ist, weil es vielleicht heute so ausschaut. Das Maßgebende ist die ungeheure Verantwortung, die wir dadurch auf uns nehmen, daß wir nicht das versucht haben, was wir hätten versuchen können, ohne daß es einen Schaden gebracht hätte. Wir gehen immer wieder im Kreis.“ (Richtiger übersetzt; wir sind dabei, in einen automatischen Zirkel zu geraten.)

Das und den weiteren Bericht Berggravs über seine Mission in Berlin hielt Lord Halifax im Stenogramm fest, welches er, wie er sagte, dem Kriegskabinett unverzüglich unterbreiten wollte. Seine Ansicht dazu wie auch seine weiteren Absichten hielt er zurück. Berggrav glaubte aus der Unterredung allerdings schließen zu können, daß die Wiederherstellung der Tschechei und Polens eine reale Friedensgrundlage schaffe und daß man in England der Meinung sei, deutsche Persönlichkeiten würden die Initiative für eine solche Friedensmöglichkeit durch Beseitigung Hitlers ergreifen.

Diese ganze, von der englischen Regierung ausdrücklich gebilligte Aktion scheint uns jedoch einen doppelten Boden zu haben. Dafür sprechen zwei Überlegungen:

Die Aktion wurde unternommen zu einer Zeit, da man englischerseits über den Vatikan — also auf einem gesicherten Wege — bereits mit der deutschen Opposition verhandelte;

sie wurde nicht an die deutsche Opposition, sondern an eine offizielle, staatlich kontrollierte Kirchenstelle gerichtet. Auch die dann notgedrungen erfolgte Weitergabe an Weizsäcker kann die nahe-liegende Schlußfolgerung nicht hindern, daß hier Friedensfühler nicht zur deutschen Opposition, sondern zum bestehenden Regime ausgestreckt wurden. So gehört dieser Versuch nicht eigentlich, wie Berggrav im Wilhelmstraßenprozeß nahelegte, in die Geschichte der deutschen Opposition. Wir haben ihn aber dennoch erörtert, weil er einmal Weizsäckers Position gut beleuchtet, und zum anderen für den Zusammenhang der Oppositionsgeschichte die englische Auffassung zur Wiederherstellung von Polen und der Tschechei bemerkswert erhellt. Wenn die Engländer die Restitution dieser beiden Länder als conditio sine qua non verlangten, dann dachten sie aber offensichtlich nicht einfach an die Wiederherstellung dieser Staaten im bisherigen Umfang. Der Satz: „also that errors made by their country and its Allies in 1919 and the following years have contributed to the evil state of Europe“, kann dafür als Anhaltspunkt gelten; er bestätigte die mehrfach von der deutschen Opposition bezeichnete Verhandlungsgrundlage.

Die deutsche Opposition bis zum Beginn der Westoffensive

Abbildung 4

1. Der X-Bericht.

In den noch folgenden Monaten bis zur Eröffnung des Westfeldzuges 1) lag innerhalb der deutschen Opposition das Schwergewicht des Handelns eindeutig bei den Politikern und der führenden Abwehrgruppe. Der militärische Widerstandskreis mit Halder an der Spitze beurteilte die Lage nach wie vor so, wie Halder sie zuletzt Beck gegenüber formuliert hatte s). Um die Dinge wieder in Fluß zu bringen, mußte es also den Politikern mehr denn je darauf ankommen, für den Fall des Umsturzes in Deutschland klare englische Zusicherungen zu erhalten.

Wir eröffnen mit der Erörterung dieser Versuche einen außerordentlich verwickelten Fragenkomplex, dessen endgültige Lösung erst dann möglich sein wird, wenn das englische Auswärtige Amt seine Dokumente freigibt. Immerhin zeichnen sich auf Grund des heute erreichbaren Quellenmaterials 2) die Konturen des Geschehens schon hinreichend ab, um eine Darstellung und vorsichtige Urteile wagen zu können.

Der hier zur Frage stehende Zeitraum wird eröffnet mit dem Ergebnis der um die Monatswende Januar/Februar 1940 abgeschlossenen Verhandlungen, die Dr. Josef Müller über den Vatikan mit den Engländern geführt hatte. Dr. J. Müller ein Kardinal Faulhaber nahestehender Rechtsanwalt aus München, im Kriege dann in die Abwehr übernommen, war schon bald nach Kriegsbeginn von der Oppositionsgruppe der Abwehr nach Rom entsandt worden, um im Vatikan Verbindungen anzuknüpfen. Es ist nicht wahrscheinlich, daß Müller von Anfang an den konkreten Auftrag hatte, über den Vatikan Verhandlungen mit den Engländern zur Erkundung von Friedensmöglichkeiten aufzunehmen. Dafür zeichnete sich der Boden überhaupt erst allmählich aus den Beobachtungen ab, die Müller am Vatikan über die Stimmungen bei den Alliierten und in Italien machen konnte. So kann seine Aufgabe zunächst als die eines Beobachters der deutschen Abwehr bezeichnet werden, der durch seine Bekanntschaft mit wichtigen Persönlichkeiten des Vatikans noch Blicke hinter das herabgelassene Visier der Feindmächte tun konnte Auf Grund solcher Einblicke verstärkte sich der Eindruck, daß die Alliierten unter bestimmten, nicht ungünstigen Bedingungen mit einer vertrauenswürdigen, nicht-nationalsozialistischen deutschen Regierung Frieden schließen würden. Zwischen dem und 12. November erklärte Müller gegenüber z. B. eine hohe kirchliche Persönlichkeit, die der diplomatischen Laufbahn entstammte und gute internationale gesellschaftliche und politische Beziehungen besaß, daß nach Äußerungen alliierter Diplomaten bei einem Regimewechsel Deutschland die in den letzten Jahren erworbenen Gebiete behalten könne, jedoch außer der Tschechei und der polnischen Teile Polens. Allerdings nähmen in Frankreich und England die Gegner solcher Lösungen zu, ohne vorerst aber die entscheidenden Politiker bestimmen zu können 6). Man darf annehmen, daß an Müller ähnliche Berichte schon vorher durch andere Gesprächspartner gegangen waren. Ende Oktober erhielt Müller von Oster, Canaris und Dohnanyi den Auftrag, nunmehr Papst Pius XII selbst um die Ermittlung zu bitten, ob die englische Regierung bereit sei, mit einer deutschen Opposition nach dem Sturz des Hitler-Regimes Frieden zu schließen. Di November erklärte Müller gegenüber z. B. eine hohe kirchliche Persönlichkeit, die der diplomatischen Laufbahn entstammte und gute internationale gesellschaftliche und politische Beziehungen besaß, daß nach Äußerungen alliierter Diplomaten bei einem Regimewechsel Deutschland die in den letzten Jahren erworbenen Gebiete behalten könne, jedoch außer der Tschechei und der polnischen Teile Polens. Allerdings nähmen in Frankreich und England die Gegner solcher Lösungen zu, ohne vorerst aber die entscheidenden Politiker bestimmen zu können 6). Man darf annehmen, daß an Müller ähnliche Berichte schon vorher durch andere Gesprächspartner gegangen waren. Ende Oktober erhielt Müller von Oster, Canaris und Dohnanyi den Auftrag, nunmehr Papst Pius XII selbst um die Ermittlung zu bitten, ob die englische Regierung bereit sei, mit einer deutschen Opposition nach dem Sturz des Hitler-Regimes Frieden zu schließen. Dieser Weg war von Beck ausdrücklich gebilligt worden; so war Müller in Rom als Emissär der zentralen Oppositionsgruppe legitimiert 7).

Mit dieser Bitte um die päpstliche Vermittlung trat Müller dann in Rom an Pater Leiber, den Privatsekretär des Papstes für deutsche Fragen, heran. Unmittelbare Gespräche Müllers mit dem Papst fanden weder jetzt noch später statt, wie Hassell es auf Grund des X-Berichtes irrtümlich gemeint hat 8).

Das genaue Datum der Einschaltung des Papstes war nicht zu ermitteln. Fest steht jedoch, daß Pater Leiber dem Papst nicht vor dem 1. November Vortrag gehalten hat, weil Pius XII. erst am 31. Oktober nachmittags aus Castel Gandolfo nach Rom zurückkehrte. So muß als terminus post quem der 1. November gelten 9).

Der Papst, als früherer Nuntius in München und Berlin ein guter Kenner der deutschen Verhältnisse, erklärte sich zur Vermittlung der Fragen und Vorschläge der deutschen Opposition an die englische Regierung bereit. Wenn der Papst naheliegende starke Bedenken beiseite schob und durch das Gewicht seiner Autorität der deutschen Opposition damals eine Legitimation gab, wie sie besser nicht möglich war, dann war das eine staatsmännische Tat hohen Ranges. Sie verliert auch dadurch kaum an Bedeutung, daß sie den Frieden, dem sie dienen wollte, nicht erreichte.

Dem Sachverhalt entsprechend, stellte der Osservatore Romano am 11. /12. Februar 1946 in einem Dementi gegenüber entstellenden Nachrichten des kommunistischen Prager Blattes „Prace" in ihrer Nummer vom 24. Januar 1946 die Motive des päpstlichen Handelns heraus:

„Fedele al principio di non lasciare nulla intentato ehe potesse in qualche modo servire la causa della pace e rispamiare cosi al mondo gli effetti disastrosi della orribile guerra, il Santo Padre Pio XII, in quel tempo, pregato da importanti circoli politici e militari della Germania, accettö di trasmettere alcune domande di questi circoli sugli scopi di guerra e sulle condizioni di pace all'altra parte belligerante e le risposte ehe questa avesse creduto eventualmente di dare ai richiedenti ..." 10).

Nachdem die englische Regierung ihre Bereitschaft zu Verhandlungen erklärt hatte, gab der Papst die Vermittlungsaktion zwischen Dr. J. Müller als dem Emissär der deutschen Opposition und dem englischen Gesandten beim Vatikan Osborne, als dem Vertreter der englischen Regierung, in die Hände Pater Leibers. Dieser hatte im wesentlichen eine technische, keine sachliche Vermittlungsfunktion, indem er lediglich die Anfragen der deutschen Opposition an Osborne und umgekehrt weiterleitete. Wie weit der Papst sich eingeschaltet hielt, ist nicht erkennbar. Die englischen Antworten wurden mündlich gegeben und im allgemeinen mündlich von Pater Leiber weitergegeben; schriftlich fixiert hat sie Pater Leiber nur dann, wenn er erst spät abends in den Besitz der englischen Antwort kam, Dr. J. Müller in seinem Hotel, Albergo Flora, nicht mehr antraf und wußte, daß dieser am anderen Morgen abreisen würde 11).

Die Verhandlungen der deutschen Opposition mit England auf dem vatikanischen Wege dienten der Klärung der alliierten Kriegsziele und Friedensbedingungen unter der Voraussetzung der Wiederherstellung einer vertrauenswürdigen deutschen Regierung. Anfang November beginnend, waren sie mit Ablauf des Monats Januar 1940 abgeschlossen 12).

Während wichtige technische Details jetzt klar vor unseren Augen liegen, bleibt über die eigentlich zentrale Frage nach dem Ergebnis der Verhandlungen ein vorläufig nicht völlig aufhebbares Dunkel gebreitet. Wir können lediglich versuchen, von verschiedenen Seiten in dieses Dunkel hineinzuleuchten, um wenigstens einige Konturen zu erkennen

Der Ausgangspunkt unserer Bemühungen muß folgende Tagebuch-eintragung Hassells für den 16. März 1940 sein: „Er (Nostiz) bat mich im Auftrage von O. (Oster) und D. (Dohnanyi) nachniittags zu Schnabel (Beck) zu gehen. Das tat ich; ich fand ihn zunächst allein und sprach mit ihm die Lage du März 1940 sein: „Er (Nostiz) bat mich im Auftrage von O. (Oster) und D. (Dohnanyi) nachniittags zu Schnabel (Beck) zu gehen. Das tat ich; ich fand ihn zunächst allein und sprach mit ihm die Lage durch. Dann kam O. und D.; sie lasen mir außerordentlich interessante Papiere über Gespräche eines katholischen Vertrauensmannes mit dem Papst vor, der seinerseits daraufhin über Osborne mit Halifax Verbindung ausgenommen hatte. Der Papst wäre danach erstaunlich weit gegangen im Verständnis für deutsche Interessen. Halifax, der dabei ausdrücklich für das British Government gesprochen hat, ist wesentlich verklausulierter in der Formulierung, berührt auch Punkte wie . Dezentralisierung in Deutschland'und Volksabstimmung in Österreich. Im ganzen ist deutlich der Wille zum anständigen Frieden ersichtlich, ünd der Papst hat dem Vertrauensmann gegenüber stark betont, daß solche Dinge wie , Dezentralisierung“ und . Volksabstimmung in Österreich'bei sonstiger Einigkeit durchaus kein Hindernis für den Frieden bilden würden.. Voraussetzung für das Ganze ist natürlich eine Regimeänderung und Bekenntnis zur christlichen Sittlichkeit. — Zweck der Beratung mit mir war: 1. mein außenpolitisches Urteil zu hören; 2. mich zu bitten, die Sache an Halder heranzubringen, weil sich von anderen Mittelsleuten kein Erfolg versprochen werden könnte.“ 14)

Hassell war hier der sog. X-Bericht vorgelesen worden, in dem die Genese und das Ergebnis der vatikanischen Verhandlungen festgehalten waren 15). Der Name Müllers war darin nicht genannt, wie es die Tagebuchnotiz Hassells zeigt und wie auch Halder bestätigt 16). Das später den SD-Verhören zu Grunde liegende Schriftstück war nicht der X-Bericht selbst, sondern ein Schreiben des päpstlichen Deutschlandsekretärs, in welchem die Friedensbedingungen wiederholt waren, die im „X-Bericht Aufnahme gefunden hatten“ Beide Schriftstücke sind verschollen. Ihre Rekonstruktion führt in schwerwiegende Probleme der deutschen Opposition. Da Halder es aus Gründen der Vorsicht ablehnte, Hassell im OKH zu empfangen, und er aus den gleichen Gründen auch seit November 1939 den unmittelbaren Kontakt mit Oster mied mußte ein anderer Weg gefunden werden, die wichtigen Verhandlungsergebnisse an ihn heran-zubringen. Wenn diese die führenden Militärs überhaupt noch mobilisieren konnten, dann tat Eile not. Die vatikanische Vermittlungsaktion war bereits vor 11/2 Monaten beendet worden, und der Norwegen-Feldzug stand vor der Tür. Nachdem durch Dr. J. Müller aus Rom noch eine Bestätigung gekommen war, daß die Engländer an ihrem Standpunkt festhielten beschlossen Oster und Dohnanyi, den General Thomas vom OKW zu ihrem Kurier zu machen. Sie erkundeten den Termin eines dienstlichen Vortrages von Thomas bei Halder, fuhren in die Nähe von Zossen, fingen Thomas ab und übergaben ihm den (von ihnen modifizierten) X-Bericht mit der Bitte, ihn gleich an Halder weiterzugeben. Thomas, der in den Inhalt der Papiere offenbar nicht eingeweiht war, übergab sie Halder und fuhr anschließend für einige Tage zur Erholung nach Dresden. Bei seiner Rückkehr wollte er die Schriftstücke mit Halders Stellungnahme wieder abholen Die Übergabe der Papiere an Halder merkwürdig ist zu dem späten-Termin des 4. April, also etwa zwei Monate nach dem Abschluß der Verhandlungen über den Vatikan, erfolgt

Halder, dessen gutes Gedächtnis sich wiederholt erwiesen hat, skizzierte das ihm damals vorgelegte Dokument in seinen wesentlichen Grundzügen wie folgt: Es sei sehr langatmig gewesen und habe sich in verschiedenen Punkten wiederholt. Es sei die Rede gewesen von dem Beginn, dem Verlauf und der Führung der Verhandlungen, der Rolle des Papstes darin und der Stellungnahme von Halifax. Das Ganze habe keine Über-und Unterschrift getragen und nicht den Eindruck einer abgeschlossenen und von einer verantwortlichen Persönlichkeit getragenen Sache gemacht. Das Wesentliche seien gewesen: die Bedingungen eines politischen Arrangements, unter denen ein Verzicht auf kriegerische Handlungen ins Auge gefaßt war. Als grundlegende Bedingung habe das Dokument die Entmachtung Hitlers und wenn möglich auch des nationalsozialistischen Regimes gefordert Dann sei den deutschen Grenzen die Rede gewesen: Im Osten von zukünftigen sollte die Korridorfrage im deutschen Sinne gelöst werden; die Tschechei Odium einen anderen staatsrechtlichen Status bekommen, der ihr das eines Vasallenstaates nähme, im übrigen weiterhin deutsches Einflußgebiet sein; Österreich sollte im deutschen Staatsverband und im bleiben Westen die deutsche Grenze von 1914 wiederhergestellt werden.

Man erkennt beim Vergleich zwischen den Berichten Hassells und Halders auf den ersten Blick wesentliche Unterschiede. Hassell, der ausdrücklich die Forderung einer Volksabstimmung in Österreich erwähnte, schrieb nichts von Zusicherungen für erweiterte deutsche Grenzen. Wir dürfen annehmen, daß er solche aus dem X-Bericht nicht gekannt hat, sonst hätte er von ihnen berichtet. Vollends hätte er nicht vorübergehen können an der ganz und gar aus dem Rahmen fallenden Zusicherung einer deutschen Westgrenze nach dem Stande von 1914 (Sie erscheint uns überhaupt so grotesk, daß wir sie zunächst außer Ansatz lassen.).

Daß die Methode negativer Beweisführung hier zu richtigen Schlußfolgerungen führt, bestätigte die Aussage der schon mehrfach genannten Quelle von Rang Nach ihr steht fest, daß im Zusammenhang der vatikanischenVerhandlungen päpstlicher-und englischerseits keinerlei Zusicherungen über die Wiederherstellung der alten Reichsgrenze im Osten gemacht wurden, ganz zu schweigen von der Grenze im Westen Im übrigen enthält diese Quelle die wichtige Versicherung, daß neben der Einleitung von Waffenstillstands-und Friedensverhandlungen es der Zweck der ganzen Vermittlung gewesen sei, ein „Gewehr bei Fuß“ der Alliierten im Falle des deutschen Staatsstreichs zu gewährleisten. Jedoch steht nach ihr nicht fest, ob ein solcher Passus konkret in den X-Bericht ausgenommen wurde.

Wie erklären sich nun die Differenzen zwischen dem X-Bericht, in dem der Verlauf und das Ergebnis der vatikanischen Verhandlungen Müllers niedergelegt war (der offenbar auch Hassell vorlag), und den Schriftstücken, die durch Oster und Dohnanyi an Halder übermittelt wurden? Die zunächst naheliegende Antwort, daß Halder hier vielleicht doch einer Gedächtnistäuschung unterliegt, erwies sich als falsch. Der Bericht der genannten sicheren Quelle führte zu einer überraschenden Bestätigung: Das Verhandlungsergebnis wurde der Generalität tatsächlich in einer modifizierten Form übergeben; diese wurde hergestellt in der Absicht, durch ein möglichst starkes Stimulans die Generalität zum Losschlagen zu bewegen. Wieweit die Modifikationen im einzelnen gingen, ist nicht bekannt, sicher ist aber die Tatsache der Einfügung eines Passus über die alte deutsche Reichsgrenze im Osten.

Wir zweifeln nicht daran, daß die für diese Veränderungen Verantwortlichen — wahrscheinlich Oster und Dohnanyi oder einer von beiden — von den besten Motiven beseelt waren. Auch lagen ja verschiedene nicht-amtliche Berichte und Indizien für die positive englische Einstellung hinsichtlich der deutschen Ostgrenzen vor Dennoch ist die vorgenommene Unterschiebung, selbst wenn es galt, in letzter Stunde eine Entscheidung zu erzwingen, kaum begreiflich.

Nicht nur in Richtung auf die Generalität, sondern auch in Richtung auf den Vatikan und England scheinen die deutschen Träger der vatikanischen Verhandlungen mit Stimulanzen operiert zu haben. Der Vatikan, demgegenüber die deutschen Vorbereitungen für einen Staatsstreich als abgeschlossen bezeichnet wurden, erwartete den Staatsstreich auf Grund der Orientierungen durch Dr. Müller um die Mitte des Monats Februar In Wirklichkeit bestand damals, wie wir erwiesen zu haben glauben, wenig Aussicht auf Beteiligung der führenden Militärs und damit auf den Staatsstreich überhaupt. Außerdem ist das vatikanische Verhandlungsergebnis, von dem man sich ein Hochreißen der Generalität erhoffte, erst Anfang April an Halder weitergeleitet worden.

Halder las das ihm am 4. April vorgelegte Schriftstück mehrmals sorgfältig durch. Seine Skepsis entzündete sich zunächst daran, daß jede Angabe deutscher Beteiligter fehlte und lediglich von „einer dem Papste nahestehenden Persönlichkeit“ gesprochen wurde, deren Name Halder auch nicht auf anderem Wege mitgeteilt war Diese Skepsis steigerte sich zu hellem Mißtrauen bei der Formulierung: Entmachtung Hitlers „und wenn möglich auch des nationalsozialistischen Regimes", und der Erwägung der großzügigen Zusicherungen bezüglich der deutschen Grenzen.

Dennoch legte Halder am nächsten Abend das Schriftstück Brauchitsch vor mit der Bitte, es ernstlich durchzusehen und nach der Lektüre mit ihm zu besprechen. Am darauffolgenden Tage äußerte sich Brauchitsch tief erregt dann wie folgt: „Halder, was Sie mir da gegeben haben, ist qualifizierter Landesverrat!“ Nach einigen weiteren Einzelbemerkungen verlangte er, den Namen des Überbringers zu erfahren, um ihn verhaften zu lassen. Halder lehnte jedoch die Preisgabe des Namens kategorisch ab. AIs Thomas dann aus Dresden zurückkam, gab ihm Halder das Dokument ohne eigene Äußerungen lediglich mit der Stellungnahme Brauchitsch’s zurück und zeigte damit deutlich, daß auch er diesen Weg nicht für gangbar halte.

Gisevius schreibt dazu: „So scheiterte der letzte großangelegte Versuch, die Kriegsausweitung zu verhindern und die oberste Wehrmacht-führung zum Handeln zu bewegen. Niemals werden Brauchitsch und Halder diese beispiellose Verantwortung abstreiten können, die sie in jenen Wochen übernommen haben“

Solange nicht der X-Bericht in seinem ganzen Umfang vorliegt, sehen wir uns nicht in der Lage, ein Urteil über die durch ihn Chancen zu fällen. Wir wissen aus dem Munde Dr. J. Müllers lediglich, daß die Friedensbedingungen „nicht nur angesichts der damaligen Lage“ ehrenvoll gewesen sein sollen Sicher ist jedenfalls, daß diese Bedingungen erst sehr spät und dann in entstellter Form zur Heeresführung gelangten.

Unsere Untersuchung der mit dem X-Bericht zusammenhängenden Probleme ließ die Frage nach den Gründen der späten Weitergabe an das OKH offen. Aussagen der Beteiligten fehlen, doch lassen sich auch hier die Zusammenhänge erschließen.

Im Februar begann die bekannte Informationsreise des amerikanischen Unterstaatssekretärs Sumner Welles nach Europa. Diese Reise hat eine Zeitlang die Gemüter verwirrt, der deutschen Opposition aber den Wind aus den Segeln genommen. Das Hassell-Tagebuch enthält dafür zwei instruktive Belege. Am 14. Februar äußerte Goerdeler zu Hassell: „Halder sehe wieder etwas klarer, an ihm müsse weitergearbeitet werden. Nun aber komme der Besuch von Sumner Welles und gebe — fälschlich, da gar nicht so gemeint — den Generälen den Eindruck, Hitler sei doch verhandlungsfähig und man dürfe ihm diese Friedenschance nicht nehmen" Zum 15. Februar notierte Hassell als Ansicht von Popitz: „Über die Generäle etwas optimistischer, weil die Zahl derer, denen die Augen aufgingen, zunähme. Vor allem der Dresdener stellvertretende Kommandeur Falkenhausen, der von China her etwas mehr Abenteurer-blut habe, sei sehr tätig. Trotzdem sei wenig Hoffnung, vor dem amerikanischen Besuch zum Entschluß zu kommen. Goerdeler habe darin recht, daß der , Sommer'die Stimmung leicht wieder heben könne . . . Zum Frühstück habe ich mir Kirk (amerikanischer Geschäftsträger) eingeladen und habe alle Diplomatie aufgeboten, ihn richtig zu instradieren und auch zu veranlassen, Sumner Welles nicht nur mit offiziellen Leuten zusammenbringen. Ich nannte ihm Planck und Popitz"

Selbst Weizsäcker sah damals in der Reise von Sumner Welles eine, wenn auch geringe, Chance zur Herbeiführung eines Ausgleiches zwischen den kriegführenden Mächten. In seiner Unterredung mit dem amerikanischen Unterstaatssekretär am Nachmittag des 1. März versuchte er, mit Hilfe offener Darlegung der Situation, ihn zu bewegen, durch Mussolini mäßigend auf Hitler einzuwirken; Mussolini sei der einzige, der noch auf Hitler Einfluß habe

Sumner Welles dachte tatsächlich an eine Begegnung zwischen Roosevelt und Mussolini auf den Azoren doch blieben seine Sondierungen — auch durch Eingreifen Roosevelts — ergebnislos. Während er noch in Rom weilte, hatte Mussolini am 18. März auf dem Brenner Hitler seine Bereitschaft erklärt, an der Seite Deutschlands in den Krieg einzutreten. Am 19. März notierte Jodl: „Führer kommt freudestrahlend und hoch-befriedigt von der Besprechung mit dem Duce zurück. Völlige Übereinstimmung"

Aber schon eine Woche vorher war durch die Unterredung Ribbentrops mit Mussolini für die gut orientierte Opposition der durch die Welles-Reise entstandene Schwebezustand beseitigt worden. Mussolini hatte Ribbentrop erklärt, daß er an deutscher Seite in den Krieg eintreten würde, sich dabei nur den Zeitpunkt des Eingreifens vorbehalten müsse

Wenn die Oppositionsgruppe der Abwehr den X-Bericht noch zum Handeln ausnutzen wollte, dann mußte er jetzt ins Spiel gebracht werden. Die Vorbereitungen für den Norwegen-Feldzug waren in vollem Gange. Auf den Beginn der Operationen im Norden sollte im Abstand weniger Tage — so war es damals noch geplant — die Offensive im Westen folgen So wurde Hassell am 16. März in Becks Wohnung dem mit Bericht bekanntgemacht und gebeten, ihn an Halder heranzubringen. 2. Goerdeler und Halder.

Bevor Halder den X-Bericht (mit den Interpolationen) in die Hand bekam, hatte schon Goerdeler in drei Unterredungen versucht, ihn zum Staatsstreich zu bewegen. Diese Gespräche haben zwischen dem 17. März und 3. April stattgefunden und wurden abgeschlossen mit einer schriftlichen Antwort Halders auf einen Brief Goerdelers

Offenbar hatte man Goerdeler zu dieser Zeit ebensowenig wie Popitz mit dem X-Bericht bekanntgemacht, und augenscheinlich hat Goerdeler seine Unterredungen mit Halder auch auf eigene Initiative und zunächst auch ohne Wissen anderer wichtiger Oppositioneller begonnen. Sicher ist, daß er den X-Bericht nicht übergeben hat und auch Halder gegenüber keinerlei Kenntnis davon durchblicken ließ Es ist schwer verständlich, daß in den Tagen, da Oster und Dohnanyi sich bemühten, den X-Bericht durch eine Persönlichkeit von Gewicht an Halder heranzubringen, Goerdeler mehrfach bei Halder war —ohne den X-Bericht.

Die erste Unterredung Goerdelers mit Halder fand am Vormittag des 17. März 1940 statt. Halder notierte darüber in sein Tagebuch: „ 11. 00 bis 13. 30 eingehende Besprechung mit Dr., bei der unter Hervorhebung der wirtschaftlichen Fragen die Notwendigkeit eines Friedens vor Einleitung gewaltsamer Auseinandersetzungen betont und die Möglichkeit eines günstigen Vergleichs hervorgehoben wird."

Wir wissen, daß der Inhalt des X-Berichtes Halder erst am 4. April bekannt wurde. Goerdeler hat die Darlegung der „Möglichkeit eines günstigen Vergleichs" nicht mit dem Material des X-Berichtes unterbaut

Da Hassell und Beck eingeweiht waren, läge normalerweise der Schluß nahe, daß man Goerdeler, einen der aktivsten Oppositionellen, ebenfalls unterrichtet hätte. Daß es nicht geschah, läßt vermuten, daß man den Kreis der Eingeweihten vorerst auf die unbedingt notwendigen Mitwisser beschränken wollte. Von den Möglichkeiten eines günstigen Vergleichs konnte Goerdeler im übrigen durchaus auf Grund eigener Orientierungen sprechen

Wie aus Hassells Tagebuch hervorgeht hatte Goerdeler sich im Hinblick auf Halder zunächst einige Hoffnungen gemacht. Sie wurden durch die weiteren Unterredungen und den abschließenden Brief Halders jedoch völlig zerstört. Halder schätzte Goerdeler menschlich sehr hoch und war auch diesmal durch seine impulsive und warmherzige Art beeindruckt. Auch in der Beurteilung der Situation stimmte er weitgehend mit ihm überein, jedoch war er nicht zu der von Goerdeler geforderten Konsequenz, dem sofortigen Staatsstreich, bereit. In dieser Hinsicht, so meinte er, überschätze Goerdeler die Möglichkeiten, speziell die von Halder. Zu dem geforderten Staatsstreich habe er die durchgreifenden Mittel nicht in der Hand und auch nicht Rückhalt genug. Goerdeler habe dagegengehalten: Der Staatsstreich müsse auf jeden Fall gemacht werden; wie er im einzelnen durchgeführt werde, sei Sache Halders und gehöre zu seiner geschichtlichen Verantwortung

Bei diesem Zusammenprall verschiedener Auffassungen zeigt sich, wie weit inzwischen der Gegensatz zwischen der Forderung der Politiker und der Ablehnung dieser Forderung durch die militärische Führung gediehen war. Der politischen Widerstandsgruppe war immer noch nicht bewußt, daß die eigentlichen Entscheidungen schon im Herbst 1939 gefallen waren, als sich die wichtigsten Führungsorgane des Heeres versagten. Seither hatte sich die Situation nicht wesentlich geändert. Die Gründe, mit denen Halder seine Ablehnung kundtat, mußten danach die gleichen sein wie damals. Seine Argumentation war höchstens starrer geworden. Bei aller Bereitschaft, sich offen zu halten — Halder entzog sich keineswegs der ernsthaften Diskussion —, mußte die Behauptung seiner Position gegenüber den ständigen Forderungen und Mahnungen der politischen Opposition allmählich zu einer gewissen Verhärtung führen. Die Politiker wollten den Staatsstreich noch vor dem Beginn der Offensive, die führenden Militärs hielten erst einen militärischen Rückschlag für notwendig Nachdem sich im Spätherbst 1939 ein Umsturz nicht hatte durchführen lassen, hatte die sorgfältige Arbeit an der Operatiens-planung auch einen immer stärkeren seelischen Anteil gefordert. In den seelischen Raum, den vorher der Wille zum Staatsstreich ausgefüllt hatte, war im Laufe der Monate mehr und mehr der Gedanke an den bevorstehenden Feldzug eingerückt.

So ist auch der Brief zu verstehen, den Halder als Abschluß ihrer Diskussionen an Goerdeler schrieb. Goerdeler gab Hassell Einsicht in diesen Brief. Wenn Hassell die darin enthaltenen Argumente der Ablehnung als sehr naiv bezeichnet, so darf nicht vergessen werden, daß Halder bewußt einen Abschluß setzen wollte. Doch scheint er sich darüber hinaus auch innerlich von dem Gedanken an eine Aktion inzwischen ein ganzes Stück abgesetzt zu haben. Um ein begründetes LIrteil fällen zu können, müßten wir den Brief selbst zur Verfügung haben. Hassell gibt den Inhalt nur in ein paar Sätzen wieder: „England und Frankreich hätten uns den Krieg erklärt, der nun durchgeschlagen werden müsse, ein Kompromißfriede sei sinnlos. Nur in höchster Not (also doch!) dürfe man so handeln, wie Rohde (Tarnname für Goerdeler) wolle“

Unmittelbar nach diesem Zwischenspiel wurde der X-Bericht zu Halder gebracht. Es bedarf keiner weiteren Erörterung, daß ihm kein guter Boden bereitet war. Wir müssen an dieser Stelle außerdem bemerken, daß immer noch keine zentrale Führung vorhanden war, welche die einzelnen Aktionen sprgfältig aufeinander abgestimmt hätte. Von Beck schreibt Hassell am 22. (oder 23.) April, daß er schon seit 14 Tagen „keine rechte Verbindung mit unseren Leuten“ ’gehabt habe und daraus auf Verbautsein aller Möglichkeiten schloß

Alle anderen in diesen Wochen vor der Westoffensive noch eingeleiteten Schritte blieben ebenso wie die bisher dargestellten im Anlauf stecken. Das gilt für die Einschaltung des Generals von Falkenhausen für die Sondierungen der Opposition über den in der Schweiz lebenden ehemaligen deutschen Reichskanzler Dr. Wirth und ebenso für die Arosa-Gespräche Hassells Durch den Norwegen-Feldzug, der am 9. April begonnen hatte, waren die Fühlungnahmen nach außen von vornherein belastet. So notierte Hassell als seinen Eindruck in Arosa, daß Halifax und seine Mitarbeiter keinen rechten Glauben mehr an die Möglichkeit hätten, auf dem Wege einer Systemänderung in Deutschland zu einem Frieden zu kommen Wir müssen hinzufügen, daß, gemessen an der konkreten englischen Unterstützung, dieser Glaube allerdings von jeher nicht groß gewesen sein kann — Nach innen aber bewirkten die allmählich sich abzeichnenden Erfolge des Feldzuges im Norden, daß Hitlers Nimbus sich nur noch festigte und die Voraussetzungen für einen Staatsstreich noch ungünstiger wurden

Die Oppositionsgruppe der Politiker hatte in den letzten Wochen immer wieder die eigene Müdigkeit und Resignation in sich niedergekämpft und den Staatsstreich doch noch zu erzwingen versucht. Jetzt mußte auch sie erkennen, daß nichts mehr den Lauf der Dinge aufhalten konnte. In den Verhandlungen mit England hatte sie mehrfach den Staatsstreich in Deutschland angekündigt. Jetzt blieb ihr nur noch die bittere Aufgabe, den Engländern ihren Mißerfolg mitzuteilen. Auf Wunsch Becks teilte Dr. J. Müller am 1. oder 2. Mai seinen englischen Verhandlungspartnern mit, daß zunächst keine Aussicht mehr auf eine Aktion bestehe. „Die Generäle können sich nicht zum Handeln entschließen. Hitler wird angreifen. Der Angriff steht bevor.“

Diese Mitteilung, dem eigenen Gewissen abgerungen, schien im Sinne fairer Partnerschaft notwendig Verhandlungsbericht des „Tagesspiegel" vom 15. 10. 1952. Leider gelang es uns trotz liebenswürdiger Unterstützung durch das „Institut für Völkerrecht“ in Göttingen nicht, die Verhandlungsprotokolle des Huppenkothenprozesses aus München z oder Mai seinen englischen Verhandlungspartnern mit, daß zunächst keine Aussicht mehr auf eine Aktion bestehe. „Die Generäle können sich nicht zum Handeln entschließen. Hitler wird angreifen. Der Angriff steht bevor.“ 54)

Diese Mitteilung, dem eigenen Gewissen abgerungen, schien im Sinne fairer Partnerschaft notwendig 55). Das Publikum des Huppenkothen-Prozesses nahm sie mit „starker Unruhe“ auf, wie der „Tagesspiegel“ vom 15. Oktober 1952 verzeichnet. Der Wissende wird in Kenntnis der ganzen Zusammenhänge nicht auf dieser Oberflächen-Ebene urteilen dürfen. Doch wird hier eine Grenze sichtbar, deren Überschreitung Probleme aufwirft, die hier nicht erörtert werden können.

Außer dieser allgemein gehaltenen Mitteilung Dr. Müllers an die Engländer sind damals genaue Angaben über den Angriffstermin an die Belgier und Holländer gegangen. Die an die Holländer ging von Oster aus, der aber hier auf eigene Initiative und auf Grund eigener Verantwortung und nicht im Auftrage der deutschen Opposition als solcher handelte. Die andere Meldung kam vom belgischen Botschafter in Rom, der von Ciano instruiert worden war 56).

Schlußwort

Die Antwort auf die eingangs gestellten Fragen liegt im Gang der vorliegenden Untersuchung eingeschlossen. Wenn sich daher hier ein erneutes Aufgreifen erübrigt, so sind wir uns doch bewußt, daß manches angeschnittene Problem einer Explizierung bedürfte. Aber einerseits gebieten »Takt und Verantwortung“ 1) überhaupt noch eine gewisse Zurückhaltung, andererseits ist vor allem Eindringen in Probleme dieser und jener Art zunächst einmal eine redliche Bemühung um die Dinge, wie sie wirklich gewesen sind, notwendig. Mit dem Ergebnis dieser Bemühung hoffen wir jedoch, die Grundlage für Problemstudien, wie sie jüngst Hans Herzfeld begonnen hat 2), erweitert zu haben.

Mit zwei Problemkreisen hatte die vorliegende Arbeit allerdings so zentral zu tun, daß abschließend noch einmal ausdrücklich zu ihnen Stellung genommen sei. 1. Die höhere militärische Führung war vor dem Frankreichfeldzug dringlicher als je vor die Entscheidung zwischen traditionellem militärischen Gehorsam gegenüber der „legalen" Staatsmacht und der politischen Verantwortung vor der Nation gestellt. Trotz der fast einhelligen Über-zeugung von den katastrophalen Folgen einer Offensive im Westen und trotz der weitgehenden Erkenntnis der Unsittlichkeit des Regimes nach Wesen und Methode haben nur wenige militärische Führer sich zu aktivem Widerstand entschließen können. Die Nichtbeteiligung der Heeresgruppenführer von Rundstedt und von Bock sowie des Ober-befehlshabers des Ersatzheeres Fromm, um nur die wichtigsten Persönlichkeiten zu nennen, war einer der Gründe, die den geplanten Staatsstreich undurchführbar machten. So müssen wir auf Grund unserer Untersuchung Herzfeld zustimmen, wenn er am Schluß seiner Problem-skizze sagt „daß die Problematik im Verhältnis von Politik und Heer, die unsere Epoche aufrollte, von der Armee letzten Endes nicht bewältigt worden ist" und „daß die Spannkraft und Wandlungsfähigkeit der Armee trotz allen Opfermutes der einzelnen nicht gereicht hat, diese Probe als Ganzes zu bestehen.“ Ja, der von uns untersuchte Zeitraum, der diese Problematik nach dem Ausbruch des Krieges und vor dem Beginn der eigentlichen Auseinandersetzungen in besonderer Schärfe aufrollte, ist vielleicht das eindringlichste Beispiel dafür!

Dennoch wäre es falsch, das Problem des Heeres zu isolieren. Die Frage nach der Entscheidung zwischen militärischem Gehorsam und politischer Verantwortung trifft nur einen Strang im Komplex der Probleme, die das Phänomen des Nationalsozialismus aufwirft. Daß dieses Regime sich bis zur Vollendung der Katastrophe halten konnte, ist nicht allein auf schuldhaftes Versagen dieser und jener Gruppe zurückzuführen, sondern hat auch weitgehend mit der Tatsache zu tun, daß weite Teile des Volkes dem Nationalsozialismus lange Zeit tief verfallen waren. Wir sind damit beim zweiten Problemkreis angelangt. 2. Nachdem sich eine Reihe von militärischen Führern in wichtigen Schlüsselstellungen einer Aktion versagt hatten, mußte sich der oppositionellen Heeresführung um so dringlicher die Frage stellen nach der Reife des deutschen Volkes für einen Staatsstreich in der Situation des Sieges über Polen und des ungebrochenen Nimbus seines „Führers“. Aus unserer heutigen Einsicht heraus glauben wir sagen zu können, daß der negtive Befund der von Halder vorgenommenen Analyse den Tatsachen entsprach und daß ein zum damaligen Zeitpunkt durchgeführter Staatsstreich mindestens zu einem Bürgerkriege geführt hätte, dessen Folgen vor allem im Hinblick auf die unsichere Haltung der Alliierten nicht abzusehen waren.

Wir haben gesehen, daß die Politiker der Opposition das Argument der mangelnden Reife im letzten nicht anerkannten, weil sie der Über-zeugung waren, daß man nicht länger warten dürfe und eine innere Lösung der Deutschen von Hitler am besten dann erreiche, wenn die äußere Befreiung von ihm vorhergegangen sei.

Beide Standpunkte, derjenige der militärischen und derjenige der politischen Opposition, haben ein Recht vor der Geschichte. Wenn wir aus der Erfahrung des voll durchlittenen Weges in die Katastrophe heute geneigt sind zu sagen, daß damals der Staatsstreich trotz der relativ geringen Chance vielleicht doch hätte versucht werden müssen, so ist das nur dann berechtigt, wenn wir uns der damals bestehenden Antinomie, der Entscheidung zwischen Szylla und Charybdis voll bewußt sind. „Hier liegt echte Tragik vor: die Tragik, daß es ebenso notwendig wie sachlich unmöglich war, ein politisches System von so ungeheurer politischer Dynamik, so breiter Fundierung in den Massen und so raffinierter technischer Sicherung wie den Nationalsozialismus durch einen bloßen Generalsputsch aus den Angeln zu heben — eine sachliche Unmöglichkeit“ die instinktiv auch Halder damals den Arm gelähmt hat

Anhang /Dokumente

Stempel Anlage zu H. Gru. Kdo. 2 Abt.... Nr. 112139 g. Kdos.

(handschriftlich)

4 Ausfertigungen 3. Ausfertigung Stempel ChefSache Nur durch Offizier Denkschrift über die Aussichten und Wirkungen eines Angriffs auf Frankreich und England unter Verletzung der Neutralität Hollands, Belgiens und Luxemburgs.

Ein militärischer Angriff auf Frankreich und England kann — wenn er die Lage Deutschlands verbessern soll — nur die Vernichtung aller Kampf-und Wirtschaftskräfte dieser beiden Länder zum Ziele haben. Denn beide Länder werden — von uns angegriffen — nur dann zum Frieden bereit sein, wenn sie keinerlei Möglichkeiten, weder auf militärischem noch auf wirtschaftlichem Gebiet mehr sehen, die zu ihren Gunsten entscheiden könnten. Die Zähigkeit, vor allem der Engländer, und auch der Franzosen im Schlepptau der Engländer, bürgen, wie ihr Verhalten im Weltkriege zur Genüge bewiesen hat, dafür, daß sie, wenn sie angegriffen werden, bis zum äußersten durchhalten. 1. Die militärischen Aussichten.

Das Ziel, die militärische Kraft Englands und Frankreichs so zu zerschlagen, daß sie zum Frieden bereit wären, ist nicht erreichbar. Es ist schon die erste Voraussetzung eines raschen Erfolges, die operative Überraschung, nicht gegeben. Weder Frankreich noch Belgien kann die Versammlung der Heeresgruppe B verborgen bleiben.

Belgien zieht schon jetzt — zu Beginn dieser Versammlung — namhafte Verstärkungen in Richtung Lüttich und nördlich heran und hat bereits heute über die Hälfte seines Feldheeres im Gebiet um Lüttich-Antwerpen stehen. Es wird die Festung Lüttich und das nordwestlich anschließende, stark befestigte Gebiet des König Albert-Kanals im Gegensatz zu 1914 nicht kampflos preisgeben. Es wird das deutsche Vorgehen nördlich des Hohen Venn über Aachen und durch Holland mindestens stark verzögern. Schon aus diesem Grunde kann ein deutscher Angrif! nicht mit Überraschung der Franzosen rechnen.

Die Franzosen selbst haben jetzt schon ihre Nordostgrenze gesichert und können aut 13 zweigleisigen Eisenbahnen die Masse ihres Heeres, die nicht eingesetzt, sondern frei verfügbar ist, in kürzester Zeit an die belgische und luxemburgische Grenze heran führen. In seiner Festungszone findet der Franzose eine starke Stütze. Sie ist gegenüber Luxemburg und dem Ostteil der Ardennen bis in die Gegend von Montmedy aufs stärkste ausgebaut und gibt weiter nordwestlich auch — in ihrem wahrscheinlich noch ungefertigten Zustand — so wie wir dies von den unfertigen Teilen unserer Westbefestigungen für uns erhoffen — den dort kämpfenden Truppen starken Halt.

Die gegenwärtig vor der Front der 1. Armee sichernden Feind-kräfte durch Angriff binden zu wollen, ist bei der Zusammensetzung und den Frontbreiten dieser Armee nicht möglich; zudem würde sich die dort sehr starke Maginotlinie gegenüber einem schwächlichen Angrif! auch mit schwachen Kräften halten lassen. Der deutsche Angriff, der schon durch das belgische Heer — die Haltung der militärisch nicht wertvollen holländischen Armee mag hier ganz offen bleiben — verzögert und in Anspruch genommen ist, trifft demnach spätestens an der französischen Grenze auf sicher gleich starke, wahrscheinlich überlegene infanteristische und artilleristische Kräfte in festungsmäßig ausgebauten Stellungen. Schon jetzt wird mehrfach bestätigt, daß französische Truppen von der italienischen Grenze nach Norden verschoben werden. Daß die belgische Armee im Falle des Bruches der belgischen Neutralität durch uns, an der Seite Frankreichs zu finden sein wird, muß als sicher angenommen werden.

Ob der Franzose im angenommenen Falle Belgien und Holland opfert, damit auf den Zuwachs durch die belgisch-holländische Wehr-kraft verzichtet und den Nachteil des operativ bedeutsamen Gebietsverlustes in Kaul nimmt, ist ungewiß. Es ist sehr wohl denkbar, daß er einem deutschen Angriff, schon um die flandrische Küste nicht zur feindlichen U-Boot-Basis werden zu lassen und eine Ausdehnung unserer Luftbasis zu verhindern, aut belgischem Gebiet entgegentritt; wo das geschieht, hängt in hohem Maße von der nicht voiherzusehenden Spannungsentwicklung vor Beginn des deutschen Angriffs ab.

Das Ergebnis kann in einem wie im anderen Falle nicht zweiielhait sein. Es wird bestimmt nicht zur Vernichtung des französisch-englischen Heeres, dem notwendigen Endziel führen. Möglich, daß örtliche Erfolge erzielt werden. Möglich auch, daß der Gegner da und dort aus seinen Stellungen geworfen wird. Möglich, daß die vereinigten französisch-englisch-belgischen Kräfte gezwungen wer- den, auf die französischen Befestigungen zurückzugehen und daß es dann noch zu weiteren Angriffen kommt. Keinesfalls aber wird sich die französische Führung — die nicht mit der polnischen verwechselt werden darf — vor diesen Befestigungen schlagen lassen. Einmal jedenfalls kommt der Erschöpfungszustand. Als General von Falkenhayn in der zweiten Hälfte des Septembers 1914 nach dem Rückzug von der Marne die Wiederaufnahme des Angriffs befahl, verhallte dieser Befehl ohne durchgreifende Wirkung. Die Folge ist der Stellungskrieg.

Man könnte dem die Erfolge unserer beweglichen Kräfte, insbesondere der Panzertruppe, in Polen entgegenhalten. Ein solcher Vergleich ist gefährlich. Ganz abgesehen davon, daß gerade die Panzerlruppe in ganz besonderem Maße von der jeweiligen Wetter-lage abhängig ist, darf die Hochwertigkeit der französischen Armee und ihrer Führung nicht unterschätzt und darf die Ausstattung des französischen wie des englischen Heeres mit Panzerverbänden und Panzerabwehrwaffen nicht vergessen weiden. Es steht kaum zu erwarten, daß die erwiesene Einsatzbereitschaft der Panzerwaffe ihr gegenüber den Westmächten den Schwung zu erhalten vermag, der sie im Osten von Erfolg zu Erfolg führte.

Die Luftwalfe soll gegenwärtig der vereinigten französisch-englischen Luftwaffe zahlenmäßig überlegen sein. Sie wird trotzdem, bei der Zähigkeit vor allem der Engländer, die Entscheidung allein nicht bringen können. Niemand kann England und Frankreich hindern, ihre Luftabwehr und ihre Luftwalfe immer stärker auszubauen und so die Wirkung von Luftangriffen mehr und mehr abzuschwächen. Es steht zu befürchten, daß der Luftkrieg, sofern wir die Initiative in der Hand behalten können, eine ähnliche Entwicklung nehmen wird, wie im Weltkrieg der U-Boot-Krieg und seine erfolgreiche Abwehr. Ob dem operativen Luftkrieg eine kriegsentscheidende Wirkung beigemessen werden darf, ist zumindest eine offene und durch keine Erfahrung beantwortete Frage. Als sicher darf jedenfalls unterstellt werden, daß es mit einigen kurzen, machtvollen operativen Luftschlägen nicht getan ist. So ist der Enderfolg eine Frage des Ersatzes an Personal und Gerät. Kann er nicht nur die zu erwartenden personellen und materiellen Ausfälle decken, sondern auch mit dem ebenso sicher zu erwartenden Kräftezuwachs, der dem Feind aus der ganzen Welt zufließen wird, Schritt halten?

Die Marine ist bei ihrer geringen Zahl von Seestreitkräiten nicht in der Lage, entscheidend in die Ereignisse einzugreifen. Daß auch der Besitz der flandrischen Küste zur Herbeiführung einer solchen Entscheidung durch den U-Boot-Krieg nicht genügt, hat der Verlauf des Weltkrieges gezeigt.

Dem Entschluß zum Angriff muß die Frage vorangestellt werden, was uns ein Angriff bringen kann. Er führt — wie dargelegt wurde — zum Stellungskrieg, entweder vor den französischen Befestigungen, oder schon auf belgischem Boden. Gibt man ihm von vornherein ein beschränktes Ziel — etwa zur Gewinnung oder Erweiterung unserer Basen für Luft-und U-Boot-Krieg — so wird damit dieser Stellungskrieg nicht vermieden, ohne daß sichere Grundlagen für den Endsieg gewonnen sind.

Man wird einwenden können, daß für einen Angriff — militärisch gesehen — jetzt der günstigste Zeitpunkt gegeben sei, weil der Engländer gegenwärtig im wesentlichen nur seine aktiven Truppen zur Verfügung habe, weil dem Feind täglich weiteres, neuzeitliches Kamplmaterial — auch von den Neutralen, — zuiließe und weil beide, Engländer und Franzosen, z. Zt. noch auf sich allein angewiesen seien. Diese Gründe sind — abgesehen von dem mit Sicherheit zu erwartenden Zuwachs der belgischen Wehrkraft — an sich zutreffend. Sie lassen aber außer acht, daß sich durch einen Angriff, der vom Angreifer weit höhere Opfer fordert als vom Verteidiger, das Kräfteverhältnis zu unseren Ungunsten verschlechtert. Unsere Angriffskraft wird erschöpft. Der Stellungskrieg wird uns aufgezwungen, und der zu erwartende feindliche Kräftezuwachs tritt im kommenden Frühjahr unter für uns ungünstigeren Bedingungen doch in Erscheinung. Daß ein langjähriger Stellungskrieg für uns schwere Nachteile mit sich bringt, hat der Weltkrieg zur Genüge dargetan.

An unsere Seite werden keine Verbündeten treten. Italien steht schon jetzt abseits. Rußland hat, was es wollte, durch unsere Waffen erreicht und hat damit wieder einen unmittelbaren Einfluß auf die Gestaltung Mitteleuropas gewonnen. Seine Haltung bleibt in Anbetracht der weiter bestehenden diplomatischen Beziehungen zu den Westmächten ungewiß. Je mehr wir uns selbst im Westen festlegen, um so freier wird der Russe in seinen Entschließungen. Auf der Seite unserer Gegner dagegen wird Belgien, im Laufe der Jahre wohl auch Nordamerika zu finden sein, und die Dominions werden keine Anstrengung unterlassen, ihr Mutterland kräftigst zu unterstüzen. Unsere Ersatzlage muß sich infolge des völligen Mangels an ausgebildeten Reserven — schon heute steckt in den nicht angriffsiähigen Divisionen 3. und 4. Welle ein erheblicher Hundertsatz an unaus gebildeten und ein noch höherer an kurz ausgebildeten Mannschaften! — sehr bald viel drückender und folgenschwerer gestalten, als dies schon im Weltkriege der Fall war.

Der Entschluß zum Angriff kann also doch wohl nur dann gefaßt Werden, wenn der Angriff für zwingend notwendig gehalten wird, also für uns keine andere Lösungsmöglichkeit mehr gegeben sein sollte. Hierauf soll später (vergl. Abschn. 4) eingegangen werden. 2. Die politischen Folgen.

Man kann sich des Gefühls nicht erwehren, daß England und Frankreich förmlich darauf lauern, daß wir ihnen den Gefallen erweisen, sie anzugreifen oder auch " nur die Neutralität Belgiens oder Hollands zu verletzen. Schon daß die Franzosen dem Beginn der — selbstverständlich längst erkannten — Versammlung der Heeresgruppe B tatenlos zusehen, beweist, wie willkommen ihnen dieser Angriff wäre.

Mit ihm haben England und Frankreich sofort das, was ihnen bisher fehlt, die zugkräftigste Parole, die man sich denken kann: Die Verteidigung des Vaterlandes — und sei es auch nur die des belgischen: Kein Franzose wird sich dieser Parole entziehen: jeder wird für die Heimat kämpfen, sobald sie auch nur durch das Eindringen deutscher Truppen in Belgien bedroht erscheint.

Nichts kommt den Kriegstreibern Englands erwünschter als ein Angrif! unsererseits, mit dem sie uns dann als die dauernden Unruhestifter Europas brandmarken können. Mehr denn je wird der Ruf nach der Erledigung dieses Unruhestifters erschallen — und gehört werden!

Der Bruch der Neutralität Belgiens muß Belgien in die Arme Frankreichs treiben. Frankreich und Belgien haben dann einen gemeinsamen Feind: Deutschland, das zum zweitenmal innerhalb eines Vierteljahrhunderts über das neutrale Belgien herfällt! Deutschland, dessen Regierung die Achtung dieser Neutralität vor wenigen Wochen feierlich beteuerte. Daß es in diesem Falle durchaus denkbar ist, daß Frankreich dem Belgier sofort mit starken Kräften beisteht, es also bereits au! belgischem Boden zu schweren Kämpfen kommt, wurde im Abschnitt 1) schon angeführt.

Wenn Deutschland die von seiner Regierung in feierlicher Form anerkannte Neutralität Hollands, Belgiens und Luxemburgs kurzerhand bricht, so muß das auch diejenigen Neutralen Staaten zur Abkehr vom Reich bringen, die der deutschen Sache vielleicht heute noch mit Sympathie gegenüberstehen. Das Reich, das schon mit militärischer Hilfe Italiens und Rußlands nicht rechnen kann, wird — auch wirtschaftlich — mehr und mehr isoliert werden. Insbesondere wird sich Nordamerika, dessen Bevölkerung solchen Parolen gegenüber besonders empfänglich ist, den Einflüssen Englands und Frankreichs geneigter zeigen.

Frankreich und England werden bei einem Angrifi unsererseits an Blut sparen, was ihnen — besonders Frankreich —, wenn es schon zum Kriege kommt, äußerst erwünscht sein muß. Der opierschwere Angrifi bleibt uns zugeschoben, die kräfteersparende Verteidigung dem Gegner vorbehalten. Frankreich gewinnt einen Vorteil von schwerwiegender bevölkerungs-und innenpolitischer Bedeutung.

Im eigenen Volk wird der Angrifi größte Enttäuschung auslösen.

Wir dürfen uns keiner Täuschung darüber hingeben, daß schon die gewaltsame Lösung der polnischen Frage in der Masse des deutschen Volkes keinen Widerhall gefunden hat, und daß schwer an den dort gebrachten Opfern — mögen sie prozentual auch als erträglich bezeichnet werden — getragen wird. Wer die innere Anteilnahme der Bevölkerung an den Siegen des Jahres 1914 miterlebt hat, muß über die Teilnahmslosigkeit, mit der weite Kreise des Volkes 1939 die kriegerischen Ereignisse im Osten verfolgte, nachdenklich werden.

Die Disziplin des deutschen Volkes und sein unzerstörtes Vertrauen zur Friedensliebe des Führers hat es den polnischen Krieg willig ertragen lassen. Nun aber — nach seiner Beendigung — beherrscht eine tiefe Sehnsucht nach Frieden das ganze Volk. Wer die Stimmung im Volke kennt, kann nicht anders berichten. Gerüchte, die umlaufen, daß der Führer wohl den Frieden wolle, daß aber die Generale zum Kriege hetzten, weil sie so die Stellung der Armee gegenüber der Partei festigen zu können glaubten, müssen — bei aller Unsinnigkeit — als System gewertet werden.

Der Angriff auf Belgien, oder durch Belgien aui Frankreich bedeutet die Fortsetzung des Krieges. Er wird den Kampfwillen des Volkes nicht zusammenschweißen, sondern aufspalten. Solche Spaltung wird nur zu schnell auch in die Truppe hineingetragen werden!

3. Die wirtschaftlichen Folgen.

Es bedarf kaum der Beweisführung, daß ein deutscher Angriff, der, wie schon ausgeführt wurde, zum Stellungskrieg, — und zwar für uns im freien Felde — mit ineinander verbissenen Fronten führen muß, erheblich höhere Anforderungen aui allen Wirtschaftsgebieten stellt, als dies bei abwartender Haltung und etwaiger Annahme eines Feindangriffes in den Westbefestigungen der Fall sein würde. Hier braucht nur an die Bedürfnisse der bdaterialschlacht erinnert, sowie darauf hingewiesen zu werden, daß wir bei abwartender Haltung nicht unerhebliche Teile der Wehrmacht entlassen und dem Wirtschaftsleben wieder zuführen könnten.

Unsere wirtschaftliche Lage wird sich um so schwieriger gestalten, wenn — wie zu erwarten — der Neutralitätsbruch gegenüber Holland und Belgien einen ungünstigen Einfluß auf die Haltung anderer neutraler Staaten ausübt, und — die russische Haltung beeinflußt.

So dürften gerade die Vorbereitungen auf einen Wirtschaftskrieg, auf den England, wenn der Kriegszustand bestehen bleibt, in k ei• n e m F a 11 e verzichten wird, fordern, daß keine militärischen Operationen eingeleitet werden, die unsere Lage außenpolitisch und damit auch wirtschaftlich verschlechtern müssen, daneben aber zugleich eine erhöhte Beanspruchung unserer Wirtschaft bedeuten. 4. Die Lage bei abwartender Haltung.

Bleibt das deutsche Heer, wie bisher, an der Westgrenze des Reiches mit Gewehr bei Fuß in dem für die Abwehr eines Angriffs notwendigen Umfange bestehen, so ist es unangreifbar. Jeder Angriff würde dem Feind schwerste Opfer kosten, und doch unsere Abwehrbereitschaft nicht zerschlagen können. Es kann keinen militärischen Sieg Englands und Frankreichs geben.

'Das wissen auch Franzosen und Engländer. Auch sie werden abwarten, hoffend, daß wir ihnen den Gefallen aussichtslosen Angriffs erweisen.

Die abwartende Haltung wird uns gestatten, der deutschen Wirtschaft die personellen und materiellen Kräfte zur Verfügung zu stellen, die sie braucht, um die notwendige Erzeugung für einen lang andauernden Krieg überhaupt sicherstellen zu können.

Das deutsche Volk wird erkennen, daß wir nur durch die unnachgiebige Haltung Englands gezwungen werden, im Kriegszustand zu verharren. Es wird die Zwangslage begreifen und seine seelischen Kräfte anspannen, die mit ihr verbundenen Entbehrungen zu ertragen. Es wird im Falle eines feindlichen Angriffs wissen, daß es um die Verteidigung der Heimat geht.

Endlich, und das ist wohl das wesentlichste, behält die Führung des Reiches die Armee völlig intakt als größten Machtfaktor für jede weitere Verhandlung in der Hand. Sie kann zu keinen ungünstigen Friedensbedingungen gezwungen werden.

A CERT 1FIED TRUE COPY — End — Ich bestätige hiermit die Uebereinstimmung vorstehender Abschrift mit dem mir vorliegenden Dokument NOKW 3433.

Nürnberg, den 20. Mai 1948 gez. Dr. Hans Laternser Abschrift.

v. Leeb Dok. Nr. 33 Der Oberbefehlshaber der Heeresgruppe C H. Q., den 31. 10. 1939 Lieber Herr v. Brauchitsch!

Eben war der gestern angekündigte Kurieroffizier bei mir.

Es drängt mich in dieser schicksalschweren Zeit Ihnen nochmals zu sagen, wie sehr ich Ihnen die Verantwortung nachfühle, die auf Ihnen lastet. Vielleicht hängt das Schicksal des gesamten deutschen Volkes in den nächsten Tagen von Ihnen ab. Denn in der gegebenen Lage ist wohl der Oberbefehlshaber des Heeres an erster Stelle beruien, seine Auffassung, hinter der der gesamte Generalstab und alle denkenden Teile des Heeres stehen, in aller Form zur Geltung zu bringen.

Ich möchte hoffen, daß auch die Oberbefehlshaber der beiden anderen Wehrmachtsteile sich dieser schweren Schicksalsstunde nicht verschließen.

Die militärischen Gründe, die gegen die Absichten des Führers sprechen, sind klar.

Wir können allein schon wegen unserer Ersatzlage nicht durchhalten. Es ist gegenwärtig, wo noch keine wesentlichen Ersatzaniorderungen bestehen, schon schwierig, die eingezogenen überalterten Soldaten zu entlassen. Die vielfach überalterten Ofiiziere (E., Z. V. und Beurlaubtenstand) können überhaupt nicht ersetzt werden.

Das Schwert hat nicht die Schärfe, die der Führer wohl annimmt. Die vorhandenen Scharten, vor allem die Verwässerung des Offizierkorps, müssen sich daher rascher und stärker auswirken als dies im Weltkrieg der Fall war. Es fehlt an allen Ecken und Enden. Wenn man allerdings nur an der Oberfläche herumplätschert, merkt man dies nicht so. Eben wird mir über einen Artillerietruppenteil gemeldet, — ein Beispiel für viele andere — daß er eine größere Gefahr für die eigenen Truppen als für den Gegner bedeutet.

Ich halte es für ein gegenwärtig nicht zu erreichendes Ziel, Engländer, Franzosen und Belgier militärisch zu vernichten. Denn nur dann wenn sie vernichtet sind, werden sie, im Angriffsfalle, zu einem Frieden bereit sein.

Die Erfolge im Osten mit den Wunschgedanken im Westen in Beziehung zu bringen, würde ein verhängnisvolles Abweichen von der Wirklichkeit sein.

Auf politischem Gebiet haben wir doch Polen als Faustpfand in der Hand. Wenn dies den Gegnern nicht paßt, denn mögen sie doch angreifen.

Das gesamte Volk ist von einer tiefen Friedenssehnsucht erfüllt. Es will den drohenden Krieg nicht und steht ihm ohne jede innere Anteilnahme gegenüber. Wenn die Parteistellen etwas anderes berichten, dann halten sie mit der Wahrheit zurück. Das Volk erwartet sich jetzt den Frieden von der Politik seines Führers, weil es wohl ganz instinktiv fühlt, daß eine Vernichtung Frankreichs und Englands nicht möglich ist und weiterreichende Pläne daher zurückgestellt werden müssen. Als Soldat muß man das Gleiche sagen.

Wenn der Führer jetzt unter einigermaßen annehmbaren Bedingungen dem gegenwärtigen Zustande ein Ende bereiten würde, wird dies kein Mensch als Zeichen der Schwäche oder des Zurückweichens auslegen, sondern als ein Erkennen der wahren Machtlage. Das Zugeständnis einer Autonomie für die Tschechei und das Bestehen-bleiben eines Reststaates Polen würde wohl auf volles Verständnis beim ganzen deutschen Volk stoßen. Der Führer würde dann nicht nur vom ganzen deutschen Volke, sondern gewiß auch von weiten Teilen der Welt als Friedensfürst gefeiert werden.

Ich bin bereit, in den kommenden Tagen mit meiner Person voll hinter Ihnen zu stehen und jede gewünschte und notwendig werdende Folgerung zu ziehen.

Stets Ihr ergebener (gez.) Lb NOKW-511 S Abschrift Abschrift von Abschrift.

Der Oberbefehlshaber Chefsache H. Qu., den 31. 10. 39.

An den Herrn Oberbefehlshaber des Heeres Persönlich.

Als Oberbefehlshaber einer Heeresgruppe halte ich mich für verpflichtet, zu der beabsichtigten Angriffsoperation durch Belgien-Holland folgendes zur Sprache zu bringen, wobei ich alle politischen Fragen, als nicht zum Verantwortungsbereich des Soldaten gehörend, übergehe.

1 .) Die geplante Operation kann eine kriegsentscheidende Wirkung nicht haben.

Das Kräfteverhältnis gibt zahlenmäßig für einen Vernichtungserfolg gegen die verbündeten Heere keine Unterlage. Es könnte ausgeglichen werden durch den höheren Wert der Führung und der Truppe.

Der Führung sind die wesentlichsten Vorbedingungen für einen Erfolg: die Möglichkeit der Überraschung des Gegners und die Aussicht zu einer Operation gegen seine Flanke und Rücken zu kommen, von vornherein genommen. Selbst ein nodh so großer Aniangseriolg kann nichts daran ändern, daß die aus engsten Raum frontal angesetzte Operation aller Voraussicht nach in einen Frontalkampt vielleicht an der Somme endet. Auf das Risiko dieser Operation angesichts der Wahrscheinlichkeit einer franz. Gegenoffensive aus südwestlicher und südlicher Richtung will ich gar nicht eingehen, weil schließlich ohne größtes Risiko ein Erfolg nie zu erreichen sein wird.

Was die Überlegenheit der Truppe angeht, so kann sie gegenüber den Belgiern und Holländern ohne weiteres angenommen werden, gegenüber Franzosen und Engländern dürfte sie sich aber auf die aktiven Divisionen beschränken. Auf ihnen beruht heute und in absehbarer Zeit allein die Angriffskraft des Heeres. Sind sie verbraucht, so fehlen sofort die ausgebildeten Reserven, sind die Ausfälle an Offizieren und Unteroffizieren überhaupt nicht mehr zu ersetzen. Daß der Angriffsschwung einer Truppe sofort erlahmt, wenn die Oifiziere ihr nicht mehr in genügender Zahl den Halt geben und ihr vorangehen ist eine alte Erfahrung, die der poln. Feldzug erneut erhärtet hat. Wie demnach der innere Wert der Truppe heute anzusehen ist, wie er nach schweren Kämpfen aussehen wird, kann man beurteilen, wenn man sich die schon zu Kriegsbeginn zahlen- mäßig unzureichende Besetzung mit aktiven Offizieren vergegenwärtigt und dazu die Verluste in Polen (bei H. Gru. Süd über 1 300 Offiziere) in Rechnung stellt.

Daß die neu ausgestellten Divisionen heute wirklichen Angriffswert haben, daß sie ihn mangels eines jungen und gut ausgebildeten Offizier-und Unteroffizierkorps in kürzester Frist erreichen könnten, wäre eine Illusion.

Es kommt hinzu, daß die Angriffsmittel, die uns eine Überlegenheit geben könnten, die Luftwaffe und die Panzerwaffe aus Gründen der Witterung wie des Geländes mehr oder weniger lahm-gelegt oder in der Schnelligkeit ihrer Bewegungen gehemmt sein werden. Ein Heer zu einer nur durch Schnelligkeit überhaupt zu gewinnenden Operation anzusetzten, wenn etwa die Luftwaffe aus Witterungsgründen ausscheiden sollte, halte ich für nicht angängig. Dabei bleibt noch zu berücksichtigen, daß der Franzose seine Überlegenheit, die starke Artillerie, auch in der jetzigen Jahreszeit zum Tragen bringen kann.

Die Hemmung der Führung durch Fortfall der Überraschungsmöglichkeit den Gegner in Flanke und Rücken zu treffen, die erst für einen Teil des Heeres gegebene vollwertige Angriffskraft (die mit dem schnellen Aufbau zwangsläufig zusammenhängt), die vermutlich teilweise Lahmlegung gerade der Mittel, die unsere Überlegenheit begründen, sind Faktoren, die dem entscheidenden Erfolg engegenstehen. Daß er trotzdem erreicht werden könne, weil etwa das franz. Heer nicht kämpfen werde, ist eine Annahme, für die von mil. Standpunkt die Unterlagen fehlen. 2 .) Die Operation müßte trotzdem geführt werden, wenn ein Teilerfolg gegen die verbündeten Kräfte und der Gewinn eines Stücks der Kanalküste, die Aufnahme des Kampfes der Luftwaffe und der Flotte gegen England entscheidend beeinflussen könnte. Hinsichtlich der Flotte hat der Weltkrieg bereits das Gegenteil bewiesen. Ihre durchschlagende Wirkung setzt den Besitz der nordfranz. Küste bis zum Atlantik voraus.

Hinsichtlich der Luftwaife wird der Besitz eines Stückes von Holland oder Belgien die Offensiv-Wirkung in gewissem, kaum aber in entscheidendem Umfange erhöhen. In defensiver Hinsicht sind z. Zt. das neutrale Holland und Belgien ein guter Schutz des Ruhrgebietes. Wenn die Gegner sich dieser Basis hätten bemächtigen wollen, so hatten sie während des poln. Krieges dazu die beste Gelegenheit. Sie haben es nicht getan. Ob wir bei einem Angriff jetzt, wo Belgien abwehrbereit gegen uns mit allen seinen Kräften steht, wo die iranz. -engl. Kräfte zum Einmarsch an der belg. Grenze bereitstehen, diese Basis ganz erobern werden, steht nach dem unter 1) gesagten dahin. Gelingt es nicht, so ist unsere Luftlage gegenüber dem derzeitigen Zustand verschlechtert.

Wenn wir eine Hoffnung auf Versagen der franz. Armee setzen wollen, so dann, wenn diese gezwungen wird, nach Belgien oder gegen den Westwall anzugreifen.

Wenn wir über Belgien Frankreich bedrohen, wird der franz. Soldat seine Pflicht tun. Dann aber ist auch der Gewinn der erstrebten Luftbasis in Frage gestellt. 3 .) Führt die Operation nicht zu einem Ergebnis, das entweder dem Lande eine Entscheidung gegen Frankreich herbeiführt oder wenigstens einen kriegsentscheidenden Vorteil für den Ansatz der Luftwaffe gegen England bringt, so ist zugleich die Angriffskraft des Heeres für einen nidit entscheidenden Teilzweck verbraucht. Daß sie nicht zu ersetzen ist, habe ich in Zifi. 1) betont.

Ein angriffsfähiges Heer wird aber bei langer Kriegsdauer für die Entscheidung auf dem Festland immer der ausschlaggebende Faktor sein. Man kann nicht außer Acht lassen, daß es die Vorbedingung der deutsch-ruß. Freundschaft ist. Rußland hat in Zukunft weder von England noch von Frankreidi Entscheidendes zu fürchten. Es wird aber in Deutschland stets einen möglichen und gefährlichen Gegner sehen. Es wird daher unseren vollen Sieg gegen England nur zulassen, solange die Furcht vor dem deutschen Heer es dazu veranlaßt. Sobald die Angriffskraft des Heeres verausgabt ist und der Russe nicht mehr mit einer deutschen Offensivmöglichkeit gegen sich rechnen zu müssen glaubt, werden wir mit allen Möglichkeiten zu rechnen haben. 4 .) Nachdem, wider Erwarten, England und Frankreich in den Krieg eingetreten sind, bleibt m. E. keine Wahl, als sich auf einen längeren Krieg einzustellen. Das bedeutet, daß man die entscheidenden Kräfte nicht für halbe Ziele einsetzen und verausgaben darf. Es bedeutet ferner, daß man so operieren muß, daß der sicher nicht allzu starke Kriegswille der Franzosen auf Proben gestellt wird, denen er nicht gewachsen ist. Es muß m. E. also darauf ankommen, zunächst dem Gegner den Angriff zuzuschieben.

Daß einmal, wenn sich unsere Luftkriegführung gegen England stärker bemerkbar macht, dieses den Einmarsch in Belgien erzwingen wird, auch wenn der Franzose nicht will, ist anzunehmen — Je eher wir den Gegner dazu zwingen können, desto besser, da um so geringer dann die Zahl der engl. Divisionen sein wird. Unsere Aussichten sind aber besser, wenn wir die gegen den Willen der Belgier in Belgien einrückenden Gegner im Bewegungskampf treffen, als wenn wir in der ungünstigsten Jahreszeit das abwehrbereite belg. Heer erst über den Haufen rennen müssen, während dadurch der Feind die Zeit gewinnt, ohne jeden belgischen Widerstand den Weg zur belg. Ostgrenze zu durchmessen, bzw.seinen Gegenangrift von Süden in voller Ruhe aufzubauen, während wir unsere Kräfte im Vorgehen nach Westen mit schlecht geschützter Südflanke festlegen.

Ich würde es also für richtig halten, vorerst mit den gesamten mot. Verbänden und den für den ersten Einsatz nötigen übrigen Kräften an der belg. Grenze angriffsbereit zu bleiben, im übrigen mit allen Mitteln die Neuauistellungen des Heeres auf die Höhe zu bringen, die Munition für höchsten Einsatz bei langer Operationsdauer zu fertigen.

Der belg. Regierung wäre neben der Zusicherung der Achtung ihrer Neutralität, solange sie gewillt ist, sie nach beiden Seiten mit allen Kräften zu verteidigen und diese Verteidigung durch entsprechende Vorbereitung und Kräfteverteilung sicherzustellen, klar zu machen, daß jeder widerstandslos hingenommene franz. -engl. Einmarsch nicht nur den sofortigen deutschen Einmarsch, sondern die Vernichtung der belg. Städte durch die deutsche Luftwaffe zur Folge haben würde.

M. E würde dadurch zwar ein einige Stunden nach dem feindl. Einmarsch in Belgien erfolgendes Antreten des deutschen Heeres in Kauf genommen werden müssen, dafür aber der Vorteil eingetauscht, das franz. Heer vor eine Aufgabe zu stellen, die nicht dem geringen Kriegswillen des franz. Volkes entspricht und eine im Großen bessere operative Lage gewonnen.

Daß das Abwarten für den Soldaten keine erwünschte Aufgabe ist, brauche ich nicht zu betonen. Daß es nicht ins Endlose von uns ausgedehnt werden kann, bis England zu Lande und in der Luft seine Lücken aufgefüllt hat, ist sicher. Nachdem das Heer Polen niedergeschlagen hat, wird es nun Aufgabe der Luftwaffe und Flotte sein, England zu zwingen, den Schritt zu tun, der am ehesten Frankreich von ihm trennen wird, nämlich das übergehen zum Angriff zu Lande.

Militärisch gesehen kann der Krieg gegen England nur zur See bzw. in der Luft gewonnen werden. Er kann auf dem Festland aber nur verloren werden, Wenn wir die Angrifiskraft des Heeres ohne Entscheidung verbrauchen. Ein Behaupten des im Osten Errungenen aber, bis die Gegner kriegsmüde werden, käme schon einem Siege, gleich dem des siebenjährigen Krieges, gleich.

Darüber hinaus aber wird der Augenblick der siegreichen Entscheidung auf dem Lande gekommen sein, sobald wir den Gegner zum Angiifi zwingen.

Dies, nicht das Einsetzen unserer Heeres-Angriffskraft unter ungünstigen Bedingungen für ein nicht entscheidendes Ziel ist m. E. zur Zeit die Aufgabe der Wehrmachtskriegführung.

Der Oberbefehlshaber der 12. Armee, Gen. -Oberst List ist vor einigen Tagen mit der gleichen Auffassung und der Bitte sie zu vertreten an mich herangetreten. Ich stelle anheim, auch ihn zu hören. Den Oberbefehlshaber der 16. Armee habe ich dienstlich mit diesen Erwägungen nicht befaßt, weil angesichts der befohlenen Operation der Gedanke des Zweifels an ihrer Zweckmäßigkeit in keiner Weise nach unten in Erscheinung treten darf.

Die Verantwortung der höchsten mil. Befehlshaber zwingt aber m. E. dazu, so schwerwiegende Bedenken zur Sprache zu bringen.

Die Erfolge in Polen erheben das Heer und seine Führung über den Verdacht, nicht das Höchste wagen zu können, oder nicht mit vollstem Einsatz an jede Aufgabe heranzugehen.

Generaloberst . . .

Berlin, den 18. 7. 42.

Für die Richtigkeit der Abschrift gez. Köhler Oberst Document No. NG-5786 OFFICE OF CHIEF OF COUNSEL FOR WAR CRIME (page 1 of original)

H. De PINNA 1, FELIX WILLIAM and GRAIN, JOHN VENN of the City of London Notary Public duly admitted and sworn practising in the said City Comerford & Co. do hereby certify and attest 38, Gresham House Old Broad St, E. C. 2 That on the day of the date and at here ot betöre me personally came and appeared House The Right Honourable ROBERT GILBERT Whitehall, S. W. 1 Baron VANSITTART, the Declarant named Telephones:

and described in the hereunto annexed Declaration, Wall 2906 who signed the same in my presence Whitehall 1496 and by solemn declaration which he then Jbhn Venn made betöre me he did solemnly and sincerely F. C. Giles declare to be true the several matters and F. W. Grain things mentioned and contained in the said John M. Dimond. Declaration.

English postage stamp In Testimony where of I have hereunto set my hand and aftixed my Seal ot Office in the (Seal):

City of London aforesaid this twelfth-day of Felix William Grain August one thousand nine hundred and fortyeight.

Notary Public (Original Signatare:) F. W. GRAIN Notary Public London, (page 2 of original)

1, The Right Honourable ROBERT GILBERT Baron VANSITTART, G. C. B., G. C. M. G., M. V. O., Privy Councillor and a formet Permanent Under-Secretary ot State tor Foreign Affairs, of Denham Place, Denham in the County of Bucks, England. DO SOLEMNLY AND SINCERELY DECLARE as follows: —

THAT I became acquainted with the brothers Theodor and Erich Kordt betöre the war in London,. Though 1 did not see much of these men at the time, 1 received further Information from reliable British and German sources on their political attitude and activity, 1 do not consider the Kordt brothers to be dangerous Nazis or profoundly evil men, although I believe they were members of the SS. But 1 had reason to regard them, both as unreliable and essentially time-servers, plausible and therefore the more dangerous. They served Hitler and Ribbentrop until the Nazi tyranny was clearly beaten,. Till then they remained on what seemed to be the winning side and never showed any real intention of breaking with the Nazi tyranny, although they knew what that tyranny was going to do. Thus, when war broke out, Theodor Kordt talked to some ot my iriends of suicide-, yet, though it would have been easy for him to remain in Britain to fight the Nazi tyranny, he went out and be came German Minister in Berne. His brother Erich also remained in the German Diplomatie Service till the end, though he had every Chance to quit while holding Office abroud. (page 2 of original cont'd)

During my conversations with the Kordts 1 never had any Impression that they really intended to take action against the regime or that they were associated with any persons or groups who would do so. 1 do not in iact recollect from my conversations with the Kordts even a hint on their part that would have carried any weight. On the contrary 1 remember them as opponents of a British gurantee to Poland, on some fantastic ground that the guarantee would provoke Hitler. This made a bad Impression on me, (page 3 of original)

because I was a strong advocate of our guarantee to Poland and only wished that it had been given sooner and could have been more effective. 1 had moreover other reasons to believe that the Kordt brothers were in reality advocates of German eastward expansion. On one occasion Theodor Kordt actually urged the advisability of letting the Nazi regime ‘exhaust itself“ in this männer — a Suggestion obviously incredible on the part of anyone truly opposed to Hitler. 1 see no reason to believe that the Kordt brothers used their official positions in the German Foreign Service to Sabotage Ribbentrop's policy. 1 am astonished to hear that Erich Kordt was entrusted with an important position in German Youth education at Munich University.

AND THAT 1 always considered, and I still consider, Barpn von Weizsäcker the chief executant of Ribbentrop's policy. 1 can recall nothing that made me believe or suppose that Baron von Weizsäcker used his official position to hinder these calamitous courses. To the Best ot my recollection he was never mentioned or reported to me os being a convinced and active Opponent of Nazi policy, though such opponents of Nazi policy as Dr. Gördeler came from Germany to London to see me and talked to me confidentially with frankness.

AND I MAKE this solemn declaration conscientiously believing the same to be true and by virtue of the provisions of the Statutory Declarations Act 1835.

(original Signatare:) VANSITTART DECLARED AT NO. 41, Whitehall in the City of London, England, this 12th day ot August 1948, Betöre me — (original Signatare:) F. W. GRAIN Notary Public, London.

A CERTIFIED TRUE COPY — END — TRANSLATION OF DOCUMENT NO. NG 5786 A OFFICE OF CHIEF OF COUNSEL FOR WAR CRIMES Uebersetzung aus dem Englischen.

H.de Pinna Ich, Felix William Grain, öffentlicher Notar und der City von London, in gehöriger Form zugelassen Venn und vereidigt, in der genannten City Vereinigt mit praktizierend, beglaubige und bescheinige Comerford & Co. hierdurch, daß am Tage des Datums hierunter Notare vor mir persönlich der Sehr Ehrenwerte London Robert Gilbert Baron Vansittart erschien, der 38. Gresham House in der hier angehefteten Erklärung genannte Old Broad st. e. c. 2. und nachher bezeichnete Deklarant, der dieselbe in in meiner Gegenwart unterzeichnete und Whitehall House, zu der er durch eine dann vor mir abgegebene Whitehall S. W. I feierliche Erklärung feierlich und aufrichtig aussagte, daß die verschiedenen in der genannten Erklärung erwähnten und enthaltenen London Wall 2906 Whitehall 1496 Angelegenheiten und Dinge wahr seien. John Venn. Zum Zeugnis dessen habe ich dies handschriftlich C. Giles, unterschrieben und mit dem Siegel F. W. Grain, meines Amtes in der vorgenannten City von John M. Dimond. London versehen an diesem 31. August Eintausendneunhundertachtundvierzig. (Stempelmarke)

Siegel gez. F. W. Grain Oeffentlicher Notar London TRANSLATION OF DOCUMENT NO. NG: — 5786 A CONTINUED (Seite 2 des Originals)

Ich, der Sehr Ehrenwerte Robert Gilbert Baron Vansittart, G. C. B., G. C. M. G., M. V. O., Geheimer Rat und früherer Ständiger Unter-staatssekretär für auswärtige Angelegenheiten von Denham Place, Denham in der Grafschaft Bucks, England, erkläre hiermit feierlich und aufrichtig, was folgt:

Daß ich seit meiner statuarischen Erklärung vom zwölften August Eintausendneunhundertachtundvierzig in Betreff der Brüder Kordt einige der Behauptungen gesehen habe, die Herr Theo Kordt für Freiherrn von Weizsäcker vorgebracht hat. Es wird der Versuch gemacht, eine unverantwortliche Legende aufzubauen, die im Interesse der Geschichte widerlegt werden muß.

Die ganze Grundlage meiner Haltung gegenüber Deutschland war die Ueberzeugung, daß dort eine wirkliche und wirksame Opposition weder bestand noch bestehen würde. Diese meine Annahme wurde durch die Ereignisse vollauf gerechtfertigt und darf nicht durch nachträgliches Gerede in einer Zeit verdunkelt werden, in der die meisten Deutschen auf Verdeckung ihrer Nazi-Vergangenheit bedacht sind.

Ich hörte verschiedene Gerüchte von verschiedenen Generälen, die immer vorhatten, etwas zu tun, was sie niemals taten. Ich hatte Kenntnis davon, daß die Aktionen Hitler's in gewissen deutschen Kreisen eine gewisse Unruhe erregten, die sich niemals in eine Aktion umsetzte. Hätte ich jemals hoffnungsvoll nach einer Widerstandsbewegung in Deutschland gesucht, so würde ich doch nicht auf eine solche im deutschen Auswärtigen Amt gerechnet haben. Und wenn ich irgendwelche Illusionen dieser Art gehabt hätte, so würde ich doch nichts von Seiten der Brüder Kordt gerechnet haben. Auch diese beiden Annahmen bewahrheiteten sich. Weder der deutsche auswärtige Dienst im allgemeinen, noch die Brüder Kordt im besonderen taten irgend etwas. Irgendwelche nachträglichen Behauptungen von ihrer Seite über einen delikaten Heroismus sind deshalb ein Mythos. Ebenso wenig kann ich mich an irgendeine aktive Widersetzlichkeit von Seiten Weizsäckers erinnern. Ich war immer bereit, jedermann, anzuhören, der eine, wenn auch noch so nebelhafte Möglichkeit von Widerstand gegen Hitler, erkennen ließ. So habe ich Dr. Gördeler volles Gehör gegeben, den ich für aufrichtig, mutig und ohne Grund hoffnungsvoll hielt. Er bezahlte seine Illusionen mit seinem Leben. Niemand könnte die Brüder Kordt zu derselben Kategorie gerechnet haben; sie blieben bequem im Nazi-Dienst.

Herr Theo Kordt spricht fortwährend von „der deutschen Opposition*, ohne diese jemals genau zu beschreiben oder auf Einzelheiten einzugehen. Daran tat er klug, da sie sich niemals verwirklichte. Es ist deshalb eine Unverfrorenheit, hier von der „Aufrechterhaltung einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen der deutschen Opposition einerseits und der britischen Regierung andererseits“ zu sprechen.

Ebenso ist es eine Fiktion, mir in den Mund zu legen, daß ich es für ihn und seinen Bruder für besser gehalten hätte, auf ihren Posten zu bleiben. Weder ich noch meine Freunde dachten so. Als es klar wurde, daß die Kordt's beide auf jeden Fall darauf erpicht waren, ihre Karriere unter dem Nazi-Regime fortzusetzen, verdienten sie selbstverständlich keine weitere Beachtung oder Interesse. Die einzigen Mitteilungen, die ich späterhin von einem der Kordt's erhielt, stammten von Herrn Theo Kordt, der mich nach dem endgültigen deutschen Zusammenbruch um irgendeine persönliche Vergünstigung bat. Ich habe dies ignoriert.

Und ich gebe diese feierliche Erklärung ab in der gewissenhaften Annahme, daß dieselbe wahr ist, und auf Grund der Vorschriften des Statutory Declarations Act 1835.

Erklärt in Nr. 41 Whitehall in der City von London, England, an diesem 31. August ig 48 gez. Vansittart Vor mir — gez. F. W. Grain Oeffentlicher Notar London Ende des Dokuments.

Ich, Margot Lipton, No. A. 65633, versichere, daß ich mit der deutschen und englischen Sprache vertraut bin und daß das Obige eine wahrheitsgemäße und korrekte Uebersetzung von Dokument No NG — 5786 A ist.

Margot Lipton A 65633 — Ende —

EXHIBIT No. 453 Weizsäcker Doc. No. 496 Seal of the House of Lords September 30th 1948.

1, the Earl of Halifax, K. G., presently residing at Garrowby, Buckthorpe, York, do state and declare that 1 was formerly Secretary of State for Foreign Affairs from February 1938 to December 1940; and that 1 received from Dr. Theo Kordt the original of the letter dated July 29th, 1947, a true copy of which is attached, and made a part of this Statement, together with a copy of the photostat thereto attached, and that on August 9th 1947, 1 replied to this letter of July 29th. A true copy of my reply is also attached to this Statement and made a part hereof; the facts stated in Kordt's letter to me and contained in my reply thereto, I hereby confirm as true:

s/Halifax Subscribed and sworn by the Earl of Halifax on the 3Oth day of September, 1948, betöre me.

sf— H. Ware At the City of York. A Commissioner for Oaths.

(page 2 of the original)

COPY Munich, July 29th, 1947.

My dear Lord Halifax, Eight years nearly have elapsed since I last met you on that sinister September Ist, 1939, when we said good bye to each other.

We knew in that tragic moment that Hitler and his henchmen had made the second world war inevitable, in spite of all efforts that had been made by the British Government and those German patriots who tried up to the last moment to restore the conceptions of honour and integrity amongst nations.

In a memorandum which the State Department in Washington had asked me to submit, 1 described in outline the efforts that had been made by both sides. This memorandum was, as far as 1 know, brought to your knowledge. 1 was given to understand by the State Department that — as you were at the time in official Position — you did not want to add for the moment any Comment.

Uniortunately a Situation has now arisen which makes it necessary for me to address myself to you personally. Yesterday, in a Dena zification Court, my brother Erich has been formally charged of being a „major oiiender“ in the technical sense of the clearance procedure in force in the American Zone of occupation. The State Department in Washington, öfter careful Investigation had issued to him a certificate of which 1 enclose a phototatic copy. The Denazification Court requires, however, additional testimony of active resistance for the years 1938 and 1939 in which both my brother and 1 have been in dose confidential contact with British authorities in Order to frustrate on behalf of the German Opposition Hitler's war policy, an attitud^ which, as anybody acqainted with Gestapo methods will admit, involved considerable personal risks. You will remember that the Information 1 gave you and Sir Robert Vansittart on Hitler's plans and moves in these terrible years of crisis came all from my brother Erich, who held a key Position in the Opposition group. My brother happened to be at that time in the Foreign Office in Berlin. His loyalty did not belong to the Nazi-regime but to the German people and to the idea of European peace and international decenxy. May 1 recall that 1 informed you on September 5th 1938 of the impending attack on Czechoslovakia. In 1938 and 1939 I was in dose (some times daily) contact with the Chief Diplomatie Adviser to H. M. Government, Sir Robert Vansittart. My brother came several times personally to London, notwithstanding the obvious risks for his saiety in Order to inform Sir Robert personally of the impending danger on the international horizon. Sir Robert assured me that he would pass this informalion to you at once, e. g. of Hitler's plans to come to an agreement with the Soviet Union, the negotiations between Hitler and Mussolini for an alliance and the advice from the German Opposition to put pressure on Mussolini in Order to refrain his partner from the pursuance of his bellicose policy. 1 think 1 need not inlarge on iurther details of our plans which tragically failed in their Object.

I know that it may be unusual for British authorities and Personalities to comply with the request of a Denazification Court, but you will understand that 1 must do everything to give the true Impression of my brothers activities and attitude, l am sure that your personal devotion to the principle of justice would not allow that an evident misjudgment be rendered. I therefore ask you most respectfully to be good enough to confirm that my brother Erich, under whose instruclions on behalf of the Opposition 1 did all the steps known to you, “ has given proof of active resistance to the criminal Nazi policy.“

(page 3 of the original)

The German Denazification Court has decided to approach the F. O. via the American Military Government in the matter. But as the official channel may involve a very considerable delay, and as the case is a rathet urgent one, it would be very kind indeed it you could let me have directly a letter from you in the sense indicated above. Allow me to expreß my deepest gratitude for any help that you might give me.

Fortunately 1 have not to trouble you in my own case, as I have already been „cleared'under the Provision of the British Military Government Ordinance No. 79. The Faculty of Law of the University of Bonn (Rhineland) has decided to confer upon me a lectureship for International Laws.

Believe me, My dear Lord Halifax ad. Dr. Theo Kordt Bad Godesberg, Rhineland-British Zone Jahnstraße 37. (Page 4 of the original)

Address Official Communications to Stamp:

The Secretary of State, For Victory buy Washington, 25 D. C. United States War Bonds & Stamps Crest DEPARTMENT OF STATE WASHINGTON December 28, 1945 To Whom It May Concern:

Dr. Erich Kordt, recently Minister of the German Embassy in China is being taken to Nuremberg under Charge of the War Department. Kordt a key figure in the anti-Nazi Opposition associated with the plot of July 1944, will probably be used as a witness in the War Crimes Prosecution. For this reason and because of Information he has given the Department of State has an interest in Kordt and in his disposition after completion of testimony.

(signed) James W. Riddleberger Chief, Division of Central European Afiairs COPY OF PHOTOSTAT EXHIBIT No.

Weizsäcker Doc. No. 496 (page 5 ot the original)

Telegrams: Bishop Wilton August 9th, 1947. Dear Dr. Kordt, 1 have your letter oi July 29th. Oi course 1 remember very well the iniormation that came to me through Lord Vansittart in those days betöre the War, and that he said reached him from your brother. You will no doubt have been in communication with Lord Vansittart direct.

1 cannot doubt that in so acting your brother took very great risk and in so doing gave very practical evidence ot his active Opposition to the criminal policy ot Hitler.

1 return the photostat that you sent me.

Yours sincerely, s/Halitax Dr. Theo Kordt, Bad Godesberg, Rhineland—British Zone, Jahnstraße 37, GERMANY — End — DOCUMENT BOOK 1 E WEIZSÄCKER Document Weizsäcker No. 370 Exh. No. Military Policy with regard to the activities after the failure ot the present peace drive. 1.

It is England that opposes peace. This Opposition must be broken, by either a) a direct attack on England, or b) by Splitting off France On no account should England get additional allies.

A d a: In Order to be succesful, the direct attack on England on the sea and in the air would have to be considerably intensified. The military agencies would have to judge how far the intensified utilization oi arms would be effective from a military viewpoint, and the political leadership on whether the military effect would be in an appropriate proportion to the political effects.

Without wanting to anticipate the proper military judgement, the following is an accomplished fact in my opinion.

1. The submarine and surface commercial war, in consideration oi the present number of warships, is not able to interfere with the British supplies from overseas to such an extent as to compel Great Britain to assume a conciliatory attitude, even of enemy and neutral ships are sunk without warning. The German submarine building program will be able to meet the requirements only after a considerable time.

2. The war in the air against the British supplies from overseas can likewise not be conducted effectively this winter..

3. Even a Combination oi points 1 and 2, meaning the intensified war on the sea and in the air against the British sealanes would be inadequate to-day. Any such waging of the war must be undertaken with sufficient means and with lightning speed unless it peters out.

4. In consideration oi the struciure oi Great Britain, airraids on the vital targets on land would not give much hope tor dealing a deadly blow to Great Britain.

Apart irom the military reasons there are also political Viewpoints which forbid the starting of the unlimited war by submarines and in the air in the near fulure. This männer of warfare would force the neutral seafaring States into the arms of Great Britain. The USA would presumably soon disrupt their relations with us. Psychological and material reverses similar to those of 1917/18 would be unavoidable as a consequence of the unrestricted submarine war. For this reason we would make new enemies without being in the possession of arms which would force Great Britain to her knees.

Ad b) For Splitting off France from Great Britain by force and to induce her to conclude. a separate peace, an offensive against France on land would be necessary. According to my information, the success oi a frontal offensive along the border between Germany and France would come too costly. An offensive through Belgium would perhaps result in bringing this country into our hands, but would not open the road for an entry into France. We would only have a new, just a long and only much weaker defense-line than we have to-day. The extension oi the war theatre would benetit only France and not us. Both methods — the frontal and the flanking attack — will not lead to the military target and would only awaken the fighting spirit of the French Citizen and saldier which is still dormant to-day. Whether the possession of Belgium would actually be indispensable and decisive in the war in the air against Great Britain, must be lest open.

From political viewpoints, the entry in Belgium would earn us only all the disadvantages with which we are sufficiently acquainted irom the year oi 1914 II.

Obviously, our strength lies in the defense. It is nearly impregnable. It gives us the wanted military security. It saves our material. It helps us to keep the neutral groups intact.

Our enemies will hardly want to run up against the Siegfriedline.

But it they lose their nerves and attempt an offensive through neutral countries, the disadvantages would be theirs. An offensive through Switzerland is out o! the question, according to military opinions, but an ofiensive through Belgium is possible. In this war, the Belgian people has little friendship for Germany, but on the other hand, the attachment to France is not great enough for them to offer their country as a war theatre. If the Western powers invaded Belgium, the German entry from the other side would be a matter ot course and easier than it would have been otherwise. As to politics, the neutrals would side with us.

II the enemy does not commit the grave error oi violating the neutrality in a serious männer, then we can hope that the constant inactivity of a defense on both sides will slowly weaken the will to fight in France until it dies. And that would open the road to peace. in.

The decision on whether we better remain on the defensive in the West or start an ofiensive after the conclusion of the Poland compaign is a matter of politics to a large extent.

An offensive would be imperative if it is expedient to bring the war to a speedy end. But there is no promise for such a success. The risk and the political effects would not be in harmony with each other. The defensive öfters certain prospects for peace. It goes without saying that the defensive is also a test of our nerves as well. Nevertheless, with Poland we have a pawn in our hands, while the enemy still has to procure such a pawn.

The ofiensive would be the beginning oi the slruggle for life or death. And the third parties would have the last laugh. The defensive still leaves us the possibility of a negotiated peace. Pending developments, 1 believe that the defensive should be maintained.

Document Book 1 E WEIZSÄCKER Document WEIZSÄCKER No. 370 Exh. No.

Handwritten:

Having received information that a general offensive with a Invasion of Luxembourg, Belgium and Holland was being prepared in the beginning or in the middle of November, 1 submitted a brief memorandum to Herr von RIBBENTROP on 12 October -39, in which 1 discussed the military plans for the six winter months from the political viewpoints and in particular advised agaist the invasion of the three neutral countries.

On 12 October we had a Conference on this matter during which Herr von RIBBENTROP briefly mentioned the reasons pro and con, but spoke dispassionately, saying that täte must not be provoked or something to that effect. He also was of the opinion that the CHAMBERLAIN Speech of 12 October ofiered a suitable starting point for further peace talks, until the Führer, in the evening, gave vent to an opposite opinion.

Since 1 had no discussions any more in the mean-time, but received information about the plan of the offensive which became more and more definite, to-day in Dahlem, in the house of the Minister, I again led the conversation to this topic and emphasized my previous Statements. But 1 soon found that Herr von RIBBENTROP was not inclined to go deeper into this matter. He said that my memorandum was a concept which was similar to the terminology oi the Anglo-French piopaganda, which, if considered closely, did not want us to strike betöre the spring oi 1940 when the full war production of Great Britain would become effective on the continent. The reproach oi being a defeatisl sounded again as in the fall of 38. Herr von RIBBENTROP talked about h i s responsibility which 1 had better leave to him. " We will not discuss this matter any more. * 1 countered with the remark that I was sorry to hear this because 1 was in the possession of arguments whidi were important in my opinion but could not be discussed in such haste, ot course.

Herr von R 1BBERTROP concluded our conversation with a gesture which unmistakably expressed his disire not to be bothered any longer with this matter.

Accidentally Herr GAUS witnessed this incident.

26 October 39.

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— Protokolle und Dokumente in der Forschungsstelle des Instituts für Völker-recht an der Universität Göttingen — Internationales Militärtribunal Fall 12: Prozeß gegen Leeb und andere („OKW-Prozeß“) (Urteil am 27. Oktober 1948)

— Protokolle und Dokumente in der Forschungsstelle des Instituts für Völker-recht an der Universität Göttingen — Das persönliche Kriegs-Tagebuch des Generalobersten Franz Halder, Chef des Generalstabes im Oberkommando des Heeres (OKH). Privatbesitz Halders. (Neuerdings von der Forschungsstelle des Instituts für Völkerrecht an der Universität Göttingen fotokopiert. — Auszüge lagen den Nürnberger Prozessen vor.) Nürnberg-Dokumente (C-, L-, NG-. NOKW-, PS-) aus der Forschungsstelle des Instituts für Völkerrecht an der Universität Göttingen Report on conversations at the Vatican and in Rome between November 6th and 12th. 1939. — Im Besitz der Europäischen Publikation München — Gedrucktes Material Briefe von Neville Chamberlain, des englischen Premierministers von Mai 1937 bis zum 3. Oktober 1940, in: Keith Feiling, The life of Neville Chamberlain, London 1947., Documents on British Foreign Policy 1919— 1939, Third Series. Volume II. London 1949 ff.

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Das dienstliche Tagebuch des Generalmajors Jodl, Chef des Wehrmachtsführungs-amtes im Oberkommando der Wehrmacht (OKW).

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Persönliche Mitteilungen des Generalobersten Franz Halder.

Persönliche Mitteilungen Dr. Hasso von Etzdorfs, nach Ausbruch des Krieges Verbindungsmann zwischen Auswärtigem Amt und Oberkommando des Heeres. Mitteilungen einer Persönlichkeit, die an den Verhandlungen über den Vatikan 1939/40 in wichtiger Funktion beteiligt war, aber ungenannt bleiben muß. (Im Text als Quelle X zitiert.)

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Fussnoten

Fußnoten

  1. Jodl-Tagebuch vom 25. Okt. 1939.

  2. Halder-Tagebuch vom 27. Okt. 1939; vergl. auch Greiner, a. a. O., S. 65.

  3. Gisevius, Bis zum bitteren Ende, Bd. 2, S. 131 ff.; Bestätigung der Fakten durch persönl. Mitteilg. Halders.

  4. Halder-Tageb. vom 3. Nov. 1939.

  5. Halder-Tagebuch vom 3. Nov. 1939.

  6. Jodl-Tagebuch vom 31. Dez. 1939 (Bl. 30 d. Fotokopie).

  7. Die folgenden Ausführungen stützen sich auf Gisevius und die dazu durch Halder gegebenen Ergänzungen oder Berichtigungen.

  8. Gis., Bd. 2, S. 131/32; das hier notierte Datum des 31. Okt. ist deswegen unwahrscheinlich, weil die von Gis. auf den 2. Nov. datierte Unterredung Thomas-Halder mit Sicherheit erst am 4. Nov. stattfand, wie das Halder-Tgb. auswei — General Georg Thomas war als Leiter des Wehrwirtschaftsund Rüstungsamtes ein Fachmann von höchster Qualifikation. Er war ein entschiedener Gegner dieses Krieges, der mit dem Angriff im Westen nun erst richtig beginnen sollte. Ob er dazu ein Gegner Hitlers und seines Regimes aus der Substanz war, ist schwer auszumachen. Sein Ort innerhalb des Widerstandes ist am besten so bestimmt, daß wir ihn pointiert als Gegner dieses Krieges bezeichnen, den er aus dem Wissen seines Amtes als katastrophal für Deutschland ansah. Diese Ansicht vertraten allerdings Halder, Stülpnagel und besonders Bede auch, aber bei diesen ist mit Sicherheit zu sagen, daß ihr zentrales Motiv zur Opposition tiefer lag. — In Anmerkung 67 auf S. 225 schreibt Rothfels, a. a. O., zu Halder: „Erst recht tritt die Enge des ressortmäßigen Widerstandes hervor in: Franz Halder, Hitler als Feldherr (München 1949). Dieses Urteil gilt z. Teil auch für das Buch von Peter Bor, Gespräche mit Halder, das „kolportageartig aufgemacht", „noch die Luft der Nürnberger-und Spruchkammer-Auditorien" atmet (Zeller, a. a. O. S. 307). Beide Werke sind aber als Beurteilungsgrundlage Halders unzureichend. Auch das von Zeller, a. a. O., S. 307 zitierte Urteil Schachts über Halder kann nur mit Vorsicht ausgenommen werden; die „konsequente Linie“, die Schacht an Halder vermißt, hatte er selbst am wenigsten, über die Skepsis Hassells (und Goerdelers) Schacht gegenüber hatten wir schon berichtet; hingewiesen sei noch auf Hassells Bemerkung zu Schacht in seinem Tagebuch Seite 114.

  9. Mittig. Quelle X.

  10. Gis., a. a. O., Bd. 2, S. 131.

  11. Greiner, a. a. O„ S. 67.

  12. Halder-Tagebuch vom 5. November 1939.

  13. Von der befohlenen Dokumentenvernichtung blieb anscheinend nur die besprochene Denkschrift von Etzdorf/Kordt bewahrt. — Die Darstellung nach persönlicher Mitteilung Halders.

  14. E. Kordt, a. a. O., S. 357; Halder kann sich allerdings nicht an das dort Berichtete erinnern. Die von Zeller a. a. 0., S. 315, in Anmerkg. 111 gegeben? Version aus dem Berghof am 5. Nov. ist falsch; Hitler ist am 5. Nov. nicht auf dem Berghof gewesen, auch weiß Halder nichts von einer solchen Meldung eines Generals.

  15. Greiner, a. a. O., S. 68/69.

  16. Persönliche Mitteilung Halders. Eine Bestätigung der politischen Erkundungstätigung Fellgiebels findet sich in anderem Zusammenhang einer Notiz des Halder-Tagebuches vom 7. März 1940.

  17. Gisevius, a. a. 0., Bd. 2, S. 136.

  18. Gisevius, a. a. O„ Bd. 2, S. 140; ich habe über diesen Vorschlag bereits berichtet.

  19. Halder-Tagebuch vom 7. November 1939.

  20. Dok. NG 1727.

  21. Erich Kordt, a. a. O., S. 373.

  22. Die folgende Darstellung beruht auf den Aussagen des damaligen deutschen Botschafters von Brüssel, Bülow-Schwante, im Wilhelmstraßenprozeß, Pr. 9872 ff; in Weizsäckers „Erinnerungen" finden sich auf S. 272 nur drei Sätze darüber.

  23. Aussage Warlimonts, Fall 12, Pr. 6345; Aff. von Bargen, dem ehemaligen Botschaftsrat an der Brüsseler deutschen Botschaft, Dok. Warlimont 104 in DB 5 Wart Vertg. S. 64/65.

  24. Aussage Bülow-Schwante’s, Fall 11, Pr. 9875.

  25. Siehe Kreuzverhör Bülow-Schwantes durch Dr. Kempner, Fall 11, Pr. 10046— 48.

  26. Dok. NG 1727.

  27. So berichtete C. -Evans Theo Kordt am 16. Dez. in Bern = Aussage Theo K.'S, Fall 11, Pr. 12 161.

  28. Gis., a. a. O., Bd. 2, S. 142 ff., 154 ff.; Isa Vermehren, Reise durch den letzten Akt, S. 178; W. Hagen, Die geheime Front, S. 40 ff.; E. Kordt, Nicht aus den Akten, S. 373/74; Ciano-Tagebuch vom 9. November.

  29. Jodl-Tageb. v. 9. Nov.; Halder-Tageb. v. 9. Nov.

  30. Erich Kordt, a. a. O., S. 374.

  31. Bei Greiner, a. a. O., S. 67 f. in indirekter Rede zitiert: „Nach dem Weggange des Generalobersten gab der Chef OKW der Vermutung Ausdruck, daß mangelnde Angriffsfreudigkeit und Anzeichen ungefestigter Disziplin vielleicht bei den älteren Jahrgängen, die noch den Weltkrieg mitgemacht hätten, in Erscheinung getreten sein könnten. Hitler erwiderte darauf in anhaltender großer Erregung, daß er ja seit Jahren gedrängt habe, die mittleren Jahrgänge — den sog. Weißen Block (Jahrgänge, die bei allgemeiner Wehrpflicht in den Jahren 1919— 1934 zum Wehrdienst eingezogen worden wären) — rechtzeitig wenigstens einer kurzen Ausbildung zu unterziehen, daß sich dem aber — wie überhaupt allen seinen weit-vorausschauenden Plänen — der Mann entgegengestellt habe, der vom ganzen Heere aufs höchste verehrt und von Generaloberst von Brauchitsch eben noch in einer alles Maß überschreitenden Weise glorifiziert worden sei, der Generaloberst von Fritsch.“

  32. Greiner, a. a. O., S. 68.

  33. Jodl-Tageb. vom 10. Nov.; siehe auch Jodl-Tageb. vom 9. und 11. Nov., ferner Halder-Tageb. v. 9. Nov.

  34. Dok. NOKW -511/8, in Göttingen als Fotokopie vorhanden.

  35. Gisevius, a. a. O„ Bd. 2, S. 141/42.

  36. Die Darstellung der Fahrt von Oster und Gisevius zu Witzleben bei Gis., a. a. O„ Bd. 2, S. 140/42. Das von Gis. angegebene Datum des 8. Nov. ist unsicher. Am 7. Nov. erhielt das OKH die Weisung, daß die Bewegungen anzuhalten seien und keinesfalls vor dem 9. wieder anlaufen würden; Gis. berichtet von einem alarmierenden Anruf, der, während sie bei Witzleben sitzen, die Verschiebung der Marsch-bewegungen und der Verlegung des Armeequartiers um 72 Std. anordnet. Dieser Anruf muß noch am 7. gekommen sein; dann entspricht nämlich auch die Angabe der Verschiebung um 72 Stdn.den sonst belegten Tatsachen. Als eine Bestätigung des tatsächlich erfolgten und von Gis. dargestellten Besuches bei Witzleben kann folgende Notiz im Halder-Tageb. vom 14. Nov. angesehen werden: „Witzleben will mich sprechen." Für die historische Richtigkeit der von Gis. verzeichneten pessimistischen Lagebeurteilung durch Witzleben spricht auch die Tatsache, daß dieser Bericht der sonstigen Tendenz von Gis. widerspricht. — Nach Angabe von Gis. hatte Oster bei dem Stabschef der Heeresgruppe C mit seiner Bitte, Witzleben für eine Reise nach Berlin freizugeben, und den dafür notwendigen andeutenden Begründungen nur Entsetzen hervorgerufen. Was Gis. nicht berichtet, ist die Tatsache, daß Oster bei seinem Frontbesuch einen Aufruf Becks offen liegen ließ (vermutlich bei der Heeresgruppe C). Davon wurde Halder sofort unterrichtet.

  37. In der „Weisung Nr. 8 für die Kriegsführung“ ist neueingeführt der Befehl zur Besetzung des holländischen Raumes bis zur Grebbe-Maas-Linie und der vorgelagerten westfriesischen Inseln, und die Anordnung, die Möglichkeit schneller Verlagerung des Schwerpunktes von der HGr B zur HGr A (Stoß auf Sedan) sicherzustellen. Zitiert bei Greiner S. 95 und 93.

  38. Hassell, a. a. O., S. 106.

  39. Persönl. Mitteilung Halders.

  40. Aussage Halders, Fall 12, Pr. 1870 f.

  41. Aussage Halders, Fall 12, Pr. 1870.

  42. Dok. 789 -PS, S. 11.

  43. Dok. 789 -PS, S. 8.

  44. Dok. 789 -PS, S. 9.

  45. Dok. 789 -PS, S. 12.

  46. Im Halder-Tageb. vom 23. Nov. ist notiert: „ObdH und ich, . Geist von Zossen'— (Krisentag!).“

  47. Hassell, a. a. O., S. 106.

  48. Hassell, a. a. O„ S. 109.

  49. Dieses Gespräch ist gut bezeugt. Eine Darstellung stammt von General Thomas, dessen bisher unveröffentlichte Niederschrift vom 20. Juli 1945 von Zeller, a. a. O., S. 316 zitiert wird. Im Halder-Tageb. wird berichtet: „Popitz, Schacht — Thomas ObdH.“ Die Darstellung von Goerdeler bei Hassell a. a. O., S. 104— 106 kann, obwohl Goerdeler keine Quelle angibt, mit der von Thomas gegebenen Schilderung identifiziert werden. Die Gründe, die Halder nach Goerdeler hier für das Gehorchen anführt, sind eine Wiedergabe der Argumente von Brauchitsch, mit denen er nach außen zu operieren pflegte, ohne daß mit Bestimmtheit gesagt werden könnte, daß sie tatsächlich seiner innersten Überzeugung entsprachen. Dies nach Mitteilung Halders. — Daß bei Halder nur die Namen Popitz und Schacht, bei Thomas aber -noch Goerdeler, Beck, Oster stehen und Schacht fehlt, läßt sich ohne Schwierigkeit erklären: Thomas nannte nur die Namen, von deren Wirkung er sich am meisten versprechen konnte.

  50. Wir geben hier die Darstellung Goerdelers, wie sie Hassell berichtet (Hassell, a. a. O., S. 105). Sie ist pointierter, liegt unmittelbar nach dem Ereignis und hat zudem einen aufschlußreichen Kommentar Hassells, während Thomas'in konzentrierter Form abgefaßter Bericht erst 1945 niedergeschrieben wurde.

  51. Siehe Thomas-Niederschrift, Anmerkung 3, S. 121.

  52. K. Feiling, a. a. O., S. 424/25.

  53. Aussage Theo Kordts, Fall 11, Pr. 12 161.

  54. Hassell, a. a. O., S. 106. Das Gespräch fand am 28. November statt.

  55. Aussage Theo Kordts, Fall 11, Pr. 12 161.

  56. Hassell, a. a. O., S. 116.

  57. K. Feiling, a. a. O., S. 427/28.

  58. K. Feiling, a. a. O., S. 425.

  59. Über die Ciano-Rede und ihre Wirkung: Ciano-Tageb. vom 16., 17., 26. Dez.;

  60. Hassell, a. a. O„ S. 112/113. Die Unterredung fand am 27. Dez. 1939 statt.

  61. Hassell, a. a. O., S. 115.

  62. Hassell, a. a. O., S. 113/14.

  63. Persönliche Mitteilung Halders.

  64. Pers. Mitteilung Halders; Hassell, a. a. O., S. 119; Zeller, a. a. O„ S. 316, Anmerkung 111 (ohne Angabe der Quelle).

  65. Das auch von Zeller, a. a. O., S. 47, erwähnte Gespräch wird im folgenden nach Mitteilungen Halders an den Verfasser referiert.

  66. Zeller, a. a. O., S. 47; Schlabrendorff, a. a. O„ 2. Auflage, S. 61.

  67. Ciano-Tageb. vom 5. Januar 1940.

  68. Hassell, a. a. O., S. 119/20.

  69. Hassell, a. a. O„ S. 372 ff.

  70. Hassell, a. a. O„ S. 376 ff.

  71. Hassell, a. a. O., S. 385 ff.

  72. Siehe Verweis des Herausgebers der Hassell-Tagebücher, a. a. O., S. 120: „(Vergl. Anhang Grundgesetz Art. 2 Ziffer)“. Die letzten Wurzeln gehen bis auf die Jahre 193 8/39 zurück.

  73. Hassell, a. a. O., S. 382.

  74. Hssell, a. a. O„ S. 380— 82.

  75. Hassell, a. a. O., S. 373/74.

  76. Hassell, a. a. O„ S. 378/79.

  77. Hassell, a. a. O„ S. 120.

  78. Hassell, a. a. O., S. 10.

  79. ebenda, S. 90; zuerst wird als Titel zitiert: „Steins organischer Staatsgedanke".

  80. Das wird besonders deutlich in seinen Verfassungsplänen; dafür Hauptquelle:

  81. Hassell, a. a. O., S. 120; siehe dazu Hans Rothfels, a. a. O., S. 123/124.

  82. Hans Rothfels, a. a. O., S. 124/25 mit Bezug auf Hassell S. 141 (für unseren Zeitraum).

  83. Quelle für die folgende Darstellung ist die Aussage Bischof Berggravs, Fall 11, Pr. 8601 ff., sein Statement mit den beigebrachten Dokumenten = Weizs. Dok.

  84. Dieses Statement wurde später, am 8. Februar, mit Genehmigung von Halifax unter „Letters to the Editor" in der Times veröffentlicht; daraus sind die zitierten Sätze entnommen. Die Fotokopie der Times als Appendix 1 im Weizs. Dok. Nr. 2, S. 6.

  85. Weizs. -Dok. Nr. 2 in DB 1 a Weizs. Vertg., S. 2 des Originals.

  86. Aussage Berggravs, Fall 11, Pr. 8608.

  87. Weizs. Dok. Nr. 2: der norwegische Originaltext dort als Appendix 2; die deutsche übersetzung auf S. 9, die englische auf S. 3 von Dok. Nr. 2.

  88. Weizs. Dok. Nr. 2 in DB la Weizs. -Vertg., S. 9.

  89. Da die Ereignisse in den Monaten Febr. /Mai in besonderer Weise ineinandergreifen, ist eine dironologische Unterteilung unzweckmäßig.

  90. Siehe Seite 360.

  91. Vornehmlich pers. Mitteilungen aus Quelle X (siehe Quellenverzeichnie 1II/3); pers. Mitteilungen Halders, ergänzt durch sein Tagebuch; Aufzeichnungen Chr. v. Dohnanyi; 2 Dementis des Osservatore Romano v. 1. und 11. /12. Febr. 1946; Hassell-Tgb. S. 138/39, 144/45. Ferner: Abshagen, Canaris, S. 248/49, S. 264; Gis. II, 127, 132, 180, 200/201. 3a) Dr. Müller war nach dem Kriege bis 1952 bayrischer Justizminister.

  92. Nachweisbar schon vor November 1939, wie es sich durch Mitteilungen aus Quelle X bestätigt. Ob die Sondierungen allerdings schon während des Polenfeldzuges begannen — wie Abshagen, Canaris, Seite 248/49 behauptet — ließ sich nicht erweisen.

  93. Dr. Josef Müller selbst hat sich nach dem Kriege nur sehr vorsichtig und zurückhaltend über seine Tätigkeit am Vatikan geäußert. Einen Grund dafür führte er in seiner Zeugenaussage im Huppenkothenprozeß vom 14. 10. 1952 selbst an: „Die Fairneß gebiete es, solange zu schweigen, wie andere Partner gewisse Punkte auch nicht veröffentlichten". (Telegraf, Berlin, den 15. Okt. 1952.) Ein anderer Grund dürfte in den durch den Soltikow-und Huppenkothenprozeß (Herbst 1952) gegen Müller aufgestachelten politischen Leidenschaften, die schließlich zu seinem Rücktritt als Justizminister führten, liegen. Die für unseren Zusammenhang ergiebigsten Äußerungen Müllers finden sich in einem Rundfunktvortrag von ihm im NWDR, der im Auszug bei G. Weisenborn, Der lautlose Aufstand, S. 241/42 veröffentlicht ist. Einen guten Einblick in die Art der Tätigkeit Müllers v o r und neben den durch den Vatikan vermittelten Verhandlungen gewährt der „Report on conversations at the Vatican and in Rome between November 6th and 12th, 1939". ein Dokument mit Berichten Müllers nach Berlin, das sich in Händen der „Europäischen Publikation in München befindet und noch nicht zur Veröffentlichung freigegeben ist. An der Rekonstruktion des sog. X-Berichtes arbeitet zur Zeit noch die . Europ. Publikation" unter General von Witzleben.

  94. „Report on conversations at the Vatican and in Rome between November 6th and 12th, 1939“, S. 22/23.

  95. Aussage Quelle X.

  96. General v. Witzleben von der „Europäischen Publikation“ bat während eines Amerika-Aufenthaltes von Oktober 1953 ab versucht, im Pentagon Einblick in das Zossener Aktenmaterial zu bekommen und dort auch nach dem X-Bericht zu fahnden.

  97. Persönliche Mitteilung Halders.

  98. Dr. J. Müller in seinem Rundfunkvortrag, bei Weisenborn a. a. O., S. 241. Vgl.

  99. zu Hassell, Hassell-Tagb. zum 3. April, a. a. O„ S. 145; zu Oster vgl. Anm. 40 auf Seite 3 57 dieser Arbeit.

  100. Hassell-Tageb. zum 3. April, a. a. O., S. 144/45; der Bericht Müllers ist wahrscheinlich erst in der 2. Märzhälfte in Berlin eingetroffen; es wird in ihm auch von der Unterredung zwischen dem Papst und Ribbentrop gesprochen, die am 11. März in Rom stattfand.

  101. Begründung folgt.

  102. Diese und die folgende Darstellung nach persönlicher Mitteilung Halders.

  103. Diese Datierung erscheint gesichert durch eine Notiz im Halder-Tageb. vom 4. April 1940: „Gen. Thomas: Einblick in Nachrichtenmaterial". Diese Notiz wird ergänzt durch die Eintragung Hassells zum 3. April, a. a. O., S. 145: „Zunächst sollte vorgestern (angesichts der Ablehnung meines Besuchs) Th. (Thomas) selbst H. (Halder)

  104. An die Formulierung „wenn möglich auch des nationalsozialistischen Regimes“

  105. Quelle X.

  106. Im Dementi des Osservatore Romano vom 11. /12. Februar 1946 heißt es: „Ugual-

  107. Quelle X.

  108. Wahrscheinlich hat auch die Kenntnis der Mitteilung Vansittarts an Goerdeler eine Rolle gespielt: „So leicht werde jetzt die alte Reichsgrenze im Osten nicht mehr durchzusetzen sein“. (Hassell-Tageb. vom 13. Februar a. a. O., S. 122.) Diese Nachricht ließ ja noch Möglichkeiten offen.

  109. Quelle X.

  110. Darstellungen nach pers. Mitteilungen Halders. Halder kannte damals Dr. J. Müller weder persönlich noch dem Namen nach.

  111. Gisevius, a. a. O„ S. 201.

  112. So Müller in seinem Rundfunkvortrag, siehe Weisenborn a. a. O. S. 241 f.

  113. Hassell, a. a. O., S. 123/24.

  114. Hassell, a. a. 0., S 124/25. -Sumner Welles scheint sich im übrigen selbst einigen Illusionen hingegeben zu haben; vgl. dazu das Tagebuch Cianos vom 16. und 19. Marz 1940 sowie die Bemerkungen von Chamberlain „I got the strong Impression that he appreciated our vital need for security, and if Hitler did not disappear he would have to give up most of what Nazism Stands for. The odd thing was that he seemed to think there was just a chance -1 in 10 000 he put it -that he could be brought to that point" K. Freiling, a. a. O„ S. 429).

  115. Weizs. Vernehmung Fall 11, Pr. 7932 ff.; Sumner Welles, Time for decision, S. 101.

  116. Ciano-Tagebuch vom 19. März.

  117. Jodl-Tagebuch vom 19. März.

  118. Ciano-Tagebuch vom 11. März.

  119. Hassell a. a. O„ S. 145, Jodl-Tagebuch vom 26. März 40.

  120. Als terminus ante quem ist nach der Tageb. -Notiz Hassells (a. a. O., S. 143) der 3. April anzusetzen. Als terminus post quem der 17. März (Halder-Tageb. vom 17. März, Hassell-Tgb. zum 18. und 19. März, a. a. O., S. 140). Für die Darstellung wurden außer den Tagebüchern Halders und Hassells persönl. Mitteilungen Halders verwertet.

  121. Schluß aus den Nadir., die Hassell für diese Zeit in seinem Tagebud gibt. Dazu Mitteilungen Halders.

  122. Halder bestätigte: Die Ausführungen von Dr. Goerdeler hätten in keiner Weise die Kenntnis des X-Berichtes vermuten lassen; die Lektüre des X-Berichtes habe keinen Zusammenklang mit den von Goerdeler vorgetragenen Gedanken gezeigt.

  123. Es sei hier erinnert an die Mitteilung Vansittarts an Goerdeler, daß die alte Reichs-grenze im Osten jetzt nicht mehr so leicht zu erreichen sei, Hassell a. a. O., S. 122;

  124. Tagebuch zum 18. und 19. März, Hassell a. a. O., S. 140/41.

  125. Darstellung nach persönl. Bericht Halders.

  126. Hassell, a. a. O., S. 133.

  127. Hassel], a. a. O., S. 143; Halder rekapituliert den Inhalt in folgender Zusammenfassung: „Das Heer wird seine Pflicht tun; wenn es sein muß, auch gegen Hitler". — Der Brief ist in die Hände des SD gefallen.

  128. Hassell, a. a. O., S. 150.

  129. Hassell, a. a. O., S. 145.

  130. Dulles, a. a. O., S. 86.

  131. Hassell, a. a. O„ S. 126 ff. und 146 ff. Hassell hat hier seine Sondierungen ausführlich dargestellt, eine Wiederholung erübrigt sich.

  132. Hassell, a. a. O., S. 147/48.

  133. Der nach Fertigstellung dieser Arbeit erschienene sehr aufschlußreiche Artikel des damaligen Gesprächspartners von Hassell J. Lonsdale Bryans in VfZ 1, 1953, 374 ff., bestätigt unsere Auffassung vollauf.

  134. Die Hoffnungen, welche sich an die Komplikationen in Nord-Norwegen knüpften, waren nur von kurzer Dauer.

  135. So zitierte Müller seine damalige Mitteilung im Huppenkothen-Prozeß; nach dem Verhandlungsbericht des " Tagesspiegel“ vom 15. Okt. 1952.

  136. Siehe Werner Conze in seinem Literaturbericht über „Die Deutsche Opposition gegen Hitler" in: Politische Literatur, 5/6, 1953, S. 210.

  137. Hans Herzfeld, Das Problem des deutschen Heeres 1919— 1945.

  138. Hans Herzfeld, Das Problem des deutschen Heeres 1919— 1945, S. 24.

  139. Gerhard Ritter, Goerdelers Verfassungspläne in: Nordwestdeutsche Hef. e, 9/1946, Seite 11.

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