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Gesellschaftsordnung durch Teamwork | APuZ 41/1955 | bpb.de

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APuZ 41/1955 Nach dem Kapitalismus - die Technokratie Gesellschaftsordnung durch Teamwork

Gesellschaftsordnung durch Teamwork

Johannes Gaitanides

Wer damals in den großen Städten war, der hatte im Grauen der Bombennächte gelegentlich doch auch Augenblicke des kleinen Trostes: wenn die Nachbarn zusammenstanden in der löschenden Kette gegen die Glut, und dann einander erste Hilfe leisteten bei den gröbsten Schäden. Da waren die Wände weggerückt, die sonst die Leute trennten, weggewischt Dünkel und Hochmut auf der einen, Neid und Mißtrauen auf der anderen Seite. Und von der Kellerwohnung bis zur Dachkammer fand sich das ganze Haus in einer menschlichen Zugehörigkeit, in der kein Unterschied mehr zählte von Geld, Stand, Abkunft oder Partei. Und in diesen Augenblicken wußte man: es könnte noch eine Zukunft geben, wenn diese Ausnahme — Regel würde.

Kann aber ein solches Verhalten — gezeugt von der Not — die Not überleben? Oder läßt sich nicht doch ihre fatale Folge von Ursache und Wirkung umkehren, und damit der Not schon vorbeugen?

Die Frage gehört nicht jenen deutschen Kriegsnächten'allein. Sie stellt sich wohl immer — kaum je aber so laut wie heute am Ende eines jahrhundertelangen Prozesses steten Auseinanderfallens. Der Vorgang ist sattsam beschrieben: der Abbau des allgemein verbindlichen, in sich geschlossenen Welt-und Wertebildes, die vom „Ganzen“ sich immer weiter absetzende Zersplitterung des Wissens, der Berufe und Tätigkeiten, die Zertrümmerung des gesellschaftlichen Gefüges, die materielle Verzweckung und die Sinnentleerung des Daseins, seine Entpersönlichung und Vermassung — kurz jene Leporello-Liste anarchischer Laster, in denen sich das Chaos unsrer Tage gefällt.

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Ordnung ist immer Gleichgewicht Erlauben Sie mir, diesen Vorgang auf eine abstrakte und daher sehr grobe Formel zu bringen: Ordnung ist immer Gleichgewicht, ist das Gleichgewicht zwischen Bindung und Lösung — physikalisch gesprochen: das Gleichgewicht zwischen den zentripetalen und den zentrifugalen Kräften. Was wir Neuzeit nennen, ist in dieser Sicht das übersteigerte Wachstum der Fliehkraft auf Kosten der Schwerkraft. Von dieser Entwicklung leitet sich die Gleichgewichtslosigkeit, die Zerlösung unsrer Kultur ab, und im einzelnen jener vielberufene „Verlust der Mitte“, durch den die Menschenexistenz aus einer planetenhaften Ordnung in eine kometenhafte Bahn gestürzt scheint. Unsere Generation nun ist Zeuge und Opfer einer Umkehr, in der das Pendel zur Gegenbewegung ausholt, um nun die zentrifugalen Kräfte abzudrosseln und den Gewalten der Bindung zur ausschließlichen Geltung zu verhelfen. Aus dieser Entwicklungsumkehr beziehen die totalitären Ordnungsangebote ihren Antrieb und — ihre Chance. Das totalitäre Rezept lautet: Einheit durch Preisgabe der Vielheit. Das aber läuft auf die Teufelsaustreibung durch Beelzebub hinaus. Einheit ohne Vielheit kann immer nur die Gleichheit in der Unfreiheit sein — an die Stelle der Zersplitterung, der Bindungslosigkeit, vermag sie nur die uniforme und uniformierte Masse zu setzen. Es bleibt beim Opfern, nur dessen Objekte wechseln — zu noch größerem Verlust.

Die totalitäre Offerte läßt unsere Existenzfrage ungelöst: Wie gelangen wir im Zeitalter der Technik zu einer tragfähigen Gesellschaftsordnung, ohne auf ihrem Altar den einzelnen, den persönlichen Menschen zu opfern, sein Gewissen, seine Entscheidung, seine Freiheit?

Amerika, heute, ist das Experiment einer anderen Antwort. Sie orientiert sich am Modell des Team. „Teamwork“ ist freilich weder eine Erfindung noch ein Monopol der Amerikaner. Kluge Menschenführer haben sich seiner zu allen Zeiten bedient; zu Recht führt man die große Geschichte Englands auf die Fähigkeit seines Volkes zu eben solcher Zusammenarbeit zurück. Den Vereinigten Staaten blieb es jedoch vorbehalten, sich, als gesamte Nation in die Sozial-und Arbeitsordnung des Team hineinzuentwickeln: im Umgang von Mensch zu Mensch, in Schule, Gemeinde und Fabrik, in der Zusammenarbeit von Wissenschaft und Industrie, von Staat und Wirtschaft, von Unternehmern und Gewerkschaftern sowie in der Innen-und der Außenpolitik. Lind dies ist es, der Wille und die Fähigkeit, Arbeitsprobleme, menschliche Beziehungen und Interessengegensätze im Teamwork anzupacken, worauf sich die politische und wirtschaftliche Vormachtstellung Amerikas in der gegenwärtigen Welt gründet; erst in zweiter Linie dankt es sie seinen natürlichen Reichtümern, mit denen ja andere Kontinentalmächte nicht minder gesegnet sind, die sich mit seiner Produktivität und seiner Lebenshaltung dennoch nicht messen können.

Ich nannte das amerikanische Team ein Experiment, weil es — trotz seines Leitbildcharakters — im gegenwärtigen Amerika weder unangefochten ist noch endgültig durchgeformt. Das kann kaum anders sein, denn das Team ist in seiner modernen Variante verhältnismäßig jung: es beginnt mit der Roosevelt-Ära. Der mittelbare Anstoß dazu ging von dem Schock aus, den das amerikanische Volk durch die Wirtschaftskrise von 1929 erlitt. Dieser Schock zwang Amerika zu einer Selbstbesinnung, die schließlich im Teamwerk die heilende Antwort fand.

Die Antwort-war nicht zufällig, sie wuchs aus einer Tradition hervor, die bis zu den amerikanischen Anfängen zurückreicht. Denn das Pionier-zeitalter, vom Wurzelschlagen an der Ostküste bis zur Eroberung des Westens, stand im Zeichen des Teamwork — zwangsläufig: die Urbarmachung des Landes, die innere Ordnung der Siedlung in Abwesenheit meist des Staates, der Kampf gegen die Indianer, gegen die englischen Kolonialherren, das gesamte riesige Kultivationswerk — diese Aufgaben unterstellten Selbsterhaltung und Einzelinteresse dem Zusammenwirken aller. Daneben freilich verblieb einem anderen amerikanischen Traditions-tvp, dem Selfmademan, dem Spekulanten und Abenteurer, ein weiter Betätigungsspielraum; der Abschluß der Kolonisationsepoche und das Aufkommen des Industriekapitalismus entbanden seine Energien und schoben ihn in den Vordergrund. Das Jahr 1929 aber war in erster Linie seine Niederlage, die das Pendel gebieterisch zur Teamtradition zurückschwingen ließ. Seither sieht sich der Amerikaner abermals in ein Pionierzeitalter versetzt, das ihm nunmehr das Neuland der Technik zur Kolonisation zuweist.

Auch im amerikanischen Fall also entstand das Team jeweils als Antwort auf die Not. Was aber das zeitgenössische amerikanische Teamwork von den vergleichbaren Erscheinungen diesseits und jenseits des Atlantik unterscheidet: es hat die Defensive gegen die akute Not überdauert und sich in eine Offensive gegen die Entstehung von Not fortgesetzt. Dies ist wohl der wesentliche und wichtigste Beitrag Amerikas zur Lösung der gesellschaftlichen Fragen, die unserem Zeitalter durch die Technik aufgegeben sind.

Es spricht für das Teamwork, daß es organisch gewachsen, nicht künstlich gemacht ist, spontane Praxis und nicht vergewaltigende Ideologie. Das Teamwork verwirklicht ein „Prinzip" — der kommunistische Lösungsversuch ein „System“. Aus diesem Unterschied bezieht das Team zugleich seine Stärke und seine Schwäche. Seine Stärke, weil es elastisch ist, nicht an starre Formmuster geknüpft und daher ohne Zwang übertragbar, weil es der individuellen Abwandlung und der natürlichen Anpassung an die lokalen Bedingungen freien Raum läßt. Und Schwäche, weil es als Nicht-ideologie sich weniger zum Exportartikel eignet und sich auch nicht mit den Mitteln des Terrors und der Intrige, der Furcht und des Zwanges mitteilen kann. Stärke und Schwäche in einem, weil das Team seine Tauglichkeit am Jetzt und Hier bestätigen muß und die Gegenwart nicht der Fata morgana eines künftigen Paradieses opfern darf.

Man reduziert häufig den west-östlichen Gegensatz auf die Rivalität zweier Machtimperien. Es geht um anderes. Kein Volk entgeht heute der’ Alternative „Team oder Kolchos“. Auch nicht der demokratische Sozialismus, der sich gleichfalls für die eine oder die andere Ordnungsrichtung entscheiden muß, entweder für einen echten Ausgleich zwischen den individuellen und den gesellschaftlichen Ansprüchen oder für einen totalitären Kollektivismus, für Koordination oder für Subordination, für Partnerschaft oder Terror. So lautet unsere Alternative, und nicht Kapitalismus oder Kommunismus, noch freie oder Planwirtschaft — das sind museale Begriffe, welche die Geschichte schon längst weit hinter sich gelassen hat.

Was ist Team und Teamwork?

Nun aber: Was ist Team und Teamwork? Der Ort, an dem vor allem der Entscheidungskampf um unsere Zeit ausgetragen wird, ist die Fabrik. Ihr Problem ist vom Lohn allein her nicht zu lösen. Der Arbeiter selber weiß das. Nur einer von je sieben befragten Ruhrkumpels nannte dem Deutschen Gewerkschaftsbund die Erhöhung der Löhne als vordringlichstes Ziel, sechs Siebtel aber setzten ein besseres, ein menschlicheres Arbeitsverhältnis an die Spitze ihrer Wünsche. Lind wo immer sonst man dem Arbeiter den Puls fühlt, seinem Verlangen nach gutem Lohn, nach Sicherung des Arbeitsplatzes und des Alters verbindet sich stets die Forderung nach fairer Behandlung, nach einem humaneren Betriebsklima, in dem er sich als Mensch und Schaffender geachtet weiß, sich in seinen Fähigkeiten entfalten und des Wertes und des Sinnes seiner Arbeit bewußt werden kann. Es ist ein Aberglaube, daß der Technisierung zwangsläufig Entpersönlichung und Vermassung folgen müßten. So wenig ihnen mit den klassischen Mitteln der Kommandowirtschaft oder mit einem noch so wohlwollenden Patriarchalismus vorzubeugen ist, sie finden keinen Boden in einer echten sozialen Partnerschaft, die 'den Betrieb zur Stätte der Zusammenarbeit und der menschlichen Erfüllung macht — anstatt zum Schwerpunkt des Klassenkampfes.

Betriebsdemokratie ist aber nicht allein ein soziales Gebot. Mit zunehmender Betriebsgröße, Spezialisierung und Mechanisierung erhöhen sich auch die menschlichen Reibungsverluste, die nur durch eine intensivierte Zusammenarbeit herabgesetzt werden können. So kommen mit dem technischen Fortschritt die irrational psychologischen Bedürfnisse des Arbeiters mit den rational ökonomischen Interessen des Unternehmers immer mehr zur Deckung. Die Praxis bleibt den Nachweis nicht schuldig: bei gleicher technischer Ausrüstung entscheidet die innerbetriebliche Zusammenarbeit über die Produktivität, Rentabilität und Wettbewerbsfähigkeit. Die Betriebsdemokratie kommt also nicht nur der sozialen Befriedung und der Humanisierung der Arbeit zugute, sondern auch der Produktion und dem wirtschaftlichen Nutzen.

Nirgends sind Mechanisierung, Spezialisierung und Betriebskonzentration so weit vorangetrieben wie in den Vereinigten Staaten; nirgends war daher auch der Zwang zu einer grundlegenden Neuordnung des Betriebes mächtiger als in Amerika. Den letzten Anstoß gab jene große Krise von 1929. Seitdem vollzieht sich unter der Devise des Teamwork eine Umwälzung des amerikanischen Wirtschaftslebens von wahrhaft revolutionärem Ausmaß. Sie hat sich über sämtliche Zweige der Industrie ausgedehnt, sie hat Handel, Bankwesen und Landwirtschaft ergriffen und ist auch in die Staatsverwaltung eingebrochen. Bei der Vergebung leitender Posten w*rd die Fähigkeit der Menschenführung, im Sinne des Teamwork, zumindest gleich hoch veranschlagt wie die technische oder kaufmännische Eignung. Auch pflegt der „Chef“ zum wenigsten die Hälfte seiner Arbeitszeit den „menschlichen Beziehungen“ im Betrieb vorzubehalten.

Es liegt im Wesen des Team, sich nicht an eine generelle Formel zu halten, sondern seine Form jeweils von den menschlichen, lokalen, produktionstechnischen Eigenarten des Betriebes selber bestimmen zu lassen. Bei aller Unterschiedlichkeit im einzelnen muß das Team aber stets vier Grundeigenschaften aufweisen: Dezentralisierung der Produktion bei maximaler Abgabe der Befugnisse nach unten, ständige und direkte Kommunikation von oben nach unten und von unten nach oben, Ausrichtung der inneren und äußeren Betriebspolitik auf eine wirkliche und nicht nur gespielte Interessengemeinschaft von Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Abstimmung des Betriebsklimas auf Offenheit, Vertrauen und gleiche Chance. Fehlt auch nur eines dieser vier Elemente, kann von Teamwork und Partnerschaft nicht die Rede sein.

Dezentralisierung des Betriebes Erste Voraussetzung ist die Dezentralisierung des Betriebes in eine Reihe möglichst selbständiger Arbeitszellen. Das Team ist gleichsam eine Fabrik in der Fabrik, ein durchgebildeter Mikroorganismus im Makrokosmos des Betriebes. Ein hohes Maß von Selbstbestimmung und Selbstverantwortung ist ihm angemessen, auch für Planung und Organisation der ihm zugewiesenen, technisch möglichst in sich geschlossenen Pioduktionsstufe. Deutsche Experten bestimmen seine Wirksamkeits-grenzen auf eine Teilhabe von 6 bis 30, die Amerikaner von acht bis 50 Personen. Innerhalb dieses Rahmens ist die Übersicht und die Kontakt-nähe gewahrt, die den Einzelnen vom Absinken in die Masse, in die Nummernhaftigkeit abhalten, die seiner Initiative nicht nur Spielraum lassen, sondern die Entfaltung seiner persönlichen Eigenschaften und Fähigkeiten geradezu herausfordern, ja erzwingen. Da das Team mit seiner personellen Zusamensetzung steht und fällt, berücksichtigt die Auswahl neben dem fachlichen Leistungsmaßstab vor allem die Anpassungs-und Ergänzungsfähigkeit der einzelnen zur Gruppe. Späteren Konrekturen wird nicht ausgewichen, auch wenn das Team in seiner Zusammensetzung möglichst dauerhaft sein muß.

Auf diese Weise schlägt das Team eine tragfeste Brücke zwischen den persönlichen und den gemeinschaftlichen Ansprüchen. Die Praxis bestätigt es: Der einzelne Arbeiter gewinnt im Teamwork ein vordem unerreichtes Maximum an Arbeitsbefriedigung und Selbstbestätigung, es gibt ihm einen neuen Halt, äußere Sicherheit und menschliche Geborgenheit, da es ihn wieder in einer wirklichen Gemeinschaft verankert. Schließlich zeigt es sich, daß die Gesamtleistung des Team größer ist als die Summe der Einzelleistungen seiner Angehörigen.

Vom Team kann aber nur die Rede sein, wenn es sich nicht allein in die horizontrale, sondern auch in die vertikale Ordnung des Betriebes hinein verwirklicht. Dazu gehört, daß der Chef für jedermann erreichbar ist; dazu gehört, daß der Boß seine Entscheidungen nicht einfach diktiert und seine Untergebenen nicht vor vollendete Tatsachen stellt; er erklärt und begründet sie vielmehr, und meist konsultiert er die Betroffenen vor technischen, organisatorischen und personellen Veränderungen. Nicht nur im Einzelfall; der Chef unterrichtet die Belegschaft auch regelmäßig über die Geschäftslage des Unternehmens, über seine Geschäftspolitik und die branchen-und marktwirtschaftlichen Zusammenhänge, über Fragen also, die sonst den dichten Schleier des direktorialen Geschäftsgeheimnisses nicht durchdringen. Zur höchsten Stufe gelangt das Teamwork im sogenannten „multiple management“, das bisher ein paar Tausend große Unternehmungen in den USA eingeführt haben. In dieser „mehrfachen Geschäftsführung“ treten neben die eigentliche Leitung mehrere Ressort-Gremien, deren Einfluß weit über ihr beratendes Recht hinausgreift; ihre Mitglieder setzen sich aus allen Stufen der Betriebshierarchie zusammen, aus Arbeitern, Werkmeistern, Angestellten, Einkäufern, Verkaufsagenten, Abteilungsleitern. Diese „Schattendirektorien“ haben sich außerordentlich bewährt — als zuverlässige Auslesefilter, als Erziehungsstationen für den Nachwuchs, als Scharniere zwischen Betriebsleitung und Belegschaft, und nicht zuletzt als unerschöpflicher Quell konstruktiver Ideen und arbeitsfreudiger Initiative. Ihre Mitglieder beurteilen sich wechselseitig in regelmäßigen Abständen, wobei sie das Drittel; das in der Selbstkritik am schlechtesten wegkommt, ausscheiden und durch Zuwahl von unten ersetzen. Diesem Verfahren entgeht keine wirkliche Befähigung, es macht das Wort von der „gleichen Chance“ wahr.

Erfolgsbeteiligung Mit Teamwork unvereinbar ist ferner die alte Geheimbeurteilung, die in Europa noch immer ein gehäuftes Maß von Unsicherheit, Mißtrauen und Ressentiment züchtet. An seiner Stelle wird im „Performance rating“ die individuelle Bewertung periodisch von der Leitung mit jedem Beurteilten durchgesprochen, in der Personalkartei mit seinen Ansichten und seiner Unterschrift vermerkt; gleichzeitig kommt es zur offenen Aussprache über Vergütung, Fortbildung und weitere Laufbahn. Ergänzend ist das „job rating“ um eine gerechte und objektive Lohneinstufung der einzelnen Arbeitsplätze bemüht; ihre Bewertung nimmt nicht die Geschäftsleitung vor, sie obliegt Ausschüssen, die aus Vorgesetzten, Angestellten und Arbeitern paritätisch zusammengesetzt sind. An der Gleichheit und Freiheit des einzelnen Arbeiters gemessen, steht diese Ordnung „links“ vom totalitären Kommunismus.

Sie ist freilich mit Organisation und Gesinnung allein nicht zu schaffen. Sie verlangt Partnerschaft auch bei Eigentum und Gewinn. Wie ja eine Welt, die das Recht auf Privatbesitz als ein LInterpfand der Freiheit verteidigt, ihre eigenen Grundlagen unterhöhlt, wenn sie breite Schichten vom Besitz ausschließt. So kann denn die Lösung der sozialen Frage für uns allein darin bestehen, die Massen-zu Eigentümern, wohlverstanden zu individuellen Eigentümern zu machen und den Arbeitnehmer in einen Arbeitmitunternehmer zu verwandeln. Der Weg dazu heißt: Erfolgsbeteiligung.

Auch darin gehen die Amerikaner voran. Bis heute haben in den USA über 15 OQO Unternehmungen das „Profit sharing“, eben die Erfolgsbeteiligung eingeführt, nicht eingerechnet jene Firmen, die zum Jahresende aus ihren Gewinnen Gratifikationen ausschütten. Damit ist eine tiefe Bresche geschlagen, die sich schnell verbreitert. Derzeit werden dem Schatzamt in Washington wöchentlich etwa 100 Gewinnbeteiligungspläne zur Prüfung eingereicht. Nicht so sehr wegen der damit verbundenen fiskalischen Abschreibungsvorteile. Vielmehr bewirkt die Gewinnbeteiligung eine derart spürbare Produktivitätsund Rentabilitätssteigerung, daß die Konkurrenz zur Nachfolge gezwungen ist, will sie im Wettbewerb bleiben. Mehr und mehr wird die Einführung der Gewinnbeteiligung zu einerFrage der Selbstbehauptung der amerikanischen Unternehmungen. Das extremste Beispiel fand ich bei der Lincoln Electric Company in Cleveland, die an ihre 1228 Arbeiter und Angestellten allein 195 3 5, 1 Mill. Dollar, also 22 Mill. D-Mark, Gewinnbeteiligung ausschütteten; in den letzten zwanzig Jahren erhielt jeder ihrer Beschäftigten durch-

schnittlich 230 000 DM Gewinnbeteiligung, zusätzlich zum Normallohn. Das ist freilich ein Ausnahmefall.

Ein namhafter Wortführer dieser Entwicklung ist der deutsche Emigrant Robert Hartmann, Professor an der Columbus Universität Ohio und Begründer des Council of Profit Sharing Industries, in dem 600 Gewinnbeteiligungsbetriebe zusammengeschlossen sind. Ich zitiere ihn: „Wir betrachten Profit Sharing als eine Methode, die die Vorteile und Verantwortlichkeiten des freien Unternehmertums auf jeden Teilnehmer im Produktionsprozeß ausdehnt — bei „jeden“ meine ich jeden, vom Generaldirektor bis zum Laufburschen —, und die deshalb aus dem sogenannten Kapitalismus der wenigen einen echten Kapitalismus macht, nämlich den für alle. Wir sagen immer, es ist nicht nur nicht wahr, daß der Kapitalismus im Absterben ist, er hat im Gegenteil — sozialpolitisch gesehen — noch gar nicht angefangen. Ein System kann erst dann kapitalistisch genannt werden, wenn alle Produktionsteilnehmer Kapitalisten sind.“ — Wie der Aktionär das Kapital Geld, so bringe der Arbeiter das Kapital Arbeit in den Betrieb ein, auf dessen Gewinn dieser daher genauso Anspruch habe wie jener. Die Gewinnbeteiligung ist demnach Dividende, die der Aktionär für seine Kapitaleinlage, der Arbeiter für seine Arbeitseinlage erhält, die also nicht — und das ist das Entscheidende! — als Ware, sondern als Kapital begriffen wird. Man kann diesen „Volkskapitalismus“ meinetwegen auch Sozialisierung nennen — eine Sozialisierung der Produktionserträge, nicht der Produktionsmittel, eine Sozialisierung, die nicht den vorhandenen Besitz enteignet, sondern zustandekommt durch neugeschaffenes Eigentum.

Dies System erfüllt in letzter Konsequenz die alte Grundforderung — die „Reprivatisierung der Entprivatisierten", die Rückkehr der „Enteigneten“ ins Eigentum. In der Richtung nach oben, während der Kommunismus — wie das bolschewistische Exempel lehrt — das Problem nach unten drückt und es unten läßt: in der Anonymität des „Volkseigentums“, das in der Erfahrung des Einzelnen nicht Eigentum ist und nie Eigentum sein kann, da es die Enteigneten in der individuellen Eigentumslosigkeit festhält. Die Rückkehr ins Eigentum gilt wörtlich, wenn — wie so häufig in den LISA, aber auch bei den holländischen Philippswerken, in Deutschland bei Bayer, Siemens, Südchemie, Schering — der Arbeitergewinnanteil in Form eines Eigentumanteils ausgeschüttet wird, wenn er in individuelle Besitzteilhabe an den Produktionsmitteln verwandelt wird. So werden immer mehr amerikanische Arbeiter zu Aktionären ihrer Betriebe, und da sie daran Geschmack gefunden haben, auch noch durch Aktienkauf aus ihren Lohnersparnissen.

Doch das ist nur eine der zahlreichen Formen des Profit Sharing, das auf kein bestes Muster festzulegen ist, sondern jeweils „nach Maß“ auf die besonderen Bedingungen der Einzelbetriebe zugeschnitten werden muß, da ja die soziale von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht zu trennen ist. Je nach Zweckmäßigkeit wird daher der Gewinnanteil vom Nettogewinn, vom Gesamtertrag oder Umsatz, von der Leistungssteigerung oder der Kosteneinsparung oder mittels einer Kombination dieser Maßstäbe errechnet. Dabei kann der Anteil bar ausgezahlt werden oder als Darlehen oder als Aktie liegen bleiben; er kann ferner in einen Trust-Fond der Beschäftigten eingezahlt werden, aufgeschlüsselt in Einzelkonten der Betriebsangehörigen, die ihren Kontenbestand bei besonderer Not oder beim Eintritt in den Ruhestand abheben können.

Besonderer Beliebtheit erfreut sich auch der Pensionsplan, bei dem die Unternehmung unabhängig von der Geschäftslage Ruhestandszahlungen auf Versicherungsbasis leistet. Art und Umfang der Gewinnbeteiligung , wird nicht von den Unternehmern diktiert, sondern von diesen mit den Belegschaften und den Gewekschaften ausgehandelt. Die einzelnen Gewinnanteile schließlich sollen nach der individuellen Leistung und der Dauer der Betriebzugehörigkeit gestaffelt werden.

Deutschland leistete Schrittmacherdienste Das Profit Sharing, dessen amerikanische Anfänge bis ins Jahr 1825 zurückgehen, bis zu den mißglückten New Harmony-Gründungen Robert Owens, hat in der ganzen Welt Schule gemacht. Columbien, Ecuador, Peru und Chile erhoben es nach dem letzten Krieg zum Gesetz. Für Europa bedarf es dazu nicht des amerikanischen Importes. Großbritannien hat die Gewinnbeteiligung schon um die Mitte des vorigen Jahrhunderts aufgegriffen; erst nach 1945 gewann es jedoch an Breite und heute soll ein Viertel aller englischen Unternehmungen die Arbeiter am Gewinn beteiligen; die Konservativen und die Liberalen haben sie in ihr Parteiprogramm ausgenommen. In Frankreich setzen sich vor allem die „jeunes patrons“, die jungen katholischen Unternehmer für sie ein. Noch mager sind die Ansätze zur Partnerschaft in Italien, wo die Olivettiwerke und der große Textilindustrielle Gaetano Marzotto als Bahnbrecher vorangehen.

Deutschland hat dieser Bewegung in Theorie und Praxis wichtige Schrittmacherdienste geleistet. Als erster führte der bekannte Agrarwissenschaftler von Thünen die Gewinnbeteiligung 1847 auf seinem Gut Tellow in Mecklenburg ein. 18 58 beteiligt Siemens seine Arbeiter erstmals am Gewinn. Bald folgten ihm einzelne Berliner Betriebe. 1891 rief Ernst Abbe die Carl-Zeiß-Stiftung ins Leben. 1899 stellte sogar eine kleine Gruppe fortschrittlicher deutscher Unternehmer den ersten internationalen Gewinnbeteiligungskongreß auf die Beine. Ein stärkerer Anstoß ging aber erst vom ersten Weltkrieg aus, nach dessen Ende die IG-Farben, die Ilseder Hütte, die Buschwerke in Rathenow und andere zur Gewinnbeteiligung übergingen; die meisten dieser Versuche überlebten jedoch die Wirtschaftskrise von 1930 nicht, die umgekehrt das Profit Sharing in den USA erst auslöste — als Mittel ihrer Überwindung.

Nach dem letzten Krieg hat der Partnerschaftsgedanke in Deutschland mächtigen Auftrieb erfahren, doch findet er noch nicht die volle Breiten-resonanz. Immerhin haben bis heute rund 400 deutsche, meist größere und große Unternehmen den Partnerschaftsgedanken aufgegriffen. Besonders von sich reden machten die kühnen Versuche von Gert Spindler in Hilden, der Duisburger Kupferhütte, der Union Werke Aalen, der Demag und der Melitta-Werke. Konservativere Bahnen in der Gewinnbeteiligung wandeln u. a. die Siemenswerke, Schering, die Südchemie, Rosenthal.

Man kann heute in einer siebtel Sekunde eine Nachricht rund um die Erde jagen -bis ein Gedanke Bruchteile eines Millimeters in die Gehirn-rinde eindringt, das dauert Jahrzehnte. So verhält es sich auch mit der Partnerschaft. Obwohl ihr Erfolg an Eindeutigkeit nichts zu wünschen übrig läßt. Sie erhöht die Arbeitsfreude und die Arbeitsleistung, bewirkt -geringere Arbeitsabwesenheit, verringerten Werkzeug-, und Maschinen-verschleiß, sie setzt die Material-und Energieverschwendung herab, denn alle diese Verluste treffen ja nun auch des Arbeiters eigene Tasche. Verständlich ist es, wenn die Gewerkschaften sich zurückhalten: die neue Lösung verträgt sich nicht recht mit der überbetrieblichen Mitbestimmung. Einem Teil der Gewerkschaftsangehörigen macht auch noch die alte Klassenkampfparole zu schaffen, gräbt ihr doch die Partnerschaft das Wasser ab. Manche Funktionäre befürchten eine Einbuße an Macht und sie argumentieren, die Gewinnbeteiligung fördere einen verderblichen Betriebsegoismus. Übrigens bekennen sich die DAG und die christlichen Gewerkschafter im Gegensatz zum DGB vorbehaltlos zu Miteigentum und Ertragsbeteiligung.

Viele dieser Bedenken teilten anfangs auch die amerikanischen Gewerkschaften. Doch merkten sie bald, daß das Profit Sharing ihnen die Arbeiter nur dann entfremdet, wenn sie sich ihm widersetzen. So bejahen sie nun die meisten amerikanischen Gewerkschaften und beteiligen sich führend und federführend am Aushandeln der Partnerschaftsverträge. Die Unternehmer ihrerseits lernten einsehen, daß der Gewinnbeteiligung die Erfolge versagt bleiben, wo sie dazu mißbraucht wird, die Arbeiter den Gewerkschaften abspenstig zu machen. Die Gewinnbeteiligung hat lediglich die Gewerkschaften in Frankreich geschwächt, nicht im geringsten aber in Großbritannien und Amerika.

Eine neue Synthese zwischen Freiheit und Ordnung Die Partnerschaft ist heute ein Anliegen der ganzen freien Welt. Nirgends aber . wirkt sie sich derart umwälzend aus wie in den USA. Ihr vor allem dankt es Amerika, daß ihm Klassenkampf und soziales Ressentiment erspart sind, daß seine Lebenshaltung und seine Produktivität zu ungeahnter Höhe aufgestiegen sind. Die Revolution der Partnerschaft ist gewiß nicht einem engelhaften Altruismus des amerikanischen Kapitalisten zuzuschreiben. Er hält es vielmehr mit unserem Dichter Fontane, der einmal befragt, was er vorziehe, das Reale oder das Ideale, zur Antwort gab: die Diagonale! Die Diagonale ist in unserem Fall die Ehe zwischen sozialem Gewissen und wirtschaftlicher Vernunft; ist die Achtung der Doppelrolle des Arbeiters als Schaffender und als Verbraucher; ist die Erkenntnis, daß der Einzelne und die Gesellschaft nur gemeinsam gedeihen. Und ist schließlich das Wissen, daß die Technik tödlich ist, wenn nicht die soziale Phantasie mit ihr Schritt hält.

Unsere Ableitung läßt nun ungefähr schon den Standort des Team ahnen: Sein Platz befindet sich jenseits sowohl vom altliberalen Individualismus als auch vom totalitären Kollektivismus. Es ist ein Drittes, das sich mit der dialektischen Geschichtslehre des Marxismus trefflich erklären läßt. Denn das Team ist die natürliche Synthese, die sich aus der These des Individualismus und aus deren kollektivistischer Antithese dialektisch entwickelt — aus dem zentrifugalen Individualismus, der sich selber überlassen zur Anarchie entartet, und aus dem zentripetalen Kollektivismus, unter dessen Druck der persönliche Mensch" erstickt. Das Entweder-Oder beider Positionen, in dem die jüngsten Geschichtsfronten erstarrt waren, schlägt im Team zum Sowohl-als-Auch um, zu einem neuen Gleichgewicht zwischen den lösenden und den bindenden Mächten, zu einer neuen Synthese zwischen Freiheit und Ordnung, die dem Einzelnen in der Gesellschaft wieder einen bewohnbaren Raum zuweist. Den Weg des extremen Individualismus können wir nicht mehr weitergehen — den der Vermassung wollen wir nicht gehen. So bleibt nur die dritte Lösung: die kleine Gruppe, in der das persönliche Ich und die Gemeinschaft Frieden schließen.

Team ist Einheit in der Vielfalt Ich habe das Teamwork bisher als Arbeitsmethode geschildert. Wenn aber das Team — wie ich behaupte — mehr ist, nämlich ein gemeinschaftsschöpferisches und gesellschaftsordnendes Prinzip, dann wird es drei Bedingungen erfüllen müssen.

1. Sein Wirkungsbereich darf am Fabriktor nicht enden, es muß sich über das gesamte gesellschaftliche Leben erstrecken.

2. Es darf nicht bei der Bildung isolierter Teams bleiben, es muß vielmehr zu einer Art Teamwork zwischen den Teams kommen, das als Zusammenarbeit bei gleichzeitiger Konkurrenz jedoch weder ihre Eigen-existenz noch ihre Vielzahl reduziert.

'n 3. Das Team ist kein „Interessenverband“ nach Art des Kartells, des Arbeitgeberverbandes, der Gewerkschaft, der Genossenschaft, des Bauern-verbandes oder einer sonstigen Berufsorganisation — es ist kein Verband der Gleichen, sondern gerade der Ungleichen. Seine Eigenart beruht auf der Herstellung einer Interessengemeinschaft über den natürlichen Interessengegensätzen. Das Team ist also der gemeinsame Nenner einer Vielfalt unterschiedlicher Standpunkte, die als solche fortbestehen; es hebt die individuelle Differenzierung nicht auf, sondern integriert sie. Das Team ist Einheit i n der Vielfalt, nicht gegen sie.

Das amerikanische Beispiel hält diesen Forderungen im allgemeinen stand. Sein Teamwork ist nicht vom Industriebetrieb monopolisiert, es durchdringt das nationale Leben in der gesamten Breite, in einer Fülle verschiedenartiger Formen, von denen hier nur einige wenige skizziert seien.

So ist es Teamwork (seit dreißig Jahren schon), wenn sich Industrie, Handel und Verbraucherschaft. zusammensetzen und beraten, wie durch Normung und Typenbeschränkung die Erzeugung verbilligt und damit Kaufkraft, Umsatz und Beschäftigung gesteigert werden können.

Die überragende Leistung der amerikanischen Wirtschaft ist vor allem das Ergebnis einer einzigartig geglückten Ehe von Industrie und Wissenschaft. Die technische Lösung der Massenproduktion ist ihr Werk. Es ist daher folgerichtig, wenn die großen Gesellschaften die Stelle des Vizepräsidenten immer häufiger mit den wissenschaftlichen Leitern ihrer Forschungsabteilungeri besetzen.

Wie aber steht es mit der Wissenschaft selber? Nach-einer alten Erfahrungsregel ist sie der Gegenwart jeweils um die Nasenlänge einer Generation voraus. Trifft dies auch heute zu, dann ist dem Teamwork eine gute Prognose zu stellen, denn in keinem Tätigkeitsfeld hat es sich so beherrschend durchgesetzt wie in der wissenschaftlichen Praxis.

Nicht zufällig. Das bestürzend schnelle Breitenwachstum ihrer Ergebnisse, die Vertiefung derProblematik, die Verfeinerung derUntersuchungsverfahren und der -stets kostspieligeren -technischen Forschungsapparatur erzwingen die wissenschaftliche Spezialisierung, die zur fortschreitenden Unterteilung der Disziplinen führt, bei gleichzeitiger Schrumpfung ihrer Breitenausdehnung. So entsteht der Spezialist, der Mann, der von immer weniger immer mehr weiß. Die Wirklichkeit aber felgt dem Teilungsprozeß des Wissens nicht, sie bleibt ja „ganz und ihre Erfassung verlangt um so gebieterischer Teamwork der Wissenschaften, je mehr sich diese spezialisieren. Es war wohl der Deutsche Paul Ehrlich, der aus diesem zwangsläufigen Prozeß erstmals die ärbeits-methodische Folgerung zog: die Entwicklung des Salvarsans im Jahre 1910 kann als erste wissenschaftliche Teamleistung gelten. Seither wurde die Forschung immer ausschließlicher zur Mannschaftsarbeit — vor allem in den Naturwissenschaften. Die Entwicklung der Sulfanomid-Reihe (in Deutschland), der Antibiotica (in den USA) und die umwälzenden Resultate der Atomforschung (in internationaler Zusammenarbeit) zählen zu ihren markantesten Erfolgen. Aber auch in den Geisteswissenschaften (vor allem in Geschichte und Soziologie) gewinnt die Gruppenarbeit zunehmend Boden.

Mein Teamwork-Katalog nennt ferner die nationalen Produktivitätsräte in England, Frankreich und Westdeutschland, in denen sich Industrie, Handel, Wissenschaften, Gewerkschaften und Staat zusammenfinden; die „Gehirn-Trusts“, die sich Roosevelt und Churchill im Kriege zu ihrer Information und Beratung aus dem Kreis der Spitzenspezialisten zulegten — Hitler natürlich, dieses Supergenie, bedurfte dergleichen nicht! Sodann die modernen Formen der Publizistik: Presse, Funk, Film, Rundfunk, Fernsehen — sie leben vom Teamwork. Nicht einmal mehr die Einsamkeit des Künstlers ist unbestritten; das bezeugt die Akzentverlagerung von der Einzel-auf die Ensemble-und Regieleistung, und vor allem die zunehmende Heranziehung des Künstlers zur Reklame und zur industriellen Formgebung. Ferner die Forderungen des alten Bauhausmeisters Gropius, der das Heil der Architektur in der Bildung von Bau-Teams aus Architekten, Ingenieuren, Unternehmern und Soziologen sucht. Und wenn meine These noch eines Beweises bedarf : selbst auf der untersten Stufe der Gesellschaft, im kriminellen „Gang", hat das Team seinen triumphalen Einzug gehalten.

Wie verhält sich der Staat zum Team?

Wie aber verhält sich nun der Staat zum Team?

Wie überall in den letzten Jahrzehnten kam es auch in den USA zur wachsenden Einmischung des Staates in die Wirtschaft, zur „mixed economy“. sie unterscheidet sich jedoch von der europäischen Praxis. 1. Das private Eigentum blieb unangetastet, auch in den sonst meist sozialisierten Bereichen von Eisenbahn, Elektrizität und Gas, Telephon und Telegraphie.

2. Der staatliche Eingriff ist weder auf ein wirtschaftliches noch ein sozialpolitisches Dogma bezogen, er ist zeitlich zweckbestimmt und bleibt daher äußerst elastisch. Ist sein Ziel — die Überwindung einer Krise — erreicht, so kommt es zum Abbau der staatlichen Intervention. Dies widerfuhr beispielsweise Roosevelts New-Deal-Notstandsprogramm. Auch sein interessantestes Experiment, die Tenessee Valley Authority, konnte nach der wirtschaftlichen Normalisierung nicht mehr wie vor-gesehen zur Regulierung des Missouri und Ohio wiederholt werden. Diese Projekte stehen nun in Reserve für eventuelle Notlagen. 3. Die staatliche Aktivität ist vorwiegend regulierend. Ihr Haupt-Operationsfeld ist die Steuer-und Kreditpolitik, die Wirtschaft und Geldwert mittels eines „Konjunkturausgleiches durch die öffentliche Hand“ zu stabilisieren suchen. Demzufolge wird die Steuerschraube nicht so sehr auf den Staatsbedarf wie auf die allgemeine Konjunkturlage abgestimmt, d. h. sie wird während der Konjunktur angezogen, in der Depression aber gelockert — in Europa geschieht es meist umgekehrt. Dabei wird der jeweilige fiskalische Kurs mittels eines „Haushalts der Nation“ errechnet, der die privaten und die öffentlichen Einnahmen und Ausgaben zusammen veranschlagt. Dieses System der „versteckten Wirtschaftslenkung“ (F. K. Mann) ist Planwirtschaft — sie ist es nur im steuerlichen und kreditpolitischen Sinne.

Wie sollte angesichts dieses Sachverhalts der Verfasser nicht versucht sein, in der Art eines „terrible simplificateur“ nun das Bild einer allumfassenden und fugendicht geschlossenen Gesellschaft des Teamwork zu konstruieren? Zumal wenn man noch an die Regulierung des Tenessee-Tales denkt, die in einzigartiger Weise aus dem freien Zusammenspiel von Regierungs-und Lokalbehörden, von Unternehmern, Interessen-verbänden, Farmern und Handwerkern hervorging. Nicht umsonst hat Pandit Nehru dies Werk, das in der Tat der Idealvorstellung von Teamwork am nächsten kam, als das letzte Wort staatlicher und gesellschaftlicher Weisheit gepriesen.

Dennoch liefe eine derartige Verallgemeinerung auf eine Vergewaltigung hinaus. Treffender ist diese „Symbiose freier und gelenkter Wirtschaft“ als eine Politik zu charakterisieren, durch die der Staat es seinen Bürgern ermöglicht, die Gesellschaft durch Teamwork zu ordnen. Dieser Ordnung kann der Staat nur den Rahmen setzen — ausfüllen müssen ihn die Menschen schon selber. Was sie nur vermögen, wenn sie nicht Untertanen sind, sondern Bürger, gewillt, die Selbstverwaltung bis zur äußersten Grenze auszudehnen und den jeweils höheren Instanzen nur das sachlich unerläßliche Minimum an Befugnissen abzustehen. Daran läßt es der Durchschnittsamerikaner im allgemeinen auch nicht fehlen.

Auch außerhalb des Gemeinderats und der „Bürgerversammlung“ nimmt er an unzähligen „bürgerlichen Einrichtungen“ aktiv und ehrenamtlich teil, angefangen von den Ausschüssen zur Überwachung des örtlichen Schulwesens und zur Verbesserung der Beziehungen zwischen den einzelnen Konfessionen, Volksgruppen und Rassen bis zum Roten Kreuz. Die Gewerkschaften — die nicht wie in Europa eigene Programme zur Erwachsenenbildung und Freizeitgestaltung unterhalten — gliedern sich zunehmend den „bürgerlichen Einrichtungen" ein; das ist ein Schritt weiter auf dem Weg zur „Entproletarisierung“ durch Teamwork in der Gemeinde. Auch die amerikanische Schule tut das ihre, den jungen Menschen in Klima und Praxis des Team einzuführen. Das Verhältnis des Lehrers zum Schüler ist nicht autoritär, sondern partnerschaftlich — der Unterricht nicht ein Dozieren von oben nach unten, sondern ein behutsames Anleiten zum Selbsterwerb des Wissens, nicht so sehr in der „Klasse“ wie im Team.

Standort des Team • Wir können auf diesem Hintergrund den Standort des Team nun genauer bestimmen:

Die Demokratie bestimmt sich durch die Teilung der Gewalten; folgt sie ungehindert ihrer Neigung zu immer weiterer Aufspaltung der Kompetenzen und Verantwortlichkeiten, dann verfällt die Demokratie unweigerlich der Anarchie und erzwingt die totalitäre Reaktion. Die Demokratie wird sich daher nur lebensfähig erhalten, wenn der Gewalten-trennung — ohne sie aufzuheben — ein zusammenhaltendes, verbindendes Prinzip entgegenwirkt. Darin also begründet sich die politische und gesellschaftliche Funktion des Teamwork: es ist das unerläßliche Korrektiv der Teilung der Gewalten, des Wissens und der Arbeit — geboten freilich erst im Zeitalter der vermaßten Industriegesellschaft, die ihre Probleme nicht mehr durch das Ausweichen ihrer bedrängten Mitglieder in leere Räume hinein lösen kann, wie etwa in der Blütezeit des europäischen Kolonialismus oder in der amerikanischen Pioniersepoche.

Teamwork ist also die dem Zeitalter der. Technik und der zusammengeballten Massen gemäße Verwirklichungsform der Demokratie. Sie ist es zugleich für das Zeitalter der durch die Technik zusammenrückenden, sich immer enger verflechtenden Länder und Kontinente.

Partnerschaftliche Koordination oder totalitäre Subordination Wie aber bezeugt sich das Teamwork nach außen, in den Beziehungen zwischen den Völkern?

Die von der Technik geforderte Neuordnung macht an keiner nationalen Grenze halt. Die Frage „Team oder Terror“ setzt sich in die zwischenvölkischen Beziehungen hinein fort zu der gleich unausweichlichen Alternative „Staatengruppe oder Überstaat . Hier wie dort geht es um ein und dieselbe Entscheidung: partnerschaftliche Koordination oder totalitäre Subordination.

Drei Jahrhunderte hindurch war der souveräne Nationalstaat die eigentliche Geschichtsperson und die höchste politische Instanz. Er ist es nicht mehr. Der erste Weltkrieg schon kündete die Wende — deutlich sichtbar erstmals 1917, als der umgepflügten Geschichtserde die zwei Gedanken entkeimten, die das künftige Geschehen bestimmen sollten: die sowjetische Idee der proletarischen Weltrevolution und die amerikanische Idee des Völkerbundes. Vorerst freilich blieben beide nach kurzem Anlauf stecken: Lenins Hoffnung auf die kommunistische-Erhebung Mitteleuropas schlug fehl, während Amerikas Rückkehr in den Isolationismus den Völkerbund sterilisierte. So schien der Nationalstaat einer Renaissance entgegenzugehen. Doch deren trügerischer Charakter enthüllte der zweite Weltkrieg, der mit seinen ideologischen und bürgerkriegsartigen Fronten kein Nationalkrieg mehr im herkömmlichen Sinne war. Der „Kalte Krieg“ sodann und auf der anderen Seite die Liquidation des Kolonialismus übertrugen die geschichtliche Entscheidung endgültig vom Nationalstaat weg auf die Staatengruppe, die verbunden ist „durch ein gemeinsames (oft noch unklar definiertes) Zivilisationsideal, zusammengezwungen durch eine technische Entwicklung, die den nationalen Raum längst gesprengt hat und die gekennzeichnet ist durch die freiwillige und absichtliche Verschmelzung vieler Funktionen und Rechte, die gestern noch das geheiligte Reservat des nationalen Einzelstaates waren“ (Sebastian Haffner).

Neuer Stil der Außen-und Weltpolitik Alle diese Verbindungen, die nicht notwendig der vertraglichen Fixierung bedürfen, begründen sich aus dem Abzug nationaler Rechte und Interessen; was aber der Einzelstaat dabei an Souveränität einbüßt, gewinnt er an Einfluß auf die Partner. Man denke nur an den Einfluß, den Frankreich kraft seiner Schwäche auf die amerikanische Außenpolitik auszuüben vermag. Für diese Verflechtungen, die zudem auf Dauer angelegt sind, genügt die konventionelle Formel der „Koalition“ und der „Allianz“ nicht mehr. Überall außerhalb des sowjetischen Machtbereiches reifen derartige Staatenteams — auf unterschiedlichen Wachstumsstufen — heran: in Skandinavien, Mittelamerika, Südamerika, in der Interamerikanischen Union, im Nahen und Fernen Osten, in Europa vor allem und im atlantischen Paktsystem. Die Summe dieser Vorgänge, ihr realpolitisches Gewicht und ihre erdumfassende Ausbreitung, ihre Überdachung schließlich durch die Vereinten Nationen, in denen sich die verschiedenen Staatengruppen mit wechselnden und überschneidenden Fronten zusammenfinden, bekämpfen oder gelegentlich sogar zu universalen Aufgaben vereinen — sie rechtfertigen es, bei aller Unvollkommenheit des bisher Erreichten, von einem neuen Stil der Außen-und Weltpolitik zu sprechen, von einer „internationalpolitischen Revolution des 20. Jahrhunderts“. Sie enthüllt sich als Revolution des Teamwork oder der Partnerschaft, nimmt man ihre Mittel und Methoden unter die Lupe. Denn auf sie gründet sich der Colombo-Plan zur wirtschaftlichen, sozialen und politischen Gesundung Südasiens — gründet sich auch das amerikanische Punkt 4-Programm und die UN-Aktion zur Förderung der unterentwikkelten Gebiete. Es ist diese Art der Zusammenarbeit, die den MarshallPlan, die Benelux, Montan-Union und Nordatlantikpakt, die Organisation für europäische Wirtschaftszusammenarbeit (OEEC) und die Euro-, päische Zahl igsunion (EZU) charakterisiert. Hierher gehören die zahlreichen Wirtschaftsinternationalen: das GATT (das „Allgemeine Abkommen über Zölle und Außenhandel“), das Weltweizenabkommen (in dem Erzeuger und Verbraucher ihre Interessen langfristig aufeinander abstimmten), dessen Beispiel andere Rohstoffzweige (z. B. Reis, Zucker) zur Sicherung von Erzeugung und Bedarfserfüllung folgten; ferner der Internationale Währungsfonds, die Bank für Internationalen Zahlungs-ausgleich, das Internationale Arbeitsamt, sowie auf politischem Feld die Internationalen der freien Gewerkschaften, der sozialistischen, christlichen und liberalen Parteien — ich erspare dem Leser die Aufzählung der restlichen zweihundert wichtigeren Spezialorganisationen für internationale Zusammenarbeit, die seit 1918 nicht zufällig wie Pilze aus dem Boden schießen.

• Zum höchsten Ehrgeiz verstieg sich der Wille zum Team in der Errichtung der Vereinten Nationen. Sie sind hinter den Hoffnungen, die in sie gesetzt wurden, weit zurückgeblieben — noch über die natürliche Differenz von Idee und Wirklichkeit hinaus. Ihre geringe Wirksamkeit aber beweist weder die Undurchführbarkeit ihrer Idee noch beruht sie auf einem Konstruktionsfehler der Architekten; sie ist vielmehr das Ergebnis der Teilhaberschaft der Sowjetunion, die — von weltrevolutionärer Dynamik getrieben und auf den totalitären Überstaat angelegt — Teamwork zu praktizieren weder gewillt noch fähig ist, und deren Politik daher, nicht ohne innere Folgerichtigkeit, auf die Verhinderung von Teamwork auch zwischen den anderen Staaten ausgerichtet ist. So nehmen die Sowjets an den Vereinten Nationen teil, um eine Vereinigung der Nationen zu hintertreiben. Gemessen an dem Gewicht, das der kommunistische Block in die Waagschale zu legen hat, sind die politischen Leistungen der UN in Nordpersien, in Israel, Kaschmir und Korea nicht gering zu veranschlagen; sie dürften darüber hinaus durch ihr bloßes Dasein dem Ausbruch manch anderer Krise vorgebeugt haben.

Was die Hauptinstanzen der UN — Sicherheitsrat und Generalversammlung — schuldig blieben, dafür sind zu einem guten Teil ihre zahlreichen Spezialorganisationen aufgekommen, die in stiller zäher Kleinarbeit eine ungemein segensreiche Tätigkeit vor allem für die benachteiligte Mehrheit der Menschheit entfalteten: so das Weltgesundheitsamt (WHO), die Ernährungsund Landwirtschaftsorganisation (FAO), das Technische Hilfsamt (TAB), das Internationale Arbeitsamt (ILO) und die LINESCO, die mit dem Treuhänderrat und den Finanzinstituten der UN ihre Bemühungen integrieren, um die zurückgebliebenen Bevölkerungsgruppen auf den Weg zur Selbsthilfe zu führen. Sie sind da, wenn es Seuchen und Parasiten zu bekämpfen gilt, wenn bei Naturkatastrophen erste Hilfe zu leisten ist; auch haben sie nicht gefehlt, als in den letzten Jahren das Flüchtlingselend über die europäischen, arabischen und asiatischen Völker hereinbrach. Und ihr Handeln war weder patriarchalischer Imperialismus noch karitative Fürsorge, sondern vollendetes Teamwork reiner Menschlichkeit.

Naturgemäß ist das Team umso weniger „dicht“, je weiter sein Rahmen gespannt ist. Seine reine Ausprägung wird daher eher in der Staaten-gruppe als im universalen Verband zu finden sein. Von allen Staaten-gruppen wiederum ist die Atlantische Gemeinschaft am weitesten in der Entwicklung vorausgeeilt (womit das Abendland bezeugt, daß es seine geschichtliche Rolle als Pionier und Formenerfinder keineswegs ausgespielt hat). Für sein Gefüge gibt es weder ein historisches Vorbild noch ein überliefertes staats-oder völkerrechtliches Schema. „Es hat keine gemeinsame Regierung und keine gemeinsame Volksvertretung. Im Konstitutionell-Politischen wie im Kulturellen sind die nationalen Staaten, die diese Gruppe bilden, nach wie vor unabhängig und voll durchartikuliert. Die Verschmelzung ihrer Souveränitäten ist auf gleichzeitig subtilere und praktischere Weise vollzogen: durch Offenlegung ihres Totalgebietes für gemeinsame militärische Streitkräfte; durch eine historisch beispiellose Form wirtschaftlicher Zusammenarbeit, die einer übernationalen Gesamtplanung ihres Wirtschaftspotentials zustrebt; und durch eine pragmatische Fusion ihrer Außenpolitik und Diplomatie, die heute schon das entscheidende Attribut der Souveränität, die Entscheidung über Krieg und Frieden, praktisch vom Einzelstaat auf die Gruppe übertragen hat“ (S. Haffner). Ihre Zusammenarbeit setzt diese Gruppe unabhängiger, gleicher, aber nicht mehr vollsouveräner Nationen in den Stand, planetarische Politik zu betreiben, einen überkontinentalen Großraum zu bewirtschaften und zu verteidigen und durch vollen Einsatz wissenschaftlich-technischer Mittel in diesem Raum eine gemeinsame Zivilisation lebensfähig zu halten, die — unter anderen — die Erhaltung der Nation als geschlossene Kulturgemeinschaft postuliert.

Teamwork — die Kunst der individuellen Interessenintegration Wir können nun eine letzte Definition des Teamwork wagen: es ist die Kunst der individuellen Interessenintegration. Wo Menschen und Völker sich begegnen, treffen sie sich im Gegensatz. Es ist aber nicht wahr, daß sie sich auf Zusammenarbeit erst nach dem Ausgleich ihrer natürlichen Gegensätze einigen könnten. So kämen sie nie zu einem guten Ende. Es gibt aber immer und überall auch gemeinsame Interessen; man kann sie sogar schaffen. Rückt man die gemeinsamen Interessen, unter vorübergehender Beiseiteschiebung der Gegensätze, in den Vordergrund, entschließt man sich über die Gegensätze hinweg zur gemeinsamen Arbeit an einer gemeinsamen Aufgabe, dann entschärfen und entkrampfen sich die Gegensätze und werden, wenn nicht völlig lösbar, so doch einer gütlichen Abklärung zugänglicher. —-Dies also ist Teamwork: Überwindung der natürlichen Gegensätze durch die Herausarbeitung und Überordnung nicht minder natürlicher gemeinsamer Interessen.

Es ist ein uraltes Vorurteil (das der liberale Frühkapitalismus mit den autoritären Systemen teilt), daß der Vorteil des einen zwangsläufig dem anderen zum Nachteil gereichen müsse, daß die unvermeidliche Kehrseite des Gewinns die Ausbeutungsei und „Profit“ nuraus dem bestehen könne, was dem anderen weggenommen wird. Aus dieser Anschauung ging der Marxismus hervor; bestand sie damals zu Recht, so war. ihre Verallgemeinerung zu einem Naturgesetz der Geschichte falsch.

In den letzten Jahrzehnten hat Amerika entdeckt, daß das System der Ausbeutung auf die Dauer den Ausbeuter ruiniert, daß Ausbeutung dumm ist und selbstmörderisch; die Krise von 1929 erschien im Rückblick als ein derart gerade noch mißlungener Selbstmordversuch — sie vermittelte die Erfahrung, daß überhöhter Profit, Ausbeutung oder sonstige Unlauterkeit den Boden zerstören, -auf dem die Wirtschaft wächst. Der schlecht bezahlte Arbeiter produziert schlechter und weniger; was der LInternehmer am eingesparten Lohn als Gewinn verbucht, verliert er mehrfach durch Unzufriedenheit, körperliche Anfälligkeit, mangelnden Fleiß, geringere Initiative und Leistungsfähigkeit des Arbeiters, durch Streiks, häufigen Personalwechsel und Arbeitsabwesenheit. Diese Passiv-posten sind in’der Wirtschaft des freien Wettbewerbs nicht tragbar. Vor allem aber ist der Arbeiter ja nicht nur Schaffender, sondern auch Verbraucher — seine Kaufkraft zu pflegen und zu erhöben, ist ein primäres unternehmerisches Interesse. Das gilt gegenüber dem Verbraucher allgemein. Die alte Lehre stimmt also nicht, daß Gewinn nur auf Kosten" anderer, Reichtum nur auf dem Rücken der Arbeiter und Verbraucher zu erzielen sei. Vielmehr schätzt der amerikanische Kapitalist von heute allein als „gutes“ Geschäft, das allen Beteiligten Gewinn bringt (nicht anders übrigens definierte Bismarck die „gute“ Politik). Nicht angezweifelt wird das Gesetz, das nichts sc sehr Wohlstand erzeugt und erhält, wie der Wohlstand der anderen, d. h. aller anderen. Diese Überzeugung, der die aristotelische Einsicht in die letzte Übereinstimmung des individuellen mit dem allgemeinen Interesse zugrunde liegt, ist die eigentliche Triebkraft des Teamwork; sie bestimmt das amerikanische Wirtschaftsund Gesellschaftssystem, aber auch die amerikanische Außenpolitik, die mit ihren zahlreichen Hilfsprogrammen Europa wieder auf die Beine zu stellen und die zurückgebliebenen Völker zu entwickeln sucht — unter anderm auch zu kauf-und kundenfähigen Partnern .

In all dem wirkt sich dieselbe Beziehungsumkehr aus wie im Verhältnis des Menschen zur Erde. Jahrtausende hindurch haben die Völker ihre Böden rücksichtslos ausgebeutet. Sie konnten es sich leisten, solange der Raubbau ihre Bedürfnisse deckte, und solange sie über genügend Raum verfügten, die erschöpften Äcker mit jungfräulichen Böden zu vertauschen. Seit es aber für die riesenhaft angewachsenen Massengesellschaften kein Ausweichen in den Raum hinein mehr gibt, mußte man von der Bodenausbeutung zur Bodenbewahrung und Bodenerhaltung übergehen. Nicht länger mehr kann der Bauer sein Feld wie einen Slaven willkürlich auspressen, es leistet seinen Dienst nur noch, wo es gleichsam als Partner behandelt, wo seine Eigenart gehegt und gepflegt wird. Das verlangt Teamwork im doppelten Sinn: einmal unmittelbar zwischen dem Bauern und seinem Boden. Sodann verlangt die Bodenbewahrung — die ja nur im großräumigen Maßstab praktiziert werden kann — das gruppenhafte Zusammenwirken der Bauern sowohl untereinander wie mit dem Staat. Auch diese Probleme sind durch die Technik aufgeworfen, und wie alle Probleme der Technik sind auch sie nur durch Terror oder Teamwork lösbar.

Das Teamwork ist nichts als Methode und Mittel. Es ist weder „Idee“ noch „Ideologie“, es entschleiert nicht die Daseinsrätsel, verheißt nicht das Paradies und ist kein Religionsersatz. Es ist „eine Anleitung zum praktischen Handeln“. Eben -dies und nur dies ist Teamwork, mit dem Ziel, die Verwirklichung von Ideen zu ermöglichen — der Ideen in ihrer natürlichen Vielfalt. Das allein ist Freiheit in einer Welt, welche die Technik räumlich eng zusammengedrängt hat, ohne daß sich ihre Völker und Kulturen-nähergekommen wären. Das äußere Zusammenrücken hat im Gegenteil ihre inneren Gegensätze noch verschärft, indem es sie ihnen bewußter machte. So bedürfen sie zum Zusammenleben einer Arbeitsmethode, die sich n i c h t aus dem Ideengut einer bestimmten Kultur ableitet, und die daher auch alle anderen Kulturen aufnehmen und praktizieren können. Dieser Forderung genügt allein das Teamwork.

Zu seiner Darstellung bediente ich mich vorwiegend amerikanischer Beispiele. Doch das rechtfertigt nicht, das Team als „Amerikanismus“ zu etikettieren. Teamwork ist vielmehr Forderung und Ausdruck der technischen Entwicklung, ist Domestizierung und Humanisierung der Technik. Es ist nach Anspruch und Möglichkeit universal. Amerika ist nur deshalb seine zeitliche Heimat, weil es der Ort der fortgeschrittensten Technik ist.

Die Weichenstellung liegt in der Hand unseres Willens Ist aber diese Auslegung nicht „materialistischer Geschichtsdeterminismus“ ä la Marx, der bekanntlich die Geschichte auf die Entwicklung der Produktionsmittel zurückführt? Darauf müßte ich mit einem Ja und einem Nein antworten. Mit Ja: weil die materiellen Daseinsfaktoren tatsächlich einen bestimmten Einfluß auf den Gang des Geschehens ausüben, weil ihre Eigengesetzlichkeit den menschlichen Willen feste Grenzen setzt. Mit Nein: weil die materiellen Faktoren das geschichtliche Geschehen nicht — wie der Marxismus meint — in eine Einbahnstraße hineinzwingen, sondern sich ihm in Gestalt einer Alternative stellen. Die Alternative selbst ist „materielles Schicksal“ und als solches ist sie Zwang. Die Weichenstellung aber liegt in der Hand unseres Willens. Wir selbst haben zu entscheiden zwischen Team und Kolchos, zwischen Staatengruppe und Überstaat — und wir haben zu entscheiden von einem Punkt aus, der außerhalb unsrer materiellen Bestimmtheit liegt.

Ich deutete die Alternative unsrer Zeit als die Rivalität von Koordination und Subordination. Nicht sie bergen das Neue — sie sind so alt wie die Menschengeschichte, in deren Buch freilich der Unterdrückung ein sehr breiter, der Zusammenarbeit daneben ein nur recht schmaler, zur Gegenwart jedoch sich weitender Raum zukommt. In ihrer historischen Perspektive reihen sich die zeitgenössischen totalitären Systeme den „reaktionären“ Kapiteln der Subordination ein: sie sind ein Rückfall.

Es ist das Verhängnis und der Segen der Technik, dem Menschen mehr Macht über den Menschen zu geben. Das bedeutet: mehr Unterwerfung oder mehr Zusammenarbeit. Gemessen an der Vergangenheit: mehr Sklaverei oder mehr Demokratie. Mehr und echtere Demokratie aber, das ist Teamwork in Wirtschaft, Gesellschaft, Staat und zwischen den Völkern.

Ich möchte mich vom Leser mit einem Bild verabschieden, daß ich ihm ins Gedächtnis, nein, ins Herz einbrennen möchte. Ich fand es vpr einiger Zeit in einer „Illustrierten": da kauerte eine Katze friedlich neben einer Maus, und eine durchsichtige Scheibe trennte beide gemeinsam von ihren Speisenäpfen. Darunter war zu lesen: „Überaus erfolgreich -sind die Experimente des Tierpsychologen X. Y„ feindliche Tiere — wie Katzen und Mäuse — friedlich aneinander zu gewöhnen. Der Trick besteht darin, Nahrung für beide s o aufzustellen, daß sie nur durch die gemeinsame Anstrengung, nämlich durch den gleichzeitigen Druck auf die Hebel am Boden, die Scheibe heben und in den Besitz ihrer Nahrung gelangen können. Zweckgemeinschaft führt zur Freundschaft“;

Zweckgemeinschaft führt zur Freundschaft — das ist das Schlüsselwort. . Fragt mich nun der Leser, ob denn das Geschlecht der Menschen es an Intelligenz mit dem der Katzen und Mäuse aufnehme, dann freilich müßte ich ihm die Antwort schuldig bleiben.

Fussnoten

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