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Die Bilanz des Kommunismus in der Sowjetzone. Das 25. Plenum des Zentralkomitees der SED | APuZ 12/1956 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 12/1956 Die Bilanz des Kommunismus in der Sowjetzone. Das 25. Plenum des Zentralkomitees der SED

Die Bilanz des Kommunismus in der Sowjetzone. Das 25. Plenum des Zentralkomitees der SED

Wir bringen in dieser Ausgabe die wichtigen Passagen des nur für einen kleinen Kreis hoher SED-Funktionäre bestimmten stenographischen Protokolls der Referate und Diskussionen der 25. Tagung des Zentralkomitees der SED. Das in Auszügen wiedergegebene Material wird unseren Lesern einen Eindruck vermitteln können, wie sich die Kommunisten in der Sowjetzone die Welt der Bundesrepublik vorstellen.

Einführung

Abbildung 1

Aufgaben und Funktionen des Zentralkomitees (ZK) sind im Statut der SED wie folgt formuliert: „Das Zentralkomitee führt die Beschlüsse des Parteitages durdt, ist zwischen den Parteitagen das höchste Organ der Partei und leitet ihre gesamte Tätigkeit, vertritt die Partei im Verkehr mit anderen Parteien und Organisationen. Das Zentralkomitee entsendet die Vertreter der Partei in die höchsten leitenden Organe des Staatsapparates und der Wirtsdtaft, bestätigt ihre Kandidaten für die Volks-und Länderkammer. Das Zentralkomitee lenkt die Arbeit der gewählten zentralen staatlidien und gesellsdtaftlidten Organe und Organisationen durdi die in ihnen bestehenden Parteigruppen“.

Entgegen diesem Statut hat jedoch die Funktion des Zentralkomitees weitgehend formalen Charakter. In der Praxis wird die Politik der SED von Politbüro und Sekretariat des Zentralkomitees bestimmt, die ihrerseits alle wichtigen Anweisungen von der Sowjetischen Kontrollkommission oder von der KPdSU erhalten. Gleichwohl bildet das „Plenum des ZK“ aus Mitgliedern (1954 : 91) und Kandidaten (1954 : 44) ein Forum für interne Diskussionen, die nur zu einem Teil und vorsichtig dosiert veröffentlicht werden.

Die 25. Tagung des ZK trat am 24. 10. 55 zusammen. Sie hatte nach den Worten Ulbrichts „besondere Bedeutung, weil sie der Vorbereitung der 3. Parteikonferenz dient. 1h der vorliegenden Entsdiließung sind die neuen ideologisdten, politischen, wirtsdtaftlichen und kulturellen Aufgaben festgelegt, die sidt auf Grund der neuen Lage ergeben“. Über eine Reihe von Problemen, die tatsächlichen Ursachen etwa der desolaten Situation in Industrie und Landwirtschaft, Partei und FDJ, hat keine Diskussion stattgefunden. Das System des Stalinismus selbst, in Deutschland durch die SED repräsentiert, war nicht Gegenstand einer Auseinandersetzung. Der stalinistische „Marxismus-Leninismus“, seit langem zur Pseudo-Ideologie pervertiert, wird nicht angezweifelt. Di? Tätigkeit der Geheimpolizei ist sakrosankt, die Militarisierung der Sowjetzone wird mit keinem Wort erwähnt, das Primat der Schwerindustrie fast unwidersprochen hingenommen. Dieses Zentralkomitee, von Marx und Lenin, Sozialismus, Demokratie und Freiheit gleich weit entfernt, ist das Spitzengremium einer totalitären Oberschicht, der die Arbeiterschaft der Sowjetzone den Lebensstandard des Frühkapitalismus, die Bauern der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften Existenzbedingungen zu verdanken haben, die denen der Leibeigenschaft ähnlich sind.

Das nur für einen kleinen Kreis hoher SED-Funktionäre bestimmte stenographische Protokoll der Referate und Diskussionen, dessen wichtigste Passagen hier in Auszügen wiedergegeben sind — kommentarlos. denn sie sprechen für sich selbst — enthüllt die hohle Ideologie der SED, die Unfähigkeit der Bürokratie in Partei und Staat und den Widerstand der Bevölkerung aller Schichten ebenso wie den brutalen Terror, zu dessen permanenter Anwendung dieses System ohne Massenbasis gezwungen ist, aus Angst einen neuen 17. Juni zu erleben.

Das Referat von Walter Ulbricht unter dem lyrischen Titel „Die Rolle der Deutschen Demokratischen Republik im Kampf um ein friedliches und glückliches Leben des deutschen Volkes“ ist wie sein Schlußwort in einem geschlossenen Auszug wiedergegeben. Alle übrigen Beiträge sind aus Gründen der Übersicht in Sachgebieten zusammengestellt.

Walter Ulbricht „Die Rolle der Deutschen Demokratischen Republik im Kampf um ein friedliches und glückliches Leben des deutschen Volkes" (Auszüge)

Zur Rentabilität der Betriebe In acht Monaten des Jahres 195 5 konnte die Zahl der Verlustbetriebe auf 383 gesenkt werden, das sind jetzt 17, 7 % aller Betriebe, d. h. daß 98 der früher mit Verlust arbeitenden zentralgeleiteten Betriebe rentabel geworden sind. Die Selbstkosten der industriellen Produktion wurden in acht Monaten des Jahres 1955 um 4, 26% gesenkt, während in der gleichen Zeit des Jahres 1954 die Senkung der Selbstkosten lediglich 1, 1 % betrug.

Es gibt aber immer noch zahlreiche Betriebe, die den Plan nicht erfüllen, die überplanmäßige Verluste und eine geringe Rentabilität haben. In acht Monaten dieses Jahres wurden aus dem Staatshaushalt 444, 2

Ordnung für den Umgang mit parteiinternem Material 1. Zu bestimmten Gelegenheiten gibt das ZK parteiinternes Material heraus. Dieses Material dient der Information leitender Parteikader und ist nur zum persönlichen Gebrauch bestimmt.

2. Die Zustellung solcher Materialien erfolgt nur durch den von der Partei festgelegten Kurierdienst. Über den Empfang des numerierten Materials ist persönlich zu quittieren.

3. Die Aufbewahrung hat so sorgfältig zu erfolgen, daß niemand herankommen kann.

4. Genossen, die entgegen den Regeln sorglos mit parteiinternem Material umgehen, werden zur Verantwortung gezogen. Millionen DM für die Deckung der planmäßigen Verluste des Jahres 1955 und mehr als 600 Millionen DM für die Begleichung überplanmäßiger Verluste des Jahres 1954 gezahlt.

Die unbefriedigende Arbeit vieler Betriebe ist hauptsächlich durch die Mängel in der Organisation der Produktion durch den unrhythmischen Produktionsausstoß, die schlechte materialtechnische Versorgung und die ungenügende Einführung der wirtschaftlichen Rechnungsführung bedingt. Die vom Apparat des ZK durchgeführte Überprüfung hat gezeigt, daß in vielen Betrieben die Hauptmasse der Arbeiter und der Wirtschaftskader nicht den ökonomischen und politischen Inhalt dieser Beschlüsse kennen.

Das Ministerium der Finanzen hat sich formal zur Verwirklichung der Beschlüsse über die Verwendung der Gewinne und die Amortisation verhalten. Das Ministerium hat es bisher noch nicht für notwendig gehalten, eine feste Ordnung für die Planung der Gewinne und die Gewinnabführung an den Staatshaushalt einzuführen, es hat die Verwendung der Gewinne dem Selbstlauf überlassen und kein System der Kontrolle über die Verwendung der Gewinne ausgearbeitet. Das Ministerium der Finanzen hat den Beschluß über neue, einfachere Normen der Amortisation nicht durchgeführt, es gibt keine Kontrolle über die Amortisationszahlungen an die Bank, keine geregelte'Registrierung und Berichterstattung. Diese Mängel bestehen in der Anwendung unvollkommener Formen des Finanzplans, der aus einer riesigen Menge von Zahlen besteht, dem Fehlen einer einheitlichen Methode der Aufstellung des Finanzplans, einer exakten Ordnung seiner Prüfung und Bestätigung, im oftmaligen Fehlen der gegenseitigen Abstimmung der Finanz-und Produktionsziffern, in der ungenügenden Kontrolle der Erfüllung der Finanzpläne von seifen der Fachministerien, der Hauptverwaltungen und Finanz-organe. Die Kreditanstalten üben nur eine schwache Kontrolle über die Einhaltung der Finanz-und Verrechnungsdisziplin aus, sie wirken nicht genügend aktiv auf die Verbesserung der finanzwirtschaftlichen Tätigkeit der sozialistischen Betriebe und Wirtschaftszweige ein. Die Folge davon ist, daß sich die gegenseitige Verschuldung der Betriebe nicht vermindert, sondern erhöht. Die überfällige Verschuldung der Wirtschaftsorgane bei kurzfristigen Krediten ist von 1, 4 Milliarden DM am 1. Juli 1954 und 1, 9 Milliarden DM am 1. Januar 1955 auf 2, 9 Milliarden DM am 1. Juli 195 5 gestiegen, was ungefähr 20% der Gesamtsumme der kurzfristigen Kredite ausmacht.

Es darf künftig nicht mehr geduldet werden, daß das Wachstum der Geldeinkünfte der Bevölkerung dem Wachstum der Produktion von Bedarfsgütern und der Erweiterung des Warenumsatzes vorauseilt.

Rückgang der industriellen Wachstumsrate Das Wachstumstempo der industriellen Produktion spiegelt ernste Mängel in der Ökonomik der DDR wider. Wir haben einen Rückgang des Wachstumstempo zu verzeichnen;

1951 — 22, 6% 1952 — 16, 1% 1953 -12, 3% 1954 — 10, 2% Plan 1955 — 6, 5% Das bedeutet Absinken des absoluten Zuwachses:

1951 -5, 27 Milliarden DM 1952 -4, 6 Milliarden DM 1953 -4, 03 Milliarden DM 1954 -3, 81 Milliarden DM Plan 1955 -2, 65 Milliarden DM.

Zuwachs bei der Produktion von Produktionsmitteln:

1951 — 3, 35 Milliarden DM 1954 — 2, 39 Milliarden DM Plan 1955 — 0, 9 Milliarden DM.

Wir müssen die genannten Aufgaben lösen durch Erhöhung der Kapazitäten in der Schwerindustrie und durch-Modernisierung der Betriebe. Die Genossen müssen sich bewußt sein, daß zwischen der Sowjetunion und den anderen Staaten des sozialistischen und demokratischen Lagers die entscheidenden Kontrollziffern abgestimmt werden. Es ist eine große Aufgabe, zwischen allen Staaten — von Korea bis zur DDR—, für ein Gebiet mit 1200 Millionen Menschen, die wichtigsten Kontrollziffern der Fünfjahrpläne abzustimmen. Wir sind dem Zentralkomitee der KPdSLI und der Sowjetregierung dafür dankbar, daß sie eine große Initiative entfaltet haben, damit diese Aufgabe allmählich gelöst wird. Die von uns ergänzten Kontrollziffern für 1956, sind bereits das Ergebnis der Abstimmung mit den befreundeten Staaten. Wir müssen uns also bewußt sein, daß wir diese volkswirtschaftlichen Aufgaben nur erfüllen können, wenn die festgelegten Ziffern exakt erfüllt werden. Man kann nicht sagen, daß bei allen unseren leitenden Staatsfunktionären ein solches Bewußtsein schon vorhanden ist. Die Ministerien haben bei der Einreichung der Plan-Vorschläge für 1956 niedrigere Ziffern der Produktion, der Steigerung der Arbeitsproduktivität, der Senkung der Selbstkosten gegeben, als in den Kontrollziffern vorgeschlagen wurden.

Meines Erachtens sind diese Bestrebungen, die Kontrollziffern herabzusetzen, der Ausdruck der mangelhaften Erkenntnis der Aufgaben des sozialistischen Aufbaus und der Möglichkeiten der Entfaltung der Initiative der Werktätigen.

Energischer und planmäßiger den wissenschaftlich-technischen Fortschritt durchsetzen Ich habe bereits dargelegt, wie das Tempo der industriellen Entwicklung bei uns ein langsameres geworden ist. Das muß sich auch auswirken auf das Tempo der Erhöhung der Lebenshaltung. Wenn wir unsere Betriebe nicht schneller modernisieren, werden weniger Maschinen auf dem Weltmarkt verkauft, und wir können weniger einführen.

Es ist eine Tatsache, daß die westdeutsche Wirtschaft 1954 einen Produktionszuwachs von 12 % hatte und in der ersten Hälfte 1955 von 16, 5’/o. Die Ausrüstungen der westdeutschen Großbetriebe wurden zu annähernd 70% erneuert. Man kann sagen, daß von allen kapitalistischen Ländern Westeuropas in Westdeutschland am raschesten die Einführung neuer Technik erfolgte.

Auch unter den Bedingungen der zeitweiligen Hochkonjunktur in Westdeutschland müssen wir die Überlegenheit erreichen. Die Reformisten in Westdeutschland nutzen die Produktionssteigerung in Westdeutschland aus, um ihre reformistischen Theorien zu begründen.

Wir dürfen uns nicht damit beruhigen, daß sich der Imperialismus im Stadium der Fäulnis und Stagnation befinden. Es ist richtig, schließt aber bestimmte Möglichkeiten des technischen Fortschritts und des industriellen Wachstums nicht aus. Die DDR hat eine besonders verantwortungsvolle Position. Mitten durch unser Land geht die Trennungslinie zwischen den beiden Systemen, dem Kapitalismus und dem Sozialismus. Deshalb müssen wir außerordentliche Anstrengungen unternehmen, um auch auf technischem Gebiet die Überlegenheit zu gewinnen.

Aber im allgemeinen sind wir zurückgeblieben und das muß man mit aller Energie ändern. Man muß von Westdeutschland systematischer und aktiver als bisher alles Neue und Fortschrittliche auf dem Gebiet der Wissenschaft, der Technik und der Organisation der Produktion übernehmen und muß schneller das Fortschrittliche in die Praxis einführen.

Viele Wissenschaftler und Techniker fahren nach Westdeutschland, aber es werden nicht die Schlußfolgerungen aus ihren Studien gezogen, sondern das Ergebnis ist lediglich Propaganda über den technischen Fortschritt in Westdeutschland. Es wäre besser, weniger Leute nach Westdeutschland zu schicken, sie als wissenschaftliche Arbeitsgruppen zu entsenden und eine ernste Arbeit im Interesse des technischen Fortschritts bei uns zu organisieren.

Die Wissenschaftler und Genossen in der Maxhütte haben mir erklärt, wie sie ihre Hochöfen erneuern. Das ist aber keine Modernisierung.

Selbstverständlich können wir nicht das ganze Werk neu bauen, aber ein realer Plan der etappenweisen Modernisierung ist notwendig. Die Genossen der Hauptverwaltung für Metallurgie wissen nicht, wie in dem gleichartigen Betrieb des Flickkonzerns in Nordbayern die Modernisierung durchgeführt wurde. Warum studieren wir nicht die moderne Technik in diesem Betrieb? Oder warum studieren wir nicht die Maßnahmen zur Modernisierung ähnlicher Betriebe in der CSR?

Ich habe den Eindruck, daß auf den ökonomischen Konferenzen die Fragen des wissenschaftlich-technischen Fortschritts nicht genügend im Mittelpunkt stehen. In der Presse haben wir schöne Berichte gelesen, wo uns Ziffern über den zweiten Fünfjahresplan mitgeteilt wurden, deren Veröffentlichung unzulässig war, wo aber nichts gesagt wurde, wie die technische Ausrüstung der existierenden Betriebe modernisiert werden soll. Auf einem Teil der ökonomischen Konferenzen kam nicht der ganze Ernst der Lage, die Zurückgebliebenheit, die in manchen Betrieben bei uns vorhanden ist, zum Ausdruck. Es herrschte kein richtiger Kampfgeist die Rückständigkeit zu überwinden. Die Kritik und Selbstkritik war auf ein Minimum dosiert. So geht die Sache selbstverständlich nicht.

Das Fernmeldewesen der DDR ist bedeutend hinter dem in Westdeutschland erreichten Stand zurückgeblieben. Die Telefonverbindungen werden hauptsächlich von den staatlichen Einrichtungen und von den Betrieben in Anspruch genommen. Nur 5 % aller Telefonanschlüsse sind Hausanschlüsse in den Wohnungen. Sofortverbindungen ohne Wartezeit von Stadt zu Stadt gibt es nur in 10%, während es in Westdeutschland 80% sind. Das gleiche gilt für die Telegrafen-und Dezimeterwellenverbindungen. Äußerst schwach entwickelt sind die Handelsfunkverbindungen mit anderen Ländern. Ein bedeutender Rückstand gegenüber Westdeutschland ist auf dem Gebiet des Fernsehens zu verzeichnen. So arbeiten in der DDR gegenwärtig acht Fernsehsender mit einer Gesamtkapazität von 13 KW, während in Westdeutschland 25 Sender mit einer Gesamtkapazität von ungefähr 500 KW arbeiten. Ähnlich ist die Lage auch im LIKW-Funk.

Ein solcher Zustand des Verbindungswesens entspricht nicht dem Wachstumstempo der Volkswirtschaft der DDR und ist nicht geeignet, eine exakte operative Leitung des Staates und die Befriedigung der Bedürfnisse der Bevölkerung zu gewährleisten.

Um mehr Investitionsmittel für die Schwerindustrie und für die Modernisierung des Maschinenbaus zur Verfügung zu haben, werden für die Jahre 1956 und 1957 für das Ministerium für Kultur, für das Ministerium für Gesundheitswesen, für den FDGB und andere M a s s e n o r g a n i s i a t i o n e n keine Investitionsmittel für neue Projekte zur Verfügung gestellt mit Ausnahme der bereits beschlossenen Bauten der Semper-Galerie und der Oper in Leipzig. Die Investitionsmittel des Ministeriums für Gesundheitswesen sollen vor allem für die bessere Ausstattung der Institute, Krankenhäuser, Laboratorien und Polikliniken mit ärztlichen Apparaten und Instrumenten verwendet werden. Der Plan aller Investitionsmittel, wie zum Beispiel Generalreparaturen usw. für die genannten Körperschaften bedarf der Bestätigung durch das Sekretariat des Zentralkomitees.

Uni die Erhöhung der Arbeitsproduktivität Den Widerspruch zwischen den wachsenden Ansprüchen der Bevölkerung und der im Verhältnis dazu zurückbleibenden Produktion, können wir nur durch die Erhöhung der Arbeitsproduktivität überwinden.

Ungeachtet aller bedeutenden positiven Tatsachen, können wir nicht an dem LImstand vorbeigehen, daß nach der Beseitigung des kapitalistischen Zwangs durch Hunger, Arbeitslosigkeit und Not ein Teil der Arbeiter ein falsches Verhältnis zur Arbeit und damit zu unserem Staat an den Lag legt. Diese Menschen wollen für sich persönlich das Ziel verwirklichen, trotz niedriger Arbeitsproduktivität und schlechter Leistungen viel Geld zu verdienen und gut zu leben. Typische Erscheinungen eines solchen Verhaltens sind: Arbeitsbummelei, Vortäuschung von Krankheiten, achtloses Umgehen mit volkseigenen Maschinen, Geräten und Werkzeugen, ja sogar Vergeudung von Volkseigentum. Es ist klar, daß solche Zeitgenossen versuchen, sich auf Kosten ihrer Kollegen, auf Kosten des Volkes durchs Leben zu schlagen, wobei sie die Beseitigung des kapitalistischen Zwangs und die hohen sozialen Leistungen des Arbeiter-und Bauernstandes ausnutzen. Bezeichnenderweise sind es sehr oft jugendliche Arbeiter, bei denen Bummelei und Vortäuschung von Krankheiten auftreten.

Wir können nicht verschweigen, daß es sich jährlich um einige hundert Millionen Mark handelt, die durch das falsche Verhalten rückständiger Kollegen der Verbesserung der Lebenslage und der Arbeitsbedingungen aller ehrlich und fleißig arbeitenden Werktätigen entzogen werden. Zur Entwicklung der privatkapitalistischen Betriebe • und der Handwerksbetriebe Im dritten Quartal 1955 ist im Verhältnis zum zweiten Quartal die Produktion der sozialistischen Betriebe um 22 Millionen DM zurückgegangen und die Produktion der privaten Betriebe um 26 Millionen DM angestiegen. Durch besondere Finanzbegünstigungen privater Betriebe war es ihnen möglich, Arbeiter aus volkseigenen Betrieben abzuziehen.

Wie Untersuchungen auf dem Gebiet der Bauindustrie im Bezirk Dresden ergeben haben, verhalten sich die staatlichen Organe gleichgültig dazu, daß die Leistungen privater Baubetriebe bei gleichen Kosten um mehr als ein Drittel niedriger sind, als bei den volkseigenen Betrieben. Offensichtlich bereichern sich hier private Bauunternehmer auf Kosten des Staates und benutzen auch noch einen Teil der gesetzwidrig viel zu hoch berechneten Kosten zur Korrumpierung der Bauarbeiter.

Die Beiräte det Industrie-und Handelskammern arbeiten schlecht. Sie sollen aus drei Vertretern der Privatindustrie, drei Vertretern des Staatsapparates und drei Vertretern des FDGB zusammengesetzt sein. In vielen Sitzungen sind jedoch nur die Vertreter der Privatindustrie anwesend.

Es ist bekannt, daß es bei uns noch viele Unregelmäßigkeiten in der Versorgung gibt. Das Politbüro hat sich damit sehr gründlich beschäftigt und das Mitglied des Politbüros Genossen Fred Oelssner zeitweise als Sonderbeauftragten des Zentralkomitees für Fragen des Handels und der Versorgung eingesetzt.

Die ideologischen Aufgaben der Partei ... die Frage des Wettbewerbs zwischen den Staaten des sozialistischen und des kapitalistischen Systems, das Wesen unserer Politik der Koexistenz, die Vertiefung der allgemeinen Krise des Kapitalismus, wie sie besonders im Kampf der Kolonialvölker und der abhängigen Völker um ihre nationale Unabhängigkeit zum Ausdruck kommt, erfordern die theoretische Durcharbeitung und eine breite propagandistische Arbeit in der Partei, in der Arbeiterklasse und in der Bevölkerung. Angesichts der Unterstützung der Außenpolitik des deutschen Imperialismus durch . rechte, sozialdemokratische Führer und der Politik der Sozialpartnerschaft, wie sie von rechten sozialdemokratischen Gewerkschaftsführern betrieben wird, ist es notwendig, das Wesen des deutschen Imperialismus zu enthüllen, die Wirkung des Grundgesetzes des Kapitalismus in Westdeutschland zu beweisen und die reformistische Politik zu entlarven, damit das Klassenbewußtsein der Arbeiter entwickelt wird.

... aber auf Schritt und Tritt stoßen wir sogar in den Reihen unserer Partei auf Unklarheiten und Schwankungen. Wir wünschen, daß die 25. Tagung des Zentralkomitees zum Ausgangspunkt der breiten Entfaltung des wissenschaftlichen Meinungsstreites auf allen Gebieten wird, und der Kampf gegen den Einfluß der imperialistischen Ideologien aus dem Westen verstärkt wird.

Wir haben den Eindrude, daß der Einfluß des Spießbürgertums bei uns gewachsen ist. Worin kommt das zum Ausdruck? In der Angst mancher Funktionäre vor der Kritik und Selbstkritik, in der Furcht vor der Verantwortung, in der Gleichgültigkeit gegenüber feindlicher Propaganda und in spießbürgerlichen Lebensgewohnheiten.

Die schlechte Organisationsarbeit bei der Vorbereitung und Durchführung der Ernte in diesem Jahr hat ihre tiefere Ursache in dem ungenügend entwickelten sozialistischen Bewußtsein der betreffenden Mitarbeiter des Staatsapparates, die nicht verstanden haben, entsprechend den besonderen Bedingungen der Ernte in diesem Jahr rechtzeitig die Organisation der Ernteeinbringung zu ändern.

In der Kreisparteiorganisation der Wismut in Johanngeorgenstadt wurde zum Beispiel gesagt, es bleibe sich gleich, ob Adenauer die Regierung Deutschlands übernimmt, die Hauptsache sei, daß erst einmal die Einheit hergestellt werde. Das zeigt doch, das unsere Parteiorganisation nicht einmal den Parteimitgliedern, geschweige denn den Massen genügend erklärt hat, daß die Einigung Deutschlands zu einem imperialistischen Staat den Krieg und damit den Ruin Deutschlands bedeuten würde. Und wenn manche Umsiedler die Frage stellen: „Wir wollen erst einmal sehen, wer stärker ist", so ist das eine gefährliche Fragestellung, denn dadurch werden die westdeutschen Militaristen ermuntert.

Besonders notwendig ist es, sich gründlich mit der Erziehungsarbeit an den Universitäten, Hochschulen und Fachschulen zu beschäftigen. Wir haben gute Fortsdiritte in der sozialen Zusammensetzung der Studenten und Hochschüler erreicht. Die Angehörigen der Arbeiterklasse sind in der Mehrheit, aber trotzdem steht die Mehrheit der Studenten unter kleinbürgerlichen Einflüssen. Sie bejahen zwar die Entwicklung in der DDR und sie anerkennen die Errungenschaften, aber sie sind sich unklar über die Perspektive und unterliegen deshalb dauernden Schwankungen. Die Überzeugungsarbeit unter den Studenten ist ungenügend. Vorlesungen, die idealistische oder andere unwissenschaftliche Anschauungen enthalten, werden vielfach hingenommen ohne daß in der Parteigruppe oder FDJ-Gruppe eine Auseinandersetzungerfolgt. Es kommt hinzu, daß die sogenannte „Evangelische Studentengemeinde“ an den Hochschulen als Organisation tätig ist, obwohl diese Organisation nicht erlaubt ist. Es ist also die bedauerliche Tatsache festzustellen, daß ein Teil der jungen Intelligenz aus den Kreisen der Arbeiterklasse und der Werktätigen den Klassenstandpunkt aufgegeben hat und unter den Einfluß der bürgerlichen Ideologie gekommen ist.

Das Sein besimmt das Bewußtsein der Arbeiterschaft

Alois Pisnik (1. Sekretär der SED-Bezirksleitung Magdeburg)

Trotz dieser und ähnlicher Tatsachen, gibt es aber nicht wenige Diskussionen in sehr vielen Teilen der Arbeiterschaft in negativer Hinsicht. Vor allem bewegen sich diese Diskussionen auf dem Gebiet der Versorgung — das steht besonders im Vordergrund —, dann auch in der Frage von Produktionsschwierigkeiten, Materialbeschaffung, Arbeitsorganisation, Auftragslage usw. Da gibt es einige Betriebe bei uns, die nach wie vor sehr große Schwierigkeiten haben ...

Es gibt auch eine solche Frage: In Westdeutschland ist es besser als bei uns. Seit 1953 ist es bei uns nicht aufwärts, sondern abwärts gegangen. Wenn es uns gelingt, die Menschen zur Sprache zu bringen, so daß sie wirklich ihre Meinung sagen — und das ist nicht immer der Fall —, dann kommen sehr oft diese Dinge heraus. In vielen Fällen, auch im Rahmen der Partei, halten die Menschen und auch die Parteimitglieder mit ihrer wirklichen Meinung zurück und sagen sie nicht. Das ist ein bedenklicher Zustand. Wo es uns gelingt, die Menschen zum Sprechen zu bringen, hört man in starkem Maße die Meinung in einer solchen Richtung: Bei uns ist es schlechter, in Westdeutschland ist es besser als bei uns, wir müßten erst einmal den Lebensstandard wie in Westdeutschland erreichen . . .

Aber in den meisten Fällen sind die sogenannten negativen Momente auch von den Arbeitern und auch von unseren Genossen in den Vordergrund der Auseinandersetzung gerückt worden. Die Hinweise auf politische Fragen, wurden oft mit Bemerkungen beantwortet, daß erst die Versorgungsschwierigkeiten und andere beseitigt werden müssen. Andere sagten, daß sie gegen die politischen Fragen, gegen unsere Republik nichts haben und auch sehr einverstanden sind . . .

In einem Betrieb im Kreis Staßfurt hat ein Diskussionsredner — er hat sehr großen Beifall besonders bei den Arbeitern gefunden — politische Schlußfolgerungen gezogen aus den wirtschaftlichen Schwächen und Mißständen, die dort angeführt wurden. Mißstände in der Produktion, im Betrieb und in der Versorgung der Menschen. Er sagte u. a.: , Es sind nun schon zehn Jahre her, aber noch immer klappt es nicht. Man hat gesagt, daß nach dem ersten Fünfjahrplan ein Lebensstandard erreicht wird wie nie zuvor. Aber die Lage ist seit 1953 schlechter geworden. Dabei sind wir am Ende des Fünfjahrplans und haben die Aufgaben erfüllt und übererfüllt. Ihr kennt die Lage unten nicht. Ihr kennt die Stimmung der Menschen nicht. Das ist auch bei der Regierung der Fall; ihr werdet über die wirkliche Lage unten nicht informiert/In einem solchen Ton weiter: , Als die Kapitalisten noch da waren, da hat es weit besser geklappt, da war keine Planwirtschaft, aber sie haben die Arbeit besser organisiert'. Dieser Mann stand nicht allein, er fand eine ziemlich breite Zustimmung, vor allem bei den Arbeiterinnen und Arbeitern, während sich die dort anwesende technische Intelligenz zurückhielt. Ähnliche Momente sind auch zum Ausdruck gekommen bei einer Aussprache, die ich im Kreis Oschersleben in der Pumpenfabrik hatte. Dort haben wir eine sehr große Westflucht zu verzeichnen. Auf Grund dieser Tatsache bin ich hingegangen und habe mit Arbeitern Aussprachen durchgeführt. Auch dort wurde die Betonung auf die Versorgungsfragen gelegt. Man hat ganz offen zum Ausdruck gebracht, die Lage in Westdeutschland sei besser, es gäbe viele Beweise dafür. Man hat Briefe angeführt, von denen, die nach Westdeutschland gegangen waren, die in ihrem Schreiben ausgerechnet haben, wie es ihnen hier ergangen ist und wie es ihnen drüben ergeht. Wenn sie oft auch weniger verdienen, so könnten sie sich doch mehr dafür leisten. Eine sehr ernste Geschichte war auch in einer Gewerkschaftsgruppenversammlung, die im Karl-Marx-Werk in Magdeburg nur Angehörige der Intelligenz umfaßte. Dort ist die Intelligenz sehr massiv gegen unsere Republik und gegen unsere Regierung aufgetreten. Es waren aber solche, die eine ausgezeichnete fachliche Arbeit leisten. Als ihnen das in einer späteren Aussprache entgegengehalten wurde, sagten sie: , Wir sind interessiert daran, daß wir eine gute Arbeit leisten, wir sind aber nicht mit der Ordnung einverstanden, wie sie hier besteht. Drüben ist die Ordnung besser, das ist unsere Meinung.'Wir haben in vielen Fällen viele solcher Argumente gehört: Die Preise sind angestiegen, das ist nichts Neues, das haben wir schon früher oft gehört. Ich habe mich sehr oft bei unseren Genossen Handelsfunktionären erkundigt, wie es damit steht , Das stimmt nicht', sagten sie, , wo die Preise angestiegen sind, dort ist auch eine Qualitätsverbesserung zu verzeichnen'. Wir entwickeln meistens nur die große Linie bis zu Fragen der Stärkung der Republik und im besten Fall aber nur allgemein bis zu Fragen der Erhöhung der Arbeitsproduktivität, der Verbesserung der Qualität usw. Das allein aber reicht nicht aus, wenn man sich nicht mit den konkreten Fragen befaßt, wie sie in den Betrieben, in den MTS und in den LPG stehen. Das verstehen wir aber nicht genügend. Wir haben sogar ein Zurückweichen zu verzeichnen vor diesen konkreten Momenten z. B. in der Frage der Lage in Westdeutschland.

Unsere Argumentation war im Prinzip richtig, aber wir haben viele konkrete Momente, wie sie drüben vorhanden sind und gestern in den Referaten zum Ausdruck kamen, nicht beachtet. Wir haben mit vielen Zahlen jongliert, die für sich allein gesehen richtig sind, aber zu diesen Zahlen gehört noch etwas anderes. Die Zahlen allein geben ein unrichtiges Bild.

Ich denke, es muß hier unter allen Umständen eine Änderung eintreten, weil es manchmal so war, daß gelacht wurde über die Argumente, die von unserer Seite vorgebracht worden sind, weil dabei an Tatsachen vorbeigegangen ist. Und der Ton war immer ungefähr so, wenn auch nicht mehr so stark wie früher: Drüben geht es abwärts, es herrscht Not, Krise und Elend! Das ist falsch, in einer solchen Art zu argumentieren, wo doch ziemlich viele und breite Verbindungskanäle mit Westdeutschland vorhanden sind. (Zuruf: Du hast die Presse nicht studiert.)

Aber sehr sorgfältig. Diese Argumente, wie die Fragen, die der Genosse Ulbricht gestern behandelt hat, sind in der Presse nicht zu lesen. Auch nicht im Rundfunk zu hören. (Zwischenbemerkung Schirdewan: Dafür haben wir ja das 25. Plenum.)

Ich habe früher von der Versammlung in Karl-Liebknecht-Werk gesprochen, wo Intelligenzler, besonders einer, sehr massiv gegen unsere Republik aufgetreten sind. Darauf hat ihm der Referent mit dem Finger einen Vogel gezeigt und gesagt: „Morgen sprechen wir uns wieder". Der eine, der so massiv aufgetreten ist und der Hauptwortführer war, hat das sofort aufgegriffen und gesagt: „Seht Ihr, morgen werden wir die Quittung dafür bekommen, daß wir offen unsere Meinung gesagt haben". — Wir haben dann mit dem Genossen gesprochen und er hat uns gesagt, er habe die Nerven verloren und auf die massiven Angriffe nicht mehr antworten können und nur den Vogel gezeigt und gesagt: „Wir sprechen uns morgen“.

Eines der ernstesten politischen Momente ist auch in einem nicht unwesentlichen Ansteigen der Republikflucht zu sehen, besonders von Spezialisten, Jugendlichen usw. Früher gab es dafür einige Momente. So sagten die Arbeiter in einer Fabrik in Oschersleben auf diesbezügliche Fragen, sie seien auch der Meinung, daß die Lage in Westdeutschland besser ist als bei uns, wir müßten erst einmal den Lebensstandard von drüben erreichen . . .

Das spiegelt sich auch in vielen Briefen wider, die von Republikflüchtigen hierher geschrieben werden. (Karl Schirdewan: Was gibt es denn für positive Meinungen im Bezirk? Wir hören jetzt von Dir alle Meinungen, die negativ sind. Wie kämpft bei Euch die Partei?)

Wir kämpfen dagegen, aber allein werden wir mit bestimmten Dingen nicht fertig und deshalb sage ich das hier. Wir haben mit vielen Fragen gerungen, auch mit der Frage der Republikflucht, weil sie von vielen unserer Funktionäre zu einfach behandelt worden ist.

I Kurt Seibt (1. Sekretär der SED-Bezirksleitung Potsdam)

Im Zusammenhang mit der Solidaritätsaktion wurde einem Parteigruppenorganisator gesagt: „Wozu sollen wir die streikenden Arbeiter in Westdeutschland unterstützen, die leben ja besser als wir!'Auch im Stahl-und Walzwerk „Wilhelm Florin" war es ähnlich. Dort sagte auf der Beratung der Parteiorganisatoren einer zu dieser Frage: „Viele Arbeiter glauben nicht an den Sozialismus.“ In den politischen Fragen geben die Kollegen uns meist Recht, aber dann kommen sie mit den wirtschaftlichen Dingen, und da sind sie sehr oft unzufrieden.

Wir haben uns im Büro der Bezirksleitung und in der Agitationskommission überlegt, was wir ändern müßten. Da fand sich manches: einmal die simple, von uns betriebene Schwarz-Weiß-Malerei, z. B.den Mund vollzunehmen über Erfolge, ohne sie konkret zu zeigen. Oder über den Abstieg und das Elend in Westdeutschland zu reden, ohne etwas zu beweisen, was häufig der Fall ist. Wir haben uns überlegt, wie wir die Lage der Werktätigen in Westdeutschland konkreter darstellen können. Da gibt es Beweise. So waren westdeutsche Frauen bei uns auf einer gesamtdeutschen Arbeiterinnenkonferenz in Premnitz anwesend und haben mehrere Betriebe besichtigt. Im Burger-Bekleidungswerk in Brandenburg beklagte sich eine unserer Arbeiterinnen in der Diskussion, daß sie im volkseigenen Betrieb zu sehr ‘ran müßte und kaum von der Arbeit aufsehen könnte. Darauf fragte sie eine westdeutsche Kollegin, diese Arbeiterin, wieviel Zeit sie denn für ihre Arbeit hätte. Ich brauche mindestens zehn Minuten, war die Antwort. Die westdeutsche Arbeiterin sagte ihr darauf, daß sie ebenfalls in einem solchen Bekleidungsbetrieb in Westdeutschland arbeitet, daß sie am Fließband für die selbe Arbeit, die die Kollegin dort macht, nur 2 Minuten und 8 Sekunden zur Verfügung hat und sie fügte hinzu: „Wenn wir sagen, wir schaffen es nicht, dann heißt es: . Bitte, Sie können aufhören, draußen warten tausend andere.'"

Wir haben das Material ausgenutzt, und es hat eine große Wirkung gehabt. Solche Materialien gibt es aber in allen Betrieben, die Verbindung mit Westdeutschland haben. Leider aber wird in den Betrieben und von den Kreisleitungen noch sehr wenig mit solchen Materialien gearbeitet . . .

Es kommt noch etwas anderes hinzu, es handelt sich um qualifizierte Facharbeiter, zum Beispiel E-Schweißer, die abgewandert sind aus Henningsdorf vom LEW. Sie sind abgewandert, als man dort die Normen-frage neu gestellt und die Normen heraufgesetzt hat. So etwas gibt es nicht nur in Henningsdorf, sondern auch noch in anderen Betrieben. Es sind bestimmte Regulierungen an den Normen vorgenommen worden. Hinterher kam oft noch eine Veränderung in den Lohneinstufungen und das wirkt sich in starken Lohnherabsetzungen aus. Auch das hat mit zur Republikflucht beigetragen. Aber diese Abwanderungen sind nicht nur im LEW Henningsdorf, sondern auch in anderen Betrieben, wo eine bestimmte ideologische Arbeit von unserer Partei geleistet wird, war die Abwanderung trotzdem nicht zu verhindern.

Otto Lehmann (Sekretär des FDGB-Bundesvorstandes)

Der Betriebskollektivvertrag in unseren volkseigenen Betrieben und der Kampf um seine Erfüllung spielen in diesem Jahr, im Gegensatz zu anderen Jahren, bei der politisch-ideologischen Erziehung unserer Werktätigen im Kampf gegen Schlendrian in der Produktion und auch bei der Verbesserung der Arbeits-und Lebensbedingungen unserer Arbeiter in den volkseigenen Betrieben, eine ungenügende Rolle. Daraus erklärt sich auch, daß der Betriebskollektivvertrag im Bewußtsein der Werktätigen nicht mehr die Rolle spielt und oft zu einer Routineangelegenheit der Leistungen wurde. Die Folge davon ist, daß viele Arbeiter, Meister, Techniker und Ingenieure keine genügende Achtung und kein richtiges Vertrauen mehr zu unseren Betriebskollektivverträgen haben.

Rudi Kirchner (Sekretär des FDGB-Bundesvorstandes)

Die Wirtschaftsentwicklung in Westdeutschland hat jedoch zwei Seiten. Sie brachte der Burgoisie ungeheueren Reichtum. Es wäre jetzt falsch, einfach zu sagen, sie brachte den Arbeitern insgesamt nur eine Verschlechterung. Das darf man meiner Ansicht nach nicht machen, sondern man muß real einschätzen, daß es mindestens 15— 20% hoch-bezahlte Spezialisten in den westdeutschen Betrieben gibt, die an dieser Entwicklung in der Hinsicht Anteil haben, daß sie sich allerhand leisten können.

Welches ist der Standpunkt der westdeutschen Gewerkschaften? Man kann sagen, daß der wichtigste Teil der Führung des Bundesvorstandes bereits eine absolute Abkehr von den Beschlüssen des Frankfurter Kongresses gegen Remilitarisierung und für das Aktionsprogramm vollzogen hat.

Es gibt vom Bundesvorstand keinen Kampf für die Durchführung dieser Beschlüsse. Man versucht jetzt auf lohnpolitischem Gebiet den Kampfwillen der Arbeiter mittels Streiks höhere Löhne zu erringen, auf den Verhandlungsweg zu schieben und aufzufangen. In Dortmund hat Freitag gesprochen und große Worte über die Einheit der Gewerkschaften verloren, wir begrüßen natürlich einen solchen Beschluß wie den der ÖTV: der Ausschluß von Winkelheide ist richtig, aber die Politik die Walter Freitag durchführt, wird die Einheit der westdeutschen Gewerkschaften nicht retten. Die Fortsetzung der Politik von Walter Freitag, Karl und Rosenberg, wenn sie nicht geändert wird, führt zur völligen Gleichschaltung der Gewerkschaften und letzten Endes, gleich auf welchem Wege, zu ihrer Zerschlagung. Freitag, der heute für die Einheit der Gewerkschaften auftritt, ist aber mit seiner Politik den Monopolen bereits soweit erlegen, daß er nicht merkt, wie die Adenauer-Partei mit vertauschten Rollen spielt, auf der einen Seite offen die Spaltung der Gewerkschaften fordert, auf der anderen Seite sich dagegen wendet, um hinter dem Rücken doch dafür zu arbeiten.

Der Klassenkampf der SED gegen die Bevölkerung der SBZ

Otto Grotewohl Es handelt sich darum, daß unsere Schwierigkeiten nicht Schwierigkeiten des Niedergangs, oder Schwierigkeiten der Stagnation sind, sondern Schwierigkeiten des Wachstums, Schwierigkeiten des Aufstiegs, Schwierigkeiten der Vorwärtsbewegung.

Daraus folgt vor allem, daß unsere Schwierigkeiten nicht Schwierigkeiten infolge kleiner und zufälliger Unzulänglichkeiten, sondern Schwierigkeiten des Klassenkampfes sind.

Daraus folgt zweitens, daß hinter unseren Schwierigkeiten unsere Klassenfeinde stecken, daß diese Schwierigkeiten kompliziert werden, durch den Widerstand der untergehenden Klassen in Westdeutschland, durch das Vorhandensein bürokratischer Elemente in unseren eigenen Institutionen, durch das Vorhandensein von Unsicherheit in manchen Leitungen unserer Partei.

Daraus folgt drittens, daß es zur Überwindung der Schwierigkeiten vor allem notwendig ist, die Angriffe der kapitalistischen Elemente durch eine weitere, erfolgreiche Arbeit unserer Staatssicherheitsorgane und weitere Steigerung der Wachsamkeit unter den Werktätigen zurückzuschlagen, ihren Widerstand zu unterdrücken und so die Bahn für eine erfolgreiche Vorwärtsbewegung zu ebnen.

Das Staatssekretariat für Staatssicherheit hat inbesondere in den letzten zwei Jahren bedeutende Erfolge im Kampf gegen die feindlichen Agenturen in der DDR erzielt. Wichtige Stützpunkte feindlicher Organisationen in der DDR wurden zuschlagen. Die Sicherheit der DDR ist gestärkt und muß durch die Arbeit der Organe der Staatssicherheit weiterhin gewährleistet werden.

Eine weitere Verschärfung des Klassenkampfes zeigt uns auch das Anwachsen der Republikflucht. Die Zunahme der Republikflucht bei Facharbeitern zeigt uns, daß amerikanische Kapitalisten und deutsche Rüstungsindustrielle eine planmäßige Abwerbung um diese Arbeitskräfte in unserer Republik organisieren. Ideologisch nicht gefestigte Arbeiter und Techniker fallen diesem Manöver zum Opfer, weil sie noch nicht begriffen haben, daß sie der Kriegsindustrie und dem Kriege in Westdeutschland dienstbar gemacht werden.

Die von unserer Partei geführte Arbeiterklasse, die im festen Bündnis mit ihr stehenden Werktätigen, ihrer Entschlossenheit der Partei auf dem Wege des sozialistischen Aufbaus zu folgen, das ist jene große Kraft, die in der Lage ist, die Schwierigkeiten zu überwinden und den Feinden unserer Arbeiter-und Bauernmacht wirksam entgegen zu treten. Ein guter Schritt dazu war auch die Bildung und Bewaffnung der Kampfgruppen der Betriebe.

Die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG)

Walter Kästner (Vorsitzender der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft Groß-Mehla, Kreis Mühlhausen)

Aus der Vielzahl der Probleme möchte ich hier auf die Entwicklung und Festigung der landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften eingehen. Es ist m. E. an der Zeit, offen darüber zu sprechen. Wenn ich hier nun darüber spreche, dann deshalb, weil in einer Reihe von landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften eher einer Rüdeschritt denn ein Fortschritt zu verzeichnen ist. Ja, man kann, ohne zu übertreiben sagen, daß in einigen landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften ernste Verfallserscheinungen auftreten. Es ist dort soweit bereits, wenn nicht schnellstens eingegriffen wird und ihnen nicht geholfen wird, daß sie nicht in der Lage sind, diese Schwierigkeiten zu meistern. Worin bestehen nun diese Schwierigkeiten?

Die Gründung der landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften wurde oft zu leichtfertig vorgenommen. Ich meine hier besonders die Produktionsgenossenschaften, die durch die Umbildung der örtlichen Landwirtschaftsbetriebe vorgenommen sind. Wenn es landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften gibt, die aus eigener Produktion je Arbeitseinheit 78 Pfennig im Jahr 1954 produzieren und zahlen können, wo die Mitglieder noch dazu zum größten Teil ehemalige Landarbeiter sind, dann kann man sich vorstellen, wie ernst die Lage ist. Denn ein Landarbeiter ohne individuelle Viehhaltung kann unter diesen Umständen nicht das verdienen, was ein Industriearbeiter bekommt, wenn er so wenig je Arbeitseinheit bekommt mit den dazugehörigen Naturalien.

Jeder Kreis würde dann die meisten und besten LPG haben, ohne zu überprüfen, daß die Voraussetzungen da vorhanden waren, ob bei den leitenden Kadern überhaupt das Bewußtsein vorhanden war. Sie wurden in ihre Funktionen gedrängt, gezogen, ohne die primitivsten Voraussetzungen zu besitzen oder aus anderen Gründen. Die Vorsitzenden wurden zum Teil in ihre Funktion gedrängt, oft aus spekulativen Gründen, Futterschwierigkeiten usw. zeichnen sich heute schon ab. Man soll aber nicht die Tatsache vernachlässigen,daß es auch in den bereits länger bestehenden LPG sehr ernsthafte Schwierigkeiten gibt. Die LPG wurde zum Auffangbecken vieler heruntergewirtschafter Betriebe. Alles herrenlos und pachtfrei werdende Land wurde den LPG aufgebürdet. Jetzt haben wir einen solchen Zustand zu verzeichnen, daß viele LPG hektarmäßig enorm gewachsen sind, es aber an den nötigen Arbeitskräften und an dem nötigen Vieh fehlt, so daß sie nicht in der Lage sind, die anfallenden Arbeiten terminmäßig durchzuführen. Die Folge davon sind Ertrags-verminderungen, große Verluste von wertvollem Erntegut, und die LPG ist nicht mehr das Vorbild für die werktätigen Bauern, sondern sie hinken in der terminmäßigen Beendigung der Arbeiten auch qualitätsmäßig hinter den werktätigen Bauern her.

Die Bereitstellung von Maschinen durch die MTS war auch in diesem Jahre völlig unzureichend. Man war somit nicht in der Lage, die anfallenden Arbeiten durchführen zu können. Hinzu kam der katastrophale Ausfall der Maschinen, bedingt durch das Nichtvorhandensein der Ersatzteile und deren schlechter Qualität.

Ernste Fehler traten auf durch die schlechte Arbeitsorganisation, den nicht richtigen Einsatz der Maschinen und deren nichtgenügende Auslastung. Auch kommen die Traktoren meist zu spät, oder überhaupt nicht zum Einsatzort, es kommt dadurch zu vielen Leerlaufstunden. Das verspätete Eintreffen geht dann zu Lasten der Qualitätsarbeit.

Durch diese mangelhafte Unterstützung haben wir auch in diesem Jahr die Tatsache zu verzeichnen, daß wohl die werktätigen Bauern mit ihrer Feldarbeit fast fertig sind, während die LPG noch ein gewaltiges Stück Arbeit zu leisten haben.

Was helfen uns alle bis ins Kleinste und gut ausgearbeitesten Einsatzpläne mit den MTS, wenn sie nicht eingehalten werden. Große Schwierigkeiten traten in vielen LPG in der tierischen Produktion auf. Es fehlt hier besonders an den Unterbringungsmöglichkeiten der Tiere. Die in den LPG durchgeführten Bauten sind völlig unzureichend. Die in den Notunterkünften, wie Scheunen, Tennen und alten Schuppen, untergebrachten Schweine, sind somit schlechter dran, wie die im Freien lebenden Tiere, denn sie finden fast kein trockenes Fleckchen.

Es ist deshalb keine Seltenheit, daß die Tiere verkümmern und nach einem Jahr ein Gewicht von 80 Kilogramm und darunter aufweisen. Eine gesunde Ferkelaufzucht ist unter diesen Verhältnissen nicht möglich. Die LPG sind gezwungen, ihre Schweine zu kaufen. Die dadurch entstandenen Sollbelastungen sind nichit selten höher wie das Ablieferungssoll der LPG. Dasselbe ist auch bei den Rinderbeständen der Fall. Die LPG sind auf Grund der Verhältnisse nicht in der Lage, ihre Pläne zu erfüllen. Die Einnahmen verringern sich zwangsläufig und es können die im Plan vorgesehenen Sätze je Arbeitseinheit nicht gezahlt werden, was sich natürlich sehr nachteilig auf die Arbeitsmoral der Mitglieder auswirkt. Vor allen Dingen bei den ehemaligen Land-und Industriearbeitern, die zum größten Teil noch keine individuelle Viehhaltung haben, ist das der Fall, und auch dort, wo sie wohnen, keine Möglichkeit dazu haben. Unter diesen Umständen ist es sehr schwer, einen ehemaligen Landarbeiter zum Eintritt in die LPG zu bewegen, ja es sind nicht wenig Fälle bekannt, wo der ehemalige Landarbeiter austritt und wieder zu seinem ehemaligen Herrn, dem Großbauern, zurückkehrt. Das ist m. E. eine sehr große Gefahr, nicht nur ökonomisch, sondern in weit stärkerem Masse in politischer Hinsicht.

Genau so verhält es sich in der Frage des Eintritt von Klein-und Mittelbauern in die LPG. Es ist nun einmal eine unbestreitbare Tatsache, daß das Einkommen einer großen Anzahl von Klein-und Mittel-bauern höher ist, als das der Genossenschaftsbauern.

Erich Mückenberger (Sekretär des ZK für Landwirtschaft)

Der Zustand der Pflegearbeiten auf vielen Feldern ist sehr ernst. Sehr ernst, Genossen — und das sollte man dem ZK nicht verheimlichen —, ist auch die Tatsache, daß in diesem Jahr in einer Reihe von Kreisen der sozialistische Sektor, vor allem die Genossenschaften, in der Ernteeinbringung und in der Feldpflege nicht führend waren. Das brauchte jedoch in keinem Falle zu sein, denn die Voraussetzungen in technischer und fachlicher Natur sind da. Vor allem zeigt sich, daß die Maschinentraktorenstationen'den sozialistischen Sektor ungenügend unterstützen und zwar durch ihre schlechte Vertragstreue und durch schlechte und sinkende Arbeitsmoral. Vielfach erhalten dadurch die Genossenschaften bei ihrer Arbeit nicht die Unterstützung, die sie von Seiten der MTS benötigen. Der sozialistische Sektor erhält in der Regel keine besondere Förderung, sondern um ihn kümmert sich lediglich in dem Staatsorgan der Kreise nur die Unterabteilung LPG.

Die ungenügende Aussprache und das Ausweichen vor Auseinandersetzungen führt eben dazu, daß vielfach eine Gleichgültigkeit eingetreten ist. Das zeigt sich sehr stark in der Arbeit der VdGB (Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe, d. Red.), die in vielen Orten nur dem Namen nach existiert. Diese Tatsache spiegelt sich wider im Zustand der Felder, in der miserablen Pflegearbeit, der sinkenden Arbeitsmoral und Arbeitsdisziplin. Viele der Agronomen und Brigadiers der MTS lassen einen faulen Liberalismus zu, anstatt einen beharrlichen Kampf um die beste Feldbestellung und Feldpflege und zur systematischen Verbreitung fortschrittlicher Arbeitsmethoden zu führen.

Genossen! Mit dem Stichtag vom 31. März 195 5 bestanden bei uns 5 980 Genossenschaften, darunter 4 552 im Typ III. Die Genossenschaften bewirtschaften knapp 20°/o der landwirtschaftlichen Nutzfläche. Die Genossenschaften vereinigen in sich etwas über 194 840 Mitglieder, davon sind aber 80 786 ehemalige Landarbeiter und hinzu kommen weiter 7 306 Industriearbeiter. Gerade in diesem Jahr zeigte sich, daß ein Teil der Genossenschaftsbauern noch nicht das tiefe Verantwortungsbewußtsein gegenüber der Genossenschaft besitzt. Das kommt in verschiedenerWeise, so in der Arbeitsmoral und Arbeitsdisziplin, sowie im Verhältnis zum genossenschaftlichen Eigentum zum Ausdruck. Während der Ernte wurde in einer Reihe von Genossenschaften festgestellt, daß wohl die Männer Mitglieder der Genossenschaft sind, aber die Ehefrauen nicht. Ein Teil dieser Ehefrauen, wie in der LPG Heiligenfeld oder Kluthken, arbeitete aber während der Ernte nicht auf den Feldern der Genossenschaft, sondern als Lohnarbeiterinnen auf den Feldern von Einzelbauern, darunter sogar auf den Feldern von Großbauern.

Wozu führt das? Daß in einer Reihe von Fällen freiwillige Erntehelfer der Nationalen Front oder aus den Betrieben, respektive unsere Genossen der kasernierten Volkspolizei, auf den Feldern der Genossenschaft halfen, während zur gleichen Zeit Ehefrauen und Angehörige der Genossenschaftsbauern als Lohnarbeiter bei den Großbauern im gleichen Dorf arbeiten.

Bei ehemaligen Landarbeitern zeigt sich oft noch das Fehlen der Erkenntnis, daß die Genossenschaft, der sie jetzt angehören, ihre Genossenschaft ist und kein Privatbetrieb, in dem man nur 8 Stunden arbeitet, sondern daß sie für deren Festigung und Wachstum als Mitglied die persönliche Verantwortung mitzutragen haben.

Erich Rübsam (Leiter des Instituts für Acker-und Pflanzenbau der Deutschen Akademie für Landwirtschaftswissenschaft in Müncheberg)

Im ersten Teil des vorliegenden Dokuments wird vorgeschlagen, in Auswertung der Erfahrungen der Sowjetunion und der Volksdemokratien, zu einen neuen System der Agrarplanung in unserer Landwirtschaft überzugehen. Der Viehhalteplan soll demnach sofort, der Anbauplan ab Herbst 1956 wegfallen. Dafür soll der erforderliche Umfang der Produktion von Gemüse und technischen Kulturen durch ein Vertragssystem gesichert werden, während für die übrigen pflanzlichen und sämtliche tierische Produkte nur Ablieferungsbescheide an die landwirtschaftlichen Betriebe ausgehändigt werden sollen. Eine solche Planmethode entspricht den Wünschen unserer Bauern und Landarbeiter, denn sie räumt der Entfaltung der Eigeninitiative und der Auswertung örtlicher Erfahrungen in der Entwicklung der jeweils produktiven Wirtschaftszweige grössere Möglichkeiten ein, als die zentralisierte Festlegung von Anbau-und Viehhalteplänen.

Die zentralisierte Planung hemmt aber vielfach die weitere Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion, weil die richtige Standortverteilung der Kulturen behindert wird. Von den Planungsorganen wurden die Anbau-und Viehhaltepläne häufig schematisch aufgeschlüsselt, die Kulturen auf Kleinstflächen zerplittert und mit den resultierenden „Apothekerfuhren" die Bauern verägert.

Hinzu kommt, daß die zu sehr ins Einzelne gehende Planungsarbeit zu viele Mitarbeiter staatlicher Organe an den Schreibtisch fesselt.

Die vorgeschlagenen Preisänderungen landwirtschaftlicher Produkte haben eine stärkere Reduzierung des Geldeinkommens je Hektar Landnutzfläche bei Klein-und Mittelbauern, einschließlich LPG zur Folge, als bei den Großbauern. In sämtlichen Klassen trifft sie diejenigen Wirtschaften am meisten, welche dem freien Aufkauf die meisten Produkte zur Verfügung stellen, während die wirtschaftlich Zurückgebliebenen relativ günstiger gestellt werden. Die Kommission hält diese Auswirkung im Prinzip für richtig, denn das ökonomische Erstarken der Mehrzahl der klein-und mittelbäuerlichen Betriebe im Ausmaß des jetztigen Preisgefüges, behindert die Entwicklung der LPG, besonders den Beitritt wirtschaftlich starker Klein-und Mittelbauern in die LPG. (Fred Ölsner: Und stärkt den Kapitalismus!)

Hermann Matern (Mitglied des Politbüros. Leiter der Zentralen Parteikontrollkommission)

Es gibt bei uns keine Instanz, die sagen kann, wie hoch die wirklichen Produktionspreise in der Landwirtschaft sind. Wir wissen also nicht, was die Produktion einer Tonne Roggen, Kartoffeln oder Schweinefleisch kostet. Die in der Vorlage angegebenen Zahlen sind über den Daumen gepeilt.

Wir haben in der Versorgung geringe operative Reserven und müssen alles tun, die pflanzliche und tierische Erzeugung zu steigern. Wir haben keinen Raum für Experimente und müssen sie politisch teuer bezahlen.

Der Anteil der Landarbeiter in den landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften steigt relativ und absolut. Der Anteil der Bauern aber sinkt. Das Bewußtsein der Landarbeiter, die LPG-Bauern wurden, hinkt weit hinter ihrer neuen gesellschaftlichen Lage her. In vielen Fällen haben sie kein richtiges Verhältnis zum genossenschaftlichen Eigentum und zum Boden überhaupt. Für sie ist die LPG der „Brötchengeber" wie zuvor, als sie noch Landarbeiter waren. Nur halten sie sich jetzt sehr an den verkürzten Achtstunden-Tag und fühlen sich für die Entwicklung der landwirtschaftlichen Produktion nicht voll verantwortlich, da sie sich wie in einem Arbeitsverhältnis fühlen. Deshalb ist auch bei vielen das Interesse an der Schaffung und Entwicklung der individuellen Hau swirtschaft nicht sehr groß. Es werden in dieser Hinsicht völlig ungenügende Anstrengungen gemacht.

Im Kampf um die Einbringung der Ernte gibt es nicht wenig Gleichgültigkeit. Mir scheint, diese Gleichgültigkeit hat sogar noch zugenommen. Arbeiter aus der Industrie, die als Erntehelfer aufs Land kommen, beklagen sich sehr oft über das schlechte Verhältnis zur Arbeit bei manchen Menschen im Dorf. In manchen landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften gibt es landwirtschaftliche Nutzflädien. die verwildern. Wenn man aufmerksamen Auges durch unsere Republik fährt und die Felder betrachtet, wird man das sehen. Ich habe große Zuckerrübenfelder gesehen, und dabei braucht man nicht einmal von der Autobahn abzugehen, wenn man nach Leipzig fährt, auf denen das Unkraut die Rüben erdrückt. Nach der Aussaat wurde auf diesen Feldern nicht mehr gearbeitet. Die Rüben wurden weder gehackt, noch versetzt, noch verzogen.

Hermann Streit Es wurde hier die Frage der 80 Kilogramm-Schweine gestellt. Ich möchte die Genossen davon unterrichten, daß das Schlachtviehaufkommen im 3. Quartal 1955 nach der Materialbilanz 170000 Tonnen vorsah. Im vorigen Jahr waren es 145 000 Tonnen. Dabei sind in diesem Jahr 7 000 Schweine im Alter über 6 Monate weniger und eine geringere Produktivität vorhanden. Wir standen vor der Frage, entweder Eingriffe in die Produktivität und damit Sicherstellung der Versorgung, oder aber Schwierigkeiten in der Versorgung mit all'den politischen Folgen, die sich daraus ergeben würden.

Ich will damit nicht sagen, daß man nicht hohe Pläne aufstellen und hohe Ziele setzen soll. Aber diese Pläne und Ziele müssen doch so sein, daß sie bei Ausschöpfung aller Möglichkeiten erreichbar sind. Sonst hat das auch Auswirkungen auf den Apparat selbst. Wenn das wenige Jahre geht, dann sagen die Genossen und Mitarbeiter von vornherein, der Plan ist ja so, daß er nicht erfüllt werden kann. Ich möchte noch kurz auf die gegenwärtige Lage in der Planerfüllung bei Getreide eingehen. Ich vermisse, daß die Genossen die hier gesprochen haben, nicht auf diese ernste Lage hinweisen. Bis zu etwa 70% der Erfüllung unseres Planes ging es verhältnismäßig gut, wir hatten keine Rückstände, aber seit etwa 3 oder 4 Wochen, gibt es in den Dörfern Auseinandersetzungen. Man kann nicht sagen, daß die Anleitung des Erfassungsapparates durch die Genossen der Bezirks-und Kreisleitungen nicht umfassend und groß ist. Hier spielt die Frage hinein, daß die Valuta, die heute im Dorf existiert, der Preis für das freie Spitzenschwein ist. Die Bauern kämpfen mit uns um jeden Doppelzentner Getreide, um jeden Doppelzentner Kartoffeln für die Produktion von Schweinen, von Schlachtvieh.

Es ist teilweise so, daß in den Gemeinden, wo Ortsvorsitzende der Vereinigung der gegenseitigen Bauemhilfe, die Gemeinderatsmitglieder oder die Mitglieder von Parteien ihr Soll schlecht erfüllen, sich die übrigen Bauern darauf orientieren. Überall sollen die Funktionäre Vorbild in der Sollerfüllung sein, um in den Gemeinden eine Atmosphäre der unbedingten Planerfüllung zu schaffen.

Hans Kiefert (1. Sekretär der SED-Bezirksleitung Erfurt)

Wenn ich mir überlege, daß in unserem Bezirk Erfurt faktisch 338 Produktionsgenossenschaften vorhanden sind, mit einer gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche von rund 44 000 Hektar und daß diesen 338 Produktionsgenossenschaften immerhin fast rund 50 000 Einzel-wirtschaften gegenüberstehen, dann bedeutet das doch, daß faktisch durch die Produktionsgenossenschaften bis heute nur rund 10 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche bearbeitet werden.

Unter unseren fast 10 000 Mitgliedern in den Produktionsgenossenschaften sind über 40 Prozent ehemalige Landarbeiter. Neubauern und Altbauern zusammengenommen, machen nur etwa 45 Prozent aus. Das bedeutet, daß sich noch ein großer Teil dieser werktätigen Einzelbauern in einer gewissen Isolierung gegenüber diesen Produktionsgenossenschaften befindet und daß durch die Partei eine ernste Arbeit geleistet werden muß, um diesen Zustand zu verändern.

Bruck Es ist bekannt, daß die diesjährige Ernte mit einer großen Zahl von Unzulänglichkeiten und mit nicht geringen Schwierigkeiten verbunden war. Wenn wir aber im nächsten Jahr die gleichen Schwierigkeiten wie in diesem Jahr vermeiden wollen, dann dürfen wir uns nicht darauf beschränken die ideologische Arbeit zu verbessern, gleichzeitig müssen wir wirklich ernsthafte Anstrengungen machen, um die MTS zu befähigen ihre Aufgaben richtig zu lösen.

Ich greife eine dieser Fragen heraus, die dafür meiner Meinung nach von entscheidender Bedeutung sind. Es handelt sich um die Einsatzfähigkeit des Maschinenparks der MTS. Im Bezirk Halle gibt es gegenwärtig 275 Mähdrescher und etwa 4000 Traktoren. Von den 275 Mähdreschern waren in diesem Jahr mehr als 100 acht bis vierzehn Tage nicht einsatzfähig. Von den mehr als 4000 Traktoren waren in diesem Jahr einige hundert acht bis vierzehn Tage bzw. bis zu vier Wochen und länger nicht einsatzfähig. Es gibt aber noch keine Ersatzteile bei uns. Wenn von 275 Mähdreschern, die je Tag mit soundsovielen Hektar eingeplant sind, mehr als 100 während der ganzen Ernteperiode stillstehen, weil ein Kugellager fehlt, dann hilft uns die ganze Mähdrescherproduktion nicht viel.

Christian Schröder (Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft Aschersleben)

Wir sprechen mit sämtlichen Vorsitzenden, aber die MTS-Arbeit verschlechtert sich von Jahr zu Jahr. Die Arbeiten werden immer schlechter und schlechter. Ich kann mich hier nicht so ausdrücken, wie ich möchte, aber Ihr könnt glauben, wir gehen an der Arbeit der MTS zu Grunde, wenn nicht schäfere Maßnahmen ergriffen werden. Sämtliche LPG haben den Plan überzogen. Hier müßte man genau kontrollieren, wo die Ursachen dafür liegen. Die MTS leistet eben keine hundertprozentige Arbeit. Wir haben auf den rund 1800 bewirtschafteten Flächen nur 220 Menschen, die in der Feldwirtschaft arbeiten. Ihr könnt uns glauben, unsere Menschen sind nicht schlecht, sie haben 14 Wochen hintereinander Sonntag für Sonntag gearbeitet, aber wir können es nicht schaffen. Aus eigener Kraft ist das bei unserer Struktur und dem Anbauplan unmöglich zu schaffen. Wo sollen wir aber die Menschen hernehmen?

Walter Schröder, Anklam (Leiter einer MTS-Werkstatt)

Auf dem 23. Plenum wurde bereits Wesentliches über die Notwendigkeit zur Verbesserung der Erntemaschinen, z. B. zum „Schatzgräber“ gesagt. Der „Schatzgräber" ist leider heute noch das gleiche Sorgenkind. Die Sowjetunion stellte uns selbstlos die Bauunterlagen für die Mähdrescher zur Verfügung. Wir bauten sie nach. Angeblich wurden sie verbessert. Doch das Resultat war, daß über 500 Stück in der jetzigen Ernte Stillständen. Um die Verträge einigermaßen zu halten, gingen die Brigaden der MTS mit Bindern, ja teilweise mit Pferdebindem daran, die Ernte zu bergen. Genossen, jeder von uns wird sagen: Verändert und verbessert die Maschinen, aber macht mit dem Brot des Volkes keine Experimente.

Seit rund einem Jahr sind die Tellerräder und Hauptwellen für den 30-PS-IFA-Traktor „Aktivist" Fehlteile. Einige Maschinen konnten inzwischen einsatzfähig gemacht werden, doch eine ganze Anzahl liegt noch demontiert herum, blockiert die Werkstatträume und fehlt uns bei der Arbeit, um unsere Verträge mit den LPG und werktätigen Bauern zu erfüllen.

Jugend und FDJ

Albert Norden (Sekretär des ZK für Presse, Funk)

Und trotzdem haben wir es mit einer Erscheinung zu tun, die jedem veranwortungsbewußten Genossen zu denken gibt, nämlich die Republikflucht einer Anzahl von Jugendlichen.

Dieselbe Jugend, die zum großen Teil die Sorge der Regierung für sie anerkennt, erkennt trotzdem nicht die ganze welthistorische Bedeutung und Größe der DDR.

Nun wird mir vielleicht geantwortet: . Bitte schön, dafür ist doch die . Junge Welt." da.'Zugegeben, aber ich frage: . Genossinnen und Genossen. wer liest denn die „Junge Welt“?'

Wir stellen nun folgendes fest: Unsere Jugend führt eine sehr offene, kritische Sprache mit uns, wenn wir mit den Jugendlichen reden, und ich glaube, es ist besser, daß sie es tut, als wenn sie Dinge verschweigt und aus ihrem Herzen eine Mördergrube macht. Aber ich bin auch der Meinung, daß wir auf die Fragen, auf alle Fragen, auch die scheinbar kitz-lichsten, eine Antwort geben müssen und können. Das heißt unsere Jugendfunktionäre sollen in allen Einheiten der FDJ mit der Jugend auf freundschaftlichste Art auch die nicht angenehmen Fragen diskutieren. Das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, aber es wird eben kaum durchgeführt. Wir müssen Schluß machen mit der Methode des sich Drückens vor der Auseinandersetzung.

Wollen wir die Republikflucht der Jugend zu einem fühlbaren Rückgang bringen, dann muß gut vorbereitet die große Aussprache mit der Jugend unter dem Motto beginnen: Jeder soll seine Meinung sagen. Tun wir das nicht, dann läuft der gute, starke Kern unserer FDJ Gefahr, sich von der Jugend zu isolieren. Hier gewinnt man nicht selten den Eindruck, als ob es auf der einen Seite die FDJ und auf der anderen Seite die Jugend gibt, von der übrigens ein großer Teil in der FDJ selber organisiert ist.

Dabei ist eine der typischsten Erscheinungen, daß weder der Jugend-leiter mit den Jugendlichen, noch die Jugendlichen mit dem Jugendleiter über ihre persönlichen Fragen sprechen. Es herrscht kein Vertrauen zueinander. Die Mehrzahl der Jugendlichen ist nämlich der Überzeugung, daß sie selbst keinerlei Einfluß auf die Tätigkeit der FDJ ausüben können, weil dort alles von oben bestimmt werde und weil man jeden mit Mißtrauen betrachtet und behandelt, wenn er mal einen anderen Gedanken zum Ausdruck bringt. Außerdem hat es auch wenig Zweck. Man bekommt ja, wie die Jugendlichen sagen, von den Jugendleitern doch keine Antwort.

Ich möchte hier an ein Wort erinnern, das vor einem Vierteljahr Genosse Togliatti auf dem letzten Plenum des ZK der Kommunistischen Partei Italiens ausgesprochen hat, er sagte, daß die erstrangige Aufgabe der Parteigenossen in der Aufnahme der individuellen Kontakte bestehe. Wenn das für die Partei richtig ist, um wieviel mehr gilt das dann für die Jugend.

Wie war es früher bei uns in unserer Jugend? Ich war vor 35 Jahren aktiv im Kommunistischen Jugendverband. Wir hatten im Unterbezirk keinen bezahlten Funktionär. Später war es ander«, da hatten wir, glaube ich, einen Sekretär und eine technische Kraft.

Wie ist es heute? Heute gibt es allein in der Stadt Magdeburg nicht weniger als 220 hauptamtliche FDJ-Funktiönäre, — nur in der Stadt! Aber wenn jeder dieser 220 Funktionäre auch nur alle drei Tage ein persönliches Gespräch mit Jugendlichen führen würde, dann würden im Monat weit über 2000 Jugendliche erfaßt. Das ist meiner Meinung nach nicht nur möglich, sondern auch nötig. Aber es setzt voraus, daß unsere Jugendsekretäre und Instrukteure unter der Jugend leben und es nicht so machen, wie der Jugendsekretär von Magdeburg, der uns offen erklärte, er habe keine Ahnung, was die Jugend abends treibt, er ist nicht dabei. Wie kann er auch dabei sein? Er muß doch alle die Rundschreiben lesen, die vom Zentralrat der FDJ kommen und muß an den zahlreichen Sitzungen teilnehmen, die stattfinden.

Was bedeutet es, wenn einige Jugendliche heute sagen, im Westen ist es besser. Meinen sie damit die Entlohnung? Natürlich nicht, weil diese Entlohnung und auch die ganze soziale Fürsorge bei uns besser ist. Für die Jugendlichen handelt es sich darum, daß es im Westen mehr Tanz-vergnügungen gibt, mehr Abwechslung, mehr Möglichkeiten für die Freizeitgestaltung. Immer antworten diese Jugendlichen auf Befragen, die FDJ soll doch endlich einmal etwas losmachen.

Ein Beispiel: Neulich war der bekannte, französische Schauspieler Gerard Philipe in Berlin. Man hat das auf eine Sache der DEFA reduziert. Ich bin der Meinung, wir hätten das Walter-Ulbricht-Stadion füllen können, 50 000 Menschen wären gekommen, um diesen Mann zu sehen, der doch in seiner Art und Weise von ihnen geliebt wird als mutiger Draufgänger, treuer Freund, großartiger Liebhaber, auf der Leinwand natürlich. Und ich sage Euch, wir hätten, d. h. die FDJ hätte das ausnützen können. Dabei steht Gerard Philipe uns doch auch politisch nahe. Er unterschrieb den Wiener Appell und beteiligt sich an anderen Friedensaktionen.

Wir lasen in einem Rundschreiben der FDJ, daß die Jugend für das Wandern gewonnen werden muß. ist doch lächerlich. Man Das braucht die Jugend doch nicht für das Wandern zu gewinnen, die wandert ohne uns, das ist das schlechte. Der Zentralrat hat die Dinge nicht in der Hand, ja, wir haben nachgefragt, im Zentralrat der FDJ hat man keine Ahnung über den Umfang der Wanderbewegung der Jugend. Man kennt sie nicht und weiß nichts über die Belegung der Jugendherbergen. Wir wissen, daß die Jugendherbergen alle voll sind, und die FDJ muß sich darum kümmern.

Idi sprach dieser Tage mit einem bekannten sowjetischen Wissenschaftler und Stalinpreisträger, der in Weimar war, und der mir seine ganze Bestürzung darüber mitteilte, daß man in unseren nationalen Gedenkstätten für Goethe und Schiller so gut wie keine Jugend sieht.

Genossinnen und Genossen, wir alle wissen, daß es zehntausende großartige FDJler gibt, daß sie vom sozialistischen Patriotismus erfüllt sind. Es ist nur nötig, daß wir ihnen helfen, die Jugend zu erhalten. Wir wissen, daß ein großer Teil dieser Jugend bereits grandiose Taten für die Republik vollbracht hat. Wenn die leitenden Kader jetzt, bei gleichzeitiger Strukturänderung des Apparates, ihre Arb : it so umstellen, daß in ihrem Mittelpunkt die persönliche Überzeugung und die Befriedigung der Freizeitwünsche unserer Jugend steht, wenn die Partei endlich ihre Pflicht begreift, allen Bezirksleitungen, allen Büros der Jugend dabei unter die Arme zu greifen, dann kann die FDJ auf die Jugend rechnen und die Jugend wird auf die FDJ rechnen und in ihr ihre Organisation anerkennen. Dann wird der Enthusiasmus unserer Jugend die ganze Republik beflügeln und neue Siege an unsere sozialistischen Fahnen heften.

Fritz Gäbler Es ist eine Tatsache, daß z. B. bei der FDJ vom Januar bis zum August im Durchschnitt nur 61 Prozent der Mitglieder kassiert worden sind. Dasselbe trifft auch für die Gesellschaft für deutsch-sowjetische Freundschaft zu. Die FDJ hat im Verlauf dieser acht Monate einen Ausfall von 5 Millionen Mitgliedsbeiträgen gehabt und die Gesellschaft für deutsch-

sowjetische Freundschaft einen Ausfall von etwa 10 bis 11 Millionen.

Die FDJ hat einen relativ sehr hohen Anteil ihrer gesamten Mittel für Auszeichnungen vorgesehen, etwa 1 Million. Wir haben festgestellt, daß in diesem Jahr für Auszeichnungen 124 000 DM ausgegeben wurden. Es ist nicht zu rechtfertigen-daß die FDJ derart hohe Anforderungen für Auszeichnungen stellt.

Die Privatindustrie in der Sowjetzone

Fred Oelssner (Mitglied des Politbüros, Sekretär für Agitation und Propaganda des ZK, Leiter des Instituts für Politökonomie am Institut für Gesellschaftswissenschaften)

Idi möchte nun noch auf eine Erscheinung unserer wirtschaftlichen Entwicklung hinweisen, über die gestern schon Genosse Ulbricht sprach und die Anlaß zu ernster Sorge gibt: Ich meine das rasche Anwachsen der privaten, besonders der kapitalistischen Wirtschaft gegenüber der sozialistischen.

Von 1953 bis 1954 ist die Produktion in der zentral geleiteten volks-eigenen Industrie um 8, 2 Prozent, in den privaten Industriebetrieben um 18 Prozent gestiegen. Im Handel geht in derselben Zeit der Anteil des staatlichen Einzelhandels von 39 auf 3 5 Prozent zurück, während der Anteil des Privathandels von 31 auf 3 3, 5 Prozent anstieg. Auch im dritten Quartal 1955 ist die gesamte sozialistische Produktion gegenüber dem dritten Quartal 1954 nur um 10, 1 Prozent gestiegen, während die Produktion der Privatbetriebe um 12, 9 Prozent stieg. Das sind Zahlen, die uns alarmieren müssen. Man darf diese Entwicklungstendenzen nicht leicht nehmen, wie es manche Genossen tun, die sich damit trösten, daß wir ja eine Arbeiter-und Bauernmacht haben, die die wirtschaftlichen Kommandohöhen besetzt hat und daß zudem der sozialistische Sektor 8 5 Prozent der industriellen Bruttoproduktion liefert. Ich verstehe die Errichtung der Grundlagen des Sozialismus so, daß wir die politischen und ökonomischen Machtpositionen ausnutzen müssen, um die Frage „Wer — wen?" zu Gunsten des Sozialismus zu entscheiden. Mit dieser Aufgabe steht aber die aufgezeigte Entwicklungstendenz offenkundig im Widerspruch. Dabei zeigen die von mir aufgezeigten Zahlen noch gar nicht den ganzen Ernst der Lage.

Im privatkapitalistischen Sektor unserer Industrie geht in der letzten Zeit eine beträchtliche Konzentration der Produktion und des Kapitals vor sich. In der privaten Industrie ist die Zahl der kleineren Betriebe mit 150 000 DM bis 3 Millionen DM Umsatz zurückgegangen. Dagegen ist die Zahl der Betriebe mit 3— 25 Millionen DM Umsatz von 5 im Jahre 1953 auf 14 im Jahre 1954 und ihr Umsatz von 90 auf 117, 1 Millionen DM gestiegen. Im privaten Großhandel ging die Zahl der Betriebe mit einem Umsatz von 10 000 bis 50 000 DM ebenfalls zurück, dagegen stieg die Zahl der Betriebe mit 1, 2 bis 5 Millionen DM Umsatz im gleichen Jahr von 19 Betrieben mit 24, 9 Millionen DM Umsatz auf 26 Betriebe mit 40, 1 Millionen DM Umsatz.

Gleichzeitig ist zu verzeichnen, daß sich die privatkapitalistischen Betriebe von der Produktion von Massenbedarfsgütern ab-und der Produktion von Produktionsmitteln zuwenden. So betrug 1954 die Plan-erfüllung der Privatindustrie bei Massenbedarfsgütern 89, 7 Prozent, dagegen bei Produktionsmitteln 111, 8 Prozent. Das ist eine sehr unerwünschte Entwicklung. Als außerordentlich gefährlich muß es aber bezeichnet werden, daß eine ganze Reihe Privatbetriebe in der Herstellung von bestimmten Erzeugnissen, eine absolute Monopolstellung erlangt hat. Im besonders hohem Maße ist unsere volkseigene Fahrzeugindustrie von einigen solcher kapitalistischen Privatmonopole abhängig.

Eine äußerst bedenkliche Tendenz in den letzten Jahren besteht auch darin, daß die privakapitalistischen Betriebe der Konsumgüterindustrie die volkseigenen Betriebe aus dem Export verdrängen und dieses äußerst lukrative Geschäft an sich reißen. Wenn wir nach den Ursachen all dieser Erscheinungen forschen, so werden wir sie vor allem in der völlig falschen, ich möchte sagen, prokapitalistischen Einstellung verantwortlicher Staatsfunktionäre finden. Diese Einstellung wird aber durch grobe Fehler, um nicht ein stärkeres Wort zu gebrauchen, in der Planung und Leitung unserer Wirtschaft gefördert. Man kann manchmal die Meinung hören, daß die privaten Betriebe eben besser zu arbeiten, besser zu wirtschaften verstehen, als die sozialistischen. Diese Auffassung ist nicht nur falsch, sie ist uns fremd und feindlich. Wenn sich die kapitalistischen Betriebe schneller entwickelt haben, so deshalb, weil einerseits die volkseigenen Betriebe, besonders die K-Betriebe, durch allerlei bürokratische Fesseln gehemmt sind und weil andererseits die privaten Betriebe sich der besonderen Unterstützung zahlreicher staatlicher Stellen erfreuen.

Die Bevorzugung der privaten Betriebe beginnt mit der staatlichen Rohstoffzuteilung. So erhielt bisher die private Tabakindustrie 40 Prozent der meistimportierten Rohtabake, ohne daß sie dafür vertragliche Bindungen einzugehen brauchte. Sie erzeugt aus diesem Tabak Zigarren und Zigaretten und liefert sie direkt an den privaten Großhandel, der sie an den privaten Einzelhandel weitergibt. Braucht man sich da zu wundern, wenn die Privatgeschäfte die besseren Zigarren und das größere Sortiment haben? Ähnlich liegen die Verhältnisse in der Textilindustrie, in der Schuhindustrie und der holzverarbeitenden Industrie. Es ist an der Zeit, eine solche Regelung einzuführen, daß die privaten Betriebe nur noch Rohmaterial erhalten, wenn sie sich vertraglich verpflichten, den größten Teil ihrer Erzeugnisse an den gesellschaftlichen Großhandel abzugeben.

Das Hauptmittel für die rasche Akkumulation und der privatkapitalistischen Betriebe ist aber die Preisbildung. Hier herrscht völlige Willkür. Die Sache ist beinahe ganz den Unternehmern selbst überlassen. Der Staat hat fast keinen Einfluß darauf. Die Preisbildungs-und Kontrollorgane bei den Räten der Bezirke und Kreise, sind überhaupt nicht in der Lage, eine Kontrolle auszuüben.

Nur über die Exportbegünstigung der privaten Industrie muß ich noch kurz sprechen. Infolge der geschilderten Preispolitik und der sonstigen Vorteile führt die Privatindustrie ein regelrechtes Preisdumping durch. um die volkseigenen Betriebe aus dem Exportgeschäft zu verdrängen. Sie finden dabei volles Verständnis bei der Planung, die in der Exportplanung die volkseigenen K-Betriebe, gegenüber den Privatbetrieben, stark benachteiligt und vor allem finden die Privatindustrien größte Unterstützung bei den DIA, die ein sehr weites Herz für die Wünsche der Privatindustrie haben.

Eine Ursache für das große Interesse der Privatindustrie am Export besteht in dem sogenannten Devisenbonus, bzw.dem Bonus in Verrechnungseinheiten, der vom Ministerium für Außenhandel und innerdeutschen Handel am 29. April 1954 eingeführt wurde. Dadurch erhalten die Exportfirmen bis zu 2 Prozent der Exportsummen gutgeschrieben, die sie in beliebiger Währung verausgaben dürfen. Obwohl die Export-erträge meist in Rubel eingehen, fordern die Privatfirmen natürlich vorwiegend Westwährung an, so daß es der Deutschen Notenbank schon schwierig geworden ist, diesen Umtausch vorzunehmen. Für diesen Devisenbonus können die Privatbetriebe hochwertige und moderne Maschinen aus dem westlichen Ausland beziehen und damit die volkseigene Industrie schlagen, denn die volkseigenen K-Betriebe, die von den Privatbetrieben aus dem Export verdrängt werden, haben keine solchen Möglichkeiten.

Um endlich zum Schluß zu kommen, will ich aus diesem sehr reich-haltigen und auch sehr trüben Kapitel nur noch eine Tatsache heraus-greifen: Die unmittelbare Beteiligung von Privatbetrieben an Außenhandelsgeschäften. Ein Privatbetrieb hat 1945 mit nichts angefangen und hat heute einen Umsatz von 4 Millionen DM. Seine Exportaufträge stiegen von 115 000 DM 1953 auf 860000 DM in den ersten neun Monaten 195 5. Es ist diesem Privatbetrieb gelungen, einen volkseigenen Betrieb gleicher Produktion völlig aus dem Exportgeschäft zu fast verdrängen, auch qualitativ. Der Privatbetrieb hat eine solche Stellung erlangt, daß er an fast allen internationalen Messen teilnimmt und dort auch die volkseigenen Betriebe vertritt. Auch auf der Industrieausstellung in Neu-Delhi, in Indien, ist dieser Produktionszweig nicht durch einen volkseigenen Betrieb, sondern nur durch den Privatbetrieb vertreten. Die Delegierung wurde vom Ministerium für Außenhandel und Innerdeutschen Handel genehmigt.

Ich weiß nicht, ob und welche Verdienste dieser Privatbetrieb wirklich hat, aber ich weiß aus dem vorliegenden Material, daß dem Kapitalisten durch diese Behandlung der Kamm geschwollen ist, daß er jetzt die Aufhebung des Außenhandelsmonopols fordert, daß er dem Direktor der DIA den Vorschlag unterbreitet — den Brief habe ich gelesen — die Kaderentwicklung in der DIA in seine Hände zu legen, und daß er offen erklärt, die Planwirtschaft störe ihn, weil 'sie zu sehr den sozialistischen Sektor bevorzuge.

Das zeigt, daß einige unserer Genossen völlig den Klassenstandpunkt verloren haben und darum dieser Kapitalist ein ganzes Programm der Restaurierung des Kapitalimus der DDR entwickeln kann, weil er sich auf Genossen im Staatsapparat und sogar in der Partei stützen kann. Das ist das zentrale Problem. Es kann uns doch niemand weismachen, daß, wenn das Ministerium ernst an diese Sache herangeht, ein volks-eigener Betrieb, der erbittert um solche Aufträge kämpft, nicht in der Lage wäre, sie sachgemäß auszuführen.

Ich bin. auf diese Dinge so ausführlich eingegangen, weil sie ein typisches Beispiel dafür sind, wie bei uns der Klassenkampf zwischen Kapitalismus und Sozialismus auf wirtschaftlichem Gebiet geführt wird, und wie wenig sich ma.. che Genossen in diesem Klassenkampf zurechtfinden. Natürlich will ich nicht einer administrativen Einschränkung der privaten Wirtschaft das Wort reden, das wäre zwar einfach, würde aber sicher großen Schaden anrichten. Wir werden noch längere Zeit mit den kapitalistischen Betrieben Zusammenarbeiten müssen, aber gerade darum müssen wir Sorge tragen, daß unsere Wirtschaftsfunktionäre nicht die Perspektive verlieren, daß sie lernen, die ökonomischen Hebel so anzusetzen, daß die sozialistischen Betriebe als Sieger aus dem großen Wettbewerb „Wer — Wen?" hervorgehen.

Ich bin überzeugt, das Zentralkomitee und seine Organe werden sich mit den geschilderten Erscheinungen befassen und die notwendigen Maßnahmen treffen, um dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten und unsere Wirtschaft so hoch entwickeln, daß die Grundlagen des Sozialismus in der DDR weiter gestärkt und gefestigt werden.

Willi Rumpf (Staatssekretär im Ministerium für Finanzen)

Es gibt, glaube ich, Einigkeit darüber, daß der volkseigene Sektor bei uns schneller wachsen muß als die private Wirtschaft. Es gibt aber in einigen Teilen unserer Wirtschaft Vorgänge, die dieses Gesetz der Entwicklung durchbrechen. Beispielsweise in der Bauwirtschaft. Die Zahl der Beschäftigten in der volkseigenen Bau-und Holzwirtschaft ist vom 4. Quartal 1954 bis zum 2. Quartal 195 5 um 6, 5 Prozent zurückgegangen und in der privaten Bauindustrie, in dem selben Zeitraum um 15, 4 Prozent gestiegen. Der Anteil, der in den privaten Baubetrieben Beschäftigten hat sich im privaten Sektor von 22 auf 26 Prozent erhöht. Allein im Bezirk Magdeburg ist die Anzahl der in privaten Baubetrieben Beschäftigten in den letzten zwei Jahren um 30 Prozent gestiegen.

Erste Frage: Warum ist die Abwerbung von Arbeitskräften aus der volkseigenen Bauwirtschaft in die private möglich? Obwohl die Tariflöhne in der privaten Bauwirtschaft etwas niedriger liegen als in der volkseigenen, werden in den privaten höhere Löhne gezahlt.

Frage: Warum sind die privaten Bauunternehmer in der Lage, höhere Löhne zu zahlen? Erstens: Die volkseigenen Baubetriebe kalkulieren ihre Preise nach den Normen des Jahres 1954. Während für die privaten Betriebe die sogenannten „gelben Normen“ gelten, die um rund ein Drittel niedriger liegen und die Unternehmer in die Lage versetzen, ihre Leistungen zu höheren Preisen zu verkaufen.

Zweitens: Die privaten Baubetriebe können für Geräteabnutzung ungefähr doppelt so hohe Sätze kalkulieren, als die volkseigenen Betriebe. Drittens: Anläßlich der Lohnerhöhungen der privaten . Bauwirtschaft wurde vom Ministerium der Finanzen eine Preisverordnung erlassen, die zwar prinzipiell feststellte, daß Preiserhöhungen infolge der Lohnerhöhungen in der privaten Bauwirtschaft nicht eintreten dürfen, andererseits aber Zugeständnisse für die Kalkulation gemacht, die dieses Prinzip wieder aufhebt.

Die Bilanzen und Abrechnungen, die von privaten Baubetrieben vorliegen, zeigen aber eindeutig, daß in den Baubetrieben die pro-Kopf-Leistung mindestens ebenso schnell gestiegen ist, wie die Löhne, das heißt, daß die privaten Baubetriebe ohne Preiserhöhungen normale Profite machen können.

In der Textilindustrie ist man in der letzten Zeit dazu übergegangen, Arbeitskräfte aus dem volkeigenen Sektor abzuwerben für die privaten Betriebe. Auch hier liegt die Ursache darin, daß in einer Reihe von Privatbetrieben für die gleiche Arbeit höhere Löhne gezahlt werden, als in volkseigenen Betrieben. Beispielsweise, bei einem Arbeitsgang an Monophil-Strümpfen wird am selben Ort in dem volkseigenen Betrieb 87 Pfennig gezahlt, ein Privatbetrieb zahlt 1, 07 DM, und ein zweiter Privatbetrieb zahlt für die gleiche Arbeit 1, 12 DM.

Die Versorgung der Bevölkerung

Fred Oelssner Wir können leider nicht sagen, daß unser gesellschaftlicher Handel, der staatliche, wie der genossenschaftliche, diese prinzipielle Aufgabe bereits zufriedenstellend erfüllt. Er hat bisher nicht einmal die Versorgung der Bevölkerung mit den vorhandenen Nahrungsgütern reibungslos sichern können. Die Hauptursache dafür liegt natürlich in dem ungenügenden, politischen Bewußtsein und den mangelnden fachlichen Kenntnissen vieler Handelsfunktionäre.

Dieses ungenügende Bewußtsein der Handelsfunktionäre ist nicht nur auf die mangelnde Schulung zurückzuführen. Es hat eine wesentliche Ursache auch in der Überzentralisation der Handelstätigkeit, in dem damit verbundenen Bürokratismus, der jede Initiative von unten fast gänzlich abtötet und die besten Handelsfunktionäre zur Resignation treibt. Das gilt übrigens nicht minder für die sozialistische Industrie. Die Hauptursache für die gegenwärtig schlechte Besetzung dieser Abteilungen, liegt in der unsinnigen Diskrepanz zwischen der Bezahlung der Staatsfunktionäre und der Wirtschaftsfunktionäre. Die starken und guten Leute sitzen bei der HO und beim Konsum.

Noch ein anderes ökonomisches Gesetz wird in unserer „Preispolitik" völlig ignoriert. Das Gesetz von Angebot und Nachfrage. Der Preis als der Geldausdruck des Wertes wird bekanntlich durch Angebot, und Nachfrage bestimmt. Angebot und Nachfrage führen den Wert einer Ware auch auf das Maß der gesellschaftlich notwendigen Arbeit zurück. Es sind in unserer Wirtschaft bekanntlich feste Preise vorhanden, dem freien Spiel der Preise ist Einhalt geboten. Das heißt aber nicht, daß das Gesetz von Angebot und Nachfrage deswegen jede Wirkung verloren hat. Wenn wir nicht verstehen, das Wertgesetz auf der Grundlage des Gesetzes der planmäßigen, proportionalen Entwicklung der Volkswirtschaft auszunutzen, dann rächt sich das Wertgesetz durch den Mechanismus von Angebot und Nachfrage und wirkt als Regulator auch auf die sozialistische Produktion.

Hans Warnke (Vorsitzender des Rates des Bezirkes Rostode)

Ich möchte zum Schluß noch ein Wort zu den Schwierigkeiten in der Versorgung der'Bevölkerung sagen, die immer und immer wiederkehren. Das erleben wir jetzt 10 Jahre lang und das kehrt immer wieder. Vor einem Funktionär aus dem Bezirk kann man die Ursache hierfür nicht erklären. Wir könnten nur durch Aufzählen all der Ereignisse allseitige Lachsalven erleben. Mir scheint, wir können uns nicht mehr damit abfinden immer wieder die gleichen Erscheinungen mit den gleichen Begründungen zu erleben. Ich glaube, auch damit ist die Ursache nicht aus der Welt geschafft, daß die Räte der Bezirke in der Versorgung eine größere Verantwortung bekommen. Hier muß etwas in unserer Planung nicht in Ordhung sein. Zum Beispiel haben wir im Bezirk Rostock frühzeitig darauf hingewiesen, daß die Ernte der Frühkartoffel und der mittelfrühen zwei bis drei Wochen später als sonst beginnen kann. Diese Hinweise wurden überprüft und vom Ministerium für richtig befunden.

Aber vom Ministerium und von der Plankommission wurden keine Schlußfolgerungen gezogen.

Mit dem größten Druck und Aufwand, weil das gegen den Willen der Bauern geschehen ist, wurden die Kartoffeln in Haselnußgröße gerodet. Durch das Roden der nicht ausgereiften Kartoffeln, haben wir 40 000 Tonnen Kartoffeln verloren. Wenn wir nicht durch Importe helfen konnten, hätten wir mit Mehl, Nährmitteln, mit Reis und anderen Produkten den Übergang schaffen müssen. Wir haben aber statt dessen haselnußgroße Kartoffeln geerntet und dadurch die Schwierigkeiten zum Anschluß an die Spätkartoffeln beibehalten und noch etwas, es sind uns noch zigtausend Tonnen Kartoffeln verloren gegangen, weil wir sie an die Bevölkerung gegeben haben, ohne daß'sie ausgereifte, harte Schalen hatten. Der Verderb der Kartoffeln wird sehr groß sein.

Ich will nur feststellen, daß wir uns mit diesen Maßnahmen den Ast abschneiden, auf dem wir sitzen. Wie lange wollen wir denn das überhaupt noch aushalten? Auf diesem Gebiet soll man auch mit der Bevölkerung offen reden. Es muß natürlich für eine Staatsreserve an Fett Fleisch, Nährmittel und Mehl, usw. gesorgt werden. Man muß Ordnung schaffen in den Futterplänen, daß die ‘Futterpläne ausreichen, um den vorgesehenen Viehbesatz zu erreichen. Aber seit 10 Jahren haben wjr immer wiederkehrend die gleichen Schwierigkeiten. Soll denn das auch in den nächsten 10 Jahren so weitergehen? Sollen wir immer nur hören, die Bilanz der Futtermittel mit dem Viehbestand stimmt nicht; aber der Versorgungsplan wird auf diesem geplanten Viehbesatz aufgebaut, und das geht doch nicht mehr so weiter.

Karl Maron Im Übrigen denke ich, es wäre sehr notwendig, daß das, was uns der Genosse Grotewohl in seinem Referat über den Fleischverbrauch bei uns sagte, auch unserer Bevölkerung sehr eindeutig und klar zu sagen, damit die vorhandenen Stimmungen, daß nur die Unfähigkeit der Regierung oder einzelner Mitglieder daran schuld wären, daß wir nicht schon im Schlaraffenland leben, beseitigt werden. Ich muß sagen, daß ich diese vielsagenden Ziffern vorgestern auch zum ersten Male gehört habe.

Der Vorrang der Schwerindustrie

Apel Es ist notwendig, daß wir in Zukunft im Maschinenbau, das Kernstück der Schwerindustrie, bei der Planung unseres Volkswirtschaftsplanes mehr in den Mittelpunkt stellen. Ich muß sagen, daß von der neuen Hauptverwaltung des Schwermaschinenbaues nur sehr wenige, vielleicht zwei oder drei, mehr nicht, in der Lage sind, die gestellten Aufgaben in kurzen Fristen zu erfüllen. Das erste Problem sind die Kader. Wir haben sehr eingehend z. B. die technischen Abteilungen der Hauptverwaltung untersucht und haben festgestellt, daß die Mehrzahl der Mitarbeiter fachlich gesehen überhaupt nicht den Anforderungen entspricht.

Es wurde hier über den Werkzeugmaschinenbau gesprochen. Im Werkzeugmaschinenbau gibt es 17 Fachschulingenieure in der Hauptverwaltung und keinen einzigen Hochschulingenieur. Nun gut, -selbstverständ lich ist man vorläufig mit dem Stand der Technik dort zufrieden, weil einfach die Voraussetzungen für eine kritische Einschätzung fehlen.

Fritz Selbmann (Minister für Schwerindustrie)

Wir sehen deshalb vor, daß etwa 70% aller Investitionsmittel, die die Eisen-und Stahlindustrie im zweiten Fünfjahrplan erhalten kann, für diese Zwecke verwendet werden, zur Überwindung der Disproportionen, zur Beseitigung des Mißverhältnisses zwischen einzelnen Stufen der Produktion, Vervollkommnung der Produktion, Technisierung, Mechanisierung, Automatisierung und daß nur etwa 30 % der Investitionsmittel für grundsätzliche Neubauten gegeben werden, die durchgeführt werden müssen. In dieser Richtung müssen unsere Anstrengungen gehen, dabei muß das Ziel sein, die Verarbeitungskapazität zu vervollkommnen.

Weit über den Durchschnitt der allgemeinen Produktionssteigerung einige Arten metallurgische Produkte zu erhöhen. So zum Beispiel Feinbleche, Feinstahl, vor allem aber hochlegierte Stähle, legierte Rohre, hochfeste Stähle für die Zwecke des Maschinenbaues oder auch zu Verteidigungszwecken, wo sie unbedingt notwendig sind.

Es ist so, daß die Leistungsfähigkeit solcher Geräte, wie sie bei uns gegenwärtig hergestellt werden, in einem solchen Abstand zu anderen Geräten stehen, daß unsere Techniker sagen: „Wir müssen das Gerät aus dem Westen haben." Netz-und Regelgeräte werden bei uns hergestellt, aber wir können sie nicht in einer solchen Ausstattung und Qualität bieten, wie sie die Industrie und Forschung braucht. Deshalb habe ich bei der zentralen Kommission des Politbüros angeregt, daß eine besondere Unterkommission des Politbüros sich den Fragen der mit Meß-und Realtechnik beschäftigt, deshalb gerade, weil die Entwicklung der neuesten Technik in der gesamten Industrie heute scheitert an dem Fehlen einer organisierten Produktion von Netz-und Regelgeräten höchster Leistungsfähigkeit.

Aber es gibt einen anderen Grund warum wir in der Einführung der neuen Technik nicht schnell vorwärtskommen. Es ist im wesentlichen ein subjektiver Grund der, daß in den Produktionsverwaltungen d. h. in den Hauptverwaltungen der Ministerien die Frage der Einführung der neuen Technik und der Vervollkommnung der Produktion als eine Frage unter vielen behandelt wird.

Eine zweite Frage ist die der Baukapazität, die von Genossin Wittkowski und vom Genossen Leuschner und auch von einigen anderen Genossen berührt worden ist. Genossin Wittkowski hat den Vorschlag gemacht — und Genosse Leuschner hat auch nichts anderes vorzuschlagen —: Da wir diese Kapazitäten auf dem Baugebiet nicht haben, Woh-nungsbau z. B. nicht kürzen können, muß man also wo kürzen? Bei der Schwerindustrie. Die Schwerindustrie hat eben den größten Anteil an Investitionen, so daß sich diese Lösung immer anbietet.

Die Frage steht praktisch also so: Besteht diese Kalamität, daß wir wegen des Fehlens der Baukapazität dieses Investitionsvolumen nicht bauen können, dann muß man sich darüber klar sein, welche Konsequenzen das für das Jahr 1956, aber auch für den ganzen 2. Fünfjahrplan hat. Damals hat sich das Politbüro davon leiten lassen.

Der Genosse Leuschner sagte, das sei eine Frage der Ideologie Nach diesen monatelangen und gründlichen Untersuchungen, nach den Aussprachen und Diskussionen glaube ich eigentlich nicht, daß ich mir gewissermaßen den versteckten Vorwurf, der nicht intakten Ideologie in Fragen der Investitionen zuziehen muß. Ich möchte sagen: „Genosse Leuschner, Genossin Wittkowski, Ihr wißt, welches Defizit bestand. Es fehlte Blei, Kupfer, Zink und Nickel. Seit zwei Jahren stand in Freiberg die Ruine der Zinkhütte und in St. -Egidien die Nickelhütte. 195 3 mußten die Investmittel für die Schwerindustrie erheblich reduziert werden. Wir sind uns heute darüber klar, hätten wir damals die Zinkhütte weiter-gebaut und in der Nickelhütte weiter gearbeitet, die Rekonstruktion der Mansfelder Bleihütte durchgeführt, wir wären heute in einer grundsätzlich anderen Lage.

So steht die Frage für den 2. Fünfjahrplan: Wo sollen die Investmittel gekürzt werden? Bei der Kohle? Dann haben wir 1958 keine Kohle mehr. Sollen wir sie der Energie nehmen? Wir haben hier ein großes Defizit. Wo wollen wir sie sparen? Das ist die Frage. Wenn im 2. Fünfjahrplan die Schwerindustrie etwas über 30 Milliarden DM akkumulieren muß und davon 15, 7 Milliarden notwendig braucht für Investitionszwecke, d. h. 50°/o der von ihr akkumulierten Summe verwendet, und wir kürzen schon 1956, dann geht das ganze Investitionsprogramm der Schwerindustrie im 2. Fünfjahrplan schon im ersten Jahr vor die Hunde.

Nun steht die Frage, kürzen wir bei den Investitionen oder gibt es einen anderen Weg? Gewiß, es besteht ein ungedeckter Bedarf an Bau-kapazität, aber gibt es nicht andere Möglichkeiten? Vielleicht untersuchen wir einmal, ob wir die Bauleistungen nicht erhöhen können.

Wir haben einen Fehler gemacht, als wir den Bezirken die große Bau-kapazität gaben, die teilweise gehortet werden. Die Bauindustrie hat keine Möglichkeit mehr, die große Baukapazität einzusetzen.

Die dritte Frage: Arbeitskräfte. Jawohl das muß sein: Schluß mit der Lohnkorrumpierung in den Privatbetrieben. Dort werden die Arbeiter zum größten Teil für Reparaturzwecke eingesetzt an Privathäusern usw.

Ich habe den Mut, vorzuschlagen, in der gesamten volkseigenen Industrie anzuordnen, daß kein Betrieb einen Arbeiter aus einem anderen Betrieb einstellen darf, wenn der abgehende Betrieb sich nicht damit einverstanden erklärt, außer, wenn er zum Bau geht, wo wir die Arbeitskräfte brauchen.

Bruno Leusdiner (Vorsitzender der Staatlichen Plankommission)

Vor kurzer Zeit wandten sich die sowjetischen Genossen an unser Maschinenbauministerium wegen der Produktion von 400 Werkzeugmaschinen. Das Ministerium erklärte sich nur bereit, 200 Stück im nächsten Jahr zu produzieren. Dabei haben wir riesige Kapazitäten. Hier zeigt sich die Einstellung: was unbequem ist, wird nicht gemacht, man geht den einfachen Weg.

Die volksdemokratischen Länder beziehen jährlich für mehrere hundert Millionen Rubel Maschinen aus den kapitalistischen Ländern. Die Sowjetunion und die volksdemokratischen Länder würden ohne Weiteres, ja viel lieber, die Maschinen aus der DDR beziehen. Aber unser Maschinenbau produziert nicht was sie wünschen. Weder die Hauptverwaltungsleiter, noch die Betriebsleiter geben sich genügend Mühe, um die gewünschten modernen Maschinen zu produzieren. Tatsache ist, daß der Außenhandel im letzten Jahr Aufträge der befreundeten Länder in einem Umfang von 700 Milliarden Rubel abgelehnt hat, da unser Maschinenbau die entsprechenden Maschinen nicht herstellt.

Wolfgang Schirmer (Direktor der Leuna-Werke)

Ich möchte nun zur Frage der Materialversorgung der großen Werke sprechen. Die Versorgung mit Rohstoffen hat sich im letzten Jahr zusehends verbessert. Aber wirklich schlecht und unbefriedigend bleibt die Versorgung mit metallurgischen Erzeugnissen. Es ist klar, daß wir gerade auf diesem Gebiet unsere größten Schwächen haben. Man muß sich darüber im Klaren sein, daß in der chemischen Industrie heute, aus Mangel an Reparaturmaterialien, lebenswichtige Reparaturen jahrelang aufgeschoben werden müssen.

46, 6 % aller Verträge, die wir geschlossen haben, wurden nicht erfüllt, und es ist ganz ausgeschlossen, daß im letzten Quartal etwa die Maschinenbaubetriebe oder die Betriebe, die uns metallurgische Erzeugnisse zu liefen haben, alle noch ausstehenden Aufträge nachholen können, so daß hier ein wesentlicher Rückstand für das neue Jahr entstehen wird.

Die SED

Hermann Matern Mir scheint, früher hatten wir ein anderes Verhältnis in der Partei, ein engeres, genossenschaftliches, kämpferisches Verhältnis der Mitglieder untereinander. Wenn Genossen sich trafen, auch wenn sie sich nicht persönlich kannten, gab es sofort ein Gefühl der engeren Zusammengehörigkeit und der Verbundenheit. Das haben wir heute nicht.

Wenn früher ein paar Genossen in eine feindliche Versammlung gingen oder eine politische Aktion durchführten, dann standen sie fest zusammen, dann fühlten sie sich gemeinsam verantwortlich. Der eine für den anderen und alle gemeinsam für die Partei. Wenn heute in der Kneipe ein besoffenes Parteimitglied den größten Unfug quatscht und die Partei diskreditiert, dann sitzen Genossen dabei, die das gar nicht interessiert. Sie fühlen sich nicht für den Genossen und die Partei verantwortlich. Wenn Parteifunktionäre von Feinden angegriffen werden, kommt es vor, daß Parteimitglieder teilnahmslos dabeistehen. Das hätte es früher nie gegeben. Das ist also nicht in Ordnung. Ihr erlebt doch auch wahrscheinlich in Versammlungen, daß sich dort der Referent mit allen möglichen Auffassungen allein herumschlagen muß, während die Parteimitglieder still dabei sitzen und denken, das sei nicht ihre Sache, sondern Sache des Referenten.

In den Grundorganisationen unserer Partei ist es heute so, daß sich die Parteimitglieder nur formal kennen. Manchmal kennen sie sich auch gar nicht. Was wissen die Parteimitglieder voneinander und von den einzelnen Parteigenossen? Was wissen sie davon, was mit ihm los ist, wie er existiert, wie er lebt. Sie kommen formal zusammen, diskutieren in den Versammlungen und im übrigen haben die Mitglieder nichts miteinander zu tun. Dadurch verlieren wir viele gute Parteimitglieder, die mit den Dingen nicht fertig werden, die in der Partei nicht ihre Heimat haben, die ihnen hilft und die dann enttäuscht zur Seite treten. Feindliche Elemente können sich in der Partei tarnen, weil es kein wirkliches, enges Verhältnis zwischen den Parteimitgliedern gibt. Sonst wäre das nicht möglich. Mir scheint, der Begriff „Genosse" hat nicht mehr den gleichen Inhalt. Hat nicht mehr den Inhalt, sich als Kampfgefährte fest aufeinander verlassen zu können.

Max Sens (Mitglied der Zentralen Parteikontrollkommission)

Seit August dieses Jahres bemerkt man ein außergewöhnliches Ansteigen der Zahl der Parteiverfahren. Das ist darauf zurückzuführen, daß in der gesamten Partei die Tendenz besteht, alle unklaren Verhältnisse von Parteimitgliedern zur Partei auf dem Wege von Parteiver-fahren in bürokratischer Weise aus der Welt zu schaffen. Schließlich geht ein nicht geringer Teil von Parteimitgliedern durch eine unvorstellbare Schlamperei im Parteiapparat der Partei verloren.

In einem Bericht rom September dieses Jahres an die Abteilung Finanzen beim ZK, meldeten die Bezirke insgesamt 47 OOO unklare Fälle und rund 21 500 schwebende Parteiverfahren. Aufgrund dieser Berichte wurden durch Genossen der zentralen Parteikontrollkommission in einigen Kreisen und Bezirken die Richtigkeit dieser Zahlen überprüft. Das Ergebnis dieser Kontrolle beweist, daß in den Kreisleitungen in der Regel kein Überblick über die Zahl derjenigen Parteimitglieder besteht, die sich in einem unklaren Verhältnis gegenüber der Partei befinden. Nachdem jetzt die finanziellen Zuschüsse an die Kreisleitungen von der Höhe der prozuentalen Beitragsrechnung abhängig gemacht werden, versuchen die Kreise nachzuweisen, daß sie viel weniger Mitglieder haben, als in der Organisationsstatistik gemeldet sind.

Im Bezirk Halle wurden von März bis September durch das Büro der Bezirksleitung 3 000 Ausschlüsse getätigt. Gegenwärtig wird die Zahl der noch schwebenden Parteiverfahren mit 3 400 angegeben. Die Abteilung Finanzen nennt sogar 4 600. Man kann sich also ausrechnen, welche phantastische Zahl diese Ausschlüsse allein im Bezirk Halle erreichen wird, wenn man auf diese Weise weiter arbeitet.

Bruck In der Vorbereitung der 3. Parteikonferenz halte ich die Erledigung aller ungeklärten Verhältnisse von Parteimitgliedern zur Partei für eine besonders wichtige Frage. Der Genosse Sens hat gestern in der Diskussion darüber gesprochen und darauf hingewiesen, daß im Bezirk Halle seit März d. J. 3 000 Mitglieder aus der Partei ausgeschlossen wurden, weil sie seit Jahren keinen Beitrag mehr bezahlt, bzw. aus anderen Gründen nicht mehr wünschen, Mitglied der Partei zu sein, oder weil sie republikflüchtig wurden. Diese Feststellung des Genossen Sens entspricht vollkommen den Tatsachen. Die 3 000 von uns in den letzten Monaten ausgeschlossenen früheren Parteimitglieder sind unserer Meinung nach mit vollem Recht aus der Partei ausgeschlossen worden. (Zuruf: Davon 60% Arbeiter!)

Leider. Aber Genosse Sens, wie soll das jetzt eigentlich weiter gehen?

Aber es gibt außer diesen 3 000 ausgeschlossenen Parteimitgliedern noch etwa 4 000 Parteimitglieder, die in einem ungeklärten Verhältnis zur Partei stehen. Ich muß hier bemerken, daß es im Bezirk Halle 164 000 Parteimitglieder gibt. Aber Genosse Schirdewan, es gibt, wie ich sagte, außer den 3 000, die wir ausgeschlossen haben, noch 4 000 ungeklärte Verhältnisse von Parteimitgliedern zur Partei. Das sind auch solche, -die nach dem Juli 1953 keinen Beitrag mehr bezahlt haben. Das sind auch solche Leute, die mit der Partei absolut nicht einverstanden sind.

Helene Berg (Direktor des Instituts für Gesellschaftswissenschaften beim ZK)

Dann noch ein Wort über den wissenschaftlichen Nachwuchs der Partei selbst. Ich will dazu keine langen Ausführungen machen, aber ich möchte nur sagen, daß wir jetzt auf Grund der Auswahl, die vom Institut für Gesellschaftswissenschaften zu 4 Jahrgängen stattgefunden hat, folgendes feststellen müssen. Daß nach wie vor eine zufällige Beschickung durchgeführt wird, daß wir keine genügende Perspektivplanung in der Erziehung und Entwicklung der wissenschaftlichen Kader innerhalb der Partei haben. Das Ergebnis sieht dann so aus, daß wir z. B. einen Rückgang des Arbeiteranteils bei unseren Aspiranten haben. Wenn wir im ersten Lehrgang noch 60% Arbeiter hatten, so haben wir im letzten, also im vierten Lehrgang der jetzt ausgenommen worden ist, nur noch 43, 8 %. Außerdem müssen wir ein rapides Absinken des Anteils der Genossen aus Massenorganisationen und aus dem Staatsapparat feststellen. Von dem geringen Anteil der Frauen an unseren Lehrgängen möchte ich lieber nicht sprechen.

Das Gesicht des Staatsapparates

Otto Grotewohl Ein ernstes Hemmnis in der systematischen Entwicklung der Kader ist aber das Vorhandensein einer hohen Fluktuation im Staatsapparat. Die Fluktuation im Staatsapparat ist unverhältnismäßig hoch und es gibt keine Stabilität im Kaderbestand.

Worin liegen die Ursachen? Die hohe Fluktuation ist ein Ausdruck der ernsten Schwächen, die es insgesamt in der Arbeit des Staatsapparates gegenwärtig gibt. Im ganzen schälen sich aus der Vielzahl der auf die Fluktuation einwirkenden Faktoren folgende drei Hauptursachen heraus:

An erster Stelle muß die Tatsache genannt werden, daß die sozialistische Bewußtseinsbildung unter den Mitarbeitern des Staatsapparates hinter den Anforderungen zurückbleibt.

An zweiter Stelle muß die Tatsache angeführt werden, daß die Arbeit mit den Kadern noch unzureichend ist. Insbesondere hat zum Beispiel in der letzten Zeit die Förderung der Frauen in leitende Funktionen nachgelassen. Die Folge davon ist, daß viele Frauen aus dem Staatsapparat herausstreben.

An dritter Stelle muß auf eine gewisse Gleichmacherei der Bezahlung durch die ungenügende Beachtung und oft falsche Anwendung des Prinzips der materiellen Uninteressiertheit hingewiesen werden. Die zum Teil beträchtliche Differenz in der Bezahlung der Fachkader der Wirtschaft und im Staatsapparat begünstigt die Fluktuation und erschwert die Gewinnung qualifizierter Kader für den Staatsapparat.

Hermann Matern Wir haben schon öfter gesprochen über Erscheinungen des Bürokratismus und der Überzentralisation auf vielen Gebieten. Diese schädlichen Tatsachen gibt es in der Partei, im Staatsapparat, in der Industrie, in der Landwirtschaft und dem Handel. Es wurden schon bisher öfters gute Maßnahmen besprochen und beschlossen. Sie brachten aber keine Besserung, weil sie wahrscheinlich irgendwo in der Durchführung stecken blieben. Mir scheint, daß in dieser Hinsicht sich der Zustand auf manchem Gebieten verschlechtert hat.

Hanna Wolf (Direktor der Parteihochschule Karl Marx)

Mir ist bei der ganzen Diskussion und bei der Kritik am Staatsapparat eine Sache nicht klar, wir kritisieren sehr viel den Staatsapparat, es kommt aber so heraus, als wenn der Staatsapparat etwas ist, was außerhalb von uns steht. Ich verstehe das nicht. Wir wissen natürlich alle, daß der Staatsapparat das Hauptinstrument beim Aufbau des Sozialismus ist. Aber wir haben alle gelernt, welche Rolle die Partei im System der Diktatur des Proletariats spielt. Mir scheint, wenn wir nicht über die Verantwortung der Parteileitungen im Staatsapparat sprechen, kommt die Sache etwas schief heraus. Ich denke also Genossen, daß es unbedingt notwendig ist, nicht nur über den Staatsapparat zu sprechen, sondern zumindest hier im Plenum des Zentralkomitees über die Partei-arbeit, die doch helfen soll die Arbeit des Staatsapparates zu verbessern. Wer ist denn der Staatsapparat? Der Staatsapparat sind doch wir. Unsere Genossen sind doch zu 80% in den Schlüsselstellungen des Staatsapparates. Also muß man hier doch die Frage etwas anders stellen.

Wo sind die Genossen Minister, die Hauptverwaltungsleiter und die verantwortlichen Genossen des Staatsapparates in der Parteiorganisation? Es gibt darüber Beschlüsse der ORG-Konferenz des 4. Parteitages im Parteistatut. Aber trotzdem ist es so, daß Minister irgendwie außerhalb des normalen Parteiaufbaues stehen. Hans Warnke Die Hauptursache für das Zurückbleiben auf allen Gebieten, sind die Mängel in der massenpolitischen Arbeit. Die meisten Gemeindevertretungen sind keine Mittel zur Mobilisierung der Massen, zur Lösung der Aufgaben des Staates der Arbeiter und Bauern. Es gibt weder in den Parteigruppen, noch im Plenum Auseinandersetzungen über die Tätigkeit der einzelnen Volksvertreter. Die Inaktivität der Volksvertreter führt zur Überheblichkeit der Staatsfunktionäre. Die Auseinandersetzungen in den Parteigruppen und Grundorganisationen in den staatlichen Organen, wie sie nach dem 21. Plenum gut begonnen hatten, haben nachgelassen. Es sieht so aus, als ob es keine Unklarheiten im Staatsapparat mehr gibt.

Alfred Neumann (1. Sekretär der SED-Bezirksleitung Berlin)

Ich stelle eine andere Frage: in der Diskussion haben viele Genossen gesprochen und auch solche, die — möchte ich sagen — eine ganze Portion Macht verkörpern und in den Händen halten. Worüber ist wenig gesprochen worden? Warum der Apparat nicht in der Lage war, die Durchführung des Beschlüsse zu gewährleisten. Es gibt interessante Berichte über alle möglichen Anekdoten unseres Bürokratismus. Ich könnte hier genau so lachen wie alle anderen, aber es ist mir viel zu ernst. Warum wird das nicht geändert? Ist das Sache des Witzblattes, oder lachen wir über unsere Unfähigkeit?

Ich stelle die Frage auch vom Standpunkt der Partei zur Erziehung zur Sachlichkeit. Das Leben schreitet schnell voran. Wir kommen nicht mit, mit dem Bewußtsein und dem Tempo der Veränderung unserer Rückständigkeit. Muß da nicht verändert werden — und zwar schneller — die Qualifizierung unserer Kader. Ist die Art und Weise der Leitung praktisch ausreichend? Oder philosophieren wir nicht zu viel um diese Dinge herum? ohne eine Methode der Änderung auszuarbeiten?

Wir können doch im zweiten Fünfjahrplan nicht mit der gleichen Walze kommen, wie das einige Genossen hier meinen könnten. So geht das nicht.

Die Intelligenz

Gerhard Frost (1. Sekretär der Kreisleitung Buna)

Zu gleicher Zeit muß man sehen, daß der Pessimismus über die Fragen des Aufbaues des Sozialismus bei einer Reihe von Kollegen größer geworden ist und daß sie nicht an die Überlegenheit des Sozialismus glauben. Natürlich gibt es auch einige, die darauf warten, daß hier die Herren der IG-Farben-Industrie ihren Einfluß bei uns geltend machen können. Wir haben uns auf Grund der konkreten Lage sehr ernsthaft mit diesem Problem beschäftigt, und sind zu der Schlußfolgerung gekommen, daß es auch eine Reihe von Schwächen bei uns gibt. Mir scheint, daß wir die Tatsache beachten müssen, daß ein Teil der Kinder der Intelligenz große Schwierigkeiten mit dem Studium der Gesellschaftswissenschaften an unseren Universitäten hat. Man muß sagen, daß wir diesen Kindern zu wenig helfen. Es gibt eine Reihe von Überspitzungen. Man muß auch sehen, daß es eine Reihe von. Taktlosigkeiten gegenüber der Intelligenz gibt, die ständig von den Hauptverwaltungen wiederholt werden. Man kann nicht sagen, daß von den Hauptverwaltungen die Arbeit mit Fingerspitzengefühl organisiert wird.

Zu der Zeit, wo unsere sowjetischen Genossen die Leitung unserer Betriebe organisierten, wurde von ihnen eine bessere Arbeit mit der Intelligenz organisiert, wie das zur Zeit von der Hauptverwaltung der Fall ist. (Walter Ulbricht: Um wieviel ist der Bürokratismus größer geworden, seitdem wir diese Betriebe übernommen haben?)

Genosse Ulbricht, meines Erachtens um 300 °/o.

Aber meiner Meinung nach, muß man jetzt endlich damit aufhören, nur davon zu reden, sondern man muß das auch ändern. Bereits auf der 21. Tagung des Zentralkomitees gab es solche Hinweise. Aber heute haben wir die 25. Tagung des Zentralkomitees und bis jetzt hat sich im Wesentlichen nichts geändert. Im Gegenteil, der Zentralismus ist noch größer geworden. Es ist so, daß ein beachtlicher Teil der Intelligenz der Politik der Partei und Regierung aufgeschlossen gegenübersteht, es ist so, daß die Teilnahme und Unterstützung von Seiten dieser Intelligenz groß ist.

Es gibt Auffassungen, daß man die Intelligenz nur bei bestimmten Veranstaltungen heranziehen soll. Meines Erachtens ist die Hauptsache, die Auseinandersetzung mit der Intelligenz in Bezug auf den wissenschaftlich-technischen Fortschritt und ihre Heranführung an die Lösung dieser Aufgaben. Die zweite Seite ist die Tatsache, daß man der Intelligenz günstigere Bedingungen für die Arbeit schaffen muß. Man muß endlich den Bürokratismus einschränken, man muß die Selbständigkeit der Betriebe erhöhen.

Film als Propaganda

Rodenberg (Direktor des Defa-Spielfilm-Studios)

Da wurde mir wieder einmal das Versprechen unserer Partei vom großartigen Lebensstandard nach dem ersten Fünfjahresplan unter die Nase gehalten. Woher kommt es, daß einem das unter die Nase gehalten wird? Haben diese Menschen den Fünfjahresplan in allen Einzelheiten studiert? Nein! Aber sie hören den RIAS und reagieren auf die Argumente des RIAS exakt. Es wäre gut, wenn sie besser auf unsere Argumente reagieren würden, dazu müßte man unseren Rundfunk ein wenig umbauen, nicht nur technisch, sondern auch in Inhalt und Form einzelner Sendungen.

Wir haben in unseren Betrieben eine ganze Reihe von sozialdemokratischen Arbeitern, von denen wir wissen, daß sie in der Sozialdemokratie organisiert sind, daß sie ihre politische Linie von der Sozialdemokratie in Westberlin bekommen. Wir kennen ihre Namen, in den Großbetrieben unseres demokratischen Sektors in Berlin gibt es eine ganze Menge. Wie können wir den Thälmann-Film ansetzen um mit ihm an diese Arbeiter heranzukommen, bei denen es uns in den meisten Fällen bis jetzt nicht gelungen ist, ihr Vertrauen zu erwerben? Wir diskutieren mit ihnen, aber wenn wir ihnen sagen: „Seht Euch den Thälmann-Film an , dann sagen sie: „Ach, der läuft ja noch lange, ich brauche ja nicht gleich hinzugehen“, oder sie sagen: „Na, da ist die Geschichte der Sozialdemokratie völlig falsch dargestellt“. Das können wir nicht durchgehen lassen.

Nachdem der Thälmann-Film allen Genossen klar und deutlich die Massenwirkung der wichtigsten der Künste des Filmes gezeigt hat, ist es jetzt an der Zeit, darüber nachzudenken, mit welchen Mitteln wir die Positionen, die die DEFA nach einer Reihe gelungener Filme erobert hat, weiter ausbauen können, auch in Richtung der westlichen, der kapitalistischen Welt. Zum ersten Mal waren in diesem Jahr Beobachter der DEFA mit Filmen der DEFA Teilnehmer beim Filmfestival in Cannes und in Venedig und zum zweiten Mal in Locarno. Sie sind nach Edinburgh und Ems gefahren, obgleich wir mit den Ländern, wohin wir diese Beobachter und Filme geschickt haben, vorläufig keine diplomatischen Beziehungen unterhalten. Wir müssen alles tun, um die Positionen, die wir mit unseren humanistischen Filmen zu besetzen anfangen, stärker auszubauen. Dazu gehört unter allen Umständen die technische Rekonstruktion des DEFA-Studios für Spielfilme.

Die Schwäche der Ideologie

Willi Rumpf Die Grundfrage ist die: wir haben zwar in den letzten Jahren im Finanzapparat — glaube ich — eine neue Generation von Finanzarbeitern erzogen. Die alte Zusammensetzung wie wir sie 1945 und in den ersten Jahren nach 1945 hatten, ist liquidiert. Aber was fehlt? Zwar haben sich diese Genossen, die auf dieses neue Arbeitsgebiet gestellt worden sind, nicht unbeträchtliche fachliche Qualitäten erarbeitet. Aber die Haupt-schwäche besteht bei ihnen darin, daß sie, d. h. daß wir nicht genügend darauf geachtet und nicht genügend Anstrengung gemacht haben, sie mit den entsprechenden marxistisch-leninistischen Theorien auszurüsten. Wir haben noch einen Zustand, daß wir alle möglichen Formen der Schulung für die Erreichung der notwendigen fachlichen Qualifikation haben, aber den Kenntnissen der ökonomischen Gesetze und insbesondere der richtigen Anwendung unter unseren Bedingungen, haben wir bei unserer Ausbildung nicht die genügende Aufmerksamkeit gewidmet, und vor allem Dingen in ganz ungenügendem Maße ihnen das marxistisch-leninistische Fundament, insbesondere über die Theorie der Übergangsperiode gegeben.

Kurt Hager (Leiter der Abteilung Wissenschaft und Hochschulen im ZK)

Drittens leidet die ideologisch-politische Arbeit an dem Mangel an Kühnheit. Als ich vor kurzem unsere Historiker fragte, warum es bei ihnen so wenig Diskussionen über strittige oder unklare Probleme gibt, antwortete mir ein junger Genosse: „Wir haben Angst." Auf die Frage: „Vor was habt Ihr Angst?" meinte er: „Davor, daß wir sofort vom ZK geprügelt werden, wenn wir einen Fehler machen". Es kann sein, daß Mitarbeiter des ZK sich bei wissenschaftlichen Diskussionen falsch verhielten, aber das rechtfertigt nicht den Mangel an Mut, der vielfach bei unseren marxistischen Wissenschaftlern anzutreffen ist. Man muß doch sagen, daß die Wissenschaft kein Asyl für Müßiggänger ist.

Viertens ist die ideologisch-politische Arbeit oftmals deshalb schlecht und wenig wirksam, weil sie nicht genügend vielseitig und lebendig ist. In vielen Zirkeln des-Parteilehrjahres, gesellschaftswissenschaftlichenVorlesungen, öffentlichen Lektionen und besonders auf den Bildungsabenden der FdJ, herrscht gähnende Langeweile.

Otto Grotewohl Das ungenügend entwickelte sozialistische Bewußtsein bei einem großen Teil unserer Funktionäre, die bürgerlichen Überreste im Denken müssen natürlich Auswirkungen auf die Tätigkeit dieser Funktionäre, auf die Lösung der praktischen Aufgaben haben.

Hermann Matern Das Arbeitsproduktivität und Lebensstandard untrennbar verbunden sind, ist noch keineswegs allgemeine Erkenntnis. Daß in den Händen der Bauern die Hauptverantwortung für die Ernährung der Bevölkerung liegt, daß in den Büros der Regierungen und der Verwaltungen kein Brot und keine Kartoffeln wachsen, ist zwar eine Binsenwahrheit, die aber sehr ungenügend verbreitet ist. Die Regierung muß die Produktion fördern und das Ergebnis richtig verteilen. Es laufen Arbeiter und andere Leute in den kapitalistischen Westen, weil sie den lügnerischen Versprechungen glauben, daß dort die Margarine besser und das Leben angenehmer sei, wenn dann die große Enttäuschung kommt, trauen sie sich nicht zurück und werden teilweise Werkzeuge des Feindes. Die Menschen wissen nicht, oder es ist ihnen nicht klar, daß für die Arbeitermacht, für den Sozialismus seit mehr als hundert Jahren die besten und fortschrittlichsten Menschen gekämpft haben und unsagbare Opfer brachten.

Ist es nicht an der Zeit, daß wir rückhaltlos und offen, besonders in den Betrieben, diese Frage stellen und mit den Arbeitern diskutieren, daß sie im Interesse ihrer eigenen Zukunft nicht zu den Kapitalisten überlaufen dürfen?

Genauso müssen wir die Frage in den Dörfern und den Verwaltungen stellen. Die individuellen Interessen des einzelnen Werktätigen und die Interessen des Staates, sind nicht Gegensatz, sondern eine Einheit. Unsere Staatsmacht ist ein Instrument der Arbeiter und werktätigen Bauern und dient selbstverständlich den Interessen, der arbeitenden Menschen Es kommt darauf an, das Bewußtsein der Verantwortung für den Aufbau unseres Staates, für die Wirtschaft und für die Entwicklung des ganzen Lebens zu verbreitern und zu vertiefen.

Atomphysik

Professor Rompe Die obengenannten, wissenschaftlichen Veranstaltungen haben bewiesen, daß die Sowjetunion derzeit auf dem Gebiet der friedlichen Anwendung der Atomenergie an der Spitze liegt. Und das ist nicht nur von den Wissenschaftlern der befreundeten Länder, sondern auch von den führenden Wissenschaftlern Westdeutschlands, Englands und zum Teil auch der USA anerkannt worden.

Hierbei ist besonders wichtig, daß dieser Erfolg in einer verhältnismäßig kurzen Zeit errungen wurde, in den letzten 5— 6 Jahren. Und daß zu Beginn der Entwicklung der Kernphysik und Technik zweifellos die westliche Welt, vor allen Dingen die USA, jahrelang an der Spitze gelegen hat. Ohne eine detaillierte Analyse hier geben zu wollen, muß man auf zwei Gründe des Erfolges der Sowjetunion hinweisen: 1. Die Qualität der Physiker. Offensichtlich sind die sowjetischen Methoden der Ausbildung der Physiker denen der LISA überlegen.

Wir können in der DDR in dieser Hinsicht optimistisch sein. Zwar ist unser Ausbildungsverfahren für Physiker, das wir haben, nicht ganz so gut, wie das der Sowjetunion, es entspricht aber den guten deutschen Traditionen und es können die Erfahrungen der Sowjetunion berücksichtigt werden, so daß auch wir brauchbare Kader werden ausbilden können. Auf einen zweiten Grund für den Erfolg der Sowjetunion sei aber auch hingewiesen. In den Ankündigungen der Vorträge in Genf fällt auf, daß die amerikanische Gruppe ihre Vorträge zu den einzelnen Themen jeweils in fünffacher Ausfertigung dargeboten hat. Jeweils diese fünf Untergruppen entsprechen offenbar monopolistischen Vereinigungen, die miteinander in einer scharfen Konkurrenz stehen, wobei offenbar nur die Allermächtigsten es geschafft haben, ihre Vertreter nach Genf zu delegieren und ihre Zahl z. Z. vermutlich noch größer ist. In der Sowjetunion ist hingegen durch die Prinzipien der sozialistischen Wirtschaft eine geplante Geschlossenheit der Bearbeitung einer solchen Komplexaufgabe garantiert, die eine größere Konzentration der Kräfte ermöglicht, bei Wahrung einer Vielseitigkeit der untersuchten Probleme, die eher noch größer ist, als in den USA.

Wir sehen also, daß die Überlegenheit der Sowjetunion keineswegs eine zufällige ist, sondern sich in ihr die Überlegenheit des sozialistischen Systems entscheidend widerspiegelt, sowohl in organisatorischer Hinsicht, wie in der Ausbildung der geeigneten Kader. Dieses kann uns durchaus optimistisch stimmen, denn wir werden selbstverständlich unsere Arbeiten nach ähnlichen Prinzipien zu organisieren haben, wie die Sowjetunion.

Koexistenz zwischen „DDR" und Bundesrepublik?

Kurt Seibt Eine interessante Diskussion gab es bei uns auch über die Frage der Koexistenz, ob dieses Prinzip ebenfalls für'die Beziehungen zwischen der DDR und der Bundesrepublik Gültigkeit hat. Darüber gab es zuerst Unklarheiten, die auf einer theoretischen Konferenz, die bei uns durchgeführt wurde, nicht einleuchtend und konsequent geklärt wurden. Wir habe diese Frage beantwortet mit der Darlegung der Vorschläge der Sowjetunion über die Schaffung eines Systems der kollektiven Sicherheit in Europa. Diese Vorschläge beruhen ja auf den Prinzipien der Ko--

existenz und zeigen, wie sie angewendet werden müssen auf die bestehenden Verhältnisse. Ein solcher Vertrag würde internationalem Charakter tragen, weil sich ihm alle europäischen Staaten, oder zumindest fast alle, anschließen müßten, einschließlich der beiden deutschen Staaten. Der Vertrag würde hauptsächlich die äußeren Bedingungen schaffen für einen friedlichen Weg; die innerenBedingungen. dieBeseitigungderMachtposition des Militarismus i, n Westdeutschland und die Schaffung demokratischer V e rhältnisse, können nur durch das Deutsche Volk selbst geschaffen werden. Es ist das Recht einer jeden Nation, seine inneren Fragen selbst zu entscheiden und sie kann auf dieses Recht nicht verzichten, wenn sie sich nicht selbst aufgeben will. Darin liegt auch begründet, daß die Frage der Wiedervereinigung in erster Linie eine innere Angelegenheit der deutschen Nation selbst ist. Daraus ergibt sich, daß die Wiedervereinigung in erster Linie eine Angelegenheit der deutschen Arbeiter, der Deutschen selbst ist und die Arbeiterklasse und alle friedliebenden Menschen in ganz Deutschland dafür gemeinsam kämpfen müssen.

Das ist zum Beispiel die Frage der Konjunktur in Westdeutschland. Für viele ist es doch schwierig zu verstehen. Wir reden auf der einen Seite vom Sturz der Börsenkurse in New York und auf der anderen Seite von einer Konjunktur. Wir reden von Konjunktur in Westdeutschland und zugleich von der Zunahme der Ausbeutung und des Elends. Wie ist das alles zu erklären? Ich glaube, man kann in den Grundfragen die heutige Lage in Westdeutschland mit der Zeit der kapitalistischen Konjunktur Ende der zwanziger Jahre vergleichen. Der Unterschied ist der, daß damals das Monopolkapital in ganz Deutschland herrschte, die Sowjetunion der einzige sozialistische Staat war, der den Sozialismus erst aufbaute. Auch damals hatten die Kapitalisten die Einrichtung ihrer Betriebe erneuert, modernisiert und die Rationalisierung auch damals waren die sozialdemokratischen Führer eingeführt, wütende Feinde der Sowjetunion und versuchten den Arbeitern weiszumachen, daß das ewig so bliebe und immer besser werden würde, daß Kapitalisten und Arbeiter im Grunde die gleichen Interessen hätten usw. usw. Ich glaube, damals wurde schon das Wort von der „Sozialpartnerschaft" Mode. Dabei hatte sich gerade in diesen Jahren die Ausbeutung ungeheuer verschärft, denn sie geht ja Hand in Hand mit der Rationalisierung im Kapitalismus.

Es ist natürlich heute so, daß die Entwicklung in Westdeutschland bestimmte Ähnlichkeiten aufweist und daß wir daraus unsere Schlußfolgerungen ziehen müssen. Daß es gerade darauf ankommt, diesen Zusammenhang zwischen Krise und Konjunktur in der kapitalistischen Ordnung zeigen. Diese Kursstürze in New York sind gewissermaßen zu das Wetterleuchten für das hereinbrechende Gewitter, das unbedingt kommen muß und das den Kapitalismus letzten Endes nicht davor retten kann. Es ist meiner Meinung nach wichtig, in der Propaganda gerade diese Seite der Sache besonders hervorzuheben.

Der Kampf gegen SPD-und DGB-Führung

Karl Schirdewan (Mitglied des Politbüros)

In Westdeutschland zeigt sich, daß die Politik der rechtssozialdemokratischen Führer die Arbeiterklasse hindert an der Entfaltung ihrer Fähigkeiten und Potenzen, um an der ganzen Front den politischen Kampf gegen ihre Ausbeuter zu führen.

Aber zugleich versuchen sie durch die Politik der Arbeitsgemeinschaft mit dem Monopolkapital der sogenannten Sozialpartnerschaft einen Teil der Arbeiterkader zu demobilisieren, zu demoralisieren und sie ihrer Klassenorientierung zu entfremden.

Das Monopolkapital unterwirft mit Hilfe der rechtssozialdemokratischen Führer die Fähigkeiten, Talente und die Begabungen, die auch in der westdeutschen Arbeiterklasse ruhen, der Ausbeutung und der Dienst-barmachung für imperialistische Zwecke. . ..

Max Reimann Was hat nun zu alledem der Parteivorstand der SPD zu sagen? Der Hauptredner der SPD, Dr. Deist, legte ein offenes Bekenntnis zu den Grundprinzipien der Wirtschaftspolitik der Adenauer-Regierung und zu dem Wirtschaftssystem des Monopolkapitalismus ab. Dr. Deist bekannte sich — „mit Stolz" — Zu der wirtschaftlichen Entwicklung der Bundesrepublik in den letzten zehn Jahren, als der „Frucht einer wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Ordnung, die auf dem Fundament der Freiheit beruht“. Diese Rede bestätigt voll und ganz die Einschätzung, die wir in unserer programmatischen Erklärung über die jüngste Entwicklung der Politik der SPD-Führung gegeben haben, wenn wir feststellen, daß sie eine gemeinsame Außenpolitik befürwortet, um so das Sprungbrett für die gemeinsame Innenpolitik zu finden.

In der SPD-und DGB-Führung gibt es also jetzt nicht mehr nur die bisherige Stillhaltepolitik, es gibt dort eine Wendung auf die direkte Unterstützung der Durchführung der Pariser Verträge. Das entspricht den offenbaren Absichten der Monopolkapitalisten angesichts des Abbröckelns der Massenbasis der CDU, die SPD und den DGB vor den Karren der Rüstung zu spannen und damit der Durchführung der Pariser Verträge die für das Monopolkapital notwendige Massenbasis zu verschaffen.

Diese prinzipielle Auseinandersetzung ist jetzt die Kernfrage. Wenn die Mitglieder der SPD und des DGB in dieser Weise Klarheit erhalten, wenn wir den Schleier, den ihnen ihre rechten Führer vor die Augen halten, herunterreißen, dann werden sie diesen Führern nicht folgen. Wo die Arbeiter die wirklichen Absichten der rechten Führer der SPD und des DGB durchschauen, reagieren sie, und auch die mittleren und unteren Funktionäre, sehr scharf gegen diese Entwicklung.

Wir haben in der Vergangenheit nur sehr ungenügend mit solchen Dokumenten gearbeitet und wollen daraus die Lehre ziehen, indem wir uns nicht nur auf die innerparteiliche Arbeit allein beschränken. Hand in Hand mit der ideologischen Arbeit in der Partei, wollen wir die Genossen befähigen, in den Massen mit der programmatischen Erklärung zu wirken, auf dieser Grundlage Aussprache mit SPD-Genossen und in der Gewerkschaft durchzuführen und so einen umfassenden Meinungsaustausch über die großen Probleme der Arbeiterklassen unseres Volkes zu beginnen.

Wir werden die Anleitung unserer Partei so entwickeln, daß sie darauf orientiert wird, überall in Betrieben der Gewerkschaft, am Ort, noch besser die Aktionsgemeinschaft mit den sozialdemokratischen Genossen für ganz bestimmte Ziele und Forderungen zu schaffen. Das sind im Betrieb Lohnforderungen Und Teuerungszulagen, der Kampf gegen das Betriebsverfassungsgesetz, das ist die Steigerung des Protestes durch Entsendung von Delegationen zu Dr. Agartz und seiner Mitarbeiter, die Verstärkung der gemeinsamen Anstrengungen für die Erhaltung der Einheit und Unabhängigkeit der Gewerkschaft. Das ist der Kampf gegen das Vordringen der Faschisten und Militaristen im Staatsapparat und für den Schutz der Jugend gegen Rekrutierung.

Zugleich aber müssen wir als Parteiführung weit mehr als bisher Argumente für die ideologische Auseinandersetzung mit jedem Schritt, mit jeder neuen Erscheinung der Politik der SPD-Führung den Genossen an die Hand geben. Auch dabei gilt es, eine wichtige Lehre, besonders aus den Erfahrungen des Wahlkampfes in Bremen zu ziehen, nämlich unsere Argumentation wirklich so dem Verständnis der sozialdemokratischen Genossen anzupassen, daß sie dadurch befähigt werden, hinter der Tarnung die wirklichen Absichten der SPD-Führung zu erkennen.

Neben den Argumenten in Worten werden wir unser Augenmerk besonders auf unser stärkstes Argument, die lebendige Erfahrung der SPD-Genossen und der Gewerkschaftler durch Delegationen in die DDR richten. Auf zwei Dinge wird es dabei vor allem ankommen: die Qualifizierung der Delegationen und ihre bessere Auswertung, die Entwicklung eines ständigen Kontaktes mit den Delegationsteilnehmern, um auf der Grundlage ihrer Erlebnisse weiterhin mit ihnen grundsätzliche Fragen, besonders die Frage der Macht und des Charakters der beiden deutschen Staaten auszudiskutieren und mit ihrer Hilfe der Hetze gegen die DDR wirksam entgegenzutreten, die gerade von der SPD-und DGB-Führung betrieben wird.

Paul Verner Wenn jetzt dringlicher als je in Westdeutschland die Aufgabe steht, alle Kräfte der Bevölkerung, die sich gegen die Politik des Adenauer-Regimes auflehnen, in einer umfassenden nationalen und demokratischen Bewegung des Volkes zusammenzuführen, deren Kern und leitende Kraft die in Aktionsgemeinschaft handelnde Arbeiterklasse sein muß, so stellt sich von selbst die Frage unseres Verhältnisses zu den sozialdemokratischen Arbeitern, mit denen wir gemeinsam gegen die Folgen der Bonner Politik kämpfen müssen, gegen Ausbeutung, Teuerung und Remilitarisierung — für bessere Löhne, Verständigung und Frieden.

Man muß der Arbeiterklasse und den sozialdemokratischen Mitgliedern die ganze Wahrheit sagen und nicht nur das, was vielleicht positiv und begrüßungswert ist, sondern auch das, was die SPD-Führer gegen die Interessen der Arbeiterklasse tun. Wir müssen auf alle Argumente der sozialdemokratischen Führung antworten und ihr jeden Vorwand nehmen, den sie gegen die Aktionseinheit errichten.

Eine andere, nicht weniger wichtige Seite ist die, auf alle Fragen, die die sozialdemokratischen Arbeiter und Gewerkschaftler über die DDR haben, offensiv zu antworten, so daß der sozialdemokratische Arbeiter und Gewerkschaftler erkennt, daß wir bis auf den Grund der Probleme-gehen und die bei ihnen bestehenden Zweifel und die noch vorhandene Furcht nehmen. Solange er nämlich glaubt — und daran sind die sozialdemokratischen und DGB-Führer sehr interessiert, daß er von der DDR etwas zu fürchten hat, sei es vom Standpunkt seiner Zukunft, seiner Freiheit und Rechte, bleibt die Hetze gewisser Führer der SPD und des DGB gegen die DDR wirksam.

Schlußwort

Walter Ulbricht Wenn wir uns der Zeit bis zur Genfer Konferenz und auch kurz danach erinnern, dann gab es damals eine solche Situation, daß die „Politik der Stärke" bis in die Reihen der Arbeiterklasse, der Bauern und der Intelligenz wirkte. In großen Kreisen war die Meinung vorhanden, es wird allgemeine, sogenannte Freie Wahlen geben und da die Militaristen in Westdeutschland bestimmte Tatsachen geschaffen haben, werden diese Wahlen dazu führen, daß Deutschland ein imperialistisches Deutschland wird. Das wäre der Weg in den Krieg.

Inzwischen ist im Ergebnis der Politik der Sowjetregierung in Genf und aus den Erklärungen der Genossen Bulganin und Chruschtschow offensichtlich geworden, daß die Politik der Stärke zum Scheitern verurteilt ist. Es ist eine Änderung der Lage eingetreten, auch in der DDR, in dem Sinne, daß die Friedenspolitik der Sowjetunion, des Friedens-lagers, einschließlich der DDR, an Einfluß gewinnt und daß der Bevölkerung klar wird, daß nur diese Politik eine Zukunft hat.

Daraus ergibt sich, daß die Hauptsache die Stärkung der DDR ist, damit sie eben’durch ihre Erfolge nach Westdeutschland wirksam wird und auch in Westdeutschland die Mehrheit der Arbeiterklasse und die breiten Massen der friedliebenden Bürger gewonnen werden.

Es gibt also eine klare Perspektive. In der vorliegenden Entschließung des ZK ist deshalb die Veränderung in der internationalen Lage und in Deutschland in Zusammenhang gebracht mit der Beantwortung der Frage: Welches ist der Weg zur Wiedervereinigung?

Was die Frage der Intelligenz betrifft, so ist in den meisten Betrieben momentan der Zustand, daß der größte Teil der Intelligenz ehrlich arbeitet. Aber das bedeutet noch nicht, daß alle Angehörigen der Intelligenz eine klare Perspektive haben, d. h„ sie unterliegen immer wieder den Angriffen und der Beeinflussung durch die feindliche Propaganda. Ich möchte sagen, sie unterliegen ihr ständig, heute in dieser Frage, morgen in jener Frage. Woher kommt das?

Ein Genosse hat mir erzählt wieviel hundert Fragen über alle möglichen Teilgeschichten man ihm erzählt und gestellt hat. Aber es kam kein Gespräch über die Grundfrage, die sie bewegt, zustande. Sie wollen wissen, wohin eigentlich der Weg geht. Sie sind sich nicht sicher, wer der Stärkere ist. Wird es das imperialistische Westdeutschland sein, wo das Monopolkapital herrscht oder ein Deutschland, wo das Monopolkapital nicht herrscht. Was ist die Perspektive? Das ist die Frage, die sie im Grunde stellen.

Man muß bei dem Teil der Intelligenz, der in Westdeutschland in der betreffenden Gruppe besser bezahlt wird, bei uns die Gehälter erhöhen.

Wenn es also richtig ist, wie Genossen hier gesagt haben, wir stehen an der Schwelle einer Revolution in der Wissenschaft und Technik, Genossen, dann müssen wir uns aber sehr anstrengen.

Man muß der Intelligenz in dieser Beziehung mehr entgegenkommen und organisieren, daß die Angehörigen der Intelligenz nach Bulgarien, Rumänien, in die Tschechoslowakei usw. in LIrlaub fahren können, damit sie nicht nach dem Westen fahren.

Noch zu etwas anderem! Warum sind denn einige der Ingenieure und Wissenschaftler von Zeiß weggegangen? Weil unsere Genossen den Eindruck erweckt haben, daß die Zeiß-Werke keine Perspektive haben. Das war der Grund. Der Hauptverwaltungsleiter hat die Direktive des Ministerrates in Bezug auf die Gehälter und die Umbesetzung von Arbeitskräften so durchgeführt, daß die Intelligenz zu der Meinung kam, das Werk habe nicht genügend Arbeit und keine Perspektive.

Jetzt weiter, was die Frage der Privatbetriebe betrifft. Die Kontrolle und ich möchte sagen die Lenkung der Privatbetriebe führen wir durch mit Hilfe des Vertragswesens und auf dem Weg unserer Finanzpolitik. Die Finanzorgane müssen eine richtige Politik durchführen und können nicht zulassen, daß hohe Steuerschulden bestehen bleiben und daß von den betreffenden Organen der Finanzverwaltung nichts dagegen unternommen wird.

Aber ich möchte dabei folgendes sagen, wir sollen und wollen selbstverständlich mit unserer Kritik nicht etwa die große Erziehungsarbeit, die die FDJ geleistet hat und leistet, unterschätzen.

Wir müssen etwas korrigieren: die Isolierung, in die die FDJ gekommen ist, muß beseitigt werden. Aus ihr müssen wir herauskommen, ohne etwa unsere Linie über die Aufgaben der FDJ zu ändern. Ohne die Stärkung der DDR ist diese große Perspektive nicht zu erreichen. Die Stärkung der DDR ist überhaupt auf allen Gebieten die Grundbedingung. Das ist etwas Neues in unserem Leben und das bezieht sich auf alle Teilgebiete der Arbeit einschließlich des Sportes. Auch dort muß die Argumentation auf allen Gebieten weiter entwickelt werden.

Das erfordert, daß wir mit Delegationseinladungen usw. in größerem Maßstab die Gewerkschaftler in Westdeutschland beeinflussen. Jetzt reden wir nicht mehr nur über die Frage, welche sozialen Verbesserungen in der DDR erreicht wurden, sondern wir müssen bei ihnen das Klassenbewußtsein heben. Der FDGB hat jetzt eine große Aufgabe, das Schwergewicht des Kampfes geht um die Gewinnung der westdeutschen Gewerkschaftsmitglieder. Das ist die erste Aufgabe der KPD, des FDGB und aller unserer Genossen und unserer Redaktionen, unseres Rundfunks usw. Man muß diese Arbeit verstärken, damit unsere Arbeit von wirklichem Erfolg gekrönt ist und wir haben günstige Bedingungen.

So denken wir, daß also der Beschluß unseres Zentralkomitees über unsere gesamte Politik besonders konkretisiert werden muß, auf die Arbeit in den westdeutschen Gewerkschaften. Wenn es uns gelingt, ist das eine große Sache und nach unserer Meinung muß das gelingen. Einige Gewerkschaftsführer oder sozialdemokratische Aufsichtsräte kann sich die Bourgeoisie halten, sie kann sogar einige hochqualifizierte Arbeiter besser bezahlen, was sie auch macht. Aber der Masse der Arbeiter geht es schlecht. Deren Ausbeutung nimmt zu, deren Knebelung wird schärfer unter den Bedingungen der Remilitarisierung und der Rüstungsproduktion und weil das so ist, deshalb müssen wir jetzt die Arbeit verstärken.

Konsequenzen

Soweit dieAuszüge aus den Referaten und Diskussionen des 2 5. Plenums, die ein eindrucksvolles Bild von den außerordentlichen inneren Schwierigkeiten, denen sich die SED bei der „Verwirklichung des Sozialismus in der DDR“ gegenübersieht, geben. Die Einstellung der Bevölkerung ist dem ZK bereits am 17. Juni auf eindrucksvolle Art demonstriert worden, an ihr hat sich bis heute nichts geändert.

Trotz allem kann eine totalitäre Partei nicht kapitulieren, sie muß versuchen, auch in der schwierigsten Situation einen Ausweg zu finden. So führte das 25. Plenum des ZK zu unmittelbaren praktischen Konsequenzen. Schon am 24. 11. 1955 beschloß das Präsidium des Ministerrats besondere Maßnahmen zur Verstärkung und Verbesserung der Arbeit des Staatsapparates. Beim Präsidium des Ministerrates wurden eine Kommission für Industrie und Verkehr, eine Kommission für Konsumgüterindustrie und Versorgung der Bevölkerung und eine Kommission für Landwirtschaft gebildet. Damit unternimmt das Zentralkomitee den Versuch, durch besondere administrative Maßnahmen die unzulängliche Arbeit des Staatsapparates zu aktivieren.

Wesentlicher jedoch war die Umwandlung des Staatssekretariates für Staatssicherheit in ein Ministerium für Staatssicherheit unter Berufung Wollwebers zum Minister. Der verstärkte Terror gegen die unzufriedene Bevölkerung und die Republikflucht ist unvermeidlich geworden. Er findet seinen ersten drastischen Ausdruck im Urteil des Obersten Gerichts der Sowjetzone, das wegen „Abwerbung von Facharbeitskräften aus der DDR" am 27. Januar 1956 den Konstrukteur im Ostberliner Ingenieurbüro Chemie Max Held und den 2. Vorsitzenden der Betriebsgewerkschaft im Funkwerk Erfurt Werner Rudert zum Tode, die Stenotypistin Eva Halm zy lebenslänglichem Zuchthaus und den Hollerithspezialisten Werner Sachse zu 8 Jahren Zuchthaus verurteilte. Die Abwanderung qualifizierter technischer Kräfte aus der Sowjetzone ist zu einer tödlichen Gefahr für das Wirtschaftssystem geworden.

Eine Erhöhung der Arbeitsnormen ist kaum durchzuführen, bei allen derartigen Erwägungen des ZK ist die Erinnerung an den 17. Juni ein entscheidender Hinderungsgrund. Ob angesichts des Versagens der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften die Kollektivisierung der Landwirtschaft rigoros vorangetrieben werden kann, ist zumindest fraglich.

Die „offene Aussprache“ mit der FDJ hat begonnen. In Ost-Berlin veranstaltete die Redaktion der „Jungen Welt", der Jugendfunk des Rundfunks und die FDJ-Bezirksleitung Groß-Berlin einen Ostberliner Dikussionsabend: „Auf jede Frage eine Antwort". Die Fragen der FDJ bezogen sich auf Tito, Berija, die „Entstalinisierung" und enthüllten „Generallinie". die Fragwürdigkeit der Am Schluß der Diskussion sah sich Axen, Mitglied des ZK, anders als mit politischen Hermann Gemeinplätzen zu antworten.

Um den entscheidenden Faktor gegen die SED, den höheren Lebensstandard der Bundesrepublik, im Bewußtsein der Sowjetzonenbevölkerung zu vernebeln, veranstaltete das Institut für Wirtschaftswissenschaften bei der Deutschen Akademie der Wissenschaften Ende Januar eine repräsentative Konferenz . „Wirtschaft und Wirtschaftswissenschaften in Westdeutschland“. Hauptreferate waren: „Struktur und Entwicklung der Wirtschaft in Westdeutschland nach dem 2. Weltkrieg" und „Der gegenwärtige Stand der ökonomischen Wissenschaften in Westdeutschland“. Die zur Diskussion gestellten Thesen erstreckten sich „von der katholischen Soziallehre bis zur Stellung des deutschen Imperialismus auf dem Weltmarkt“. Aufgabe der Diskussionen war es, wesentlich daran mitzuhelfen, „den Mißbrauch wirtschaftlicher Macht weiter zu entlarven, der seit Jahr und Tag im Bonner Staat gegen die Werktätigen praktiziert wird. Diese Konferenz muß, und das sollte ihr höchstes Anliegen sein, den deutschen Werktätigen als Anleitung zum Kampf gegen Monopole und Militarismus die Waffe der Theorie, die Waffe der fortschrittlichen Wissenschaft schärfen“. Einzehhemen für die in zehn Arbeitskreise aufgeteilte Diskussion waren u. a.: „Der staatsmonopolitische Kapitalismus in Westdeutschland"

„Der aggressive Charakter des westdeutschen Monopolkapitals"

„Die dauernde Verschlechterung der Lebenslage der westdeutschen Arbeiterschaft"

„Die Abzahlungsgeschäfte als raffinierte Methode zur Steigerung der Ausbeutung"

„Die Methoden der Ausbeutung und die Verelendung der Werktätigen in den westdeutschen Konzernbetrieben“

„Der Bankrott der ökonomischen Lehren der rechten SPD-und DBG-Führer“ „Widerlegung der Theorie der rechten Sozialdemokratie —'eine dringliche Aufgabe“

„Die opportunistischen Verführer in der SPD-und DGB-Führung“

„Das Ende des Wirtschaftswunders“

Der niedrige Lebensstandard der Bundesrepublik und die Verelendung der westdeutschen Arbeiterschaft sollen wissenschaftlich bewiesen werden. Die Wissenschaft ist „Opium fürs Volk“ geworden.

Ungeachtet aller inneren Schwierigkeiten in der Sowjetzone setzt die Führungsgruppe der SED ihren Kampf gegen die Bundesrepublik fort. Die Erklärungen von Ulbricht, Reimann und Verner über die Infiltration in Westdeutschland sind unmißverständlich. Das Ziel ist der Einbruch in die westdeutschen Gewerkschaften, die Gewinnung großer Teile der westdeutschen Arbeiterschaft und die Isolierung der gegen den Kommunismus immunen SPD-und DGB-Führung von ihren Mitgliedern. Diese großangelegte Offensive erfolgreich abzuwehren, ist die nächste Aufgabe aller freiheitlichen Kräfte in Westdeutschland. Ihre Voraussetzung ist die Schaffung stabiler sozialer Verhältnisse für alle Werktätigen in der Bundesrepublik. Darüber müssen in einer breiten Kampagne politischer Aufklärung auch die letzten Illussionen über den antisozialen Charakter des totalitären Systems zerstört werden. Lind schließlich sollte aus dem Geist des 17. Juni eine offensive politische Konzeption entwickelt werden, die in der Ostzone selbst wirksam wird, basierend auf den zahlreichen Schwächen des Systems, die das Plenum des ZK so überzeugend dargestellt hat.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Sperrungen im Text durch die Red.

  2. Maschinen-Traktoren-Stationen.

  3. Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften.

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